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Europäische Sicherheitspolitik

Der Europäische Rat hat am 13. Dezember 2003 die Europäische Sicherheitsstrategie mit dem Titel "Ein sicheres Europa in einer besseren Welt" verabschiedet.
Die Mittel zur Durchsetzung bestimmen den Wert dieser Strategie. Der folgende Beitrag geht insbesondere auf die zukünftigen Erfordernisse im Bereich der Informationsverarbeitung und des Wissensmanagements ein.

EU-Sicherheits-Strategie (ESS)

Die europäische Sicherheitsstrategie gegliedert sich in drei Kapitel:
1. Die Analyse der fünf Hauptbedrohungen Europas, das sind:
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Terrorismus,
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Verbreitung von Massenvernichtungswaffen,
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Regionalkonflikte,
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gescheiterte Staaten und
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organisierte Kriminalität;
2. Die drei strategischen Ziele:
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Präventives Vorgehen gegen die Bedrohungen ("we should be ready to act before a crisis occurs");
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Sicherheit in Europas unmittelbarer Nachbarschaft ("geography is still important");
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Stärkung einer in effektivem Multilateralismus begründeten Weltordnung mit den Vereinten
Nationen (VN) im Zentrum ("rulebased international order");
3. Die Auswirkungen auf die europäische Politik: aktivere, handlungsfähigere und kohärentere EU sowie deren Zusammenarbeit mit Partnern.

Anmerkungen zur ESS:

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Der umfassende Sicherheitsbegriff wurde verstärkt durch das mehrfach hervorgehobene präventive diplomatische, handels- und entwicklungspolitische Gesamtinstrumentarium der EU. Damit ist klar: Militärische Gewalt kann nur als letztes Mittel und nur auf Grundlage der VN-Charta (Art. VII, Art. 51.) Anwendung finden;
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Der umstrittene Begriff "preemptive engagement" wurde durch "preventive engagement" ersetzt, wodurch der vorbeugende, vor allem auf zivilen Mitteln aufbauende Sicherheitsansatz der EU unterstrichen wird;
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Das Bekenntnis zu Völkerrecht und Multilateralismus wird verstärkt: "We are committed to upholding and developing International Law". Die primäre Verantwortung des VN-Sicherheitsrates für Frieden und Sicherheit wird herausgestellt;
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Die Bedeutung der Rüstungskontrolle für die Sicherheit inner- und außerhalb Europas wird hervorgehoben;
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Die "Strategische Partnerschaft" zwischen EU und NATO wird erwähnt. Das ist insbesondere wichtig für Krisenmanagement-Operationen entsprechend den EU-NATO-Dauervereinbarungen ("Berlin Plus").

Bedrohungen und Abwehrmaßnahmen

Das neue Risikobild erzwingt auch neue "Abwehrmaßnahmen". Deshalb heißt es: "Im Gegensatz zu den massiv spürbaren Bedrohungen während des Kalten Krieges sind heute die Bedrohungen keinesfalls nur militärische Art und daher kann ihnen auch nicht alleine auf militärische Art und Weise begegnet werden. Jede neue Bedrohung verlangt nach einem anderen "Mix" der einzusetzenden Abwehrmaßnahmen".
Die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen kann über Exportkontrollen und über weiteren politischen und wirtschaftlichen Druck verhindert werden, wobei auch die politischen Ursachen bedacht werden müssen.
Gegen den Terrorismus ist ein "Mix" aus Aufklärung, polizeilichen Maßnahmen, juristischen und militärischen Maßnahmen zielführend.
Für die sogenannten "gescheiterten Staaten" sind militärische Maßnahmen zu aller erst nötig, um die staatliche Ordnung wieder herzustellen, dann aber auch humanitäre Hilfsmaßnahmen, um die anschließenden Krisen und das Leid der Bevölkerung möglichst gering zu halten.
Regionale Konflikte brauchen politische Lösungen, die durch militärische Mittel unterstützt werden, um den politischen Maßnahmen zum Durchbruch zu verhelfen. Weitere wirtschaftliche Maß-nahmen helfen dann, die zivilen Kräfte in der Region zu stärken bzw. deren Einrichtungen zu schützen.
Die Europäische Union hat sich mit der Verabschiedung der ESS für die künftigen und fassettenreichen Bedrohungen gerüstet, um ihnen erfolgreich begegnen zu können.

Mittel zur Durchsetzung

Um die Frage der Durchsetzbarkeit beantworten zu können, muss man, ausgehend vom Strategiedokument, die technischen Entwicklungen auf dem Waffen- und Informationssektor berücksichtigen und gleichzeitig zur Kenntnis nehmen, dass alles, was zur Abwehr von Bedrohungen durch die EU eingesetzt werden kann, auch dem Bedroher zur Verfügung steht.
Das gilt ganz besonders für die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung also im Bereich des "Information Warfare". Daher muss das oberste Gebot einer Sicherheitsstrategie die Vernetzung der einzelnen "Kompetenzzentren" sein, die für die Sicherheit der Bürger zuständig sind, ob das nun staatliche oder nichtstaatlich Akteure sind.
Aber auch zwischen den staatlichen Zentren, die für Aufklärung, Frühwarnung und die Sicherheit zuständig sind, muss ein flexibles, besonders gegen Angriff von außen geschütztes Netz die unmittelbare Kommunikation bis auf die untersten exekutiven Ebenen sicherstellen.
Die Bedroher haben zwar das selbe Problem, sie haben aber nicht jene Auflagen einzuhalten, die die staatlichen Akteure befolgen müssen. Dabei geht es um den Schutz der Grund- und Freiheitsrechte der Bürger, die Wahrung der Privatsphäre u.ä.m. Da die Bedroher sich im "illegalen Raum" bewegen, haben sie mindestens einen Zeitvorteil und in der Wahl der Mittel keine Beschränkungen.

Vernetzte Abwehr

Das bessere Wissensmanagement und erst die Möglichkeiten einer umfassend vernetzten Abwehr der in der Strategie genannten Bedrohungen schaffen so etwas wie eine Dominanz in der Informationsverarbeitung gegenüber dem Bedroher. Erst qualitativ hochprofessionelle Abwehr-Akteure können den Erfolg in der Bedrohungsabwehr sicherstellen.
Das Problem einer erfolgreichen Sicherheitsstrategie liegt darüber hinaus noch in einer supranationalen Vernetzung sowie in der entsprechenden Delegation an die Kompetenzzentren und in deren Fähigkeit zur Herstellung der "Interoperabilität" der Systeme, derer sie sich bedienen. Nur so kann der Erkenntnis "kein Staat in der EU kann, auf sich alleine gestellt, die nationale Sicherheit mehr garantieren", entsprochen werden.

Nationale Vorsorgen

Die ESS wird nicht ohne Rückwirkung auf die nationalen Planungen und Konzepte in diesen Politikbereichen sowie auf deren Abstimmung mit internationalen Beschlüssen bleiben. Diese politische Entwicklung bewirkt, dass die sicherheitspolitische Vernetzung immer wichtiger wird.
Erst durch den immensen technologischen Fortschritt auf dem Informationssektor (Internet etc.) kann der Vernetzung zwischen den Staaten entsprochen werden. Die daraus resultierenden Optionen wurden in den neunziger Jahren vor allem von den U.S.-amerikanischen Streitkräften erkannt und unter dem Hinweis auf eine sich abzeichnende "Revolution in Military Affairs (RMA)" in neuen Konzepten umgesetzt.

Wissensmanagement

Es ist klarerweise zu erwarten, dass bei einer derartigen Vernetzung unglaublich viel Datenmengen anfallen und transportiert werden müssen, was technologisch heute kein Problem mehr darstellt. Ein Problem ist allerdings das Management dieser Datenmengen (Wissensmanagement) und die Unterscheidung und Filterung dieser Mengen im Hinblick auf eine gerade aktuelle Problemstellung.

Dieses vernetzte Verständnis von Sicherheit liegt auch implizit dem neuen Sicherheitskonzept Österreichs zugrunde. Dieses folgt der Leitidee der umfassenden Sicherheitsvorsorge und basiert auf drei Prinzipien:
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Das Prinzip der umfassenden Sicherheit betont den Querschnittscharakter der Sicherheitspolitik und legt die enge Verzahnung der unterschiedlichen Politikbereiche nahe;
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Das Prinzip der präventiven Sicherheit stellt auf die Konfliktvermeidung durch die vorteilhafte Gestaltung des sicherheitspolitisch relevanten Umfelds ab und unterstreicht vor allem die Notwendigkeit der engen Abstimmung zwischen den involvierten Akteuren und dem Einsatz der unterschiedlichen sicherheitspolitisch relevanten Instrumente;
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Schließlich betont das Prinzip der europäischen Solidarität die Unteilbarkeit von Sicherheit und legt die enge Koordination zwischen der internationalen und der nationalen Ebene nahe. Die Forderung nach konsequenter sicherheitspolitischer Vernetzung hält Herausforderungen von neuer Komplexität bereit. Das gilt für die Reform der militärischen Streitkräfte genauso wie für die Neugestaltung der nationalen sowie der internationalen Sicherheitssektoren. In vielerlei Hinsicht ist die Reform der Sicherheitssektoren sogar die Voraussetzung dafür, dass die militärischen Streitkräfte reibungslos mit den anderen Sicherheitskräften kooperieren können.
Diese Erkenntnisse müssen an die politischen Entscheidungsträger herangetragen werden, denn sie sind es, die in erster Linie Grundlagen für die sicherheitspolitische Vernetzung schaffen müssen.

Sicherheitspolitische Erfordernisse

Für den gesamten sicherheitspolitischen Bereich stellen sich folgende Themenschwerpunkte, die in die Realität umzusetzen sind, um der ESS zum Durchbruch zu verhelfen:
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Die verstärkte sicherheitspolitische Vernetzung zur Darstellung der gegenseitigen Abhängigkeit im Anlassfall, um auf den Zusammenhang zwischen der Kompatibilität der politischen Systeme und der Kooperationspartner zur Wahrung der erforderlichen Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit aufmerksam zu machen;
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Die Herstellung der Handlungsfähigkeit der vernetzten Bereiche mit organisationsübergreifenden anstelle ressortspezifischen Lösungen zur Bewältigung der Aufgaben im Sicherheitsbereich.
Dr. Hermann Jung

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