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"CLEAN CARE" 09

NATO/PfP-Kräfte üben in Dänemark die Sanitätsdekontamination

Das Ziel dieser Partnership for Peace (PfP)-Übung war es, Abläufe und Maßnahmen bei der Versorgung kontaminierter und verwundeter Soldaten zu überprüfen und zu verbessern. Die Anregungen zu dieser Übung kamen von der NATO Chemical Biological Radiological Nuclear (CBRN) Working Group. Der Übung vorangegangen waren zwei Sanitätsdekontaminations- (SanDeko) Workshops: 2005 in Wien und 2007 in San Antonio (USA). Erstmalig beteiligte sich auch ein österreichisches SanDeko-Element an einer derartigen internationalen Übung.

Die Aufgabe der Sanitätsdekontamination ist es, kontaminierte Verwundete unter notärztlicher Betreuung soweit zu dekontaminieren, dass eine Weiterbehandlung durch ungeschütztes medizinisches Personal möglich ist bzw. die Kontamination nicht in medizinische Einrichtungen verschleppt wird. (siehe TD 5/2009, "Die Sanitätsdekontaminationsanlage der Feldambulanz des Sanitätszentrums West").

Die Vorbereitung

Nach einer Vorbesprechung in Skive (Dänemark) Mitte Mai 2009 und zahlreichen Vorbereitungsmaßnahmen wurde am 24. August 2009 das Gerät des österreichischen Dekontaminationsteams per Bahn nach Dänemark versandt. Die Mannschaft, 25 Soldaten aus ganz Österreich, darunter auch zwei Milizangehörige, folgte eine Woche später per Flugzeug.

Zur Eingewöhnung in Dänemark verblieb jedoch kaum Zeit, weil die Ankunft in der Kaserne in Skive erst am Vorabend der ersten Aktivitäten erfolgte. Dennoch konnten bei einem von den dänischen Streitkräften organisierten Kennenlernabend ("Icebreaker") Kontakte zu den Teams aus Dänemark, den Niederlanden, Großbritannien und den USA geknüpft werden.

Am folgenden Tag präsentierten die Teams ihr Gerät in einer statischen Leistungsschau. Dabei verschafften sich die Kommandanten der Teams (Teamleader) einen Überblick über Können und Kapazitäten der anderen Teams. Auch erste Absprachen für die folgenden Übungstage fanden statt.

Die Teilnehmer

Die U.S.-Army entsandte ein Emergency Management & Assessment Team (EMAT), eine in Deutschland stationierte Spezialeinheit. Sie hat den Auftrag, europaweit im Falle einer Freisetzung radioaktiver, biologischer oder chemischer Substanzen diese zu detektieren und zu analysieren sowie betroffene Einsatzkräfte zu beraten. Die technische Ausrüstung dieses Teams war (mehr als) beeindruckend! Leider unterlagen einige besonders interessante Geräte offensichtlich der Geheimhaltung und Fragen zu diesen blieben unbeantwortet.

Großbritannien entsandte ein, nach den letzten Terroranschlägen in London aufgestelltes Ambulance Hazardous Area Response Team (HART), ein ziviles Team des britischen Gesundheitsministeriums. Dieses soll bei Anschlägen, auch unter CBRN-Bedingungen, vor Ort Erste Hilfe leisten, Verwundete abtransportieren sowie durch ihre Kommandostruktur und Fernmeldemittel andere Einsatzkräfte steuern. Sowohl die medizinische als auch die technische Ausstattung dieses 42 Mann starken Teams zeigt, dass Großbritannien die Gefahr terroristischer Anschläge mit CBRN-Waffen offensichtlich sehr ernst nimmt.

Die niederländische Armee stellte ein 19 Mann starkes SanDeko-Element und ein Role 1 (ärztliche Erstversorgung) Collective Protection (COLPRO) Zelt aus einem Sanitätsbataillon. Das COLPRO ist ein ABC-dichtes Überdruckzeltsystem, das dazu dient, im kontaminierten Gebiet Verwundete unter Schutz vor Umgebungseinflüssen notärztlich zu behandeln. Auch kleinere Operationen sind darin möglich. Das niederländische SanDeko-Element hat grundsätzlich die gleiche Aufgabe wie das österreichische, verwendet allerdings weniger technische Hilfsmittel.

Dänemark stellte ein Aufklärungs- bzw. ABC-Abwehrteam und zwei Sanitätsgruppen sowie Sanitätspanzer (Radpanzer) für den Transport der verwundeten Soldaten nach einer Dekontamination ab.

Das Österreichische Bundesheer beteiligte sich mit einem 25 Mann starken verminderten Sanitätsdekontaminationsteam (zur Dekontamination liegender Verwundeter sowie zur Eigendekontamination) mit zwei aufblasbaren Zelten und einer Schienenstraße. Auf das vorgesehene dritte Zelt (zur Dekontamination gehfähiger Verwundeter) musste aus personellen und technischen Gründen verzichtet werden.

Der Übungsablauf

Am zweiten Tag frühmorgens begann die eigentliche Übung. In einem kurzen Briefing wurden die Teilnehmer in die Ausgangslage eingewiesen: Die einzelnen Teams stehen als Teil einer multinationalen Force im Ausland im Einsatz. Eine dänische CIMIC-Patrouille (Civil Military Cooperation/zivil-militärische Zusammenarbeit) meldet in einem mehrere Kilometer entfernten Dorf eine Explosion, bei der offensichtlich auch chemische Kampfstoffe freigesetzt worden sind. Der Kontakt zur Patrouille reißt ab, und die Teams setzen sich unverzüglich in Marsch, um die Lage zu klären und notfalls entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Da die einzelnen Aufgaben, Schnittstellen und detaillierten Abläufe der Zusammenarbeit unter den Teams bereits am Vortag koordiniert worden waren, konnte der Bereitstellungsraum für den weiteren Einsatz rasch bezogen werden. Das EMAT der U.S.-Army und zwei Sanitäter des britischen Ambulance HART erkundeten inzwischen die Lage. Kurz darauf meldeten diese eine größere Anzahl Verwundeter mit zusätzlicher Organophosphatintoxikation (Krämpfe und Nervenlähmungen) durch freigesetzte Insektenvertilgungsmittel. Die britische Einheit errichtete daraufhin eine vorgeschobene Verwundetensammelstelle (Casualty Collection Point) und begann mit Erste Hilfe-Maßnahmen.

Währendessen errichteten das niederländische und das österreichische Team nebeneinander ihre Sanitätsdekontaminationszelte und stellten die sofortige Einsatzbereitschaft her. Die Auswahl des Standortes für die beiden Systeme stellte sich von Größe und Raumordnung als ideal heraus, auch die Windrichtung stimmte. Unmittelbar nach Fertigstellung lieferte das Ambulance HART auch schon die ersten Verwundeten(darsteller) mittels eines adaptierten 6x6 Quad an. Dieses Fahrzeug erwies sich für den Verwundetentransport im Gelände über kurze Strecken als sehr gut geeignet, allerdings trafen die Verwundetendarsteller, bedingt durch die herbstliche Witterung, bereits etwas unterkühlt bei den Sanitätsdekontaminationsstellen ein.

Die Triage und die Zuweisung der Verwundeten zu der jeweiligen Deko-Stelle führte eine niederländische Militärärztin durch. Anschließend erfolgte eine nochmalige ärztliche Untersuchung und medizinische Vorbereitung durch die Notärzte der Deko zur eigentlichen Dekontamination. Bis zu diesem Punkt liefen das niederländische und das österreichische Dekontaminationsverfahren weitgehend gleich ab. Im Dekontaminationsbereich selbst unterschied sich die Arbeitsweise aber grundlegend. Bei der österreichischen Anlage wird der Patient auf einer Schienenstraße durch drei hermetisch abgetrennte Module geschoben. Dabei wird im ersten Modul der Patient komplett entkleidet und die Wunde dekontaminiert, im zweiten der Patient an sich dekontaminiert und im dritten Modul, dem Reinbereich, der Patient endversorgt und an die nächste Sanitätseinrichtung (z. B. Krankenhaus) übergeben. Der Vorteil dieser Anlage ist ein schonender Umgang mit dem Patienten, ein geringer körperlicher Kraftaufwand und keine Kontaminationsverschleppung aufgrund des Einsatzes der Schienenstraße.

In der niederländischen Anlage wird der Patient von drei bis vier Mann von Station zu Station getragen und dabei mehrmals umgelagert. Eine Kontamination der Schutzanzüge des Dekontaminationspersonals ist deshalb nicht vermeidbar. Dabei war die körperliche Belastung so groß, dass von den Niederländern nach einer Stunde eine Pause eingelegt werden musste, während das österreichische Team noch keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigte und die restlichen Patienten alleine "aufarbeiten" konnte. Allerdings war das niederländische Team im Aufbau ihrer Anlage, bedingt durch den geringeren technischen Aufwand, deutlich schneller.

Schneller und einfacher zu handhaben ist auch die Overgarment-Schutzbekleidung (Einweg-Schutzanzug, bestehend aus einem Oberteil mit Kapuze, einer Hose, Handschuhen und Überschuhen, der aber nur begrenzten Schutz bietet) der Niederländer im Gegensatz zum österreichischen "Schutzanzug 90" (Vollkörperanzug mit säurefesten Stiefeln).

Eines der Hauptprobleme dieser Übung war jedoch die fehlende Kommunikationsmöglichkeit zwischen den Teams. Die britische Ambulance HART erhielt das Kommando aufgrund ihrer Struktur und ihrer Kommunikationsmittel, beginnend mit einer Echtzeitüberwachung mit 360°-Fernsehmonitoren (Rundumsicht) bis zur Satellitenübertragung. Allerdings waren diese "zivilen" Geräte mit den militärischen Fernmeldegeräten der anderen Teilnehmerstaaten nicht kompatibel und so war ein geordneter Funkverkehr unmöglich. Daraufhin sorgten - genau wie früher - Melder für die Weitergabe von Meldungen und Befehlen. Leider unterschieden die eingeteilten Melder auf ihren Wegen nicht zwischen kontaminierten und sauberen Räumen, was in einem realen Szenario schnell zu einem Ausfall dieses Meldesystems, aufgrund von Kontamination, geführt hätte.

Die Übungsleitung zeigte sich jedoch mit dem Verlauf der Übung zufrieden und der Abend dieses Tages diente den einzelnen Teams zu einer längeren Nachbesprechung.

Der letzte Übungstag war durch die herrschende schlechte Witterung geprägt: Starker Regen und Windböen sowie Temperaturen deutlich unter 10° C setzten allen Übungsteilnehmern zu. Die Ausgangslage war dieselbe wie am Vortag. Diesmal ereignete sich eine Explosion auf einem orientalischen Markt. Wiederum wurden Organophosphate (Insektenvernichtungsmittel mit ähnlicher Wirkung wie Nervenkampfstoffe) freigesetzt und 30 Personen verwundet.

Während sich das U.S.-EMAT und das Ambulance HART zur Erkundung des Gebietes aufmachten, versuchten die beiden Sanitätsdekontaminations-teams in ihrem zugewiesenen Aufstellungsort, einer Industrieruine, einen geeigneten Platz für die Zelte zu finden. Problematisch dabei waren, neben den engen Räumen, Massen von Glasscherben auf dem Boden, aus dem Beton ragende Armierungseisen, tiefe Wassergräben und mangelnde Zufahrtsmöglichkeiten für die schweren LKW. Dennoch gelang ein akzeptabler Kompromiss. Die Aufbauzeit, speziell für die österreichische Anlage, bis zur Betriebsbereitschaft dauerte dadurch deutlich länger als ursprünglich eingeplant. Leidtragende waren vor allem die Verwundetendarsteller, die am britischen Casualty Collecting Point liegend dem Wetter ausgesetzt waren und auf die Einsatzbereitschaft der Dekontaminationsanlage warten mussten. Gemeistert wurde diese Situation, indem die einzelnen Dekontaminierungsmaßnahmen in abgekürzter Form durchgeführt wurden. Im Anschluss transportierte man die Verwundetendarsteller zum Aufwärmen ins niederländische COLPRO Zelt.

Fazit

Die erste internationale Übung war für das österreichische Team eine große Herausforderung. Es gab einige Schwierigkeiten und Probleme aufgrund noch fehlender Ausstattung, aber auch aus der noch nicht gänzlich abgeschlossenen Ausbildung einiger Teilnehmer. Trotzdem erhielt das österreichische Kontingent allgemein Anerkennung. Sowohl die Grundkonzeption der Anlage als auch das Engagement des Sanitätspersonals wurde lobend von der Übungsleitung erwähnt. Diese Übung bot reichlich Gelegenheit, verschiedene Arbeitsschritte der Dekontamination zu überdenken und gab den Anstoß für mehrere kleine technische Änderungen am österreichischen Deko-System. Einige Ideen und Ratschläge anderer Teams wurden dankbar aufgenommen und die Erfahrungen dieser Übung bereits in die Ausbildung eingearbeitet.

Eines ist jedoch gewiss: Das Bundesheer ist mit seiner modulartig aufgebauten Dekontaminationsstraße auf dem richtigen Weg!


Autor: Oberstarzt Dr. Ewald Esterer, Jahrgang 1955. Grundwehrdienst 1984, seit 1990 Dienst in der Sanitätsanstalt Salzburg, derzeit Kommandant der Feldambulanz des Sanitätszentrums West; Einsätze bei UNFICYP, in Kaprun (nach der Brandkatastrophe im Tunnel der Standseilbahn) sowie in Sri Lanka und Thailand (jeweils nach einem Tsunami).

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