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Hannibal und sein strategisches Scheitern

von Eberhard Birk

Kurzfassung

◄ Im Zweiten Punischen Krieg ergaben sich für die Anfangsphase zwei strategische Zentren für die Hannibals Gesamtkriegführung: Spanien und Oberitalien. Mit dem überraschenden Angriff nach Pyrenäen- und Alpenüberquerung wurde die Po-Ebene zu Hannibals Ausgangsbasis, die mehrere Optionen zum weiteren Vorrücken offen hielt. Dieses war zunächst überaus erfolgreich. Strategische Überraschung, unorthodoxe Operationsführung durch schnelle Entschlüsse, Märsche und taktische Erfolge ließen in einer Welle des Erfolges den Sieg in einem "strategischen Blitzkrieg" in erreichbare Nähe rücken.

Nach dem überragenden Sieg bei Cannae verlagerte sich der strategische Schwerpunkt nach Unteritalien, wo sich zwar einige Städte aus dem römischen Bundesgenossensystem lösten, Hannibals politisch-strategische Erwartungen allerdings nicht erfüllt wurden. Eine Belagerung Roms wurde zwar angedacht, mangels poliorketischer Fähigkeiten aber verworfen. Das Schwinden politischer und militärischer Perspektiven ließ einen hilflosen Feldherrn zurück, der sich seiner strategischen Grenzen nach und nach bewusst werden musste, wertlose Bündnisse einging und auf karthagische und iberische Unterstützung setzen musste, womit er das "Gesetz des Handelns" an seine von ihm lernenden römischen Gegenspieler verlor.

So agierte Hannibal in der Folge nur noch auf einem von mehreren Kriegsschauplätzen auf operativer Ebene. Das "strategische Gravitationszentrum" Hannibals wurde zu einem operativen; es befand sich nur am Ort des Feldherrn und seines dahinschmelzenden Heeres. Seine römischen Gegenspieler Fabius und Scipio waren mit einer an moderne Guerillakriege erinnernden Ermattungsstrategie erfolgreich, die schließlich zur Niederlage Hannibals führte.

Dieser scheiterte letztlich an der falschen Lagebeurteilung - seiner eigenen wie der seiner Gegner. Seine Kriegszielpolitik, der Ersatz des römisch dominierten Bundesgenossensystem durch ein karthagisch beherrschtes, wurde von seinen Allianzpartnern nicht geteilt, seine Machtmittel waren zur dauerhaften Sicherung eines erweiterten Herrschaftssystems, das die italische Halbinsel einschloss, zu gering. Hannibal ging so als hervorragender Logistiker, Schlachtentaktiker und Menschenführer einerseits sowie als miserabler Stratege und schlechter Politiker, unfähig zur Selbstkritik bzw. zum Erkennen des Wesens seines Gegners, in die Geschichte ein. ►


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Hannibal und sein strategisches Scheitern

Vom brillanten Eröffnungszug zum konzeptlosen Ende

"Der Sieger ist nicht siegreich, wenn der Besiegte sich nicht für einen solchen hält." (Fußnote 1/FN1) Was für den östlichen Mittelmeerraum in der "klassischen" Antike der latente Dualismus "Griechenland" gegen Persisches Reich war, wurde für die westliche mediterrane Sphäre die sich über ein Jahrhundert hinziehende Auseinandersetzung zwischen Karthago und Rom in den drei Punischen Kriegen,(FN2) deren machtpolitisch-strategischer Kulminationspunkt der Zweite Punische Krieg (219-201 v. Chr.) war. Der Name des karthagischen Feldherrn Hannibal steht noch immer stellvertretend für dieses gewaltige, in seinen Auswirkungen weltgeschichtliche Ringen zweier Mächte, das perspektivisch durch den Sieg Roms den ungebremsten Aufstieg der Tiber-Metropole zur Folge hatte. Die Literatur über den karthagischen Feldherrn und den Zweiten Punischen Krieg - hier insbesondere Studien über die Schlacht bei Cannae 216 v. Chr., in der nach seriösen Schätzungen zwischen 60.-80.000 römische Legionäre gefallen sind(FN3) - ist zweifelsohne Legion. Hannibals taktisches und operatives "Feldherrntum" wird in der Antike nur durch Alexander überstrahlt.(FN4) Während mit den Werken von Jakob Seibert,(FN5) Karl Christ(FN6) und Pedro Barceló(FN7) der generelle Überblick über die Lebensbahn gegeben bzw. die individuelle und welthistorische Leistungsbilanz des Barkiden analysiert und bewertet ist, sind nur noch durch Detailstudien einzelne, erhellende neue Einsichten über den Themenkomplex "Hannibal und der Zweite Punische Krieg" zu erwarten - es sei denn, dass wider Erwarten karthagische (In-)Schriften respektive "hannibalische" Ego-Dokumente das Licht der Welt erblicken und die als Desiderat verbliebene karthagische Perspektive die pro-römische Geschichtsschreibung ins rechte Lot zu rücken vermögen.(FN8) Die Mixtur aus induktiven Ansätzen und die "Methode der inhärenten Wahrscheinlichkeit"(FN9) erlauben jedoch für alle zurückliegenden Epochen, die keine schriftliche - oft auch erst spät einsetzende - Tradition oder andere für die historischen Wissenschaften verwertbaren Quellen hinterlassen haben, einen möglichen interpretativen Annäherungsprozess.

Dabei darf man bei Hannibal die Gefahr, in die - über lange Jahrzehnte eingeübte, dem genuin kriegsgeschichtlichen Credo geschuldete - Falle der Schlachtenfokussierung zu geraten, d.h. den Versuch, selbst unter fundamental veränderten Rahmenbedingungen aus vergangenem militärischen Handeln, insbesondere aus Schlachten, für die folgende unmittelbare militärische Auseinandersetzung Handlungsanweisungen zu erhoffen,(FN10) mittlerweile als marginal einstufen, selbst wenn sich einzelne Militärs durch den Bezug auf Hannibals taktische Dispositionen für und in der Schlacht bei Cannae auf olympische Höhen und damit in die Reihe des vermeintlich zeitlosen Feldherrn-Genius einzureihen versuchen.(FN11) Militärische Führer werden an ihren Erfolgen - in Abhängigkeit von ihren Zielen und ihrer persönlichen Verantwortung - gemessen. Nur selten genießen "Verlierer" kultische Verehrung; ein neuzeitliches Beispiel mag der Konföderierten-Generalleutnant Robert E. Lee sein.(FN12) Sein antikes Pendant, das neben vielen taktischen Siegen ein sehr viel gewichtigeres strategisches Scheitern zu verantworten hatte, war Hannibal. Niemand zuvor hatte ein solch immenses Unternehmen begonnen und war dabei so grandios gescheitert. Gerade im Fall des erfolgreichen Schlachtenlenkers Hannibal, der die letzte große Schlacht, seine einzige, bei Zama 202 v. Chr. verloren hatte, verdeutlicht die Tatsache, dass man einen fast 18-jährigen Krieg nicht nur durch eine Schlacht verliert, sondern dass strategische Achillesfersen das entscheidende Kriterium in diesem langen Ringen um die Vormacht waren.

Bewegt man sich in die Sphäre der selbst die Militärstrategie überlagernden Grand Strategy, so wird erst die Komplexität strategischen Denkens und Handelns deutlich, die bei all ihrer Heterogenität der zu beachtenden Parameter genügend Möglichkeiten des Scheiterns aufzeigt. In seinem Werk "Strategie" betont Liddell Hart nicht nur die grundsätzliche Bedeutung eines "indirekten Vorgehens" auch für militärische Handlungen, sondern er unternimmt den Versuch, über eine perspektivische Weitung des Strategiebegriffes die älteren, meist genuin militärischen Begriffsbestimmungen durch die Einführung einer Grand Strategy (Höheren Strategie) auf eine neue und umfassendere Ebene zu stellen.(FN13) Diese "Höhere Strategie ist zwar praktisch synonym mit dem Begriff der die Kriegführung bestimmenden Politik, unterscheidet sich aber doch von der Politik dadurch, dass diese das Ziel, den Zweck bestimmt. Der Begriff Höhere Strategie bedeutet also eine Art Politik in der Ausführung, denn ihre Aufgabe ist es, alle Kraftquellen einer Nation oder einer Allianz zu leiten und zu koordinieren, um das von der Politik gesteckte Kriegsziel zu erreichen." (FN14) Daher kann sie auch nicht ausschließlich militärisch verstanden werden. Im Unterschied zur rein militärischen Strategie, die den militärischen Sieg über den Gegner zu erreichen hat und ihren Platz somit innerhalb des Krieges findet, verfolgt die Höhere Strategie einen darüber hinaus weisenden Zweck: die Gewinnung bzw. Schaffung von geeigneten Möglichkeiten zur anschließenden Friedensgestaltung. Um dies zu erreichen, hat die Höhere Strategie "nicht nur die verschiedenen Kriegsinstrumente zu kombinieren, sondern deren Einsatz auch so zu lenken, dass Schaden für den späteren Frieden, für Sicherheit und Wohlstand vermieden wird".(FN15) So wie dieser Ansatz auf Alexander übertragen wurde,(FN16) so soll er auch hier als modifizierte Grundlage dienen. Demnach gilt es vor dem Hintergrund des Verlaufes des Zweiten Punischen Krieges(FN17) - ohne die antike "Kriegsschuldfrage" näher zu beleuchten(FN18) -, einzelne "strategische" Politikfelder des Barkiden zu analysieren. Hierbei werden kursorisch einzelne Faktoren der Strategiebildung beleuchtet, die den mythologisch-kulturellen, logistischen, (militär)-strategischen, diplomatischen und übergreifend politischen Handlungsrahmen Hannibals bildeten. Sämtliche "strategischen Fragen" an Hannibal stehen gleichsam latent für die römische Seite im Raum, die auf Hannibals Vorgehen und dessen Feldherrnbefähigung angemessene Gegenstrategien (counter-strategies) zu entwickeln hatte. In gewissem Sinne wird der Stratege an den Rahmenbedingungen gemessen, die er vorfindet, "und [an der] Art, in der er sich nicht nur ihnen anpasst, sondern sie zu seinem Vorteil zu nützen versteht". (FN19) Entscheidend ist folglich vor einem historisch-politisch-kulturellen Hintergrund die Herausarbeitung der ursprünglichen Zielsetzungen, die daraus abgeleiteten strategischen Ansätze sowie die Befähigung, auf unverhoffte Veränderungen entsprechend zu reagieren.

Exkurs: Der Feldherr Hannibal

Hannibal wurde hellenisch erzogen und war gleichzeitig karthagischen Traditionen verhaftet. Eine erste erzieherische Prägung erfuhr Hannibal durch den Spartaner Sosylos, der ihm wohl auch Alexander näher gebracht haben dürfte.(FN20) Hannibal "wuchs in einer Welt auf, die vom Vorbild Alexanders des Großen und der Diadochen erfüllt war. Tatendrang, Streben nach Triumph und Größe galten als nachahmenswerte Vorgaben." (FN21) Entscheidenden Einfluss auf Hannibal hatten auch die Erfahrungen bei seinem Vater auf dem iberischen Kriegsschauplatz und seine Ausbildung zum Kavallerieoffizier.(FN22) Als heranwachsender Jugendlicher war er so bereits an die Entbehrungen des Feld(lager)lebens gewöhnt. Er wusste aus langjähriger Erfahrung um die mentale Disposition seiner Söldner, die aus allen Gegenden des westlichen Mittelmeerraumes stammten: kriegerische Traditionen, personale Loyalität, Aussicht auf Ruhm und Beute.

In dieser militärischen Lehrzeit, während der er schon bald auch verantwortungsvolle Führungsaufgaben übertragen bekam, entwickelte sich Hannibal zu einem hervorragenden militärischen Truppenführer; er erhielt Kenntnisse von der militärischen Wichtigkeit von Dynamik, Elan, Überraschung, Schnelligkeit und teilte die physischen und psychischen Belastungen mit seinen ihm unterstellten Söldnern - das kleine Einmaleins der Truppenführung. Insgesamt gelang es ihm stets, seine eigenen Truppen zu motivieren und die Schwächen der gegnerischen militärischen Führung auszunutzen, was sich - zusammen mit seinem operativen und taktischen Führungskönnen (Hannibal entschloss sich nach Möglichkeit immer dazu, bevorzugt die latente Ungewissheit gegenüber der gegnerischen Wahl der Stellung zu akzeptieren)(FN23) - insbesondere in der Erfolgsphase des Krieges bis 216 v. Chr. in vielen siegreichen Schlachten (Trebia, Trasimeno, Cannae) auswirkte. Selbst in der Agonie der späteren Jahre seines Feldherrntums blieb sein Nimbus des brillanten Heerführers bestehen.

Hannibals strategischer Handlungshorizont

Ausgangslage

Fragt man vor diesem Hintergrund nach den Zielen des Krieges, so ist man, da entsprechende - wenn je erstellte, karthagische oder römische - Dokumente nicht erhalten sind, angesichts der Tatsache, dass Ziele sich mit dem Verlauf eines Krieges verändern, auf eine induktive Plausibilität angewiesen. Legt man eine realistische "Kriegszielpolitik" Karthagos respektive Hannibals als Maßstab zu Grunde, dann musste es darum gehen, das römische Bundesgenossensystem inklusive seiner italischen Wehrgemeinschaft zu zerschlagen, den Städten eine weit gehende Autonomie einzuräumen und diese durch eine defensive Allianzpolitik gegen ein als italische Mittelmacht weiter existierendes Rom an Karthago zu binden, was für die Aufrechterhaltung und Perpetuierung der Dominanz Karthagos eine dauerhafte Stationierung von Truppenkontingenten zur Folge hätte haben müssen.(FN24) Für Rom hingegen darf man von einer expansiven Zielrichtung ausgehen, die auf den barkidischen Machtbereich zielte. Der karthagische, d.h. barkidische Machtzuwachs in Spanien wurde aus römischer Sicht seit Jahren mit Argwohn betrachtet und ließ aus Senatsperspektive einen Revanchekrieg für den verlorenen Ersten Punischen Krieg (264-241 v. Chr.) möglich werden.

Roms Intervention in Sagunt kann somit als "konsequente Fortführung einer römischen Hegemonialpolitik" verstanden werden, der ein "kalkuliertes Risiko zur Vergrößerung der Machtbasis der eigenen Herrschaft" zu Grunde lag.(FN25) Das von Polybios angegebene Motiv, dass die karthagische Macht, die die "Reparationszahlungen" an Rom ermöglichte, aus römischer Perspektive "immer größere und furchteinflößendere" Dimensionen angenommen hatte, sodass sich, verbunden mit einem ausgeprägten Sicherheitsdenken, die latente Kriegsbereitschaft zum Entschluss für einen diplomatisch geschickt inszenierten Präventivkrieg ergab,(FN26) verdeutlicht, dass es "um die Lösung einer Machtfrage" (FN27) ging. Mit der Niederlage Karthagos im Ersten Punischen Krieg veränderte sich dessen militärische Grundausrichtung geradezu umgekehrt proportional zu jener Roms bereits während des Krieges. Während der römischen Republik bereits im Krieg die Transformation zur kombinierten Land- und Seemacht gelang, vollzog Karthago diesen Schritt erst nach dem Krieg. Dieser umgekehrte Transformationsprozess von der Seemacht zur schwächer konturierten See- und stärker akzentuierten Landmacht war den neuen Rahmenbedingungen geschuldet. Karthago zog nach dem Verlust von Sizilien und dem neuen "Kolonialreich" auf der iberischen Halbinsel die Folgerung, dass die stärkere Fokussierung auf die Belange der militärischen Landkriegführung zur Kontrolle der neuen Besitzungen sowie der notwendigen Fähigkeit zur Verteidigung gegen afrikanische Akteure notwendig war, ohne selbstverständlich sämtliche maritimen Fähigkeiten aufzugeben - indes verschob sich der Schwerpunkt eindeutig auf die landspezifischen militärischen Fähigkeiten.(FN28) Gleichwohl gehört es nach wie vor zu den überraschenden Einblicken, dass Hannibal, der maritimen Tradition einer Handelsmetropole mit einer entsprechend großen Handelsflotte zum Trotz, über mangelndes thalassokratisches Denken verfügte.(FN29) Dies hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Fähigkeitsprofile Karthagos respektive Hannibals bei der Einleitung kriegerischer Handlungen. Gerade der Aufbau von "Seemacht" hätte bei der enormen Küstenlänge Italiens einen die Landoperationen unterstützenden Machtfaktor bedeutet, da Rom niemals alle Küstenstriche sichern konnte(FN30).

Voraussetzungen

Vornehmliches Ziel der Grand Strategy von Hannibal und Karthago musste es sein, den materiellen und personellen Reichtum Spaniens zu sichern sowie eine Landung Roms an der afrikanischen Küste zu verhindern. Der "lange Marsch" Hannibals auf dem beschwerlichen Landweg kann daher als eine - indes alternativlose - gigantische indirekte strategische Täuschung interpretiert werden, die Rom von seinem Bundesgenossen Syrakus, i.e. Sizilien, ablenken sollte - der Krieg in Italien, vom Norden beginnend den Rest aufzurollen, war somit ein Mittel zum Zweck. Ein direktes Vorgehen auf und über Syrakus hätte die Aufmerksamkeit Roms nach Süden zur Folge gehabt, mit durchaus berechtigter Sorge vor einer permanenten latenten Bedrohung des karthagischen Sicherheits-Glacis an der nordafrikanischen Mittelmeerküste. Für Hannibal und Karthago stand hierbei stets das Trauma des "Söldnerkrieges" (241-238 v. Chr.)(FN31) im Hintergrund, dessen Wiederholung ausgeschlossen werden sollte. Hannibal zog den Schluss, dass ein zukünftiger Krieg nicht auf afrikanischem Territorium im Vorfeld Karthagos geführt werden dürfe und ein militärischer Führer sich stets um ein loyales Söldnerheer zu bemühen habe, um erneute Aufstände zu verhindern.(FN32) So ergaben sich für die Anfangsphase zwei strategische Zentren für die Hannibal’sche Gesamtkriegführung: Spanien und Oberitalien.

Mythologie

Für Hannibal galt es vor Beginn seines Feldzuges eine stabile mentale Kohärenz nach innen herzustellen, die darüber hinaus auch eine ansprechende ideologische bzw. politische Perspektive nach außen erreichen sollte. Dies geschah propagandistisch auf mythologischem Terrain durch den Rekurs auf die Gottheit Melkart. Melkart galt als Beschützer der barkidischen Expansionen in Iberien.(FN33) Hannibal selbst trug eine Statuette des Gottes mit sich, die einst für Alexander angefertigt worden war.(FN34) Neben einem persönlichen religiösen Bekenntnis ist die damit verbreitete Kriegsagitation wichtiger. Durch die Agitation mit der Gottheit Melkart/Herakles sandte Hannibal einen religiösen Appell an alle Karthager, aber v.a. an die Griechen, sich seinem Feldzug gegen die Römer anzuschließen. Politische Grenzen sollten durch eine religiös-mythologische Dimension aufgehoben werden.

Die Wahl von Melkart/Herakles (als Gott der Wiederauferstehung) kann - positiv gewendet - als Fanal für die Vergrößerung seiner politischen Basis verstanden werden: Nicht umsonst begann der karthagische Feldherr Hannibal deshalb seinen Zug gegen das Römische Reich mit einer religiösen Beistand erheischenden "Wallfahrt" nach Gades, wo das Heiligtum des Melkart (Herakles) stand. Auch wolle er, wie einst Herakles, seine Truppen - über die Alpen - nach Rom führen, versprach den Truppen Land und führte als weitere Verstärkung seinen Traum an, demzufolge ihm Jupiter den göttlichen Auftrag zum Feldzug gegen Rom erteilt habe, um dieses zur Verantwortung zu ziehen.(FN35) Es war also eine Aufforderung, sich der eigenen ehrwürdigen Kultur zu erinnern und sich von den Römern loszusagen. Durch den Bezug zu Melkart/Herakles schuf Hannibal ein Feindbild, das sowohl die Griechen als auch die Westphöniker dazu veranlassen sollte, ihre Herrschaft im westlichen Mittelmeerraum nicht völlig kampflos aufzugeben,(FN36) sondern über ihre religiös-kultische Autonomie ihre politische (Teil-)Souveränität zurückzuerlangen - ein potenziell Identität stiftendes Momentum par excellance: "Die Griechen sollten in Hannibal einen zweiten Herakles sehen [...] die politischen Sympathien der Griechen sollten gewonnen werden; die Bereitschaft der Griechen zum gemeinsamen Kampf gegen Rom sollte geweckt werden." (FN37) Damit konnte Hannibal sich als junger energischer Mann präsentieren, der für alte Kulturwerte stand, die, wenn auch etwas brüchig, eine Klammer anboten, denen als tief liegende Basis allerdings eine aktuellere Perspektive an die Seite gestellt werden musste. Denn was den hellenistisch geprägten Kulturraum in der Mittelmeerwelt, wenn auch nur ex negativo, einigen konnte, musste seine Wirkung auf das römische Bundesgenossensystem verfehlen, für das durch die Revitalisierung und Instrumentalisierung von Melkart die Etablierung einer "Gegengottheit" keine integrative Kraft entfalten konnte. Das Substitut "Freiheit der Italiker" (FN38) zielte als vage Option auf deren politischen "Seitenwechsel". Dies erinnert an Alexander, der den griechischen Städten an der kleinasiatischen Küste die Befreiung versprach; und wie bei Alexander sollten nun die Geschichtsschreiber Sosylos und Silenos von seinem Heereszug berichten,(FN39) die auch für die Propaganda genutzt werden sollten.

Logistik

Militärstrategische Zielsetzungen bedürfen zu ihrer Verwirklichung einer Umsetzung in die operative Führungskunst und stets auch eines logistischen Unterbaus. Hannibals Feldzugsplan mit der Zielsetzung, den Gegner auf dessen Territorium im eigenen Land zu schlagen, basierte auf einer konkreten Vorbereitung in Bezug auf den Nachschub, die politisch und militärisch abzusichernde Marschroute - beides über Hunderte von Kilometern - und die Finanzen. Alle Eventualitäten mussten berücksichtigt werden, um den reibungslosen Transport und die Versorgung der Armee mit Ausrüstungsgegenständen und Mengenversorgungsgütern für den Zug in die angestrebte Operationsbasis südlich der Alpen in der Po-Ebene zu gewährleisten.(FN40) Hannibal war sich im Klaren, dass er die Überquerung der Alpenregionen nicht ohne Hilfe von Bewohnern dieser Region schaffen würde. Er entsandte Boten, die durch Versprechungen oder Zahlungen die Unterstützung der Bewohner gewannen und feste Vereinbarungen trafen.(FN41) Diese kehrten im Frühjahr 218 v. Chr. mit generell positiven Berichten zurück.(FN42) Damit beschaffte Hannibal sich auch Informationen über die Marschroute und warb bei den ansässigen Stämmen für seinen Plan.(FN43) Deshalb gab es eine Vereinbarung mit den Kelten, die eine Stationierung seiner Truppen zur Sicherung der logistischen Verbindung zur Heimat erlaubte. Im karthagischen Lager an der Rhône stellten ansässige Bewohner Gesandte, die das Heer durch fruchtbare Gegenden führen und sie sicher über die Alpen bringen sollten. Hannibal ließ auf Weisung der Kelten vor dem Alpenanstieg seine Truppen mit Kleidung und Schuhwerk ausrüsten. Zudem galt es, ein Waffen- und Lebensmitteldepot unterwegs anzulegen. Diese logistischen Vorkehrungen zeigen, dass Hannibal nichts dem Zufall überlassen wollte, was sich auch in der Folgezeit auszahlte, wenngleich man die Fürsorge prinzipiell zu den natürlichen Pflichten eines militärischen Führers zählen muss - schon aus Gründen der Aufrechterhaltung des Einsatzwertes der Truppen.

Aus den Vorbereitungen der Alpenüberquerung, der Erkundung der geografischen und topografischen Verhältnisse zwischen Ebro und Rhône,(FN44) resultierte ein relativ sicherer Weg über die Alpen. Insgesamt zeigt die intensive Aufklärung in den Gebieten der Marschroute, dass Hannibal keinesfalls ein Hasardeur war.(FN45) Als Ergebnis der vorzeitigen Planung, Vorbereitung und Durchführung waren keine größeren Verluste nach der Überquerung, selbst unter den die klimatischen Bedingungen nicht gewohnten mediterranen Söldnern, bei seiner Armee festzustellen.(FN46) Für die Sicherung des Nachschubs und die Fortführung der militärischen Operationen benötigte Hannibal ständigen Kontakt mit Südhispanien, Karthago und seinen wichtigsten Verbündeten. Um diese Aufgabe bewältigen zu können, setzte er Kuriere, schnelle Schiffe und verdeckte Boten ein, die ständig zu Wasser und zu Lande unterwegs waren, um Informationen zu sammeln und Befehle zu übermitteln.(FN47) Vielleicht spielte der Nachschub auch eine Rolle bei Hannibals Entscheidung, Rom nicht anzugreifen. Denn das hätte eine langwierige Belagerung bedeutet, wobei das Heer seine Mobilität eingebüßt hätte. Aber diese erhielt sie am Leben, denn sie plünderten die Landschaften, in denen sie sich aufhielten. Schließlich bewegten sie sich tief im Feindesland ohne eine permanente Basis und regelmäßige Unterstützung von außerhalb.(FN48) Dies hatte gravierende Auswirkungen auf Hannibals Mobilität. Die Einengung der operativen Freiheit durch die stets präsente Sorge um Winterquartiere, die stets woanders sein mussten, hatte die Berechenbarkeit seiner Züge zur Folge.(FN49) Ein weiterer Aspekt für die Logistik ist die Finanzierung eines mit Söldnern geführten Krieges. Hierfür war Hannibal auf Grund der Gold- und Silbermünzen in Hispanien hinreichend gut vorbereitet. Hannibals Dilemmata blieben indes die lästige logistische Abhängigkeit von der iberischen Basis und die fatale Notwendigkeit des Requirierens auf der italischen Halbinsel, das unnötige innere Fronten aufbaute.

Gleichzeitig ist in Form einer "Gegenrechnung" festzuhalten, dass Hannibal die Fähigkeit besaß, ein Söldnerheer über 15 Jahre zu versorgen und zu bezahlen; dies verdeutlicht - abseits der politischen Friktionen - die logistische Umsicht eines Oberbefehlshabers, denn nur so ist erklärbar, dass es in der langen Zeit des Krieges nicht eine Meuterei im karthagischen Heer gab(FN50).

Militärstrategie

Auf strategischer Ebene kam es auf ein rasches Vorrücken in Feindesland durch Unterlaufen der erwarteten römischen Abfang-Legionen an der Rhône an. Für den Einfall auf die Apenninhalbinsel blieben Hannibal zwei Marschwege, nachdem die Flottenoption ausgeschieden war: Vormarsch entlang der Mittelmeerküste oder Alpenüberquerung.

Bei einem Zug zwischen Alpen und Mittelmeer wäre auf wenigen Kilometern Raum eine Sperrung durch römische Legionen möglich gewesen, die das gesamte, auf Überraschung und Schnelligkeit angelegte Projekt bereits beim Eintritt in Feindesland hätte scheitern lassen können. Hannibal entschloss sich für die schwierigere, aber dafür unerwartete Option der Alpenüberquerung. Durch die Überquerung der Alpen wurde die Po-Ebene zu einer Ausgangsbasis, die - auch über das Netz römischer Militärstraßen - mehrere Optionen zum weiteren Vorrücken offen hielt. Dieses war zunächst überaus erfolgreich. Strategische Überraschung, unorthodoxe Operationsführung durch schnelle Entschlüsse, Märsche und taktische Erfolge ließen in einer Welle des Erfolges den Sieg in einem "strategischen Blitzkrieg" in erreichbare Nähe rücken.

Um nicht zu sehr in die Abhängigkeit von letztlich nicht zu kontrollierenden externen Faktoren zu gelangen, galt es, den eigenen Erfolg zu nähren. Deshalb kam es für Hannibal auch darauf an, nach den überwältigenden Siegen bis zur Schlacht bei Cannae nicht nur die entstandenen Verluste durch nachgeführte Truppen lediglich auszugleichen, sondern sein siegreiches Heer durch ein weiteres Expeditionsheer unter dem Kommando von Hasdrubal so zu verstärken, dass jegliche Zuversicht Roms schwinden würde. Dies indes wurde durch die militärische Präsenz Roms in Hispanien gefährdet, sodass Hannibals militärisches "Geheimnis des Landsieges" nicht aufging.

Nach Cannae verlagerte sich der strategische Schwerpunkt nach Unteritalien, wo infolge der Schlacht bei Cannae zwar einige Städte sich aus dem römischen Bundesgenossensystem lösten, Hannibals politisch-strategische Erwartungen allerdings nicht erfüllt wurden. Das Schwinden politischer und militärischer Perspektiven ließ einen hilflosen Feldherrn zurück, der sich seiner strategischen Grenzen nach und nach bewusst werden musste, wertlose Bündnisse einging und auf karthagische und iberische Unterstützung setzen musste, womit er das "Gesetz des Handelns" an seine von ihm lernenden römischen Gegenspieler verlor - zunächst an Fabius, der für seine überlegene, da eigene Schwächen resp. Defizite beweglicher Kriegführung gegen Hannibal kennende Strategie vollkommen verfehlt mit dem Verdikt "Cunctator" für Jahrhunderte stigmatisiert wurde, und dann an Scipio, den cäsarische Züge aufweisenden Quasi-(Berufs)-Feldherrn "neuen Typs", den Hart mit dem Attribut "A Greater than Napoleon" versah.(FN51) So agierte Hannibal in der Folge nur noch auf einem von mehreren Kriegsschauplätzen auf operativer Ebene. Das "strategische Gravitationszentrum" Hannibals wurde zu einem operativen; es befand sich nur am Ort des Feldherrn und seines dahinschmelzenden Heeres. Die strategische Initiative lag bei Rom. Selbst "wichtige Abwehrsiege"(FN52) Hannibals änderten nichts an seiner strategischen Defensive, was nach dem missglückten Versuch der Nachführung eines Heeres im Jahre 207 v. Chr. am Metaurus in Umbrien für Hannibal zum absehbaren Ende führen musste,(FN53) das er nur durch geschicktes Lavieren, allerdings nunmehr auf der operativ-taktischen Ebene, hinauszögern konnte.

Diplomatie

Nachdem Rom nach und trotz Cannae nicht kapitulieren wollte und auch die erhoffte Absetzbewegung der italienischen Städte aus dem Bundesgenossensystem - mit einigen Ausnahmen, insbesondere Capua war ein zeitweiliger "Gewinn" für Hannibal - ausgeblieben war,(FN54) sah Hannibal - er musste geradezu erhoffte und sich bietende diplomatische Chancen wahrnehmen - in der Ausweitung des Konflikts möglicherweise eine Art "System der Aushilfen". Sollte es Karthago gelingen, auf Sizilien eine Operationsbasis für den Krieg gegen Rom dauerhaft zu etablieren, wäre Rom durch Karthago von zwei Seiten bedroht gewesen; gelänge es zudem, Rom in seinem adriatischen Rücken strategisch zu binden, so scheint es, wäre der Krieg für Rom aussichtslos geworden. Eine coalition of the willing mit Makedonien und Syrakus gab neue Zuversicht - sie konnten die eigene Truppe entlasten und neue politische Optionen eröffnen, die gegebenenfalls die militärstrategischen Handlungsradien des Gegners limitierten.

In Syrakus schien sich ein möglicher Politikwechsel abzuzeichnen, als nach dem Rom-treuen Hieron II. im Jahre 215 v. Chr. sein Karthago-geneigter Nachfolger Hieronymus an die Macht kam und Karthago sofort neue Truppen auf dem Seeweg entsandte,(FN55) was für Rom eine erhebliche strategische und geradezu tödliche Gefahr darstellte. Es war damit gezwungen, auf der iberischen Halbinsel - hier entwickelte sich ein Krieg im Krieg -, im Kernland gegen Hannibal und auf Sizilien geradezu in die Falle einer übermächtigen Diversion zu laufen, die nur durch enorme Anstrengungen über Jahre hinweg mit Erfolgen in Hispanien und auf Sizilien endete. Der Kriegsschauplatz Sizilien (214-210 v. Chr.) hatte für Hannibal eine gewisse strategische Ambivalenz: Der Übertritt von Syrakus auf die karthagische Seite würde starke Truppenkontingente Roms sowie große Teile der römischen Flotte binden - und ihm so größere Handlungsradien ermöglichen. Für den karthagischen Rat indes rückte die Kampffront existenziell nahe. Während für Hannibal der sich über Jahre hinziehende Kampf auf Sizilien eine Entlastung war, er aber auf keine Unterstützungsleistung seiner Heimatstadt hoffen konnte, entwickelte sich auch der Krieg auf Sizilien zu einem Krieg im Krieg, der an Totalität zunahm.

Das "Bündnis" mit Philipp V. von Makedonien wurde von diesem angeregt, um am möglichen Erfolg Hannibals partizipieren zu können. Für Hannibal bestand wohl das Ziel, im Rücken Roms eine weitere Front zu etablieren, auch um Teile der römischen Flotte in der Adria zu binden. Aus dem Vertragstext geht hervor, dass Hannibal sich makedonische Hilfeleistung nur nach seiner "Anforderung" vorstellte. Die von Hannibal erhoffte Unterstützung in Form von Truppen blieb aus, da Makedonien selbst - auch durch kluge römische Außenpolitik - mit dem 1. Makedonischen Krieg (215-205 v. Chr.) einen Parallelkrieg führte, der die eigenen Truppen dauerhaft band.(FN56) Nachdem damit zwei der drei Optionen militärstrategischer Handlungsfähigkeit Hannibals entfielen, konnte Rom sich darauf konzentrieren, Hannibal auf dem süditalischen Kriegsschauplatz zu isolieren. So waren, von der strategischen Warte aus betrachtet, beide temporären Bündnispartner nur eine jeweils kurzweilige zweite Front gegen Rom, die Hannibals eigenem Handeln aber keine erkennbaren Vorteile brachten. Ein strategischer Wurf indes waren beide nicht.

Exkurs: Warum nicht nach Rom?

Auf einem Schnittfeld von Logistik, Operationsführung und Beurteilung der politisch-strategischen Lage ist vor dem Hintergrund des Verzichts eines Marsches auf Rom nach den Schlachten am Lago Trasimeno und bei Cannae die stete Frage um die evidenten poliorketischen Defizite Hannibals angesiedelt. Als Erklärungsansatz dient hier meist der Hinweis darauf, dass Hannibal, der seine militärischen Lehrjahre bei seinem Vater und Onkel im Feldlager verbrachte, deren Defizite gleichsam ererbte(FN57) und mit seinem ersten Belagerungsversuch bei Sagunt ein weit reichendes Trauma erlitt, als es ihm erst nach neunmonatiger Belagerung gelang, in die Stadt vorzudringen.(FN58) Bei einer möglichen Einnahme Roms hätte er sich selbst in die operative Falle gesetzt; mangelnde Flexibilität, Unmöglichkeit zum taktischen und operativen Einsatz seiner Stärke, d.h. Entfaltungsmöglichkeiten seiner Kavallerie, hätten bei einer Einigelung in Rom - das Potenzial zur Aufstellung eines römischen Feldheeres bestand nach wie vor - zu einer nicht gewinnbaren defensiven Grundhaltung geführt, die die für die Durchsetzung dynamisch-offensiver Ziele - er befand sich ja bekanntlich in Feindesland - notwendigen Verstetigung der Eroberungs- und Siegesdynamik ad absurdum geführt hätte. So wollte und konnte er weder nach der Schlacht am Lago Trasimeno 217 v. Chr. noch nach Cannae 216 v. Chr. ein erstrebenswertes Ziel in der Einnahme Roms sehen.

Dass Hannibal beim Überqueren der Pyrenäen und Alpen keinen Belagerungspark mitführen konnte, ist ebenso evident wie das Bestreben, Belagerungen grundsätzlich verhindern zu wollen - in dem Wissen, dass es bei seinem angestrebten Feldzug weniger um wieder zu erobernden Raum als vielmehr um das Ausnutzen des Faktors Zeit ging. Auch dass ein Eroberer Angreifer sein musste, der um die zu großen Abnutzungserscheinungen bei lang anhaltenden Belagerungen wusste, d.h. Seuchengefahr und Gefahr der Einschließung durch eine Entsatzarmee, war ebenso zu berücksichtigen wie die Schwierigkeit des Personalersatzes. Der römischen Mannschaftsstärke war Hannibal strukturell unterlegen,(FN59) da er aus politischen Gründen auf die Rekrutierung von Soldaten aus den von Rom abfallenden Städten verzichten musste, wollte er nicht ein Glaubwürdigkeitsdefizit riskieren. Zudem drohte bei einem Fehlschlag der das Gesamtziel in Frage stellende Prestigeverlust Hannibals. Soweit die Erklärungen, seine Entscheidung rational zu begründen.

Gleichwohl steht für den fähigen Feldherrn die Verpflichtung zur Durchführung des militärisch Notwendigen im Vordergrund, will er nicht mit dem Makel des Unkompletten leben. Es stellt sich hier die Frage, weshalb er nicht umdachte, poliorketische Fähigkeiten aufbauen ließ - Ingenieure, Pioniere und Techniker befanden sich für Gewässer- und Gebirgsüberquerungen in seinem Stab(FN60) -, um diese zum eigenen Vorteil zu nutzen. Denn wenn Rom selbst nach der vernichtenden Niederlage bei Cannae - seiner Truppen beraubt - nicht zum Friedensschluss bereit war, seine Kolonien nicht abfielen, wie sonst wollte er Rom bezwingen? Dies hätte ja selbst bei einem Scheitern erlaubt, zum alten Prozedere zurückzukehren. Darüber hinaus wusste er sowohl um das Drängen seiner eigenen Kommandeure - das geradezu klassische Verdikt Maharbals: "Vincere scis, Hannibal, victoria uti nescis" ("Zu siegen verstehst du Hannibal, den Sieg zu nutzen verstehst du nicht")(FN61) war ihm wohl auch später noch präsent - als auch um das Scheitern von Pyrrhus’ Italienzug Jahrzehnte zuvor, mit dem er sich eingehend auseinandergesetzt hatte.(FN62) Dessen sprichwörtlicher Pyrrhus-Sieg wurde für Hannibal zur Negativfolie seines Handelns. Der Unwille, das Ungeliebte zu erlernen, würde Hannibal zu einem naiv-romantischen, unvollkommenen Feldherrn machen!

Fabius und Scipio als strategische Gegenspieler

Während Hannibal zunächst auf einen überaus erfolgreichen Verlauf seiner Operationsführung zurückblicken konnte, hatte sich Rom zu Beginn des Krieges strategisch hoffnungslos verzettelt,(FN63) wenngleich sich der Ansatz zur Brückenkopfbildung in Nordostspanien als richtig erwies.(FN64) Dass Hannibal auf der Höhe seiner militärischen Schaffenskraft als Feldherr jedem anderen römischen Truppenführer überlegen war, wurde insbesondere von seinem ersten ernst zu nehmenden Gegenspieler erkannt, der sich als meisterhafter Stratege der indirekten Methode in der Defensive erwies: der nach dem Debakel in der Schlacht am Lago Trasimeno zum Diktator ernannte Fabius Maximus, der "Cunctator". Dessen strategischer Grundgedanke wurde von Liddell Hart konzis umrissen: "Die Strategie des Fabius beschränkte sich nicht darauf, der Schlacht auszuweichen, um Zeit zu gewinnen, sondern zielte auch auf die moralische Wirkung ab, die das auf den Gegner haben musste. Und das gilt noch umso mehr für die Wirkung auf die möglichen Bundesgenossen des Gegners. Sie ist darum in erster Linie ein Instrument der Kriegspolitik oder der höheren Strategie. Fabius kannte Hannibals Überlegenheit zu gut, um das Risiko einer militärischen Entscheidung einzugehen. Statt dessen versuchte er vielmehr, durch ständige Nadelstiche den Gegner abzunutzen und damit zugleich zu verhindern, dass dessen Kraft und Stärke aus anderen italienischen Städten oder aus karthagischen Stützpunkten vermehrt wurde [...] So war Fabius der immer schnell dahinhuschende Schatten am Horizont, der den Glanz der hannibalischen Siege verdunkelte. Selbst gegen jede entscheidende Niederlage gefeit, entwertete Fabius alle vorangegangenen Siege Hannibals in ihrer Wirkung auf die Bundesgenossen Roms, die sich deshalb nicht entschließen konnten, zum Gegner überzulaufen. Diese Art der Guerillakriegführung gab im gleichen Umfang den römischen Truppen Mut, wie sie die Karthager entmutigte. Denn diese waren sich bewusst, dass sie, die so weit von ihrer Heimat entfernt kämpften, auf eine schnelle Entscheidung drängen mussten." (FN65) Mit diesem Ansatz schuf Fabius Rom 217/216 eine strategische Atem- bzw. Denkpause. Nach Ablauf seiner sechsmonatigen Diktatur erst wurde ein Cannae möglich, da die moralischen und materiellen Kosten von der Bevölkerung und Vertretern des Senats als zu hoch eingeschätzt wurden, woraufhin sich das Bestreben nach einer endlich siegreichen Feldschlacht Bahn brach.(FN66) Rom indes hatte sich entschieden, die Niederlage nicht zu akzeptieren. Das Konzept des "leeren Schlachtfeldes", das Fabius präferierte, stieß ein vom barkidischen Feldherrn nicht konzeptionell ausgefülltes Loch in dessen militärstrategisch-operativen Ansatz. Nach Cannae wurden die Grundzüge der fabianischen indirekten Strategie beibehalten: Schlachtenvermeidung, Pflege des Bundesgenossensystems und damit die Einengung der Möglichkeiten Hannibals, das stabile strategische Gravitationsnetz Roms zum Reißen zu bringen.(FN67) Nach der Stabilisierung und Selbstbehauptung ging Rom auf dem italischen Kriegsschauplatz genauso in die Offensive über wie in Spanien und Sizilien.(FN68) Hier spielte es auch eine oft unterschätzte Rolle, dass Rom - im Gegensatz zu Karthago - über ein großes Reservoir geschulter und erfahrener Truppenführer verfügte, die es ihm erlaubte, auf den insgesamt sechs Kriegsschauplätzen erfolgreich zu bestehen.(FN69) Mit dem Sieg Roms über die ebenfalls über die Alpen marschierenden, frischen aus Spanien nachgeführten Truppen unter dem Kommando von Hasdrubal, einem Bruder Hannibals, am Metaurus 207 v. Chr. war Hannibal, der als Eroberer auf der Apenninhalbinsel erschien, dazu "verdammt", relativ statisch seine nicht stärker werdende Position durch operative Handlungen in deren Süden zu halten,(FN70) auch die Zuführung von Truppen unter seinem Bruder Mago 205 v. Chr. konnte keine Wendung mehr bringen - strategisch war der Krieg verloren, lange bevor Hannibal 203 v.Chr. nach Afrika zurückgerufen wurde.(FN71) Zum Meister der Strategie der indirekten Methode in der Offensive wurde in der zweiten Hälfte des Zweiten Punischen Krieges Scipio. Er war das Musterbeispiel des vom Sieger lernenden Feldherrn. Dazu musste er zunächst den Wirkungsradius Hannibals - nicht durch eine zunächst viel zu gefährliche direkte Konfrontation - einengen. Mit dem Ausgreifen Scipios auf Hispanien(FN72) - es war der neuralgische Hebel für die römische Gegenstrategie - wurden die Ressourcen der Kriegführung Hannibals, die strategische Basis des Feldzuges, zum Einsturz gebracht. Rom war nach diesem Sieg in der Lage, durch die Ausbeutung der Bergbaugebiete von Cartagena, Castulo und Huelva dauerhaft die Fortführung des Krieges zu finanzieren.(FN73) Die Wegnahme strategischen Potenzials zwang Hannibal, seinen Krieg allein auf operativer Ebene fortzuführen. Dies hatte jedoch wiederum politische Auswirkungen. Er spielte damit der römischen Propaganda in die Hände, die stets erklärte, dass Hannibal nicht gegen Rom allein, sondern auch gegen die Bundesgenossen Krieg führe, was durch dessen Handlungen an Plausibilität gewann und damit seiner "Kriegszielpolitik" den politischen Boden entzog.(FN74) Um Hannibal zum Abzug zu bewegen, war es im zweiten strategischen Schritt aus der Sicht Scipios - nach mehr als einem Jahrzehnt der Kriegführung auf der italischen Halbinsel - an der Zeit, die zu Beginn des Krieges viel zu ambitionierten Pläne einer - an dem realen Kräfteverhältnis bei ungleichen Ressourcen und nicht aufeinander abgestimmten Kriegsplänen - geplanten Invasion auf das Vorfeld Karthagos an der afrikanischen Küste erneut aufzunehmen.

So wie in den ersten Jahren des Krieges die römischen Feldherren Hannibal verfolgten, um ihn zu schlagen, so waren die Rollen diesmal vertauscht: Hannibal hatte seine Heimatstadt zu verteidigen; das Ende des Krieges zeichnete sich ab. Scipio erwies sich mit seinem Sieg in der Schlacht bei Zama 202 v. Chr.(FN75) nicht nur als ebenbürtiger Feldherr, sondern als zweiter römischer Stratege im Krieg nach Fabius nun auch als derjenige, der nach dem mögliche Voraussetzungen schaffenden Fabius nun mit dem Ziel der Liquidation des Krieges auch als überlegener Stratege dem Karthager den Rang ablief. Der Meisterschüler obsiegte den Lehrmeister durch einen fundierteren Ansatz. Gleichwohl bleibt es natürlich fraglich, inwieweit Scipio mit seinem strategischen Ansatz in der Agonie des hannibalischen Krieges auch zu Beginn des Krieges Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, als der Barkide noch über Ressourcen und ein ausgezeichnet motiviertes, kampferfahrenes, bedingungslos folgendes und diszipliniertes Söldnerheer verfügte.

Schluss: Gründe des Scheiterns

Zunächst kann man im (militär-)strategischen Ausholen Hannibals eine Wiederholung des Erfolges von Alexander sehen - alles schien aufzugehen; ein Plan B schien nicht von Nöten. Er startete mit dem religiös-mythologisch instrumentalisierten Herakles-Topos eine "geschickt inszenierte ideologische Offensive",(FN76) unterlief die ursprünglichen römischen Kriegsplanungen durch umfassende logistische und politische Dispositionen auf indirektem Weg in Form eines schnellen Marsches zu und über die Alpen, erreichte die ungedeckte römische Flanke und trug den Krieg auf seinen präferierten Kriegsschauplatz in die Po-Ebene, von wo aus er die sich bietenden Optionen umsichtig und rasch nutzte. Indes, die Welle des Erfolges vernebelte den Blick Hannibals auf die unterschwellige Gegenwelle.

Hannibals Feldzug war bis Cannae ein Triumphzug. Er hoffte darauf, dass die römische Führung die vermeintlich logischen Konsequenzen ziehen würde - Friedensschluss. Da in der Forschung Konsens darüber besteht, dass es Hannibal vornehmlich in seiner Kriegszielpolitik darum ging, "durch die Unterstützung aller zentrifugalen Kräfte innerhalb des römischen Bundesgenossensystems dessen Dekomposition herbeizuführen",(FN77) darf man nicht Gefahr laufen, das der Schlacht folgende "Friedensangebot" Hannibals(FN78) zu sehr zu idealisieren. Selbst wenn die Einzelheiten nicht bekannt sind, so waren diese aus römischer Sicht, trotz ihres vermeintlichen friedensstiftenden Charakters, nichts anderes als eine totale machtpolitische Kapitulation Roms und deshalb für jenes vollkommen inakzeptabel. Die Ablehnung des Senats trotz einer vollständigen Vernichtung seiner Legionen bei Cannae ließ einen hilflosen Hannibal vor einem politischen Scherbenhaufen zurück.

Dass Hannibal in seinem Vertrag mit Philipp V. auch 215 v. Chr. noch für die Zeit nach einer Kriegsbeendigung mit einer Neuauflage des Krieges mit Rom rechnete,(FN79) wirft einen Schatten auf seine politischen Fähigkeiten. Das Wissen darum hätte ihm vor Augen führen müssen, dass Rom einen lediglich regionalen Herrschafts- und Besitzstand niemals akzeptieren konnte. Ein konfrontatives, strategisches Ringen konnte nur absolut geführt werden - dies erkannte Rom, nicht aber Hannibal.

Daraus lässt sich eine gravierende Feststellung über den Strategen und Staatsmann, d.h. den Politiker Hannibal formulieren: Ganz grundsätzlich sind fast sämtliche zur Kriegsniederlage führenden Gründe außerhalb des militärischen Raumes zu finden. Es war die falsche Beurteilung der Lage - der eigenen und der gegnerischen Optionen. Die Vagheit des politischen Grundes und der Zielsetzung des Krieges - Ersatz des römischen Bundesgenossensystems durch ein karthagisch geschütztes heterogenes Allianzsystem nach hellenistischer Gleichgewichtspolitik - war weder für Syrakus, Makedonien oder gar die römischen Bundesgenossen ein notwendiges Ziel, allenfalls eine Option zur Erweiterung des politischen Handlungsspielraumes.

Hannibals Machtmittel zur dauerhaften Sicherung eines erweiterten Herrschaftssystems unter Einschluss der italischen Halbinsel waren erkennbar viel zu gering. Auch die Relevanz der Verbündeten - zeitweilig Makedonien und Syrakus - war zu gering; deren Bereitschaft, Hannibals Ziele als die eigenen zu betrachten und zu übernehmen, war ebenfalls schwach ausgeprägt; eine Teilidentität der Ziele reicht bei einem derartigen Ringen nicht aus, den großen Gegner niederzuwerfen, dessen Durchhaltewille bereits zum Schaden Karthagos durch den Ersten Punischen Krieg nachgewiesen worden war.

Zudem: Eine Abhängigkeit von zu weit ostwärts gelegenen politischen Potenzen würden ihn, der über keine Seemacht verfügte, selbst in seinem latenten Suprematieanspruch maximal zu einem primus inter pares machen. Ein perpetuiertes, stabiles Mächtegleichgewicht war so nicht zu bewerkstelligen. Die Kehrseite der hannibalischen Politik aus Sicht potenzieller Verbündeter sah wie folgt aus: Die Rückführung Roms auf eine italische Mittelmacht hätte die karthagische Suprematie im gesamten Mittelmeerraum zur Folge haben können. Ein Karthago mit einer afrikanischen Küste, einem reichen Spanien, keltischen Vasallen und neuen italischen Bundesgenossen wäre, der Realität des machtpolitischen Faktums geschuldet, sukzessive zu einer dominanten hegemonialen Mittelmeermacht geworden.

Auch unterschätzte Hannibal die Kohärenz der römisch-italischen Bundesgenossenschaft, was sich als "der elementare und schließlich verhängnisvolle Fehlansatz seiner Politik" (FN80) erwies, der dem selbst gesteckten Ziel die Grundlage entzog. Hannibals indirektes Vorgehen über das Bundesgenossensystem war ein zweischneidiges Schwert: Selbst nach Cannae fiel keine einzige römische Kolonie von Rom ab. Der barkidische Feldherr hatte ein mangelndes Verständnis dafür, dass das römische Bundesgenossensystem mit Rom als starkem Föderator die "Garantie" für die Unterbindung eines "Krieges aller gegen alle" auf der italischen Halbinsel war.

Doch auch das zerklüftete politische Spannungsfeld der unzähligen politischen Einheiten des keltischen Raumes barg für Hannibal vielfältige Probleme: Die Gewinnung einzelner Stämme für ihn brachte ihm die Feindschaft mit anderen - nahezu ein politisches und militärisches Nullsummenspiel, das zudem unbeabsichtigt die negativ aufgeladene römische "Kelten-Propaganda" begünstigte und so die Keltenphobie wegen der kurz zurückliegenden Kelteneinfälle revitalisierte und auf Hannibal und seine Truppen übertrug.(FN81) Selbst der ihm und seinem Genius zugeschriebene militärische Raum entwickelte sich zu einem Faktor der Begrenzung: Poliorketische Fähigkeiten hat er nie entwickelt. Mit der Einnahme Roms wäre möglicherweise alles andere wie eine reife Frucht in Hannibals Hände gefallen - so blieb eine gewaltige, nutzlose Anstrengung und als welthistorische Folge der Niedergang des karthagischen Reichs. Alexander, sein bewundertes Vorbild, hatte nach der Zerschlagung des persischen Heeres die politischen Machtzentren Persepolis und Susa eingenommen. Nach Cannae und dem Verzicht des Marsches auf Rom hatte sein Handeln den Charakter eines verzweifelten Operierens und ständigen Suchens nach Aushilfen in einem Kriegsgeschehen, das sich vom dynamischen Bewegungskrieg mit ausgreifenden Operationen sukzessive zu einem Stellungskrieg entwickelte, in dem der Eroberer zum Verwüster wurde und dadurch zunehmend bei jenen auf Ablehnung traf, die er für seine Sache gewinnen wollte und für den Erfolg seiner Kampagne auch zwingend benötigte. Es blieb ein nahezu konzeptloses, Kontingenz vermissen lassendes Handeln nach Cannae - ein strategisches Umdenken ist nicht feststellbar. Der begonnene Krieg perpetuierte sich, losgelöst von politischen und strategischen Zielsetzungen auf operativem Terrain - mit verheerenden Auswirkungen, die Hannibal 205 v. Chr. selbst auf 400 zerstörte Städte und ca. 300.000 Opfer in den Kriegshandlungen alleine bezifferte.(FN82) Aber: Was sollte ein Verbleiben auf einem kleinen operativen Landstrich in Süditalien, wenn der Krieg entschieden war? Wollte Hannibal nur noch römische Legionen in seiner Peripherie binden? Ein Selbsteingeständnis der Niederlage vermisst man genauso wie eine politische Initiative zur Kriegsbeendigung. Selbst die - am Metaurus gescheiterte - Unterstützung durch Hasdrubal wäre kaum in der Lage gewesen, eine strategische Entscheidung herbeizuführen. So wurde die anfängliche rein militärstrategische, operative und taktische Überlegenheit Hannibals mehr und mehr ausgezehrt - von der strategischen Ebene abwärts geriet Hannibals Superiorität sukzessive ins Hintertreffen: Fabius und v.a. Scipio wurden zu gleichrangigen Gegenspielern, deren strategische Konzeptionen Hannibal die rudimentär verbliebene Handlungsfreiheit komplett nahmen.

Insgesamt zeigt sich, dass Hannibal zu optimistisch mit einer "best-case-strategy" zu Beginn zu erfolgreich war und bei Nichterreichen des Zieles - gemessen an den Rahmenbedingungen und dem Ersten Punischen Krieg, einem "strategischen Blitzkrieg" - kein Plan B im Falle eines realen Worst-case-Szenarios vorhanden war, der oberhalb der militärisch-operativen Ebene einen alternativen gesamtstrategischen Ansatz Erfolg versprechend implementieren konnte. Die Ausnutzung einer strategischen Überraschung gegen einen ungeübten und zögerlich disponierenden Gegner reicht hierfür - selbst bei einem nahezu brillanten militärstrategischen Vorgehen in der Anfangszeit bis Cannae - nicht aus. Am lernenden Gegner erst, d.h. dem unkonventionellen Fabius und dem kongenialen konventionellen Scipio Africanus, erweist sich eine strategische Meisterschaft. Hannibal hatte gegen das lernende Römische Reich und auf dessen schier unerschöpfliche Ressourcen keine überzeugende Antwort. Der wesentliche Grund für das Scheitern "seines Krieges" war ein fehlender nachhaltiger gesamtstrategischer Ansatz, der flexibel auf den Kriegsverlauf reagieren konnte.

Eine objektive Beurteilung von Hannibals Fähigkeiten zur Gesamtkriegführung muss deshalb - gerade auch angesichts des Unvermögens zum Umdenken nach der erfolgreichen Anfangsphase - mit gutem Recht zu dem Urteil führen, das Seibert pointiert auf den Punkt brachte; demnach "war Hannibal ein hervorragender Logistiker und Schlachtentaktiker, ein exzellenter Menschenführer [...], aber unfähig zur schonungslosen Selbstkritik, ein miserabler Stratege und ein schlechter Politiker mit einer völligen Verkennung seines Gegners." (FN83) Hannibal wurde so ungewollt zum Totengräber Karthagos und Katalysator für den dann ungebremsten Aufstieg des römischen Imperiums, selbst wenn er diesem tiefe Narben schlug.

ANMERKUNGEN:

(FN1) So der römische Dichter Ennius, Annalen, Fragment 31, 493.

(FN2) Vgl. zur Einführung Klaus Zimmermann: Rom und Karthago. Darmstadt 2005.

(FN3) Die wohl bekannteste, ausschließlich am taktischen Verlauf interessierte kurze Studie "Die Schlacht bei Cannae" stammt von Alfred Graf von Schlieffen (Gesammelte Schriften 1 [1913], S.27-30 und S.265-266).

(FN4) Vgl. J.F.C. Fuller: Alexander der Große als Feldherr. Stuttgart 1961.

(FN5) Jakob Seibert: Hannibal. Darmstadt 1993; ders., Forschungen zu Hannibal. Darmstadt 1993; ders., Hannibal. Feldherr und Staatsmann. Mainz am Rhein 1997.

(FN6) Karl Christ: Hannibal. Darmstadt 2003.

(FN7) Pedro Barceló: Hannibal. Stratege und Staatsmann. Stuttgart 2004.

(FN8) Vgl. zu diesem Quellen- und Traditionsproblem Seibert, Forschungen, S.1-43.

(FN9) Fuller, a.a.O., S.IX.

(FN10) Die hierüber geführte Diskussion, i.e. "innerer Nutzen" oder "applikatorische Methode", wurde auszugsweise wiedergegeben in: Militärgeschichte. Probleme - Thesen - Wege, im Auftrag des MGFA ausgewählt und zusammengestellt von Manfred Messerschmidt, Klaus A. Maier, Werner Rahn und Bruno Thoß. Stuttgart 1982, S.17-59.

(FN11) So führte General Norman Schwarzkopf, Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte im Golfkrieg von 1991, (Hannibal and Desert Storm, in: Timewatch, Dokumentation der BBC vom 10. September 1996, Drehbuch, S.1-41) aus: "I learned many things from the study of the battle of Cannae that I applied to Desert Storm.” Zur Schlacht bei Cannae und ihrer Rezeption im 20. Jahrhundert vgl. Alexander Rudolphs Magisterarbeit an der Universität der Bundeswehr Hamburg 2004 (unv. Manuskript) mit der Auflistung der entsprechenden Literatur.

(FN12) Vgl. John Keegan: Das Antlitz des Krieges. Die Schlachten von Azincourt 1415, Waterloo 1815 und an der Somme 1916. Frankfurt/Main 1991, S.61. Diese Aussage lässt indes die alte Heroenzentrierung der Wehrmachtsapologie außen vor.

(FN13) Diesen Begriff führte B.H. Liddell Hart in seinem Werk "Strategie", Wiesbaden 1954, in die Strategiediskussion ein.

(FN14) Hart, a.a.O., S.396.

(FN15) Hart, a.a.O., S.397.

(FN16) Vgl. Eberhard Birk: Alexander der Große und seine ‚Grand Strategy’. In: Österreichische Militärische Zeitschrift (ÖMZ) 5/2005, S.635-642.

(FN17) Vgl. dazu Seibert, Hannibal, der dessen Biografie vornehmlich in einzelne Kriegsjahre unterteilt.

(FN18) Vgl. hierzu Karl-Heinz Schwarte: Der Ausbruch des Zweiten Punischen Krieges. Rechtsfrage und Überlieferung. Wiesbaden 1983 (=Historia Einzelschriften 43) sowie die Beiträge von Otto, De Sanctis, Hoffmann und Scullard in Karl Christ (Hg.): Hannibal. Darmstadt 1974 (=Wege der Forschung, Band CCCLXXI).

(FN19) B. H. Liddell Hart, Der Feldherr. Die Taten des P. Cornelius Scipio Africanus. München 1938, S.188.

(FN20) Vgl. Christ, a.a.O., S.188.

(FN21) Barceló, a.a.O., S.116.

(FN22) Vgl. Christ, a.a.O., S.188.

(FN23) Vgl. Hart, a.a.O., S.49.

(FN24) Vgl. Seibert, Forschungen, S.158-162, und Zimmermann, a.a.O., S.70f.

(FN25) Barceló, Pedro: Rom und Hispanien vor Ausbruch des Zweiten Punischen Krieges. In: Hermes 124/1 (1996), S.45-58, S.57.

(FN26) So Zimmermann, a.a.O., S.67.

(FN27) Barceló, a.a.O., S.109.

(FN28) Vgl. Zimmermann, a.a.O., S.116, und Barceló, a.a.O., S.97.

(FN29) Vgl. Seibert, Hannibal, S.483.

(FN30) Hinzu kommt, dass selbst der römische Senat für die Zeit unmittelbar nach der Niederlage am Lago Trasimeno 217 v. Chr. mit großer Sorge davon ausging, dass die Karthager "eine noch vollständigere Seeherrschaft erlangen könnten", so, Polybios zitierend, Hart, a.a.O., S.47. So konnten selbst später bei vermeintlicher vollkommener Seeherrschaft die Römer weder Magos Landung an der ligurischen Küste 205 v. Chr. noch Hannibals Rückkehr nach Afrika verhindern.

(FN31) Zu Hintergrund und Verlauf vgl. Seibert, Forschungen, S.95-107.

(FN32) Vgl. Barceló, a.a.O., S. 67f.

(FN33) Vgl. Barceló, a.a.O., S.27.

(FN34) Vgl. Christ, a.a.O., S.54.

(FN35) Vgl. Seibert, Hannibal, S.75-77.

(FN36) Vgl. Barceló, a.a.O., S.27-31.

(FN37) W. Huß: Hannibal und die Religion. In: Studia Phoenicia 4 (1986), S.223-238, S. 237.

(FN38) Vgl. Seibert, Hannibal, S.542.

(FN39) Vgl. Seibert, Hannibal, S.79.

(FN40) Vgl. Barceló, a.a.O., S.115f.

(FN41) Vgl. Seibert, Forschungen, S.203f.

(FN42) Vgl. Zimmermann, a.a.O., S.117.

(FN43) Zur Rolle des strategischen Faktors Information vgl. Zlattner, M.: Hannibals Geheimdienst im Zweiten Punischen Krieg, Konstanz 1997 (Xenia 37).

(FN44) Vgl. Christ, a.a.O., S.59.

(FN45) Vgl. Christ, a.a.O., S.54. Der Apostrophierung Hannibals als skrupelloser Feldherr liegt offensichtlich der Versuch römischer Propaganda zugrunde, vom eigenen Versagen abzulenken.

(FN46) Vgl. Seibert, Forschungen, S.203-205.

(FN47) Vgl. Barceló, a.a.O., S.139.

(FN48) Vgl. John F. Shean: Hannibal’s Mules: The logistical limitations of Hannibal’s army and the battle of Cannae, 216 B. C. In: Historia, Band XLV/2, (1996), S.159-187, S.167.

(FN49) Vgl. Seibert, Hannibal, S.483.

(FN50) Vgl. Christ, a.a.O., S.53-54, und Barceló, a.a.O., S.193f.

(FN51) B.H. Liddell Hart, A Greater than Napoleon: Scipio Africanus. Boston 1926.

(FN52) Christ, a.a.O., S.124.

(FN53) Die Schlacht am Metaurus war für Rom gleichzeitig auch ein militärischer und politischer Sieg über die Gallier, die den größten Teil der Söldner in diesem karthagischen Heer stellten, vgl. Heinz Bellen: Grundzüge der römischen Geschichte (Erster Teil): Von der Königszeit bis zum Übergang der Republik in den Prinzipat. Darmstadt 1994, S.64.

(FN54) Vgl. Barceló, a.a.O., S.150.

(FN55) Vgl. Zimmermann, a.a.O., S.72.

(FN56) Zu den Hintergründen des Vertrages vgl. Christ, a.a.O., S.102-106.

(FN57) Vgl. Seibert, Hannibal, S.483.

(FN58) Dennoch waren die topographischen Verhältnisse von Sagunt und Rom grundverschieden, vgl. Christ, a.a.O., S.52.

(FN59) Vgl. P.A. Brunt: Italian Manpower. 225 B.C.-A.D. 14. Oxford 1971, Nachdruck 1987.

(FN60) Vgl. Barceló, a.a.O., S.119.

(FN61) Livius XX II 49.

(FN62) Vgl. Barceló, a.a.O., S. 150.

(FN63) Vgl. Christ, a.a.O., S.60f.

(FN64) Vgl. Christ, a.a.O., S.70.

(FN65) Hart, a.a.O., S.50f.

(FN66) Polybius III 107, 7.

(FN67) Zur Stabilität des Bundesgenossen-Systems vgl. Jochen Bleicken: Die Verfassung der Römischen Republik, 7., völlig überarbeitete und erw. Auflage. Paderborn 1995, S.236-240.

(FN68) Für den Überblick vgl. Christ, a.a.O., S.95-127.

(FN69) Vgl. Bellen, a.a.O., S.63, und Bleicken, a.a.O., S.163. Die sechs Kriegsschauplätze waren: Hispanien, das cisalpine Gallien, die Apenninhalbinsel, Sizilien, Sardinien, Illyrien.

(FN70) Zur Kriegführung in Süditalien vgl. den Überblick in Christ, a.a.O., S.118-127, sowie D.-A. Kukofka,: Süditalien im Zweiten Punischen Krieg. Frankfurt 1990, S.9-35.

(FN71) Vgl. Zimmermann, a.a.O., S.128f.

(FN72) Vgl. Christ, a.a.O., S.114-118.

(FN73) Vgl. Barceló, a.a.O., S.188.

(FN74) Vgl. Seibert, Hannibal, S.484.

(FN75) Zur Schlacht vgl. Seibert, Hannibal, S.466-470.

(FN76) Barceló, a.a.O., S.35.

(FN77) Vgl. Christ, a.a.O., S.191.

(FN78) Vgl. Zimmermann, a.a.O., S.68f.

(FN79) Vgl. Christ, a.a.O., S.105.

(FN80) Christ, a.a.O., S.191.

(FN81) Vgl. Michael Crawford: Die römische Republik. München 1984, S.63.

(FN82) Vgl. Bellen, a.a.O., S.64.

(FN83) So Seibert, zit. nach Christ, a.a.O., S.180.

Dr. Eberhard Birk

Geb. 1967; Major d.R.; 1987-1993 Soldat auf Zeit; 1993-1997 Studium der Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Augsburg; Stipendiat der deutschen Studenten- und Graduiertenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. 1995-1999; 1999 Promotion zum Dr. phil.; seit 2000 Dozent für Militärgeschichte und Politische Bildung an der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck. Publikationen zuletzt: Militärgeschichtliche Skizzen zur Frühen Neuzeit, Hamburg 2005, Militärische Tradition, Hamburg 2006.



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