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Die sicherheitspolitische Lage Japans

von Yoshiteru Oka

Kurzfassung

◄ In jedem Land ist die rechtliche Grundlage des militärischen Oberbefehls entweder in der Verfassung oder einem entsprechenden Gesetz verankert, nicht so in Japan. Hier kann der Ministerpräsident nur mit Zustimmung des Kabinetts den Einsatzbefehl geben und selbst dann darf Waffengewalt nur zur Selbstverteidigung angewandt werden. Diese Rechtslage geht auf die unter amerikanischer Anleitung entstandene Verfassung zurück, die den Kriegsverzicht besonders hochhält und die tiefe Ablehnung von Krieg durch die japanische Bevölkerung ebenso widerspiegelt wie die alliierte Angst vor einem Wiederaufleben des japanischen Militarismus. Die Existenz und Stellung der japanischen "Selbstverteidigungsstreitkräfte" ist in der Verfassung nicht erwähnt, das einem Verteidigungsministerium entsprechende "Verteidigungsamt" ist lediglich als ein Sonderamt des Büros des Ministerpräsidenten platziert.

Allerdings gibt es einen Gesetzesentwurf der Regierungspartei, der über eine Verfassungsänderung die nationalen Streitkräfte in der Verfassung verankern und den Oberbefehl regeln will. Mit einer Zweitdrittelmehrheit im Parlament und einfacher Mehrheit bei einer Volksabstimmung könnte ein wichtiger Meilenstein für die japanische Sicherheitsgesetzgebung gesetzt werden. Die Stärke der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte liegt knapp über einer Viertelmillion Mann, wobei die Landstreitkräfte mit etwas weniger als 160.000 Mann die stärkste Teilstreitkraft sind. Da es in Japan keine allgemeine Wehrpflicht gibt, sind die Selbstverteidigungsstreitkräfte ein Freiwilligenheer, dessen Angehörige den vermutlich längsten schulischen Werdegang bei Diensteintritt vorweisen können. Japan liegt bei den Militärausgaben weltweit an fünfter Stelle, wobei die knapp 43 Mrd. USD etwa 1% des BIP entsprechen.

Um auf die neuen Bedrohungen besser reagieren zu können, werden die Teilstreitkräfte ab 2006 unter einer eigenen Führung operieren. Das Verteidigungskonzept ist nicht mehr so stark gegen Russland, sondern eher gegen Nordkorea und China ausgerichtet; Raketenabwehr, der Kampf gegen Guerilleros und der Schutz abgelegener Inseln erhalten eine neue Priorität. Pjöngjang steht nicht erst seit dem Raketentest über japanisches Territorium hinweg auf der Bedrohungsliste weit oben. Tokio ist sich bewusst, dass Nordkorea nicht nur Atombomben baut, sondern auch in die Entwicklung biologischer Waffen investiert. Der Hauptgegner Japans ist aber gegenwärtig Peking: Chinesische U-Boote verletzen japanische Hoheitsgewässer, chinesische Forschungsschiffe werden in Japans exklusiven Wirtschaftszonen aktiv, und die zweistelligen Zuwachsraten beim chinesischen Verteidigungsbudget lassen in Japan Alarmglocken läuten.

Angesichts gemeinsamer Militärmanöver zwischen China und Russland setzt Tokio verstärkt auf seine Sicherheitspartnerschaft mit den USA; allerdings könnte ein amerikanischer Truppenabzug das Kräftegleichgewicht in der Region stören. Japan wäre in einem solchen Fall gefordert, im nordostasiatischen Raum mehr Verantwortung zu übernehmen. ►


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Die sicherheitspolitische Lage Japans

Gesetzliche Rahmenbedingungen, Veränderungen und Beziehungen zum Ausland

Die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte (SDF = Self-Defense Forces) beteiligen sich seit Februar 1996 im Nahen Osten am UNO-Friedenseinsatz auf den Golanhöhen (UNDOF), wo das österreichische Bundesheer bereits seit 1974 aktiv ist. Obwohl die Aufgaben der österreichischen Infanterieeinheit und der japanischen Transporteinheit sehr unterschiedlich sind, kann man unsere Truppen doch als "Kampfgenossen" bezeichnen, da sie in unmittelbarer Nähe untergebracht sind. Gerade deshalb ist es für mich eine besondere Ehre, in der Österreichischen Militärischen Zeitschrift über die japanische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zu schreiben.

Ein UNDOF-Kommandant meinte einmal im Scherz zu einem japanischen Truppenkommandanten: "Du würdest mir ja nicht einmal helfen, wenn ich in Todesgefahr wäre." Bei internationalen Einheiten gibt es aber sicher keinen Untergebenen, der seinem in Not geratenen Vorgesetzten nicht helfen würde. Wenn jedoch noch kein militärischer Einsatzbefehl ergangen ist, sieht das japanische Gesetz vor, dass außer im Falle von Notwehr oder Notstand der Waffengebrauch verboten ist. Dadurch wird japanischen Truppen sogar das in der UNO-Charta festgelegte Recht auf kollektive Selbstverteidigung vorenthalten. Diese Besonderheiten der japanischen Rechtsordnung bzw. der japanischen Sicherheitspolitik und der daraus resultierende Zustand der SDF führten auf internationaler Ebene immer wieder zu Problemen. Deshalb werde ich in diesem Artikel versuchen zu erläutern, mit welchen sicherheitspolitischen Maßnahmen man diese Probleme vermeiden könnte.

Gesetzliche Schwachstellen

Die Amtsenthebung des Leiters der Vereinten Generalstabskonferenz

Am 28. Juli 1978 wurde General Hiroomi Kurisu, Leiter der Vereinten Generalstabskonferenz, ganz überraschend seines Amtes enthoben. In einem Interview eines japanischen Wochenmagazins äußerte sich General Kurisu folgendermaßen: "Nach der derzeitigen Rechtslage in Japan können die SDF bis zur Erteilung des Einsatzbefehls vom Premierminister keine militärische Gewalt anwenden, daher handeln sie im Ernstfall in einer gesetzlichen Grauzone." Auf Grund dieser Aussage, die der Zivilkontrolle und dem Gesetz zu wenig Achtung entgegenbrachte, wurde er aufgefordert, seinen Dienst zu quittieren.

Gemäß dem Gesetz der japanischen SDF Artikel 76 und 88 obliegt es im Falle eines feindlichen Militärangriffs dem Ministerpräsidenten (=Premierminister), den Einsatzbefehl zu erteilen. Ist dieser Befehl erfolgt, können die SDF die geeigneten Mittel ergreifen. Interpretiert man dieses Gesetz seinem Wortlaut entsprechend, so können die SDF bis zur Einsatzbefehlserteilung des Premierministers einem ausländischen Heer, das vor ihren Augen an Land geht, so lange keinen Widerstand leisten, bis das gegnerische Heer das Feuer eröffnet. Die primäre Aufgabe von nationalen Streitkräften ist aber die Verteidigung des Staates und seiner Staatsbürger gegenüber dem feindlichen Ausland. Ein nationales Heer, dem die Landesverteidigung anvertraut wurde, kann einer Landung von Invasionstruppen nicht tatenlos zusehen.

"Folglich werden die japanischen SDF auch vor Erteilung des militärischen Einsatzbefehls die Gesetzesordnung außer Acht lassen und militärische Maßnahmen ergreifen, wenn sie erkennen, dass es sich um Invasionstruppen handelt", so General Kurisu weiter. In jedem Land sollten für einen Einmarsch von feindlichen Truppen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen sofortigen Gegenangriff gegeben sein. Nach japanischem Recht ist den Truppen der Einsatz von Waffen, außer bei Notwehr oder Notstand, verwehrt, bis der Einsatzbefehl erteilt ist. General Kurisu hat auf diesen Mangel im japanischen Recht hingewiesen und vor möglichen Folgen gewarnt. Mehr als 25 Jahre später finden sich jedoch nach wie vor einige dieser Schwachstellen in der japanischen Sicherheitsgesetzgebung.

Beispiel 1: Oberbefehlshaber der japanischen SDF

In jedem Land ist die rechtliche Grundlage des militärischen Oberbefehls entweder in der Verfassung oder einem entsprechenden Gesetz verankert. In Kriegszeiten verleihen die Staatsbürger dadurch dem Oberbefehlshaber vorübergehend besondere Befugnisse, wodurch er ohne Diskussionen in den Beratungsgremien Entscheidungen über wichtige Angelegenheiten treffen kann und die volle Verantwortung dafür übernimmt.

In Japan gibt es für solche Ausnahmesituationen bis jetzt kein entsprechendes Gesetz.

Es stellt sich daher die Frage, durch wen und wie das Militär in Japan im Ausnahmezustand in Bewegung gesetzt wird? Der Ministerpräsident besitzt die staatliche Macht, womit er den SDF den Einsatzbefehl erteilen kann. Er benötigt jedoch für jede Ausübung von administrativer Gewalt die Zustimmung des Kabinetts (Kabinetts-Gesetz Artikel 4 und 6). Das oberste Beschlussfassungsorgan Japans ist das Kabinett, und der Ministerpräsident ist nicht mehr als ein Abgeordneter und zugleich Vorsitzender des Kabinetts. Ohne den Beschluss des Kabinetts können keine wichtigen administrativen Maßnahmen für das Land ergriffen werden. Darüber hinaus herrscht im Kabinett das Prinzip der Einstimmigkeit. Wenn nur ein Kabinettsmitglied gegen den Einsatzbefehl stimmt, kann der Ministerpräsident dieses entlassen und sich selbst an dessen Stelle nominieren oder ein neues Kabinettsmitglied ernennen. Die Abwicklung dieser Prozedur ist jedoch äußerst kompliziert. Weiters stellt die militärische Einsatzbefehlserteilung die Ausübung einer administrativen Rechtsbefugnis dar und ist dadurch kein Oberbefehlsrecht, daher bedürfen auch alle weiteren Befehle eines Kabinettsbeschlusses. Sehr zugespitzt gefragt: Soll das Kabinett, das eine sehr pluralistisch zusammengesetzte Organisation darstellt, im nationalen Ausnahmezustand die Kontrolle übernehmen? Eine Folge dessen wäre natürlich, dass die Verantwortung dadurch nicht mehr zugeordnet werden kann.

Beispiel 2: Nordkoreanische Spionageschiffe

Am 23. März 1999 entdeckte ein P-3C-Patrouillenflugzeug der japanischen Seestreitkräfte (MSDF = Maritim Self-Defense Forces) ein vermeintliches nordkoreanisches Spionageschiff, das in den nördlichen Hoheitsgewässern Japans kreuzte, und verständigte die japanische Küstenwache.

Diese Spionageschiffe sind Spezialschiffe, welche die nord­koreanischen Regierungsorgane zum Einschleusen von Geheimagenten nach Südkorea und Japan benutzen. Auch werden sie verwendet, um Privatpersonen zu entführen und nach Nordkorea zu verschleppen, oder als Transportschiffe für Drogen und Bargeld. Diese ca. 100 Tonnen schweren Schiffe sind als Fischerboote getarnt, jedoch vom Maschinengewehr bis zum Minenwerfer bewaffnet. Die Heckklappe lässt sich wie bei einem Landungsboot nach beiden Seiten öffnen, und dadurch können im hinteren Bereich des Schiffes Miniboote oder Wasserscooter gelagert werden. Besonders charakteristisch für diese Schiffe ist, dass sich mehrere leistungsstarke Motoren an Bord befinden und sie dadurch eine Höchstgeschwindigkeit von 30-50 Knoten erreichen können.(Fußnote 1/FN1) Auch die Form ähnelt stark der eines Fischerbootes. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um kleinere Kriegsschiffe.

Das vermeintliche Spionageschiff be­gann die Flucht aus den japanischen Hoheitsgewässern und wurde von Patrouillenbooten der Küstenwache verfolgt. Obwohl vom Patrouillenboot Warnschüsse abgegeben wurden, steuerte das Spionageschiff zielstrebig über das Japanische Meer Richtung Nordkorea. Der Staatsminister für Verteidigung erteilte, nachdem er die Einwilligung des Ministerpräsidenten erhalten hatte, den Befehl zur maritimen Verteidigung.

Dieser Befehlt wird erteilt, damit die MSDF die nötigen Mittel ergreifen können, um ein Vergehen, dessen die Küstenwache nicht Herr wird, zu bereinigen (Gesetz der SDF Artikel 82). Nun konnte auch die Marine die Verfolgung des nordkoreanischen Spionageschiffes aufnehmen.

Am 24. März kurz nach 6 Uhr morgens verließ das Spionageschiff die japanische Luftraumüberwachungszone (ADIZ = Air Defense Identification Zone), die Küsten­wache und die MSDF mussten nach un­gefähr 24 Stunden die Verfolgung aufgeben. In dieser Zeit feuerten die Patrouillenboote der Küstenwache 1.200 Schuss Maschinengewehrmunition ab, um das koreanische Schiff zu warnen. Die MSDF feuerten zwölfmal mit 5-Zoll-Geschützen, gaben 22 Warnschüsse ab und warfen insgesamt acht 150kg-Bomben ab, um das Spionageschiff zum Anhalten zu bringen, aber dieses zeigte sich unbeeindruckt und flüchtete in einen nordkoreanischen Hafen.

Insgesamt waren an diesem Einsatz drei Geleitschiffe, in­klusive eines Geleitschiffs der Aegis-Klasse, ein P-3C-Patrouillenflugzeug, ein E-2C-Frühwarnflugzeug der japanischen MSDF und zwei Abfangjäger der Type F-15J der japanischen Luftwaffe (ASDF = Air Self-Defense Forces) beteiligt. Die Küstenwache war vertreten mit einem Patrouillenschiff, insgesamt 15 Patrouillenbooten und zwölf Flugzeugen. Trotzdem schafften sie es nicht, ein gerade einmal 100 Tonnen schweres Fischerboot nach einer einen Tag und eine Nacht dauernden Verfolgungsjagd zum Anhalten zu zwingen.

International werden folgende Gegenmaßnahmen durchgeführt, wenn es zu einer Verletzung der Hoheitsgewässer durch ein verdächtiges Schiff kommt: 1) Bei Sichtung eines verdächtigen Schiffes, den Befehl zum Anhalten erteilen.

2) Das Innere des Schiffes vor Ort untersuchen.

3) Kann das Schiff nicht angehalten werden, Warnschüsse abgeben und bombardieren.

4) Bei weiterem Nicht-Befolgen darf das Schiff versenkt werden.

Warum lassen die MSDF nordkoreanische Spionageschiffe widerstandslos entkommen, obwohl es international erfolgreich eingesetzte Verfahren für diese Art von Zwischenfällen gibt? Die Richtlinien zum Waffengebrauch der MSDF zur maritimen Verteidigung sind im Artikel 93 des Gesetzes der SDF festgelegt, dieses verweist auf den Artikel 7 im Gesetz über die Amtspflichten der Polizei: "Polizeibeamte (das Gleiche trifft auf Mitglieder der SDF zu) können Waffen z.B. bei einer Festnahme von Verbrechern einsetzen, wenn ein angemessener Grund vorliegt, der Waffeneinsatz vernünftig ist und rational beurteilt wurde. Allerdings dürfen Menschen nicht verletzt oder getötet werden, außer im Falle von Notwehr oder Notstand oder bei einem Gewaltverbrechen, welches eine Gefängnisstrafe von mindestens drei Jahren nach sich zieht, Widerstand gegen die Staatsgewalt gegeben ist oder ein Fluchtversuch vorliegt." Im Falle eines verdächtigen Schiffes, das einen falschen Schiffsnamen vortäuscht und daher gegen das Fischereigesetz verstößt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Vergehen eine Gewalttat darstellt, die eine mindestens drei Jahre dauernde Gefängnisstrafe nach sich zieht. Wenn darüber hinaus der Ge­gner kein Feuer eröffnet, können nur Warn­schüsse abgegeben, aber es darf nicht gezielt geschossen werden. Würde man zielen, bestünde die Möglichkeit, dass die Besatzung des Schiffes verletzt oder getötet würde. In einem solchen Fall würde dem beschuldigten Militär vor einem öffentlichen Gericht der Prozess gemacht. (Die japanischen SDF haben kein eigenes Strafrecht, darauf wird später näher eingegangen.) Im schlimmsten Fall kann dem Beschuldigten vorsätzliche Tötung vorgeworfen werden.

Warnschüsse haben nur dann Erfolg, wenn bei Nicht-Anhalten des Schiffes davon ausgegangen werden kann, dass die Voraussetzungen für das Versenken gegeben sind. Wenn man davon ausgehen kann, dass das Schiff sicher nicht versenkt wird, haben Warnschüsse einen Erfolg, der mit null gleichzusetzen ist. Egal wie viele Geschosse in der Nähe des Schiffsrumpfes herumfliegen und wie viele Bomben explodieren, die Spionageschiffe werden ihre Flucht fortsetzen, da Nordkorea über die Richtlinien bezüglich des Waffengebrauchs der MSDF und der Küstenwache bestens Bescheid weiß.

Die rechtliche Situation

Bevor ich auf die Frage eingehe, warum es in Japan diese für westliche Verhältnisse schwer nachvollziehbare Rechtslage immer noch gibt, möchte ich kurz beschreiben, wie diese Gesetze zustande gekommen sind.

Am 25. Juni 1950 fiel das nordkoreanische Militär in Südkorea ein, was den Beginn des Korea-Krieges darstellte. Die UNO-Streitkräfte (eigentlich die US-Armee) wurden organisiert und ein großer Teil der in Japan stationierten alliierten Streitkräfte auf die koreanische Halbinsel verlegt. Dadurch kam es zu einer Knappheit im japanischen Sicherheits- und Verteidigungssystem. Zwei Wochen nach Kriegsbeginn erteilte deshalb General Douglas MacArthur den Befehl an die japanische Regierung, unverzüglich eine 75.000 Mann starke Nationale Polizeireserve zu bilden. Diese Nationale Polizeireserve war keine Reservearmee für die herkömmliche Polizeiorganisation, sondern wurde stellvertretend für die für Sicherheit zuständigen alliierten Streitkräfte eingesetzt und hatte sozusagen den Charakter einer Mini-Armee.

Fast fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges gab es nach wie vor keinen Friedensvertrag mit Japan. Die alliierten Streitkräfte konnten daher in einem besetzten Land der Bildung eines formellen Heeres nicht zustimmen, zudem gab es noch immer Befürchtungen, dass die starke ehemalige kaiserliche Armee wiederaufleben könnte. Deshalb wurde die Bildung einer unspezifisch definierten militärischen Organisation veranlasst, die vom Charakter her eher einer Polizeiorganisation entsprach. Die USA versorgten auf der Grundlage der Potsdamer Abkommen das vollkommen entmilitarisierte Japan mit Waffen und etablierten eine Mini-Armee.

Die unter amerikanischer Anleitung entstandene japanische Verfassung, die den Kriegsverzicht besonders hochhält, und die tiefe Ablehnung der japanischen Bevölkerung gegen Krieg sowie die Angst der alliierten Staaten, dass das japanische Militär außer Kontrolle geraten könnte, führten dazu, dass eine im Vergleich zu anderen Staaten völlig untypische Militärstruktur geboren wurde. Das Ergebnis waren die SDF mit einer im Ausland nicht vorkommenden abnormen Militärorganisation, innerhalb der z.B. der Militärgerichtshof verboten und die Kompetenzen von Zivilisten innerhalb der SDF erweitert wurden und dadurch unklare Verhältnisse zwischen Militärverwaltung und Militäroperation entstanden. Die Richtlinien zum Einsatz von Waffen bei der maritimen Verteidigung, die sowohl für die SDF als auch für die Polizei gelten, machen dies deutlich. Die japanische Verfassung und die "Kriegsallergie" der japanischen Bevölkerung in der Nachkriegszeit waren die Ursache für die Verzerrungen im System und in der Umsetzung der Gesetze.

Richten wir unser Augenmerk vorerst einmal auf die Verfassung. Im Vergleich zum Ausland gibt es im Bereich der Sicherheit drei große Besonderheiten.

1) Die Existenz und die Stellung der nationalen Streitkräfte (SDF) sind nicht in der Verfassung festgelegt.

2) Der Oberbefehlshaber der nationalen Streitkräfte ist in der Verfassung nicht ausdrücklich erwähnt.

3) Als Mittel, um internationale Krisen zu lösen, verzichtet Japan für immer auf die Androhung militärischer Gewalt bzw. auf die Kriegführung und damit in Verbindung stehend auch auf den Unterhalt einer Armee (Verfassung Artikel 9).

Ad 1) In fast allen Ländern Europas und Amerikas sind die Existenz, der Erhalt und die Stellung der nationalen Streitkräfte in der Verfassung festgelegt. In manchen Staaten wird sogar die Pflicht der Bürger zur Landesverteidigung ausdrücklich erwähnt.

Der Erhalt von nationalen Streitkräften ist in der japanischen Verfassung nicht festgeschrieben. Die rechtliche Bestätigung über die Existenz der SDF findet sich nur im Gesetz der SDF und im Gesetz zur Gründung eines Verteidigungsamtes. Diese beiden Gesetze sind einfache Gesetze, die nicht zum Kompendium des japanischen Rechts (die wichtigsten sechs Rechtsbereiche) gehören.

In vielen Ländern zählt das Verteidigungsministerium zu einem der wichtigsten Ministerien. In Japan jedoch ist das einem Verteidigungsministerium entsprechende Verteidigungsamt als ein Sonderamt des Büros des Ministerpräsidenten (seit 2001 Kabinettsbüro) platziert.

Ad 2) Das Thema Oberbefehl habe ich bereits im Beispiel 1 angeschnitten. Die größte Krise für einen Staat ist der Krieg. Egal, welch große Katastrophe ein Land heimsucht, der Staat wird dadurch nicht verschwinden, aber ein Krieg kann einen Staat auflösen. Gerade um Maßnahmen in solch schweren Krisen ergreifen zu können, ist die Existenz eines Oberbefehlsrechts für die Streitkräfte unumgänglich.

Ad 3) Der Artikel 9 der japanischen Verfassung wird auch als "Kriegsverzichtsartikel" bezeichnet. Eine Armee existiert deshalb, weil sie als Mittel zur Beilegung internationaler Konflikte dient. Egal, ob verteidigt oder angegriffen wird, das Ziel ist stets die Lösung internationaler Konflikte. Doch gerade diese Aufgabe wird den japanischen Streitkräften mit der Verfassung von vornherein genommen. Wenn man keine Armee zum Lösen internationaler Konflikte unterhält, scheint es so, als ob man auf ein eigenes Heer und auf Krieg verzichtet.

Die japanische Verfassung wurde nicht einmal ein Jahr und zwei Monate nach Kriegsende im November 1946 amtlich verkündet. Japan war zu dieser Zeit von den alliierten Truppen besetzt. Der Verfassungsentwurf wurde in etwas mehr als einer Woche vom Hauptquartier der alliierten Streitkräfte angefertigt und der japanischen Seite vorgelegt. Dass sich Besatzungsmächte in die Innenpolitik einmischen, ist ein typisches Phänomen, doch Japans Nachkriegsverfassung ist einzigartig. Die damalige Regierung hat den Verfassungsentwurf der Besatzungsmächte nicht zu 100% übernommen. Es konnte z.B. verhindert werden, dass in den Artikel 9 folgender Satz eingefügt wurde: "...als Mittel zur Beilegung internationaler Krisen." Nach der Besatzungszeit wurde die international anerkannte Ansicht, dass die Verteidigung eines Staates ein Grundrecht sei, zur Grundlage für die Einrichtung nationaler Streitkräfte.

Der Grund dafür, dass die SDF 60 Jahre nach Ende des Krieges rechtlich noch immer keine natürliche Existenzberechtigung haben, liegt nicht allein im Rechtssystem. Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg machte sich in der japanischen Bevölkerung eine sehr große Antikriegsstimmung breit. Das pazifistische Denken, das auch von den Besatzungsmächten kultiviert wurde, ist in Japan langfristig tief verwurzelt. Das ist auch der Grund dafür, warum ein vernünftiges Nachdenken über Sicherheit und über die Schaffung eines Heeres nur schwer möglich ist.

Änderungen im japanischen Rechtssystem

Natürlich sollte es nicht so sein, dass ein souveräner Staat wichtige Regelungen in der Sicherheitsgesetzgebung einfach unvollständig liegen lässt. Ein günstiger Augenblick, um die Schwerfälligkeit der japanischen Regierung in Bezug auf die Reformierung der Sicherheitsgesetzgebung hinter sich zu lassen, war die Krise auf der koreanischen Halbinsel in den Jahren 1993-94. Im März 1993 kündigte Pjöngjang überraschend den Ausstieg aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) an, und am 29. Mai feuerte Nordkorea eine Testrakete Richtung Japanisches Meer ab. Als Ergebnis der im Juni desselben Jahres abgehaltenen US-Nordkorea-Konferenz legte Nordkorea das Vorhaben, aus dem Atomwaffensperrvertrag auszusteigen, vorerst wieder auf Eis. Die Situation auf der Halbinsel spitzte sich jedoch plötzlich zu, als sich die Befürchtungen der Atomenergiebehörde (IAEA) verdichteten, dass Nordkorea an einem Programm für Nuklearwaffen arbeiten würde. Gerade zu dieser Zeit äußerte sich ein zuständiger Beamter Nordkoreas, dass man die südkoreanische Hauptstadt Seoul in ein Flammenmeer verwandeln werde, wodurch sich die Gerüchte über den Beginn eines zweiten Koreakrieges mehrten.

Welche Auswirkungen hätte der Ausbruch eines zweiten Korakrieges auf Japan? Diese Frage beschäftigte natürlich die damalige Regierung, und es wurden in aller Eile Gegenstrategien erarbeitet. Es wurde z.B. überlegt, wie die SDF die US-Armee im Falle eines Eingreifens auf der Koreahalbinsel unterstützen könnten, welche Aufgaben Japan bei einem möglichen Wirtschaftsboykott übernehmen oder wie sich das Land auf eine Flüchtlingswelle vorbereiten könnte. Solche und ähnliche Fragen wurden von einem speziellen Team bearbeitet und auf die rechtlichen Rahmenbedingungen hin untersucht. Die Schlussfolgerung dieser Untersuchung ergab zur Bestürzung der zuständigen Beamten, dass "die japanische Regierung kaum etwas unternehmen kann, außer tatenlos zuzusehen". Im Falle einer direkten Bedrohung und eines möglichen daraus resultierenden Schadens, hätte Japan keine Maßnahmen gegen einen Krieg ergreifen können und wäre vollkommen auf die USA angewiesen gewesen. Die japanische Regierung konnte deshalb nicht riskieren, dass die öffentliche Meinung in den USA gegenüber Japan kritisch wurde und der japanisch-amerikanische Sicherheitspakt, der für die eigene Landesverteidigung die wichtigste Stütze darstellte, in die Brüche ging. Aus diesem Grund musste Japan drastische Reformmaßnahmen in Bezug auf die Sicherheitsgesetzgebung durchführen.

Gemäß der damaligen Rechtslage war es selbstverständlich, dass die SDF auf japanischem Hoheitsgebiet und in japanischen Hoheitsgewässern Verteidigungsmaßnahmen ergreifen durften. Wie würde es aber aussehen, wenn im Falle einer feindlichen Militäraktion die Landesverteidigungsmaßnahmen über das eigene Hoheitsgebiet bzw. den eigenen Luftraum hinausreichten? Im Falle von Kampfhandlungen außerhalb des japanischen Hoheitsgebiets könnte man annehmen, dass gemäß japanisch-amerikanischem Sicherheitspakt die Verteidigungspflicht bei der US-Armee liegt. Bei Kampfhandlungen in internationalen Gewässern wäre es laut dieser Gesetzesinterpretation jedoch schwierig, z.B. bei einer Seeblockade Kontrollen von multinationalen Schiffen durchzuführen oder verbündete Schiffe mit Treibstoff zu versorgen.

Die japanische Regierung nahm die Krise auf der Korea­halbinsel zum Anlass, um Verhandlungen mit den USA zu beginnen und auch die Sicherheitsgesetzgebung bzw. das Verteidigungssystem neu zu überdenken. Der erste Schritt war die Revision der "Allgemeinen Richtlinien bezüglich der japanisch-amerikanischen Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen" vom November 1978. In diesen Richtlinien war ein grober Fahrplan festgelegt, welche gemeinsamen militärischen Operationen Japan und die USA durchzuführen hätten, sollte in Japan ein Krieg ausbrechen. Diese Richtlinien basierten jedoch auf keinen bilateralen Abkommen, sondern waren nur direkte Vereinbarungen zwischen den beiden Streitkräften. Die Änderungen wurden zuerst innerhalb der Regierung beschlossen und im September 1997 als Abkommen fixiert (Guidelines for Japan-U.S. Defense Cooperation).

Als Nächstes wurde im Mai 1999 ein Gesetz bezüglich Maßnahmen, die den Frieden und die Sicherheit Japans gewährleisten sollten, wenn es in der Region um Japan zu Konflikten kommen sollte, verabschiedet. Hier wurde besonders die Frage durchleuchtet, wie Japan die US-Truppen unterstützen kann. Im November 2001 wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Durchführung von Schiffsinspektionen regelt (Ship Inspection Operations Law). Als dritte wichtige Regelung wurde im Juni 2004 ein weiteres Gesetz verabschiedet, das die Aufgabenverteilung zwischen Staat, SDF und lokalen Behörden im Falle eines Krieges auf japanischem Boden regelt. Bereits im Juni 1992 wurde das Gesetz zur Zusammenarbeit bei internationalen friedenserhaltenden Einsätzen (PKO-Gesetz) verabschiedet. Die Regierung nahm dann auch die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA zum Anlass und verabschiedete bereits im November desselben Jahres ein Anti-Terror-Gesetz (Anti-Terrorism Special Measures Law), das den Einsatz der SDF im Ausland ermöglicht.

Vergleicht man die derzeitige Lage der Sicherheitsgesetzgebung mit jener vor der Koreakrise, so hat sich diese außerordentlich verbessert, und auch das Interesse der Bevölkerung an Sicherheitsfragen ist gestiegen. Auf Grund des politischen Prinzips einer Verteidigungspolitik, die sich strikt auf die nationale Verteidigung beschränkt, ist es jedoch nach wie vor so, dass die SDF bei einer Invasion einer feindlichen Armee auf japanischem Staatsgebiet theoretisch keine Waffengewalt anwenden dürfen, solange der Feind kein Feuer eröffnet. Oder, wie im Beispiel 2 erörtert wurde, gibt es auch nach wie vor keine gesetzlichen Richtlinien, die eine wirkungsvolle Strategie im Falle einer Hoheitsgebietsverletzung darstellen würden. Aus diesem Grund kam es z.B. im November 2004 zu einem Zwischenfall, der vom Ausland ziemlich belächelt wurde, da ein chinesisches Atom-U-Boot in die japanischen Hoheitsgewässer eindrang und ein Patrouillenboot der MSDF nach Erteilung des Befehls zur maritimen Verteidigung, abgesehen von der Verfolgung, keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergreifen konnte. Auf diesen Vorfall möchte ich später noch näher eingehen.

Gründe für die Unvereinbarkeit mit der Verfassung

Um das Rechtssystem, das eine effektive Arbeit des japanischen Militärs behindert, grundlegend zu ändern, wäre eine Verfassungsänderung notwendig. Im Detail geht es um die Aufhebung des Artikels 9 (Kriegsverzichtsartikel) der japanischen Verfassung und des Artikels 76 Absatz 2, der einen eigenen Militärgerichtshof verbietet. Darüber hinaus müssten die nationalen Streitkräfte innerhalb der Verfassung verankert und auch der Oberbefehl klar definiert werden. 60 Jahre nach Ende des Krieges ist fast die Hälfte der Japaner der Meinung, dass eine Verfassungsänderung nötig wäre. Deshalb hat die stärkste Partei im japanischen Parlament, die LDP (Liberal-Demokratische Partei), im August 2005 einen Verfassungsänderungsentwurf präsentiert.

Gemäß diesem Entwurf wäre die Existenz der derzeitigen SDF ausdrücklich als Verteidigungsstreitkräfte in der Verfassung erwähnt und als Heer anerkannt. Auch die Errichtung eines bis jetzt verbotenen Militärgerichtshofs wurde vorgesehen. Darüber hinaus wird den SDF die Anwendung des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung bei Friedenseinsätzen und in der Zusammenarbeit mit den amerikanischen Streitkräften gewährt. (Genau genommen gab es bis jetzt auch das Recht auf kollektive Selbstverteidigung, jedoch konnte es nach Interpretation der Verfassung nicht angewendet werden.) Das in der derzeitigen Verfassung nicht enthaltene Recht, militärische Mittel zur Selbstverteidigung einzusetzen, also das Recht eines Staates auf Verteidigung im Kriegsfall, wurde im neuen Entwurf ebenso berücksichtigt.

Vergleicht man diesen Entwurf mit der derzeitigen Verfassung, so würde das insbesondere im Bereich der Sicherheit einen großen Fortschritt bedeuten. Doch leider ist es nach wie vor nur ein Entwurf der Regierungspartei. Die Voraussetzungen für eine Verfassungsänderung (Artikel 96) sind äußerst schwierig, da einerseits eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erforderlich ist und andererseits bei einer Volksabstimmung eine Mehrheit erzielt werden muss. Bei den im September 2005 abgehaltenen allgemeinen Unterhauswahlen konnte die Regierungspartei mehr als zwei Drittel der Sitze erringen, also jene Zweidrittelmehrheit, die für eine Verfassungsänderung notwendig wäre. Im Oberhaus dagegen ist man von einer Zweidrittelmehrheit noch weit entfernt. Geht man von der Unterstützungsrate für die derzeitige Regierungspartei aus, so dürfte die Zustimmung unter der Bevölkerung zu einer Verfassungsänderung gegeben sein. Laut einer Meinungsumfrage der Nachrichtenagentur "Kyodo", die nach den Wahlen durchgeführt wurde, würden 72,1% der Abgeordneten einer Verfassungsänderung zustimmen. Das Interesse der Bevölkerung an einer Rationalisierung der Sicherheitsgesetzgebung müsste noch gesteigert werden, doch sieht man sich den Ausgang der Wahlen vom September an, so ist jetzt sicher ein guter Zeitpunkt für eine solche Reform.

Die japanische Sicherheitspolitik und ihre Leistungsbewertung

Zu Beginn der Nachkriegszeit wurden alle sicherheitspolitischen Aufgaben von den Besatzungstruppen übernommen. Als 1950 der Koreakrieg ausbrach, wurde in aller Eile das "japanische Heer" in Form der Nationalen Polizeireserve wiederaufgebaut. Ausgestattet wurde diese Polizeireserve mit gebrauchter Ausrüstung der amerikanischen Armee, die nicht wirklich auf die japanischen Verhältnisse abgestimmt war. Seit 1958 wurde daher alle drei bis fünf Jahre ein Plan für die Verstärkung der Verteidigungskräfte erstellt, der die Grundlage für den Ankauf von Waffen bzw. für die Rekrutierung bildete. Das kostete natürlich auch Geld. Ab dem zweiten Plan für die Verstärkung der Verteidigungskräfte verdoppelte sich das Budget fast jedes Mal, und dadurch wuchs die Befürchtung, dass sich das negativ auf die Staatsfinanzen auswirken würde. Die Regierung beschloss deshalb im Jahre 1976 die "japanischen Verteidigungsrichtlinien", die man auch als die Verfassung der Landesverteidigung bezeichnen könnte. Diese Richtlinien legen die grundsätzlichen Ziele der japanischen Verteidigungspolitik fest. Darin wurde auch festgeschrieben, dass das Verteidigungsbudget 1% des BIP nicht überschreiten darf, um der ständigen Ausdehnung des Verteidigungsbudgets einen Riegel vorzuschieben.

Zur gleichen Zeit legte man die Ausrichtung der japanischen Verteidigung dahingehend fest, dass der Staat sich zu einem "Basis-Verteidigungskonzept" (Basic Defense Force Concept) verpflichtet, unabhängig vom Bedrohungspotenzial, jedoch so weit reichend, dass Japan einem militärischen Angriff nicht vollkommen schutzlos ausgeliefert wäre. Das bedeutet, dass Japan im Falle eines räumlich begrenzten Angriffes in geringer Stärke in der Lage sein sollte, sich selbst zu verteidigen. Bei einem großen Angriff würde man die amerikanischen Streitkräfte um Unterstützung ersuchen. Dieses Konzept der Basis-Verteidigung stützt sich als zweite Säule der japanischen Sicherheitspolitik auf den japanisch-amerikanischen Sicherheitspakt, der gemeinsame Operationen beider Länder vorsieht. (Siehe Tabelle japanisches Verteidigungskonzept in grundlegenden Zahlen.) Bestausgebildete Soldaten weltweit

Welchen internationalen Stellenwert haben nun die SDF, die sich dem Konzept der Basis-Verteidigung verschrieben haben? Die Normen, mit denen man die Größe von militärischen Streitkräften miteinander vergleicht, sind Stärke, Ausrüstung und finanzielle Mittel. Ich möchte mich an diese Reihenfolge halten und beginnend mit der personellen Ausstattung die Truppenstärke der japanischen SDF in Zahlen vorstellen.

Mit Ende März 2005 umfasste der Aktivstand der SDF, wobei nur die uniformierten Mitglieder einbezogen wurden, insgesamt 253.180 Personen (157.828 Heer, 45.842 Marine, 47.361 Luftwaffe und 2.149 Mitglieder in der Vereinten Generalstabskonferenz). Vergleicht man die Stärke der Landstreitkräfte mit anderen Ländern, so ergibt sich folgendes Bild: Japan verfügt über ein größeres Heer als z.B. Großbritannien (ca. 110.000), Frankreich (ca. 140.000) oder Italien (130.000), es ist jedoch kleiner als jenes in Deutschland (ca. 200.000), Syrien (220.000) oder Thailand (ca. 190.000).

Im folgenden Abschnitt möchte ich auf besondere Charakteristika der japanischen Soldaten und Soldatinnen eingehen.

1. Alle Soldaten haben sich freiwillig für den Dienst bei den SDF gemeldet, da es in Japan keine allgemeine Wehrpflicht gibt. Offiziere, Unteroffiziere und einfache Soldaten sind allesamt Berufssoldaten.

2. Der zweite Punkt beschäftigt sich mit der Bildung der Soldaten und Soldatinnen. Alle Mitglieder der SDF besitzen zumindest einen Oberstufenabschluss (18 Jahre) oder eine darüber hinausgehende höhere Bildung. In letzter Zeit ist auch die Zahl der Universitätsabsolventen unter den einfachen Soldaten angestiegen. Wahrscheinlich sind die SDF weltweit gesehen jenes Heer, dessen Personal bei Diensteintritt den längsten schulischen bzw. universitären Werdegang vorweisen kann.

Ein weiteres Charakteristikum der SDF ist sicher die hohe Moral der Truppe. Dieses Kriterium ist relativ schwierig zu vergleichen, doch ich werde versuchen, dies anhand von Beispielen militärischer Aktivitäten, die in jedem Heer durchgeführt werden, zu veranschaulichen. Wenn z.B. Mitglieder der SDF ihre Fahrzeuge parken, sind diese in Reih und Glied so abgestellt, als ob der Abstand zueinander und zu den Begrenzungslinien mit einem Lineal abgemessen wäre. Oder sollen in einem weitläufigen Gelände Zelte aufgestellt werden, sehen alle Zeltsäume wie gezeichnete Linien aus. Innerhalb eines militärischen Verbandes, also einer Befehlsgesellschaft, ist die Effizienz, wie schnell und ordentlich eine angeordnete Aufgabe erfüllt wird, messbar und daher auch ein Maßstab für diese Gruppe.

Die Vor- und Nachteile eines Freiwilligenheeres

Einerseits kann bei einem Freiwilligensystem eine gute Qualität des Personals gewährleistet werden, doch andererseits kann die Rekrutierung recht mühsam werden. Die Anwerbung von Soldaten ist stark von der Konjunktur und auch von der Geburtenrate abhängig. Bei Anstieg der Konjunktur drängt der Großteil der 18-Jährigen in die Wirtschaft. Will man aber den Rekrutierungsstand beibehalten, könnte die Qualität der Rekruten sinken. Aus diesem Grund kann man die Rekrutierungspolitik nicht fortsetzen, was sich natürlich auch negativ auf das Heer auswirkt.

Der Rückgang der Geburtenrate wird in Zukunft auch ein schwer wiegendes Problem für die SDF darstellen. Dies möchte ich anhand von einigen bereits etwas älteren Daten darstellen. Im Jahre 1990 gab es mehr als zwei Millionen 18-Jährige in Japan. Neun Jahre später sank diese Zahl bereits auf 1,576 Mio.

Gerade die 18-Jährigen, die nach der Matura in das Berufsleben wechseln wollen, sind die wichtigste Rekrutierungsgruppe für die japanischen SDF. Verringert sich diese Gruppe durch die oben beschriebenen Faktoren und würde sich die Wirtschaft in Richtung Hochkonjunktur entwickeln, so hat das zwangsläufig zur Folge, dass die Qualität der SDF darunter leidet und sogar ihr Fortbestand auf dem Spiel stehen könnte. Seit den 70er-Jahren ist der Personalstand der SDF ständig gesunken. 1973 zählte man noch 180.000 Mann bei den Heerestruppen (GSDF = Ground Self Defense Forces), seit 1999 ist ihre Anzahl jedoch stark zurückgegangen. Derzeit stehen nur mehr 148.000 Soldaten zur ständigen Verfügung (zählt man die Reservekräfte dazu, kommt man auf ca. 155.000 Mann). Der Geburtenrückgang ist sicher einer der Hauptgründe für diese Entwicklung.

Die Beziehung zwischen den SDF und der Bevölkerung

Laut Meinungsumfragen sehen die meisten Japaner den Zweck der SDF in Katastropheneinsätzen (Hilfeleistungen im Katastrophenfall und Nottransporte von Verletzten) und nicht in der eigentlichen Aufgabe von nationalen Streitkräften, nämlich der Verteidigung des Landes gegen Angriffe von außen. Bei der Umfrage wurde auch erhoben, in welchem Bereich die SDF bis jetzt am hilfreichsten waren, also welche Aufgaben sie am besten gemeistert haben. Auch hier empfand der Großteil der Befragten, dass Katastropheneinsätze am besten bewältigt wurden (85,6 Punkte(FN2)), die PKO erhielten 27,8 Punkte und die Verteidigung des eigenen Landes 26,7 Punkte. Die Umfragen zeigen deutlich, dass neben der eigentlichen Aufgabe der Landesverteidigung die direkten Hilfsmaßnahmen für die Bevölkerung besonders geschätzt werden. Die SDF sind seit ihrer Gründung äußerst aktiv, wenn es darum geht, Hilfe nach einer Naturkatastrophe zu leisten. Dazu zählen Hilfsmaßnahmen wie z.B. die Epidemieprävention, die Suche von verunglückten Personen mit Flugzeugen oder Schiffen, die Bergung und der Lufttransport von verletzten Personen, Trinkwasserversorgung und Brandbekämpfung (Waldbrände, Gebäude usw.).

Von 1951 bis 2001 rückten die SDF 33.480 Mal zum Katastropheneinsatz aus. Bei diesen Einsätzen nahmen insgesamt ca. 7,34 Mio. Mann der SDF teil, 979.744 Fahrzeuge, 64.356 Flugzeuge und 11.836 Schiffe wurden eingesetzt. Überspitzt gesagt: "Gerät in den USA der Präsident in Not, sind die Marines sofort zur Stelle, gerät in Japan die Bevölkerung in Not, sind die SDF sofort zur Hilfe bereit." Wird z.B. bei einem Erdrutsch, einer Schlamm- oder Sandlawine jemand verschüttet, setzen die SDF kein schweres Gerät ein, sondern graben mit den Händen, aus Vorsorge, um die Verschütteten nicht zu verletzen. Ein Vorgehen wie in den USA, als im September letzten Jahres der Hurrikan "Katrina" weite Teile des Bundesstaates Mississippi überflutete und das örtliche Heer mit der Waffe im Anschlag die Türen von Privathäusern eintrat und in die Häuser eindrang, wäre in Japan nicht vorstellbar. Die SDF stehen der japanischen Bevölkerung mit großem Respekt gegenüber.

Bei den Militärausgaben liegt Japan mit 42,8 Mrd. USD weltweit an fünfter Stelle

Das japanische Verteidigungsbudget für das Jahr 2005 betrug 35,8 Mrd. EUR, dies entspricht 0,974% des BIP und ca. 5,94% des Gesamtbudgets. Seit 1973 hat sich das japanische Verteidigungsbudget auf ca. 5% bis 6% der Gesamtausgaben bzw. ca. 1% des BIP eingependelt.

Im Verteidigungsbudget wurden 44,8% für Personalkosten vorgesehen, und 18,6% werden für die Anschaffung von Rüstungsgütern verwendet. Eine Besonderheit im japanischen Verteidigungsetat sind die 11,1%, die für die Instandhaltung der amerikanischen Militärbasen in Japan aufgewendet werden.

Aufklärungssatelliten und Raketenabwehr

Die 155.000 Mann der GSDF werden in acht Divisionen und sechs Brigaden unterteilt. Es stehen ihnen 600 Kampfpanzer und 600 Artilleriegeschütze zur Verfügung. Die MSDF verfügen über 47 Kriegsschiffe, 16 U-Boote und 150 Militärflugzeuge. Die ASDF sind mit 350 Militärflugzeugen (davon 260 Kampfflugzeuge) ausgestattet. Im Zeitraum zwischen 1995 und 2004 wurde jedoch die Anzahl der Soldaten, Panzer, Artilleriegeschütze, Kriegsschiffe, Militärflugzeuge usw. reduziert.

Neben den oben genannten Waffen und Ausrüstungen gibt es noch zwei erwähnenswerte Bereiche, die Aufklärungssatelliten und das Abwehrsystem für ballistische Raketen.

Der Grund für die Entwicklung eines Satellitenaufklärungssystems war ein nordkoreanischer Raketenabschusstest im August 1998. Am 31. August feuerte Nordkorea eine Taepodong 1-Rakete über die japanische Inselkette in den Pazifik. Anfangs wurde veröffentlicht, dass es sich um einen Raketentest einer Taepodong 1-Rakete handelte, doch könnte es sich auch um einen Fehlschlag eines nordkoreanischen Satellitenstarts gehandelt haben. Auf jeden Fall war der Vorfall ein schwerer Schlag für die japanische Bevölkerung, und die Regierung nahm dies zum Anlass, um unverzüglich die Entwicklung eines Satellitenaufklärungssystems zu beschließen. Die USA wussten über die Vorbereitungen zum Bau von ballistischen Waffen in Nordkorea Bescheid, gaben aber kaum Informationen an Japan weiter. Aus diesem Grund wurde die Entwicklung eines Satellitenaufklärungssystems für die Sicherheit Japans unumgänglich, und gerade mal drei Monate nach dem koreanischen Raketentest wurde dieser Entschluss im Kabinett verabschiedet.

Der Raketentest beschleunigte die Entwicklung der Raketenabwehr des japanischen Verteidigungsamtes bzw. der SDF. Das Verteidigungsamt hat auch schon vor diesem Zeitpunkt an dieser Technologie geforscht, doch der Taepodong 1-Vorfall war der ideale Ansporn. Für das Jahr 2006 ist ein eigener Budgetposten für Raketenabwehr in Höhe von 1,1 Mrd. EUR vorgesehen. Damit wird z.B. ein gemeinsames Forschungsprojekt zwischen japanischem Verteidigungsamt und den USA für die Entwicklung eines LEAP-Sprengkopfes (=Lightweight ExoAtmospheric Projectile) finanziert. In Zukunft werden die Ausgaben für das Raketenabwehrsystem sicherlich die 1-Billionen-Yen-Grenze (ca. 7,35 Mrd. EUR) übersteigen. Besonders die Entwicklungskosten für ein solches System sind enorm hoch und werden zukünftig das Verteidigungsbudget Japans ziemlich unter Druck setzen.

Nach offiziellen Erklärungen dient das Raketenabwehrsystem dem Schutz vor nordkoreanischen Raketenangriffen. Das gemeinsam mit den USA laufende LEAP-Forschungsprojekt befasst sich mit Sprengköpfen, die sich außerhalb der Atmosphäre bewegen und daher kaum für die Abwehr von tief fliegenden nordkoreanischen Nodong-Raketen geeignet sind. Dies lässt den nahen Schluss zu, dass die LEAP-Sprengköpfe der Zukunft nicht gegen Nordkorea, sondern zur Abwehr chinesischer Luftangriffe entwickelt werden.

Verteidigungsstrategie Richtung Westen

Zum Schluss möchte ich mich mit den japanischen Verteidigungsstrategien befassen.

Als die SDF gegründet wurden, war die Welt in der ersten Phase des Kalten Krieges in eine westliche und eine östliche Einflusssphäre geteilt. Die größte Bedrohung war damals die Sowjetunion, da man eine mögliche Invasion befürchten musste. Das Training war daher auf die Abwehr sowjetischer Truppen ausgerichtet.

Die internationale Lage hat sich in den letzten zehn Jahren rasant verändert. Das war auch der Grund, warum man die erst 1995 reformierten Verteidigungsrichtlinien bereits ein Jahrzehnt später im Dezember 2004 erneut einer Reform unterzog. Auf Grund der verheerenden Ereignisse vom 11. September 2001 in den USA und der seither weltweit laufend stattfindenden Terroranschläge wurden die gesamte militärische Ausrüstung sowie die operativen Abläufe einer Revision unterzogen, um auf die neuen Bedrohungen und Situationen besser reagieren zu können.

1. Ab 2006 werden die Land-, See- und Luftselbstverteidigungsstreitkräfte jeweils unter einer eigenen Führung operieren. Die gesamten SDF sind dem neu geschaffenen Amt des Vereinten Generalstabschefs (früher Leiter der Vereinten Generalstabskonferenz) untergeordnet.

2. Die Verteidigungskonzepte aus der Zeit des Kalten Krieges müssen reformiert werden. Szenarien von Panzer- oder Flugzeug­invasionen bzw. Anti-U-Boot-Kriege weichen der Vorstellung von Kriegen mit unkonventionellen Waffen.

3. Das Verteidigungskonzept ist nicht mehr so stark Richtung Norden (ehem. UdSSR, jetzt Russland) sondern immer mehr nach Westen (China) ausgerichtet.

4. Es werden Strukturen für die Raketenabwehr, den Kampf gegen Guerillagruppen oder Spezialtruppen und für den Schutz abgelegener Inseln vor Angriffen entwickelt.

5. Es wurde eine Truppenstärke von insgesamt 155.000 Mann bei den GSDF festgelegt (148.000 Aktivstand, 7.000 Reservekräfte).

Die sicherheitspolitische Lage rund um Japan

Von den 50er-Jahren bis zum Zerfall der UdSSR war die Sowjetarmee die größte Bedrohung für Japan. Das Training der SDF war auf die Abwehr einer sowjetischen Invasion ausgerichtet.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde die Armee verkleinert. Derzeit umfassen die Fernosteinheiten der russischen Landstreitkräfte 15 Divisionen mit 90.000 Mann, die Seestreitkräfte verfügen über 290 Schiffe mit insgesamt 750.000 BRT, und auch die Luftstreitkräfte wurden auf 630 Einsatzflugzeuge reduziert. Im japanischen Verteidigungsweißbuch vom Jahr 2005 wird die russische Armee folgendermaßen eingeschätzt: "Die Wahrscheinlichkeit, dass die russische Armee im Osten des Landes in naher Zukunft wieder die Ausmaße und die Operationsstärke erreichen könnte, die sie im Kalten Krieg hatte, ist gering." Im Vergleich zur ehemaligen Sowjetarmee haben sich die jetzigen Fernostdivisionen der russischen Streitkräfte sowohl qualitativ als auch quantitativ verschlechtert. Das japanische Verteidigungsamt räumt ein, dass Russland seine Landesverteidigung nicht vernachlässigt, da erstens die russische Armee mit Hilfe ihres nuklearen Potenzials die Kampffähigkeit auf einem angemessenen Niveau halten konnte und dass zweitens der Tiefpunkt bei der Stagnation militärischer Aktivitäten wie z.B. Militärübungen überwunden sei. Im Jahr 2003 wurde erstmals seit Zusammenbruch der Sowjetarmee ein groß angelegtes Militärmanöver namens "Wostok 2003" durchgeführt. 2004 fand die Militärübung "Mobilität 2004" mit dem Ziel statt, Truppeneinheiten von Westen nach Osten zu transferieren, um die Mobilität zu steigern. Im August letzten Jahres fand unter dem Motto "Friedensmission 2005" eine groß angelegte Truppenübung gemeinsam mit China statt. Diese Manöver zeigen eine klare Tendenz in Richtung Wiederbelebung der militärischen Aktivitäten.

Nordkorea

Nordkorea stellt sicher eine der größten Bedrohungen Japans dar. Im ersten Teil wurde die Problematik mit Nordkorea bereits angeschnitten, insbesondere das Eindringen spezieller Spionageschiffe in die japanischen Hoheitsgewässer oder die staatlich angeordnete Entführung japanischer Staatsbürger (bestätigt durch den derzeitigen Machthaber Nordkoreas, Kim Jong Il). Vorgänge wie das Einschmuggeln von Spionen, der illegale Export von Drogen u.Ä. führen natürlich dazu, dass sich Japan von Nordkorea bedroht fühlt. Der Taepodong 1-Raketentest hat gezeigt, dass Nordkorea durchaus in der Lage ist, Japan mit Raketen anzugreifen. Unabhängig davon, ob die Wahrscheinlichkeit, dass Nordkorea Japan angreift, nun hoch oder niedrig ist, verunsichern Aussagen von führenden Beamten wie z.B.: "Wir werden Tokio in ein Meer aus Feuer verwandeln" die japanische Bevölkerung.

Es besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass Nordkorea über Massenvernichtungswaffen verfügt. Aus dem Bericht des amerikanischen Außenministeriums vom 30. August 2005 über die Einhaltung des NPT und dem Verbotsvertrag für biologische und chemische Waffen geht hervor, dass Nordkorea nicht nur nukleare Forschung betreibt, sondern auch der dringende Verdacht besteht, dass auch biologische Waffen entwickelt werden.

"Nordkorea bemüht sich auf staatlicher Ebene um die Wissensvermehrung bezüglich biologischer Waffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Wissen für die Produktion von biologischen Waffen eingesetzt wird, ist hoch. Auch besteht die Befürchtung, dass Nordkorea in der Lage sei, innerhalb weniger Wochen für den militärischen Gebrauch genügend Bestandteile für biologische Waffen zu produzieren." Die CIA gab öffentlich bekannt, dass Nordkorea ausreichend Plutonium für zwei bis fünf Atomsprengköpfe besitzt. Bob Gallucci von der Georgetown University sprach bereits 1994 davon, dass von der Möglichkeit ausgegangen werden kann, dass Nordkorea von ausrangierten atomaren Brennstäben rund 30 kg waffenfähiges Plutonium gewonnen hat und deshalb im Besitz von bis zu maximal acht Atomwaffen sein könnte.

Nordkorea hat mit dem Raketentest der Taepodong 1-Rakete mit einer Reichweite von 1.500 km im August 1998 bewiesen, dass es in der Lage ist, Japan anzugreifen. Raketen dienen als Transportmittel für Sprengköpfe. Würde Nordkorea herkömmliche Sprengköpfe verwenden, wäre das Gefahrenpotenzial nicht sehr hoch. Problematisch wird es ab dem Zeitpunkt, ab dem die technischen Entwicklungen in Nordkorea soweit ausgereift sind, Raketen mit qualitativ hochwertigen, leichten Nuklearsprengköpfen zu bestücken. Derzeit besitzen nordkoreanische Raketen eine Reichweite, die nur den Nachbarstaaten, sprich Südkorea und Japan, gefährlich werden könnte. In der derzeitigen Situation würde aber die Sympathie der jungen Südkoreaner sofort in Richtung Nordkorea schwanken, und Japan wäre das einzig mögliche Angriffsziel der Nordkoreaner. Japan empfindet den kommunistischen Nachbarn als eine große Bedrohung, da er einerseits die Mittel zu einem Angriff hat und andererseits auch den Willen dazu besitzt. Außerdem ist Nordkorea ein "Schurkenstaat", der nicht der Logik einer liberalen Gesellschaft folgt.

China

Die chinesische Verteidigungspolitik wird im japanischen Verteidigungsweißbuch folgendermaßen eingeschätzt: "China hält an einer aktiven Verteidigungsstrategie fest, die eine Vergrößerung der Militärkapazitäten vorsieht, um die Sicherheit und Einheit des Landes zu wahren und die Modernisierung voranzutreiben. Was die Modernisierung der Volksbefreiungsarmee betrifft, so betreibt China eine "charakteristisch chinesische Militärreform". Einerseits wird die Mechanisierung bzw. Motorisierung des Heeres vorangetrieben, und andererseits ist die Weiterentwicklung der Informationstechnologie ein Kernpunkt der Heeresreform." Mit einfachen Worten ausgedrückt, wird die Beziehung zu den Nachbarstaaten im Weißbuch als "Besorgnis erregend friedlich" charakterisiert. Realistisch gesehen stellen die chinesische Verteidigungspolitik und die militärischen Aktivitäten gemeinsam mit der starken wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre sehr wohl eine große Bedrohung für Japan dar.

Verletzungen der japanischen Seehoheit durch chinesische U-Boote

Am 10. November 2004 drang ein chinesisches Atom-U-Boot in der Nähe der Ishigaki-Inseln in japanisches Hoheitsgebiet ein. Ein Patrouillenflugzeug der MSDF entdeckte das ausländische U-Boot und nahm die Verfolgung auf. Das U-Boot bewegte sich im japanischen Hoheitsgewässer zwischen den Inseln von Süden Richtung Norden. Gemäß dem UNO-Seerechtsübereinkommen wird ausländischen Schiffen inklusive Kriegsschiffen das Recht auf ungefährdete Durchfahrt gewährt. In diesem Fall muss ein U-Boot auftauchen und seine Nationalflagge hissen (Seerechtsübereinkommen Artikel 20). Nach heftigen Protesten Japans gestand die chinesische Regierung sechs Tage später einen Fehler ein und erklärte, "dass man auf Grund eines technischen Problems bei einer Routineübung versehentlich in die Wasserstraße von Ishigaki eingedrungen sei. Die chinesische Regierung bedauert diesen Vorfall." Das Gebiet der Ishigaki-Inseln erstreckt sich jedoch inklusive Festland und dazugehörigen Hoheitsgewässern über eine Länge von 240 km von West nach Ost. Deshalb kann man den Vorfall nicht mit technischen Problemen rechtfertigen und mit einem U-Boot die ganze Inselkette von Süden nach Norden ohne aufzutauchen durchqueren.

Nicht nur eine Verletzung der Hoheitsgewässer

Es kommt immer wieder vor, dass chinesische Forschungsschiffe (auch militärischer Art) illegal in der exklusiven Wirtschaftszone Untersuchungen durchführen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Will ein Land wissenschaftliche Untersuchungen in den exklusiven Wirtschaftszonen durchführen, ist die Einwilligung der betroffenen Staaten nötig. China hat noch nie um eine solche Genehmigung angesucht. Eine große Problematik liegt darin, dass sich die exklusiven Wirtschaftszonen im Chinesischen Meer, wo reiche Erdgasvorkommen vermutet werden, überlappen.

China hat bereits in unmittelbarer Nähe zur Grenzlinie zwischen japanischer und chinesischer Wirtschaftszone im Ostchinesischen Meer mit Vorbereitungen zur Gasförderung begonnen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Gasfelder unter dem Meeresgrund in die japanische Wirtschaftszone hineinreichen. Seit China mit Probebohrungen begonnen hat, drängt Japan auf Verhandlungen, die jedoch von China rigoros abgelehnt werden. Im September 2005 positionierte China fünf Zerstörer in unmittelbarer Nähe der Gasfelder, um Stärke zu demonstrieren.

Im September 2005 schlossen der russische und der chinesische Verteidigungsminister bei einem Treffen in der russischen Schwarzmeerstadt Sotschi einen Vertrag über den Kauf von zwei russischen Tankflugzeugen und 34 Militärtransportflugzeugen. Darüber hinaus gab es Gespräche über den An- bzw. Verkauf von weiteren Rüstungsgütern wie z.B. des Überschallbombers Tupolew Tu-22, von Sukhoi Su-30MK-Kampfflugzeugen, konventionellen U-Booten, Kriegsschiffen und Luftabwehrraketen.(FN3) Dies zeigt sehr gut die Modernisierungspläne der chinesischen Volksbefreiungsarmee.

Die Verteidigungsausgaben Chinas verzeichneten in den letzten 17 Jahren eine jährliche Zuwachsrate von mehr als 10%. Die Angaben über die Verteidigungsausgaben beinhalten in China, anders als in anderen Ländern, keine Anschaffungskosten für Waffen, Forschungs- und Entwicklungskosten u.Ä., dadurch ist die Gesamtsumme eher undurchschaubar. Das amerikanische Verteidigungsministerium veröffentlichte im Juli 2005 seinen jährlichen Bericht über die Militärstärke Chinas. Die tatsächlichen Militärausgaben erreichten demnach im Jahr 2005 eine maximale Höhe von 90 Mrd. US-Dollar. China liegt somit nach den USA und Russland weltweit an dritter Stelle. Die Verteidigungsausgaben haben sich innerhalb von fünf Jahren verdoppelt. Allein diese rasche Expansion stellt für alle Nachbarländer einschließlich Japans eine Bedrohung dar.

Im August 2005 führten Russland und China gemeinsam ein groß angelegtes Militärmanöver durch, das stark an eine Invasion in Taiwan erinnerte. Insgesamt wurden aus beiden Ländern 10.000 Mann für diese Übung mobilisiert, dazu kamen 100 Flugzeuge, u.a. auch Kampfbomber, und ca. 70 Schiffe, inklusive U-Boote und Amphibienschiffe. Die Übungsszenarien reichten von Simulationsübungen, Fallschirmspringen, Luftbetankung bis hin zu Landeoperationen. Dieses Manöver betraf Japan nicht direkt, doch allein die Tatsache, dass China gemeinsam mit Russland seine militärische Stärke zur Schau trug, stellt eine Bedrohung für Japan dar.

Japan empfindet in der gegenwärtigen Sicherheitssituation nicht, wie man annehmen würde, Nordkorea als größte Bedrohung, sondern China, und auch in Zukunft wird es die Volksrepublik bleiben. Japan geht nicht davon aus, dass China in naher Zukunft militärisch angreifen wird, aber eine Invasion in Taiwan würde einen starken Einfluss auf die bilateralen Beziehungen ausüben. Insbesondere wenn es darum geht, wirtschaftliche Interessen durchzusetzen, könnte mit Hilfe einer starken Militärmacht im Rücken indirekt Druck ausgeübt werden, was natürlich in Zukunft eine große Gefahr für Japan in sich birgt. Unabhängig davon wie groß dieser Druck ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass kein echter Konflikt entstehen könnte. Japan muss sein Verteidigungskonzept, das jahrelang die Abwehr der russischen Fernostdivisionen zum Gegenstand hatte, reformieren und in Richtung Westen, mit anderen Worten, in Richtung China ausrichten. Die Errichtung eines Raketenabwehrsystems für die Abwehr von Langstreckenraketen ist deshalb so wichtig, da Japan die drohende Gefahr aus China nicht ignorieren kann.

Die Beziehungen zu den USA

Die USA sind Verbündete Japans. Es existieren auch keine Feindseligkeiten mehr zwischen den beiden Staaten. Natürlich hat die enorme politische und militärische Macht der USA einen besonderen Einfluss auf die Sicherheitslage ihres Allianzpartners Japan ausgeübt. Wenn man sich Gedanken über die Sicherheitssituation rund um Japan macht, darf man den Einfluss der USA nicht außer Acht lassen. Die japanische Verteidigungspolitik basiert auf dem "Konzept der gemeinschaftlichen Verteidigung" mit den USA.

Betrachtet man den japanischen Wirtschaftsaufschwung in einem etwas größeren Blickwinkel, so hat die militärische Stärke der USA zu einem stabilen globalen Umfeld beigetragen und war dadurch ein entscheidender Faktor für den Wohlstand Japans. Japan ist z.B. bei der Energieversorgung zu 89% auf Importe angewiesen, davon sind allein 75% Erdölimporte, die großteils (80%) aus dem Mittleren Osten kommen. Es gibt Berechnungen, dass bei einem 200-tägigen Ausfall dieser Erdölimporte rund drei Mio. Menschen in Japan sterben würden und die Bevölkerung rund 70% ihres Vermögens verlieren würde.

Innerhalb dieser Sicherheitsallianz zwi­­schen Japan und den USA kam es in letzter Zeit zu größeren Veränderungen. Ein Punkt ist die geplante Revision des Bereitschaftssystems und die damit verbundenen Truppenverschiebungen der US-Armee. Im Zuge dieser Veränderungen werden auch Truppenreduzierungen und -verlegungen bei den in Japan stationierten amerikanischen Einheiten überlegt. Es gibt Pläne, nach denen die Marineeinheiten von Okinawa nach Guam verlegt werden könnten.

Die Truppenverlegung von amerikanischen Militäreinheiten birgt natürlich auch Probleme in sich. Eine Umstrukturierung bzw. ein Rückzug von Truppen könnte das Mächtegleichgewicht in den verbündeten und befreundeten Ländern stören. Seit 1952 haben die USA einen Großteil der japanischen Landesverteidigung übernommen. Von Japan wird jetzt gefordert, im nordostasiatischen Raum mehr Verantwortung in Sicherheitsangelegenheiten zu übernehmen und die Zusammenarbeit mit den Amerikanern zu verstärken.

Unklar ist jedoch, wie sich das realisieren lassen wird. Auf alle Fälle wird Japan nicht wie bisher den Hauptteil der Landesverteidigung den USA überlassen können, sondern wird selbst Gegenmaßnahmen gegen die verschiedenen Bedrohungen ergreifen müssen. Diese Lastenteilung, die auch die Unterstützung amerikanischer Truppen im Fernen Osten mit einbezieht, kann nur im Zuge einer Modernisierung und Verstärkung umgesetzt werden.

ANMERKUNGEN:

(Fußnote 1/FN1) Nach Angaben der japanischen Küstenwache.

(FN2) Punkte, da Mehrfachnennungen möglich waren.

(FN3) Vedomosti, 8. September 2005.

Yoshiteru Oka

Geb.1934; Osaka, Japan; 1959 Abschluss an der Kwansei Gakuin Universität (wirtschaftliche Fakultät); seit April 1959 Journalist bei Sankei Shimbun (japanische Tageszeitung); seit Februar 1987 Redakteur; seit Juni 2004 freier Journalist; seit Oktober 2004 Magisterstudium der Japanologie an der Universität Wien; Publikationen, Monographien: "Die Selbstverteidigungsstreitkräfte seit den 90er Jahren", "Biologische und chemische Waffen", Übersetzung: "How to make war" von James Dunnigan 1992 ins Japanische.



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