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Das Werk der Constituante und die "Revolutionierung" des französischen Militärwesens 1789 bis 1791

von Markus J. Prutsch

Kurzfassung

◄ In ebenso umfassender Art, wie im Gefolge der Französischen Revolution die gesamte Gesellschaftsordnung des Ancien régime umgestaltet wurde, unterlag auch das Militärwesen einer Revision, durch die die Armee von einem persönlichen Machtinstrument des Monarchen in eine nationale Institution transformiert wurde. Die zentrale Rolle spielte hierbei die Nationalversammlung und in ihrem Rahmen das Militärkomitee.

Aus dem Bedürfnis heraus, die Armee als potenzielles Mittel der Konterrevolution zu entschärfen und ihre Effektivität durch Beseitigung bestehender Missstände zu steigern, nahm die Assemblée nationale constituante im Herbst 1789 eine Reform in Angriff, die zwar uneinheitlich verlief und keinem vorgegebenen Arbeitsplan folgte, bei der sich aber letztlich die Gemäßigten durchsetzen.

Das Ergebnis der Reform war eine "Nationalisierung" der Armee, deren Kontrolle vom König auf die Nationalversammlung übertragen wurde. Erreicht wurde dieses Ziel mit der Verabschiedung der Verfassung von 1791, die den Monarchen weit gehend auf die Rolle eines formellen Oberbefehlshabers beschränkte und ihm die Möglichkeit nahm, über den bewaffneten Arm des Staates frei zu verfügen. Mit dem Übergang der maßgeblichen Kompetenzen auf die Assemblée nationale zeichnete die Militärverwaltung - an ihrer Spitze der Kriegsminister - nicht mehr primär dem König, sondern der gesetzgebenden Körperschaft verantwortlich.

In Anbetracht der immer präsenten Furcht vor einem möglichen konterrevolutionären Einsatz der Streitkräfte suchte die Assemblée die Größe der Armee gering zu halten und alternative Möglichkeiten für militärische Macht zu finden. Dieses Bemühen resultierte in der Formierung der force publique, als deren Rückgrat die Nationalgarde anzusehen war: Besondere Dynamik erfuhr der Prozess der "Nationalisierung" durch die Universalisierung des Militärdienstes, indem fortan alle Aktivbürger ab 18 Jahren zur Partizipation in der garde nationale verpflichtet wurden - vorbildhaft für die allgemeine Wehrpflicht, die die Massenheere neuzeitlicher Prägung konstituierte. Damit war der Übergang vom stehenden Heer alter Prägung hin zu einem "Volks-" und "Massenheer" eingeleitet, der "Söldnersoldat" abgelöst worden vom "Bürgersoldaten", dem soldat citoyen. Darin liegt auch die eigentliche Bedeutung dieses militärischen Reformaktes der Nationalversammlung. ►


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Das Werk der Constituante und die "Revolutionierung" des französischen Militärwesens 1789 bis 1791

Die Losung, mittels derer im Juli 1792 das revolutionäre Frankreich den nationalen "Volkskrieg" gegen die Interventionsmächte Österreich und Preußen proklamierte, lautete: "Citoyens, la patrie est en danger!" Damit wurde gleichsam eine neue Ära im neuzeitlichen Militärwesen eingeläutet, indem die auf einer nationalen Massenbasis fußende Armee moderner Art, wie sie vorbildhaft bis weit in das 20. Jahrhundert hinein bleiben sollte, dem stehenden Heer alter Prägung unverkennbar den Rang abzulaufen begann.

Grundgelegt wurde diese solch weit reichende Auswirkungen auf die gesamte Kriegführung zeitigende Neubestimmung des Militärwesens durch eine Reform der überkommenen Militärverfassung in Frankreich, die man unmittelbar nach Beginn der "Großen Revolution" von 1789 in Angriff genommen hatte. Tief greifenden Veränderungen unterworfen wurden im Gefolge dieses Epoche machenden Ereignisses damit nicht nur Politik und Gesellschaft, sondern auch die Konzepte und Vorstellungen des Militärischen.

Ambition vorliegenden Aufsatzes ist es vor diesem Hintergrund, im Überblick jene Umgestaltungen nachzuzeichnen, denen das Militärwesen und insbesondere die Militärverfassung in Frankreich zwischen 1789 und 1791 unterworfen wurde. Hierbei soll unter "Militärverfassung" ganz allgemein die Organisation des bewaffneten Arms des Staates zum Zwecke der Wahrnehmung seiner militärischen Aufgaben verstanden werden, das Verhältnis von Streitkräften und Gesellschaft gleichermaßen mit einschließend wie Fragen der organisatorischen Struktur des Militärs. Die Beschränkung auf die ersten Jahre der Revolution scheint in zweierlei Hinsicht sinnvoll: zum einen, da in diese Jahre die entscheidenden Schritte hin zu einem neuen Verständnis des Militärischen zu datieren sind, zum anderen, da damit eine sinnvolle Eingrenzung des Themas ermöglicht wird.

Das Hauptaugenmerk vorliegender Abhandlung liegt in diesem zeitlichen Rahmen auf Ablauf und Ergebnis des Revisionsprozesses, dem die bestehende Militärverfassung des Ancien régime im öffentlichen Diskurs jener Zeit - namentlich gerade in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung (Assemblée nationale constituante) als bestimmender gesetzgebender Instanz - unterworfen wurde. Drei konkrete forschungsleitende Fragestellungen sollen hierbei Beantwortung finden, die gleichsam die inhaltliche Strukturierung der Abhandlung vorwegnehmen: 1. Welcher Befund lässt sich für die Militärordnung des Ancien régime im Vorfeld der Französischen Revolution treffen?

2. Wie verlief der konkrete Neuordnungsprozess der bestehenden Militärverfassung in den Anfangsjahren der Revolution?

3. Wie lässt sich diese Neuordnung, die in der französischen Konstitution des Jahres 1791 aufging, bewerten?

Die Militärordnung des Ancien régime

Die königlich-französische Armee setzte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus drei Hauptkomponenten zusammen: der maison du roi militaire als Summe der Gardeeinheiten,(Fußnote 1/FN1) den Linientruppen sowie der seit der Ära Ludwigs XIV. institutionalisierten Miliz. Bei sich mehrfach verändernder Struktur und Truppenorganisation gerade der Linientruppen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts betrug die reale zahlenmäßige Stärke der Infanterie insgesamt 135.000 Mann (ohne Offiziere), die der Artillerie 11.000 Mann, während die Kavallerie 36.700 Mann umfasste. Dazu traten die Kolonialtruppen mit 19 Bataillonen beziehungsweise 11.000 Mann sowie die Milizen und troupes provinciales mit etwa 76.000 Mann, organisiert in 90 Bataillonen, was theoretisch eine Zahl von 193.000 aktiven Soldaten der Linientruppen und 76.000 Mann Reservetruppen ergab, die zu den gut 7.000 Mann Gardetruppen(FN2) traten und der französischen Armee damit eine Stärke von etwas mehr als 275.000 Mann verliehen.(FN3) Wenngleich die französische Armee im europäischen Vergleich sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht nicht mehr für sich beanspruchen konnte, unangefochtener Maßstab für die anderen Länder des Kontinents zu sein wie unter der Herrschaft Ludwigs XIV., verkörperte sie doch nach wie vor ein Machtinstrument ersten Ranges im Dienste des absolutistischen Königtums. Dies galt umso mehr, als im Laufe des 18. Jahrhunderts die Armee stärker als bislang der monarchischen Zentralgewalt unterworfen wurde, begleitet von einem fortschreitenden Prozess der Separierung von Militär und Gesellschaft.

Bei allen Reformbemühungen aber, mittels derer die Leistungsfähigkeit der Streitkräfte erhöht werden sollte, laborierten die Streitkräfte in mehrfacher Hinsicht an schwer wiegenden Strukturproblemen: sei es in Hinblick auf das System des Ämterkaufes (vénalité des grades),(FN4) das der angestrebten Professionalisierung der Truppe diametral entgegenstand und die Aufstiegschancen innerhalb des Offizierskorps stark einschränkte, das im Laufe des 18. Jahrhunderts immer drängender werdende Problem der ständisch-sozialen Zusammensetzung der Armee und ihrer Bindung an das System von Ungleichheit und Privilegien, welches für die gesamte gesellschaftliche Ordnung des Ancien régime charakteristisch war, oder die überkommene Praxis der Truppenrekrutierung, die sich durch ein hohes Maß an Regionalisierung sowie Partikularismus auszeichnete: "The men […] fought not for the nation, not even in any direct sense for the king, but for their local seigneur and their local provincial tradition." (FN5) Unter dem Eindruck dieser ungelösten inneren Widersprüche und im Gefolge der insgesamt distanzierter werdenden Haltung gegenüber der althergebrachten Ordnung steigerte sich die bisherige Kritik an der bestehenden Militärverfassung in den 1780er-Jahren und gelangte unmittelbar vor dem Ausbruch der Revolution zu ihrem Höhepunkt: Gerade seit 1787 machte sich eine zunehmende Unruhe in der Armee bemerkbar, die ihren Ausdruck nicht zuletzt in Befehlsverweigerungen einzelner Truppenkörper fand. Parallel dazu erfuhr auch die Kritik an der bestehenden Militärverfassung, die sich bislang meist auf Einzelfälle beschränkt hatte und nicht öffentlich geäußert worden war, eine nachhaltige Änderung. Ihren Niederschlag fand dies zum einen in einer wachsenden Zahl von Denkschriften, die - in der Mehrzahl aus Militärkreisen selbst stammend - von Einzelnen oder Gruppen verfasst und bisweilen auch veröffentlicht wurden.(FN6) Zum anderen waren es aber gerade die im Gefolge der Einberufung der Generalstände verfassten cahiers de doléances, die "Beschwerdehefte" der Stände und Gemeinden, die vom breiten Unmut über die bestehende Militärordnung Zeugnis ablegten.

Der beherrschende Einfluss, den bei fast allen Versammlungen des Adels Offiziere mit mittlerem und niedrigem Rang, damit Angehörige des niederen (Land)Adels, einnahmen, schlug sich deutlich sichtbar in den Beschwerdeheften dieses Standes nieder. In den meisten fanden sich dementsprechend auch Forderungen nach Reduktion oder gänzlicher Aufhebung der Privilegien des Hochadels. Insbesondere das Monopol des Hoch- und Hofadels auf die hohen Offiziersstellen stieß auf scharfe Kritik, ferner sollten Promotionen fortan weniger beliebig und ungeregelt auf der Basis von Wahl, sondern vielmehr auf dem Prinzip der Anciennität erfolgen, gleichsam die Stellen der Generaloffiziere reduziert werden. Sehr kritisch wurde auch mit dem System der Käuflichkeit von Ämtern ins Gericht gegangen.

Insgesamt zielten die Forderungen auf eine grundsätzliche Änderung der constitution militaire ab, die zukünftig invariable, klare und gerechte Regelungen sicherstellen sollte. Der Hof selbst avancierte zu einem Objekt der Kritik, was sich nicht zuletzt daran ermessen lässt, dass vereinzelt Wünsche dahingehend geäußert wurden, zukünftig nicht mehr allein auf den König, sondern auch auf die Nation vereidigt zu werden. Ferner kam es zu Willensbekundungen, hinfort nicht mehr gegen die eigenen Landsleute ins Feld zu ziehen, sofern dies nicht dem Wunsch der gesamten Nation entspräche, und einen Kriegsrat zu etablieren, der allein von den Offizieren gewählt werden und nicht in Abhängigkeit vom Minister stehen sollte. Dem sich in der Armee herauskristallisierenden "nationalen" Selbstverständnis entsprechend sollte die in Angriff zu nehmende Reorganisation der Militärverfassung nicht der Militärverwaltung, sondern vielmehr den Generalständen obliegen. So weit gehend diese Reformvorschläge indes anmuten mögen, so wenig wurde in adeligen Kreisen daran gedacht, die Offizierslaufbahn für Bürger zu öffnen und damit die ständische Prägung des Militärwesens aufzuheben - Anlass für ausgeprägte Folgekonflikte zwischen dem Zweiten und Dritten Stand.

Die cahiers des Dritten Standes, die sich auf die bestehende Militärverfassung bezogen, wandten sich denn auch in erster Linie gegen die Monopolstellung des Adels in der Armee und dessen strikte Abschottung nach unten. Andere Kritikpunkte betrafen den Rekrutierungsmodus für Armee und Marine, der ausschließlich auf Freiwilligkeit beruhen sollte, die Besoldung sowie die Institution der Miliz. An Stelle letztgenannter Einrichtung, die gerade in den ländlichen Regionen auf harsche Ablehnung stieß, sollte - so eine weitere Forderung, die erhoben wurde - eine nationale Miliz treten, die breite Bevölkerungsschichten mit einzuschließen hätte.(FN7) Vereinzelt fanden sich ebenfalls bereits weitergehende, jedoch insgesamt noch wenig ausgereifte Konzepte einer "nationalen Armee".

Allemal: Der in den cahiers de doléances zum Ausdruck kommende Unmut über die bestehenden Zustände in der Armee konnte als deutliches Indiz dafür gewertet werden, dass sich in Hinblick auf die Militärverfassung in näherer Zukunft umfassende Änderungen ergeben könnten. Dieser Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass sich im Umfeld der Einberufung der Generalstände die ohnedies schon bestehende Instabilität in der Truppe verstärkte und es vielfach zu spontanen Volksbewaffnungen kam: Die Fälle von Desertionen, Befehlsverweigerungen und Fraternisierungen einzelner Einheiten mit der Bevölkerung häuften sich, während es gleichzeitig - sei es, dass die sich steigernde Präsenz der königlichen Armee als Bedrohung gewertet wurde, sei es, dass man Ruhe und Sicherheit nicht mehr gewährleistet sah - im gesamten Land zur Gründung von Volks- und Bürgermilizen kam.(FN8) Dennoch glaubte Ludwig XVI. ungebrochen daran, auf "seine" Armee vertrauen zu können - eine fatale Fehleinschätzung indes, wie sich alsbald zeigen sollte.

Die Revolutionierung der Militärverfassung 1789 bis 1791

Bewaffnete Macht und Revolution

In Unkenntnis über den Ernst der Lage erklärte der König am 23. Juni 1789 die wenige Tage zuvor vom Dritten Stand konstituierte Nationalversammlung für aufgelöst, was prompt zu einer Radikalisierung der Situation in der Hauptstadt führte.

Schon zwei Tage später kam es in der Versammlung der Pariser Wahlmänner zu Forderungen nach Gründung einer Bürgergarde, die dem Vorbild anderer französischer Städte folgen sollte. Wiewohl dieses Ansinnen abschlägig beschieden wurde, so war doch der Gang der Dinge vorweggenommen. Unter dem Eindruck der Truppenmassierungen in und um Paris beziehungsweise Versailles nämlich kam es bereits am 8. Juli in der Nationalversammlung zu einer neuerlichen Forderung nach Gründung von gardes bourgeoises.(FN9) Die gemäßigte Mehrheit in der Nationalversammlung folgte diesem Vorschlag zwar nicht sogleich, forderte den König aber eindringlich dazu auf, den Rückzug der Truppen anzuordnen. In dieser - als Teil einer umfänglichen Adresse an den König formulierten - Forderung kam doppelte Kritik zum Ausdruck, die in der Folge Bedeutung für die Diskussion um eine Reform der Militärverfassung erlangen sollte: zum einen, was die Zweckbestimmung der Armee betraf, die die Nationalversammlung auf den Schutz der Außengrenzen beschränkt wissen wollte, zum anderen in Hinblick auf die ausländischen Truppen, denen implizit unterstellt wurde, die ihnen obliegenden Aufgaben nicht zu erfüllen.

In beiderlei Beziehung konnte sich die Assemblée in Übereinstimmung mit der Haltung breiter Bevölkerungsschichten sehen, deren Feindschaft gegenüber der bewaffneten Macht in den vorangegangenen Wochen durch massive Militäreinsätze gegen Hungerunruhen in Paris angeheizt worden war. Die revolutionäre Dynamik erfuhr weiter Aufwind, als der König nicht den gewünschten Rückzug der Truppen anordnete, sondern vielmehr am 11. Juli die Entlassung des als liberal geltenden Finanzministers Jacques Necker bekannt gab. In der Folge kam es in Paris zu Demonstrationen und ersten bewaffneten Auseinandersetzungen mit der Armee, in denen die königlichen Truppen vorerst aber ihre Überlegenheit wahren konnten.

In Anbetracht dessen erschallte noch lauter als bisher der Ruf nach voller Bewaffnung - ein Ruf, der in der ganzen Stadt Verbreitung fand und die bislang zögernde Pariser Wahlmännerversammlung schließlich am 13. Juli dazu veranlasste, die Bildung einer milice bourgeoise zu beschließen. Damit erfolgte jedoch nur mehr eine nachträgliche Legalisierung dessen, was sich in der Stadt bereits selbsttätig vollzogen hatte: die Selbstbewaffnung des Volkes, gleichsam Geburtsstunde der Pariser Nationalgarde, wie die "Bürgergarde" später auf Vorschlag ihres ersten kommandierenden Generals La Fayette(FN10) genannt werden sollte.

Als vordringlichste Aufgabe für die revoltierende Menge stellte sich die Komplettierung ihrer Bewaffnung dar, namentlich in Gestalt von Schießpulver und Munition, nachdem es gelungen war, in den Arsenalen der Stadt und der Invalidenkaserne einige zehntausend Gewehre zu requirieren. In diesem Zusammenhang ist nicht zuletzt der "Sturm auf die Bastille" am 14. Juli zu sehen, hatte das als Staatsgefängnis fungierende Gebäude doch nicht nur herausragende symbolische, sondern durchaus auch praktische militärische Bedeutung als Waffenarsenal.

Im Kampf um dieses Sinnbild der absolutistischen Herrschaft fand auch die Auseinandersetzung zwischen der Pariser Bevölkerung und der als Bedrohung empfundenen königlichen Armee ihre Zuspitzung. Sie konnte als entschieden gelten, als die gardes françaises die Fronten wechselten und offen mit den Aufständischen sympathisierten. Die bewaffnete Macht hatte sich der Volkserhebung als unterlegen erwiesen, und in der Folge kam es auch zum Rückzug der königlichen Truppen insgesamt, sofern diese noch nicht übergelaufen waren.(FN11) Damit hatte weniger die bewaffnete Erhebung an sich, denn die Unzuverlässigkeit seiner Truppen den König zum Einlenken genötigt. Nichts symbolisierte letztlich treffender den vorläufigen Sieg der Revolution als das sich aus Nationalgardisten zusammensetzende Begleitkommando des Königs, als dieser am 17. Juli von Versailles nach Paris kam.

Der absolutistische Militärapparat hatte sich den an ihn gestellten Herausforderungen nicht gewachsen gezeigt, womit gleichsam ein bedeutender Schritt hin zu einer "Revolutionierung" der Militärverfassung gesetzt war. Nach diesem Teilerfolg der revolutionären Bewegung kam es Anfang Oktober 1789 in gewisser Hinsicht zu einer Wiederholung der Situation vom Juli, als der König abermals in deutliche Opposition zur Nationalversammlung trat(FN12) und die Angst vor konterrevolutionären Aktivitäten wieder um sich griff. Berichte über Verlegungen von Linientruppen in die Umgebung von Paris führten schließlich dazu, dass am 5. Oktober erneut in demonstrativer Art die Volksbewaffnung gefordert wurde und sich eine große kampfbereite Menschenmenge nach Versailles begab.

Der "Zug der Marktweiber nach Versailles" - wie das Geschehen vom 5. und 6. Oktober in die kollektive Erinnerung eingegangen ist - kam damit einer neuerlichen Erhebung der Pariser Bevölkerung zur Verteidigung der Revolution gegen das konterrevolutionäre Potenzial der monarchischen Armee gleich, und wieder war der Erfolg der bewaffneten Bürger ein voller, die Unterlegenheit der königlichen Truppen eine offensichtliche. Die Truppenkörper, die um die königliche Residenz stationiert waren, wurden genötigt, die nationale Kokarde anzulegen und den Eid auf Nation, König und Gesetz zu erneuern, den die Nationalversammlung am 10. August verabschiedet hatte.(FN13) Begleitet wurde dies von Verbrüderungsszenen zwischen Militär und Bevölkerung, wie sie schon seit Juli im Zentrum der Bemühungen um die "revolutionäre Einbindung" der bewaffneten Macht gestanden hatten.

Der offensichtliche Erfolg dieser Bemühungen bannte vorerst die Gefahr eines gegen die Revolution und ihre Errungenschaften gerichteten Truppeneinsatzes, konnte indes keine dauerhafte Lösung darstellen. Vielmehr musste es nunmehr darum gehen, zu einer allgemeinen verfassungsmäßigen Neuordnung der bewaffneten Macht zu schreiten: Die Ereignisse nämlich hatten deutlich gemacht, dass die Armee als potenzielles Werkzeug der Königsmacht entschärft und einer wie auch immer gearteten "nationalen Kontrolle" unterstellt werden musste. Ferner galt es, auf die bereits im Vorfeld der Revolution erkannten Mängel der inneren Organisation einzugehen und die bestehenden ständischen Spannungslinien zu beseitigen.

Die Diskussion um eine neue Militärverfassung

Bereits am 1. Oktober 1789 war von Seiten der Nationalversammlung in Anbetracht der um sich greifenden Auflösungstendenzen in der Armee die Einsetzung eines Militärkomitees beschlossen worden,(FN14) im Rahmen dessen hinfort auch ein Gutteil der Arbeit für die Reform der bestehenden Militärordnung geleistet werden sollte.

Ausgehend von der weithin bestehenden Überzeugung, man müsse Vorsorge treffen, dass die Armee niemals gegen die rechtsstaatliche Ordnung eingesetzt werden könne, bestimmte zunächst die Frage nach der allgemeinen Gestalt und dem Rekrutierungsmodus der Armee die Diskussion. Bereits dahingehend machte sich ein deutlicher Gegensatz zwischen der "linken", eine tief greifende Umwälzung der bestehenden Verhältnisse anstrebenden Fraktion in der Nationalversammlung, und dem "rechten" Lager mit seiner Ambition, Reformen im Rahmen der bestehenden Ordnung durchzuführen,(FN15) bemerkbar: Während erstere Gruppe für einen radikalen Bruch mit dem Vergangenen plädierte und eine gänzliche Neubildung der bewaffneten Macht aus der Nationalgarde heraus befürwortete, sprach sich zweitere für die grundsätzliche Beibehaltung eines stehenden Berufsheeres aus. Letztlich setzte sich weithin die Haltung der rechten Fraktion durch,(FN16) die überkommenen, zu großen Teilen auf zwangsrekrutierten Soldaten und aristokratischen Berufsoffizieren fußenden Strukturen der königlichen Armee vorerst beizubehalten. Dies geschah allerdings unter dem Vorbehalt, dass diese Strukturen zukünftig auf die Basis der Freiwilligkeit zu stellen seien und alle Bürger das Recht des Zugangs zu den Offiziersrängen haben sollten.

Dessen ungeachtet verstummten aber nicht die Stimmen, die für eine radikalere Änderung der bestehenden Militärverfassung eintraten und die Militarisierung der Nation als konsequenten und unabdingbaren Schritt nach der erfolgten Revolution, als Garant für eine freiheitliche Ordnung, ansahen.

Im Gefolge der Diskussionen um die Gestalt der Armee rückten zusehends auch die Probleme einer verfassungsmäßigen Einbindung der bewaffneten Macht und einer zivilen Kontrolle in den Mittelpunkt des Interesses. So kam es - nachdem bereits am 19. Januar 1790 von Seiten des Militärkomitees Vorschläge über die zukünftige Struktur der Armee in die Nationalversammlung eingebracht worden waren(FN17) - am 1. Februar zur Vorlage eines Berichtes, der das Verhältnis von Militär und Verfassungsprinzipien explizit aufgriff.(FN18) Gefordert wurde dort unter anderem, dass die Legislative schneller und stärker als bislang in den Prozess der Militärreform einzugreifen habe und klare Richtlinien für den Einsatz der Armee seitens der Exekutivgewalt zu treffen seien. Der Assemblée allein sollte es hinfort zustehen, über die Größe und Organisation der Streitkräfte sowie die ihnen zugewiesenen Mittel zu befinden. Unverzichtbar sei ferner, dass die Armee vom Geist der Freiheit und Gleichheit durchdrungen werde.

Die ersten und gleichsam einflussreichsten Reaktionen auf diese beiden Militärkomitee-Berichte erfolgten am 9. Februar, namentlich von Seiten zweier als gemäßigt einzustufender Abgeordneter: Alexandre de Lameths und des Duc de la Rochefoucauld-Liancourt.(FN19) Das von jenen beiden vorgestellte Konzept für eine Neuordnung der bewaffneten Macht entfaltete nachhaltige Wirkung in der Nationalversammlung und bestimmte auch die abschließende Debatte über die konstitutionelle Basis für die Organisation der Armee vom 28. Februar 1790.(FN20) Das letztlich verabschiedete Dekret folgte denn auch weithin deren Vorschlägen und fasste diese in elf Artikeln zusammen, die insgesamt auf eine klare Abgrenzung und Limitierung der Prärogativen der Exekutivgewalt in Hinblick auf die Armee zielten:(FN21) Während Artikel 1 den König als Oberkommandierenden der Streitkräfte definierte, umriss Artikel 2 die Aufgabe der Armee mit der Verteidigung der Außengrenzen Frankreichs. Der dritte Artikel seinerseits nahm sich der Frage der ausländischen Truppen an, die fortan nur mehr auf Beschluss der Legislative und nach Sanktionierung durch den König zum Einsatz gelangen sollten. Artikel 4 legte sodann die jährlich neue Bewilligung des Militärbudgets durch die gesetzgebenden Organe fest. Die Artikel 5, 6 und 7 bestimmten die verfassungsmäßigen Rechte des militärischen Personals, wobei u.a. explizit festgelegt wurde, dass fortan jedermann Zugang zu allen militärischen Ämtern erhalten und dem Soldaten nach sechzehn Dienstjahren der Status eines citoyen actif zuerkannt werden sollte. Artikel 8 wiederum legte fest, dass der Fahneneid jährlich am 14. Juli - dem Jahrestag des Sturmes auf die Bastille - erneuert werden sollte, die Offiziere gleichermaßen wie die Mannschaften mit einschließend.(FN22) Der neunte Artikel hob die in der Vergangenheit oft kritisierte Praxis der Ämterkäuflichkeit auf, während Artikel 10 die Ministerverantwortlichkeit festschrieb, wenngleich der Wortlaut weniger umfassend ausfiel, als dies vom Duc de Liancourt vorgesehen worden war.(FN23) Der elfte und letzte Artikel schließlich präzisierte nochmals die Materien, die in der Verantwortlichkeit der gesetzgebenden Gewalt lagen: Militärausgaben, Mannschaftsstärke, Sold, Zulassung und Beförderung, Rekrutierung, Einsatz ausländischer Kontingente, Militärgerichtsbarkeit, Entlassung von Truppen.

Das Dekret vom 28. Februar hielt das Verfassungskomitee gleichermaßen wie das Militärkomitee auch dazu an, Gesetzesvorschläge für den Einsatz des Militärs im Inneren und sein Verhältnis zum pouvoir civil und der Nationalgarde einzubringen, daneben ebenfalls solche in Hinblick auf die Organisation der Militärgerichtshöfe und -verfahren. Schließlich sollten auch Möglichkeiten der Rekrutierung und Verstärkung der Streitkräfte im Kriegsfalle gefunden, die Einziehung der Miliz nach dem überkommenen Verfahren aufgehoben werden.(FN24) Dieses Dekret, das nach der Sanktionierung durch den König im März Gesetzeskraft erlangte, bereitete den Weg für eine tief greifende innere Reorganisation des Militärwesens - eine Aufgabe, die klar der Nationalversammlung und ihrem Militärkomitee zugewiesen war, während die dahingehenden Prärogativen des Monarchen auf administrative Details beschränkt bleiben mussten. Dass diese Aufgabe drängender als je zuvor war, davon legte der immer besorgniserregendere Zustand der französischen Streitkräfte beredtes Zeugnis ab.

Nicht nur die Unsicherheit über die politische Entwicklung des Landes im Allgemeinen und die endgültige Form des staatlichen Militärapparates im Besonderen waren dazu angetan, die Leistungsfähigkeit der Armee zu hemmen, auch interne Probleme der Streitkräfte trugen das Ihre dazu bei. War schon 1789 eine deutliche Spannung zwischen Offizieren und Mannschaften zu Tage getreten, so verschärfte sich 1790 die Situation noch und wuchs sich zu einem permanenten Konflikt aus. Während die Soldaten - dem Pathos der Revolution entsprechend - eine Ausweitung ihrer bürgerlichen Rechte beanspruchten, suchten die Offiziere ihre Untergebenen in überkommener Manier weiterhin als rechtlose Subjekte zu behandeln. Diese Konfliktsituation, die in zahlreichen Unruhen ihren Ausdruck fand, gewann besonderes Gewicht durch ihre Politisierung, indem sie mit der Angst der revolutionären Kräfte vor dem konterrevolutionären Potenzial des Militärs verknüpft wurde: Dem als Hort der Reaktion eingestuften adeligen Offizierskorps, insbesondere der Generalität, sollten die Soldaten mit allen Mitteln entfremdet werden, sei es mit der Betonung eines ihnen zustehenden Widerstandsrechtes oder auch mittels der Aufforderung zur offenen Meuterei. Wenngleich sich die Assemblée nationale nicht Bestrebungen fügte, das alte Offizierskorps in seiner Gesamtheit zu entlassen und neu zu berufen,(FN25) so war das allgemeine Vertrauen in die regulären Streitkräfte und ihr Potenzial doch an einem Tiefpunkt angelangt.

Umso wichtiger erschien es für die Nationalversammlung, die Organisation der Nationalgarde(FN26) voranzutreiben, die nicht nur die durch die Revolution bedingten sozialen Veränderungen in der französischen Gesellschaft widerspiegelte, sondern auch ein gänzlich neues Militärkonzept verkörperte. Zusammen mit den regulären Truppen sollte sie - gewissermaßen als zweites, die Linientruppen ergänzendes und gleichermaßen kontrollierendes Element - fortan den bewaffneten Arm des Staates, die force publique, repräsentieren.(FN27) Unter dem Eindruck der "Nancy-Affäre" im August 1790 und der darauf folgenden öffentlichen Reaktion(FN28) machte sich die Nationalversammlung in der Diskussion um die Ausgestaltung einer "nationalen Armee" weit gehend die Haltung des "linken" Lagers zu Eigen, das die Einflussmöglichkeiten des Königs so weit wie möglich zu minimieren trachtete.

Dem entsprach denn auch der gemeinsame Bericht des Verfassungs- und Militärkomitees über die Formierung der force publique vom 21. November 1790,(FN29) der Weichen stellende Festlegungen in viererlei Hinsicht traf: über die Definition, Zusammensetzung und Kontrolle der force publique, über deren Einsatz innerhalb des Staates sowie gegen äußere Gegner und über die Beziehung zwischen den einzelnen Elementen. Definiert wurde die force publique als die Summe aller Streitkräfte der französischen Bürgerschaft und Nation, die - aufgeteilt in sich wechselseitig ergänzende Komponenten - für die Aufrechterhaltung der Ordnung und den Schutz der Freiheit verantwortlich zeichneten. Jeder citoyen actif (FN30) war verpflichtet, in diesen "nationalen Streitkräften" Dienst zu tun. Die Nationalgarde - hinfort synonym für force publique zu verwenden - repräsentierte die Summe aller Aktivbürger und derer Söhne im Alter von 18 bis 60 Jahren, ein personelles Reservoir, aus dem alle anderen Formationen beschickt werden sollten. Die maréchaussées und die gendarmerie nationale - zwei polizeiähnliche Korps - waren für die innere Sicherheit verantwortlich, während den Linientruppen der Schutz der Außengrenzen zukam, eine Aufgabe, bei der sie gegebenenfalls Unterstützung durch die etwa 100.000 Mann zählenden Hilfsstreitkräfte erhielten. Die garde nationale im engeren Sinne endlich nahm eine besondere Rolle dahingehend ein, als sie sowohl zur Verstärkung der maréchaussées und der gendarmerie im Inneren als auch zur Unterstützung der Linientruppen gegen äußere Bedrohungen eingesetzt werden konnte. Die Nationalgarde repräsentierte damit gleichsam den wichtigsten Garanten für die Sicherung der öffentlichen Freiheit, dies umso mehr, als sie allein der Kontrolle der zivilen Autoritäten unterstand und gegebenenfalls auch gegen konterrevolutionäre Elemente in der Armee eingesetzt werden konnte.

Dieses Konzept wurde schließlich nach einer vorangegangenen Debatte am 5. Dezember 1790 von der Nationalversammlung angenommen und am darauf folgenden Tag noch durch einige Zusatzbestimmungen ergänzt,(FN31) die im Wesentlichen die Bemühungen des radikalen linken Lagers widerspiegelten, die Organisation der Nationalgarde in ihrem Sinne zu beeinflussen: So wurde zum einen festgeschrieben, dass die garde nationale niemals ohne entsprechenden Antrag von Seiten der Zivilbehörden zum Einsatz gelangen, sie ein solches Ansinnen indes auch nicht ablehnen dürfe. Um die klare Separation der Nationalgarde zur regulären Armee herauszustreichen und damit ebenfalls ihre Unterordnung unter die Legislative, nicht die Exekutive zu garantieren, spezifizierte man zum anderen, dass die Nationalgarde kein militärisches Korps im engeren Sinne denn vielmehr eine Formation bewaffneter privater Bürger repräsentieren würde. Zwei weitere Supplementärartikel endlich legten fest, dass Passivbürger, die während der Revolution gedient hatten, zeit ihres Lebens Anspruch auf Partizipation in der Nationalgarde haben und dass keinerlei Änderungen in der Zusammensetzung der bestehenden Einheiten vorgenommen werden sollten.

Nachdem damit die Eckpunkte der neuen force publique festgelegt waren, schritt die Reorganisation der Armee zum Zwecke der Verbesserung ihrer Einsatz- und Leistungsfähigkeit in verschiedenen Teilbereichen voran. Dies war umso notwendiger, als die Gefahr eines Krieges im europäischen Rahmen - befördert durch die Aktivitäten der Emigranten, die auf eine Restauration der alten Ordnung drängten - immer drohender im Raum stand und auch das Disziplinarproblem in der Armee einer Lösung harrte. So brachte denn auch Alexandre de Lameth am 28. Januar 1791 in der Assemblée einen vom Militärkomitee ausgearbeiteten Maßnahmenkatalog zur Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit des Staates ein, der Organisation und Formierung der Hilfstruppen sowie die Aufstellung von Nationalgardekompanien durch die Zivilbehörden regelte.(FN32) Am 4. März 1791 folgte sodann die formelle Auflösung der Miliz,(FN33) die bereits seit dem Ausbruch der Revolution weit gehend obsolet geworden war, zumal die Nationalgarde an ihre Stelle gerückt war.(FN34) Deren genaueren organisatorischen Festlegung galt die Aufmerksamkeit des Militär- und Verfassungskomitees denn auch ab dem 20. April, als den Abgeordneten der Assemblée die als notwendig erachteten Eckpunkte der Ausgestaltung der garde nationale näher gebracht wurden.(FN35) Am 27. April setzte sodann die Plenardiskussion über die einzelnen Artikel ein, die schließlich zur Festlegung führte, dass nur "Aktivbürger" zum Dienst in der Nationalgarde zugelassen werden sollten.(FN36) Zu einem abschließenden Ergebnis vermochte man indes vorerst nicht zu kommen. Erst die Ereignisse des 20. und 21. Juni 1791 führten zu einer neuerlichen Belebung der diesbezüglichen Debatte.

Mit dem Fluchtversuch Ludwigs XVI. nämlich war die bestehende Kluft zwischen Monarch und Nationalversammlung offensichtlich geworden, gleichsam die exponierte - da von außen durch die reaktionären Mächte Europas wie von innen durch die Gegenkräfte der Revolution bedrohte - Stellung Letzterer. Umso zielstrebiger wurde nunmehr von Seiten der Assemblée das Ziel verfolgt, die noch immer ausstehende Konstitution und im Rahmen dessen auch die Reform der Militärverfassung zu einem Abschluss zu bringen.

Unter dem Eindruck der Flucht des Königs und der schwer wiegenden inneren Probleme in der Armee, denen man auch durch entsprechende Disziplinarmaßnahmen zu begegnen suchte, wurde insbesondere die "Nationalisierung" der Armee mit großen Schritten vorangetrieben. Während mit der Neugestaltung der Militärflaggen vom 30. Juni ein bedeutsamer symbolischer Akt gesetzt wurde,(FN37) kam es u.a. per Beschluss vom 21. Juli zur Inkorporation aller bestehenden ausländischen Regimenter - mit Ausnahme der gardes suisses - in französische Truppenteile.(FN38) Insbesondere aber wurde die Formierung der force nationale zum Abschluss gebracht, indem die Form der Nationalgarde am 27. und 28. Juli endgültig Festsetzung fand.(FN39) Die nach wie vor bestehende Unzuverlässigkeit der Linientruppen und die immer bedrohlicher werdende außenpolitische Situation hatten die Nationalversammlung zuvor schon in ihrem Willen bestärkt, die garde nationale als wesentlichen Garanten für die Errungenschaften der Revolution zu etablieren. Die umfänglichen organisatorischen Festlegungen konstituierten die Nationalgarde denn auch weithin als eigentliche Armee mit einem strikten Reglement: Als taktische Grundeinheit sollte das Bataillon dienen, zusammengesetzt aus sechs bis zehn Kompanien à 53 Mann.(FN40) Um eine effektivere Kampfführung zu gewährleisten, sollten acht bis zehn Bataillone auf Distriktsebene zu einer Legion zusammengefasst werden, die unter dem Kommando eines chef de légion, eines adjudant général und eines sous-adjudant général stehen sollte. Genau festgelegt wurde auch die Uniformierung der Nationalgarde, die fortan in ganz Frankreich dem Prinzip der strikten Gleichartigkeit zu folgen hatte. Dem revolutionär-demokratischen Selbstverständnis der Garde entsprechend war für die Bestellung der Offiziere und Unteroffiziere auf allen Ebenen das Wahlverfahren vorgesehen. Zur Bekräftigung des Anspruches, eine tatsächliche "Armee des Volkes" im Dienste der Freiheit zu sein, war ferner jede Truppenfahne als Trikolore mit den Wahlsprüchen Le peuple Français und la liberté ou la mort zu gestalten. Klar umrissen war die konkrete Funktion der in der Nationalgarde zusammengefassten Bürgerschaft, die sich der Aufrechterhaltung der Ordnung und der bestehenden Gesetze zu verpflichten hatte. Folgerichtig schuldeten die Kommandierenden in der Nationalgarde, die sich im Übrigen nicht aus Offizieren der Linientruppe und der gendarmerie nationale rekrutieren durften, allein der Nation Verantwortung.(FN41) Mit der rechtlichen Festlegung der garde nationale war im Wesentlichen auch die militärreformerische Arbeit der Assemblée constituante zum Abschluss gekommen, deren Eckpunkte Eingang in die erste geschriebene Verfassung Frankreichs finden sollten.

Die Reform der Militärverfassung: Ergebnis und Kritik

Die Festlegungen der Verfassung von 1791

Am 3. September 1791 wurde von Seiten der Nationalversammlung die erste geschlossen konzipierte und geschriebene Verfassung Europas verabschiedet, die - gegliedert in sieben "Titel" (titres) und 210 Artikel (articles) - eine klare Abkehr vom Ancien régime markierte. Dies galt in ebensolcher Weise für das Militärwesen, das in Titel vier De la force publique explizit thematisiert wurde.(FN42) Allein schon die Begriffswahl force publique war dazu angetan, eine deutliche Trennlinie zum überkommenen Verständnis der bewaffneten Macht im Staate zu ziehen. Fortan sollte diese nicht mehr bloßes Instrument des Monarchen, sondern vielmehr öffentlich sein, dem Staatswohl und der Aufrechterhaltung der inneren Ordnung verpflichtet, wie es Artikel 1 zum Ausdruck bringt: "La force publique est instituée pour défendre l’Etat contre les ennemis du dehors, et assurer au dedans le maintien de l’ordre et l’exécution des lois." Festgeschrieben wurde nunmehr auch die dreifache Strukturierung der Streitkräfte, die aus Heer und Flotte zur einen, den zum inneren Dienst bestimmten Truppen zum anderen und der Nationalgarde als drittem Element bestehen sollten (Art. 2). Letztere repräsentierte hierbei indes kein militärisches Korps im engeren Sinne, sondern vielmehr die Summe der zum Waffendienst berufenen Staatsbürger: Um die gesetzliche Bindung der Nationalgarde zu gewährleisten und der Nationalversammlung ihre Einflussmöglichkeiten auf diese mächtige Einrichtung zu sichern, war festgeschrieben, dass "Art. 4. Les citoyens ne pourront jamais se former, ni agir comme gardes nationales, qu’en vertu d’une réquisition ou d’une autorisation légale".

Artikel fünf legte im Folgenden die strikte Subordination der Nationalgarde unter eine durch das Gesetz vorgeschriebene Organisationsstruktur ebenso wie die Einheitlichkeit der Disziplinar- und Uniformordnung im gesamten Land fest, während Artikel sechs den demokratischen Charakter der Offiziersstellen betonte: "Les officiers sont élus à temps et ne peuvent etre réélus qu’après un intervalle de service comme soldats." Wiewohl dem König das Oberkommando über alle Teile der force publique zukam (Art. 7), war der missbräuchlichen Verwendung dieser Streitkräfte in Frankreich selbst doch ein klarer Riegel vorgeschoben, indem ihr Einsatz dans l’intérieur du royaume (Art. 8) im Allgemeinen und dans la maison d’un citoyen (Art. 9) im Besonderen eines entsprechenden Beschlusses der Legislative bedurfte. Die Anforderung der Streitkräfte für den Einsatz im Inneren des Königreiches ihrerseits war ebenfalls klaren rechtlichen Schranken unterworfen, indem in einem solchen Falle die dazu allein berechtigten Zivilbeamten bestimmten - durch die gesetzgebende Körperschaft festgelegten - Grundsätzen zu folgen hatten (Art. 10). Konkreter führte dahingehend Artikel 11 für die Eventualität innerer Unruhen aus: "Si les troubles agitent tout un département, le roi donnera, sous la responsabilité de ses ministres, les ordres nécessaires pour l’exécution des lois et le rétablissement de l’ordre; mais à la charge d’en informer le Corps législatif, s’il est assemblé, et de le convoquer s’il est en vacance." Erklärt war damit der Wille der Nationalversammlung, sich in jeder Situation zumindest eines Mindestmaßes an Kontrolle über die Streitkräfte zu versichern und das Militär nicht allein der Verfügungsgewalt der Exekutive zu überlassen. Dem Selbstverständnis der Assemblée nationale als Repräsentantin der Nation und einzigem Hort der Souveränität entsprechend ist Artikel zwölf zu deuten: "La force publique est essentiellement obéissante; nul corps armé ne peut délibérer." Gleichsam war diese Feststellung dazu angetan, im Krisenfall rasches und einheitliches Handeln der Streitkräfte zu gewährleisten.

Dem Prinzip der "Verrechtlichung" des gesamten Militärwesens verpflichtet war letztlich auch der dreizehnte und abschließende Artikel des Titels vier, der sich auf die Ausgestaltung der Militärgerichtsbarkeit bezog.

Auch an anderer Stelle der Verfassung fanden sich für das Militärwesen relevante Passagen, die vom umfänglichen Charakter der vonstatten gegangenen Reform der Militärverfassung Zeugnis ablegen. So wurde etwa der widerrechtliche Einsatz von Truppen seitens des Monarchen als Absetzungsgrund gedeutet (Titel 3, Kap. II., Abschnitt 1, Art. 6) und die maison du roi zu Gunsten einer kleinen, strengen Bestellungskriterien unterworfenen Ehrengarde für den König aufgelöst (Titel 3, Kap. II., Abschnitt 1, Art. 12).(FN43) Um einem potenziellen, gegen die Nationalversammlung gerichteten Einsatz des Militärs präventiv entgegenzuwirken, wurde in Titel 1, Kap. III., Abschnitt 1, Art. 5 die Stationierung von Truppen im Umkreis von 60 Kilometern um die gesetzgebende Körperschaft untersagt.

Von besonderer Bedeutung erwies sich die Bestimmung, dass die letztgültige Entscheidung über Krieg und Frieden fortan bei der Assemblée nationale liegen sollte (Titel 1, Kap. III., Abschnitt 1, Art. 2). Schon im Falle drohender oder begonnener Feindseligkeiten sollte der König ohne Verzögerung der gesetzgebenden Körperschaft davon Kenntnis bringen. Ihr oblag es im Folgenden, über eine etwaige Einstellung begonnener Feindseligkeiten oder aber über eine strafrechtliche Verfolgung eines Ministers zu entscheiden, dem schuldhaftes Verhalten in Hinblick auf den Ausbruch der Feindseligkeiten anzulasten war. Schließlich stand der Legislative während der gesamten Dauer eines etwaigen Krieges zu, dessen Ende zu erwirken und nach dem Übergang in den Friedenszustand Maßnahmen für die Reduktion der Truppen auf die gewöhnliche Friedensstärke zu beschließen.

Mit dem Übergang des Rechtes der Kriegserklärung auf die Nationalversammlung als Repräsentantin der französischen Nation war gleichsam der erste bedeutende und für Europa vorbildhafte Schritt im Übergang vom überkommenen "Monarchen-" und "Kabinettskrieg" als einem agonalen Rechtskonflikt zwischen prinzipiell souveränen Staatssubjekten zur guerre nationale gesetzt. Ungeachtet dessen, dass die französische Nation ausdrücklich darauf verzichtete, Angriffskriege zu führen, und sich selbst dazu verpflichtete, niemals ihre Streitkräfte gegen die "Freiheit anderer Völker" einzusetzen (Titel 6 Absatz 1), wurde damit doch das Tor zu neuartigen ideologischen Rechtfertigungen von Krieg aufgestoßen, zumal der Einsatz militärischer Gewalt fortan an Kriterien der (vorgeblichen) "nationalen Notwendigkeit" zu binden war. Dieser Befund mag überleiten zu einer kritischen Wertung der zwischen 1789 und 1791 in Frankreich erfolgten Reform der Militärverfassung im Gesamten.

Die Reform der Militärverfassung in der Bewertung

In solch umfassender Art, wie im Gefolge der Französischen Revolution die gesamte Gesellschaftsordnung des Ancien régime umgestaltet wurde, fand auch das Militärwesen Revision. Der wichtigste Akteur dieses Reformprozesses, der die Armee von einem persönlichen Machtinstrument des Monarchen in eine nationale Institution transformierte, war hierbei die Nationalversammlung und in ihrem Rahmen das Militärkomitee.

Aus dem doppelten Bedürfnis heraus, die Armee als potenzielles Mittel der Konterrevolution zu entschärfen und ihre Effektivität durch Beseitigung bestehender Missstände zu steigern, nahm die Assemblée nationale constituante im Herbst 1789 eine Reform in Angriff, über deren grundsätzliche Notwendigkeit Konsens herrschte, ohne dass dies aber in Hinblick auf deren genaue Stoßrichtung und ihren Umfang der Fall gewesen wäre. Dementsprechend gestaltete sich der Prozess der Umgestaltung der bestehenden Militärverfassung auch uneinheitlich und keinem vorgegebenen Arbeitsplan folgend. Dies galt umso mehr, als die Stärke der einzelnen Parlamentsfraktionen im Zeitverlauf deutlich schwankte, nicht zuletzt in Abhängigkeit von externen Ereignissen. Insgesamt aber vermochten doch die Gemäßigten die reformerische Tätigkeit zu dominieren, da sie sich in weit gehender Übereinstimmung mit der öffentlichen Meinung sehen konnten, die - entgegen der Haltung des "rechten" Lagers - substanzielle Änderungen befürwortete, ohne die Radikalität der extremen Linken mit deren Forderung nach gänzlicher Aufhebung der Armee zu Gunsten einer bewaffneten Bürgergarde zu erreichen.

Die Tätigkeit dieser "Liberalen" war weithin auf eine "Nationalisierung" der Armee mit dem Ziel gerichtet, die Kontrolle über die Streitkräfte vom König auf die Nationalversammlung zu übertragen. Dieses Ziel konnte mit der Verabschiedung der Verfassung von 1791 in hohem Maße als erreicht gelten: Der Monarch war weit gehend auf die Rolle eines formellen Oberbefehlshabers beschränkt, ohne Möglichkeit, über den bewaffneten Arm des Staates frei zu verfügen. Besonders deutlich kam diese restriktive Auslegung der königlichen Prärogativen im Verlust des Rechtes zum Ausdruck, über Krieg und Frieden eigenständig zu entscheiden, wie dies im Ancien régime möglich gewesen war. Mehr noch: Mit dem Übergang der maßgeblichen Kompetenzen auf die Assemblée nationale zeichnete die Militärverwaltung - an ihrer Spitze der Kriegsminister - nicht mehr primär dem König, sondern der gesetzgebenden Körperschaft verantwortlich (Prinzip der parlamentarischen Verantwortlichkeit).

Weniger erfolgreich als in diesem Bereich gestaltete sich die Tätigkeit der Legislative in Hinblick auf eine Lösung des Disziplinarproblems in der Armee, das seit dem Ausbruch der Revolution immer drängender wurde. Dies war zum einen darauf zurückzuführen, dass das aristokratisch geprägte Offizierskorps in Anbetracht der fortschreitenden Egalisierung der Gesellschaft um seine Stellung bangte und zusehends reaktionäre Haltungen ausbildete. Zum anderen trug das radikalrevolutionäre Gebärden der politischen Klubs dazu bei, unter den Mannschaften eine ständige Unruhe zu provozieren und dergestalt die Zuverlässigkeit der Armee in Frage zu stellen. Dementsprechend und in Anbetracht der immer präsenten Furcht vor einem möglichen konterrevolutionären Einsatz der Streitkräfte suchte die Assemblée die Größe der Armee gering zu halten und alternative Möglichkeiten für militärische Macht zu finden. Dieses Bemühen resultierte in der Formierung der force publique, als deren Rückgrat die Nationalgarde anzusehen war: Garantierte deren pro-revolutionäre Haltung - die gleichermaßen aus der Dominanz des Dritten Standes in ihren Formationen resultierte wie aus der Bedeutung, die sie in der Revolution selbst eingenommen hatte - eine Interessenkonvergenz mit der Nationalversammlung, so war ihre militärische Organisation und Ausrüstung dazu angetan, eine tatsächliche Alternative zu den Linientruppen darzustellen, sei es in der Funktion einer Ergänzungstruppe im Kriegsfall, sei es gegebenenfalls als Garant für die Behauptung der revolutionären Kräfte im Inneren.

Besondere Dynamik erfuhr der Prozess der "Nationalisierung" durch die Universalisierung des Militärdienstes, indem fortan alle Aktivbürger ab 18 Jahren zur Partizipation in der garde nationale verpflichtet wurden - vorbildhaft für die allgemeine Wehrpflicht, die die Massenheere neuzeitlicher Prägung konstituierte. Damit war der Übergang vom stehenden Heer alter Prägung hin zu einem "Volks-" und "Massenheer" eingeleitet, der "Söldnersoldat" abgelöst worden vom "Bürgersoldaten", dem soldat citoyen. In dieser Neudefinition dessen, was als Grundlage des Militärischen zu gelten habe, mag denn auch der bedeutendste militärische Reformakt der Nationalversammlung gesehen werden.

Ein Reformakt indes, der nicht nur dazu angetan war, die Leistungsfähigkeit des französischen Militärs zu steigern und den Militärdienst zu ei-nem Motor der nationalen Integration werden zu lassen,(FN44) sondern auch dazu, die Militarisierung des öffentlichen Raumes voranzutreiben, der Idealisierung von Vaterland und Nation ebenso wie der untrennbaren Verknüpfung von nationaler Gemeinschaft und kriegerischem Heroismus den Weg zu bereiten. Vorweggenommen war damit in gewisser Weise bereits in den ersten Jahren nach der französischen Revolution die enge Verquickung von "nationaler Befreiung" mit kriegerischer Zerstörung und Blutvergießen, die "martialistische Nation", wie sie ihre unheilvolle Wirkung im gesamten 19. und 20. Jahrhundert entfalten sollte.

Resümee

Abschließend soll die Reform der französischen Militärverfassung zwischen 1789 und 1791 einer resümierenden Betrachtung unterzogen werden, was zurückführen mag zu den eingangs formulierten forschungsleitenden Fragestellungen: Deren erste zielte auf den Befund, der für die Militärordnung des Ancien régime im Vorfeld der Revolution getroffen werden kann. Diesbezüglich zeigt sich, dass in der zweiten Hälfte der 1780er-Jahre nicht nur die allgemeine Skepsis gegenüber dem überkommenen Gesellschaftsmodell zu weit fortgeschritten war, als dass sich die Armee ihrer entziehen hätte können, auch die spezifischen internen Probleme der Streitkräfte waren dazu angetan, die Einsatzfähigkeit des bewaffneten Arms von Staat und Königtum zu hemmen. Zu diesen Problemen war insbesondere das System des Ämterkaufes zu zählen, das einer stärkeren "Leistungsorientierung" der Streitkräfte ebenso entgegenstand wie die strikte ständische Hierarchisierung, die die Tätigkeit als Offizier fast ausschließlich dem Adel vorbehielt. Indes: Unfähig oder nicht willens, diesen bestehenden Mängeln - die ihren Ausdruck in einer wachsenden Unruhe unter den einzelnen Truppenkörpern ebenso fanden wie in einer immer lauter werdenden öffentlichen Kritik, als deren beredtes Zeugnis die im Rahmen der Einberufung der Generalstände verfassten cahiers des doléances gelten können - nachhaltig zu begegnen, schritt die staatliche Zentralgewalt in das Jahr 1789, das umwälzende Veränderungen auch für das französische Militär mit sich bringen sollte.

Dies führt zur zweiten Forschungsfrage nach der Gestalt und den Auswirkungen des Reformprozesses der bestehenden Militärverfassung zwischen 1789 und 1791: Die revolutionären Ereignisse des Jahres 1789 ließen die Unzulänglichkeiten der königlichen Armee offensichtlich werden, hatte sich diese doch nicht nur unfähig erwiesen, der Insurrektion in Paris Herr zu werden, sondern auch in hohem Maße mit der revolutionären Bewegung kooperiert und deren durchschlagenden Erfolg erst sichergestellt. Nichtsdestoweniger war es die Ambition der Nationalversammlung, die Armee als potenzielles Machtinstrument der Konterrevolution nachhaltig zu entschärfen und ihrer eigenen Kontrolle zu unterwerfen, was denn auch alsbald in entsprechenden rechtlichen Weichenstellungen gipfelte. Im Rahmen dessen blieb der König zwar noch chef suprême de l’armée - was nicht zuletzt auch Zeugnis von der Dominanz des gemäßigten Lagers in der Constituante während ihrer gesamten Tätigkeit ablegt -, seine Macht wurde jedoch in hohem Maße "eingehegt", sei es, dass die Aufgabe der Armee nunmehr auf die Verteidigung der Grenzen beschränkt und ein etwaiger Einsatz im Inneren von einer entsprechenden Zustimmungserklärung der Legislative abhängig gemacht wurde, sei es, dass fortan der Assemblée allein die Organisation der Streitkräfte und die Festlegung des Militärbudgets zukam. Die reformerische Tätigkeit der Nationalversammlung beschränkte sich indes nicht allein auf eine Revision der bestehenden Militärverfassung unter dem Zeichen eines Machttransfers von der Exekutive zur Legislative, sondern gelangte mit dem Konzept der force publique zum Entwurf eines gänzlich neuen Heerwesens. Hinkünftig sollte nicht mehr der gedungene Berufssoldat, vielmehr der in der Nationalgarde Dienst tuende soldat citoyen das Rückgrat der bewaffneten Staatsmacht bilden, womit zwei Ziele gleichzeitig zu erreichen waren: Zum einen konnte sich die gesetzgebende Körperschaft mit der garde nationale eines mächtigen und von den Ideen der Revolution durchdrungenen Instruments zur Durchsetzung ihrer Interessen versichern, das zum Einsatz gegen innere wie äußere Gegner gleichermaßen geeignet war. Zum anderen stellte die Vorwegnahme des Prinzips der allgemeinen Wehrpflicht(FN45) in Gestalt der verpflichtenden Teilhabe an dieser "Bürgergarde" ein entsprechendes personelles Reservoir für den immer drohender im Raum stehenden Krieg mit den europäischen Mächten sicher, das Frankreich zum erfolgreichen Kampf gegen eine nach den Maßstäben der klassischen stehenden Heere eindeutig überlegene Koalition befähigen sollte.

Wendet man sich schließlich der dritten und letzten Forschungsfrage nach der Bewertung dieser Veränderungen zu, so zeigt sich das Bild ambivalent. Ohne Zweifel konnten mit den militärpolitisch relevanten Festlegungen der Constituante, die letztlich in der Verfassung von 1791 aufgingen, Stärke und Effizienz der französischen Streitkräfte gesteigert werden, zumal man auch das Tor zu einer allen Staatsbürgern offen stehenden, auf den Prinzipien der Menschen- und Bürgerrechte ruhenden "Volksarmee" aufstieß. Gleichermaßen aber schritt damit eine kriegerische Mobilisierung der Bevölkerung einher, in deren Gefolge es zu einer nachhaltigen Prägung der gesamten Nation durch das Militär kam. Am Ende dieser Entwicklung sollte die "vollständige militärische Beherrschung und Gestaltung der zivilen Gesellschaft" stehen, der "ideologisch legitimierte, die ganze Gesellschaft mobilisierende Nationalkrieg",(FN46) wie er später das Zeitalter Napoleons bestimmte.

ANMERKUNGEN:

(FN1) Die maison du roi setzte sich namentlich aus den gardes du corps, den Cent-Suisses sowie den Regimentern der gardes françaises und der gardes suisses zusammen.

(FN2) William Serman und Jean-Paul Bertaud: Nouvelle histoire militaire de la France 1789-1919. Paris 1998, S.16 beziffern die Stärke der Maison du roi auf 7.278 Mann. Alan Forrest: The Soldiers of the French Revolution. Durham und London 1990, S.27, nennt demgegenüber die Zahl von 7.200 Mann, Joseph F. Revol: Histoire de l’armée française. Paris 1929, S.129, 8.000 Mann, Jacques Godechot: Les institutions de la France sous la révolution et l’empire. Paris 1968, S.121, gar 9.000.

(FN3) Diese Zahlenangaben sind indes nur als Anhaltspunkt zu werten, zumal sich in der Literatur deutlich unterschiedliche Angaben über die tatsächliche zahlenmäßige Stärke der Linientruppen und der Miliz vor der Revolution finden. So nennt Revol, a.a.O., S.129, die Zahl 173.000 für die Linientruppen, 55.000 in Hinblick auf die Miliz. Serman/Bertaud, a.a.O., S.17, beziffern zwar die Miliz gleich hoch, kommen indes zu anderen Ergebnissen in Hinblick auf die Linientruppen: 120.500 Mann Linieninfanterie, 33.000 Mann Kavallerie und 6.000 Mann Artillerie, in Summe 159.500 Mann. Forrest 1990, a.a.O., S.27, beziffert die Stärke der Linieninfanterie demgegenüber auf 113.000, die der Kavallerie auf 32.000 und die der Artillerie auf 10.000, die der gesamten Linientruppen damit auf 155.000.

(FN4) Zu den Problemen des französischen Offizierskorps im 18. Jahrhundert vgl. Opitz-Belakhal: Militärreformen zwischen Bürokratisierung und Adelsreaktion. Das französische Kriegsministerium und seine Reformen im Offizierskorps von 1760-1790. Sigmaringen 1994, S.35-44.

(FN5) Forrest, a.a.O., S.27f.

(FN6) In Hinblick auf diese Denkschriften, die oft im Regiments- oder gar Garnisonsrahmen erstellt wurden, ist ein deutliches Übergewicht solcher von Offizieren gegenüber solchen von Unteroffizieren verfassten festzumachen. Allerdings sprachen die Offiziere durchaus im Namen ihrer Soldaten und oftmals wohl auch in deren Sinne. So forderten nämlich fast alle Denkschriften Verbesserungen im Lohn und in der Altersversorgung, aber auch im Dienst und beim Avancement für Soldaten. In engagierter Weise traten die Offiziere ebenfalls gegen Willkür von Vorgesetzten und Strafen ohne Anhörung der Beschuldigten auf. Vgl. Opitz-Belakhal, a.a.O., S.233-240.

(FN7) Vgl. Serman/Bertaud, a.a.O., S.29f. In der Bailliage Rouen etwa wurde die Forderung nach einer solchen nationalen Miliz erhoben, die alle unverheirateten Männer zwischen 18 und 40 Jahren einschließen sollte.

(FN8) So geschehen u.a. in Marseille, Caen und Orleans. Vgl. Godechot, a.a.O., S.124.

(FN9) Vgl. Archives parlementaires de 1787 à 1860. Recueil complet des débats législatifs & politiques des Chambres françaises imprimé par ordre du Sénat et de la Chambre des députés. Première série (1789 à 1799). Paris 1862ff. [im Folgenden kurz AP], Bd. VIII, S.208-210.

(FN10) Lafayette, Marie Joseph Motier, Marquis de (1757-1834), französischer General und Politiker.

(FN11) Zu den Ereignissen des 14. Juli 1789 im Detail vgl. Winfried Schulze: Der 14. Juli 1789. Biographie eines Tages. Stuttgart 1989.

(FN12) Im Konkreten suchte sich der König v.a. gegen die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August zu verwehren.

(FN13) Vgl. dazu AP, a.a.O., Bd. VIII, S.376-379. Die Einbeziehung von Nation und Gesetz in die Eidesformel bedeutete einen tief greifenden Bruch mit der überkommenen Tradition, wurde damit doch die absolute Verfügungsgewalt des Monarchen über den bewaffneten Arm des Staates erstmals in Frage gestellt und "verrechtlicht". Erklärt war damit auch das von den Revolutionären verfolgte Ziel: "A truly national army, bound to the state and committed to the defense of France and her Revolution." (Forrest, a.a.O., S.29) (FN14) Zur reformerischen Arbeit des Militärkomitees vgl. die überaus gelungene und durch große Fachkenntnis glänzende Dissertation von Samuel A. Covington: The Comite Militaire and the Legislative Reform of the French Army, 1789-1791. University of Arkansas 1976.

(FN15) "What the right tried to do was to maintain the framework of the old regime with the King in control of the reform movement.” Ebenda, S.225. Zu diesem "rechten Lager" waren u.a. der Comte de Mirabeau und Félix-Louis Baron de Wimpffen (1744-1814, französischer General und Politiker, Abgeordneter des Zweiten Standes) zu zählen.

(FN16) Vgl. hierzu den ersten Bericht des Militärkomitees in der Nationalversammlung vom 19. November 1789. In: AP, a.a.O., Bd. X, S.118-122.

(FN17) Vgl. ebenda Bd. XI, S.236-253. Nach ausführlicher Darlegung der geografisch-militärischen Lage Frankreichs schlug dieser - von Charles-Léon marquis de Bouthillier de Beaujeu (1743-1818) vorgetragene - rapport sur la force et sur la solde de l’armée française eine deutliche Reduktion der Friedensstärke der Armee vor. Das Offizierskorps als solches sollte indes in Zahl und Struktur gleich bleiben, begründet damit, dass der "französische Nationalcharakter" nur durch gutes Vorbild zu leiten sei.

(FN18) Vgl. ebenda, S.409-413.

(FN19) Lameth, Alexandre-Théodore-Victor, chevalier de (1760-1829); la Rochefoucauld-Liancourt, François-Alexandre-Frédéric, duc de (1747-1827); beide waren Abgeordnete des Zweiten Standes. Ihre Ausführungen zur Reform des Militärwesens in ebenda, S.521-531.

(FN20) In: Ebenda, S.732-742.

(FN21) Vgl. ebenda, S.741f.

(FN22) Diese für militärische Verhältnisse sehr ungewöhnliche Bestimmung einer periodischen Erneuerung des Fahneneides mag im Zusammenhang mit dem unbedingten Bedürfnis der Nationalversammlung gesehen werden, an Legitimität zu gewinnen und die Armee an die Verfassung zu binden. Tatsächlich ließ auch der Text des Eides keinen Zweifel daran aufkommen, wem der französische Offizier und Soldat fortan primär Treue schuldig sei: Nation und Gesetz.

(FN23) Man beschränkte sich weit gehend darauf, die Bindung des Kriegsministers an die Verfassung festzuschreiben.

(FN24) Beschlossen wurde das Dekret mit einer formellen Aufforderung an den König, dieser solle den Abgeordneten einen Plan über die Reorganisation der Armee vorlegen, um ohne Verzögerung zu genaueren Festlegungen in diesem Bereich gelangen zu können. Gleichermaßen wurde auch der Sold der Soldaten auf 32 deniers pro Tag erhöht, was als Zeichen des guten Willens der Nationalversammlung gegenüber der Armee gedeutet werden konnte.

(FN25) Vgl. dazu einen entsprechenden, vom Comte de Mirabeau als Repräsentanten des Dritten Standes eingebrachten und vom radikalen Lager unterstützten Antrag in der Nationalversammlung vom 20. August 1790. In: AP, a.a.O., Bd. XVIII, S.179-181.

(FN26) Hatte sich die Nationalgarde in Paris - dem Vorbild von "Bürgergarden" in anderen französischen Städten folgend - am 13./14. Juli 1789 in spontaner Form aus allen Teilen des Dritten Standes gebildet, um der bewaffneten Macht des Königs entgegenzutreten, so nahm sie im Zeitverlauf eher den Charakter einer "bürgerlichen Schutztruppe" ein, die die Errungenschaften der (bürgerlichen) Revolution nicht allein gegen "oben", sondern auch gegen "unten" zu verteidigen trachtete.

(FN27) Nach dem Dekret vom 28. Februar 1790 war es wohl zu weiteren Reformschritten in den regulären Streitkräften gekommen - u.a. in Hinblick auf die Zulassung zur und die Beförderung in der Armee sowie das Militärstrafrecht -, die jedoch allesamt nicht dazu angetan waren, das grundsätzliche Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der alten Armee, insbesondere nach Maßstäben der revolutionären Bewegung, zu steigern. Zu den Reformmaßnahmen im Detail vgl. Covington 1976 Comite militaire, S.65-144.

(FN28) Im August 1790 hatten die politisch aktiven, mit dem lokalen Jakobinerklub fraternisierenden Soldaten der drei in Nancy stationierten Regimenter Soldatenausschüsse eingerichtet, die mit den Offizieren über eine Reihe von Fragen in Konflikt geraten waren. Diese Insurrektion wurde schließlich durch Truppen unter dem Kommando von General Bouillé mit Waffengewalt unterdrückt, in der Folge kam es zu scharfen Strafmaßnahmen gegen die Beteiligten, von denen 22 gehenkt wurden, und zur Auflösung der lokalen Nationalgarde. Damit fand die Angst vor der militärischen Konterrevolution in der Bevölkerung - bewusst geschürt durch das radikale Lager - erneut Nahrung, und auch die Nationalversammlung, die sich anfangs hinter den Militäreinsatz gestellt hatte, distanzierte sich zusehends von diesen Ereignissen.

(FN29) Vgl. AP, a.a.O., Bd. XX, S.592-598.

(FN30) Unter "Aktivbürgern" waren jene zu verstehen, die auf Grund ihrer Steuerleistung für sich das Wahlrecht in Anspruch nehmen konnten. Vorgesehen war indes, dass in die neu zu schaffende force publique auch jene "Passivbürger" zu übernehmen seien, die bereits in der Nationalgarde gedient hatten.

(FN31) Vgl. AP, a.a.O., Bd. XXI, S.252f.

(FN32) Vgl. ebenda Bd. XXII, S.531-535.

(FN33) Vgl. ebenda Bd. XXIII, S.659-661. Das vom Militärkomitee eingebrachte und von der Nationalversammlung angenommene Dekret bestimmte, dass Mitglieder der Miliz, die lange genug gedient hatten, Pensionsanspruch haben sollten. Für Angehörige der Miliz, auf die dies nicht zutraf, bestand die Möglichkeit des Eintritts in das neu gegründete Gendarmeriekorps.

(FN34) Damit konnte die Frage nach dem Schicksal der Miliz, die im Wesentlichen die alte Einrichtung des "Heerbanns" verkörpert hatte, als beantwortet gelten. Gerade die Kritik an dieser Einrichtung war im Vorfeld der Revolution eine überaus harsche gewesen, zumal gerade die untersten Bevölkerungsschichten durch den Dienst in der Miliz, von dem man sich durch Stellung eines Ersatzmannes befreien konnte, betroffen waren. Vgl. Robert Holtzmann: Französische Verfassungsgeschichte von der Mitte des neunten Jahrhunderts bis zur Revolution. München 1965, S.428.

(FN35) Vgl. AP, a.a.O., Bd. XXV, S.218-223. Die konkreten Vorschläge der beiden Komitees in: Ebenda, S.225-230.

(FN36) Vgl. ebenda, S.392-394.

(FN37) Vgl. ebenda, S.600f. So wurde festgesetzt, dass alle Regimentsfahnen "les trois couleurs nationales" beinhalten und auf einer Seite den Schriftzug "Discipline et obéissance à la loi" tragen müssten. Der Name des Königs wurde demgegenüber eliminiert. Per 1. Januar 1791 bereits waren die früheren Regimentsnamen durch ein numerisches System der Truppenbezeichnung abgelöst worden.

(FN38) Vgl. AP XXVIII, S.471f. Ausgenommen blieben allein die Gardes suisses.

(FN39) Vgl. ebenda, S.701-706; 726-736.

(FN40) Geführt werden sollte jede dieser Kompanien von einem Hauptmann, dem ein Oberleutnant und zwei Leutnants als untergeordnete Offiziere zur Seite standen. An Unteroffizieren wiederum waren für jede Kompanie zwei Feldwebel und vier Korporäle vorgesehen.

(FN41) Vgl. ebenda, S.736.

(FN42) Zum französischen Originaltext vgl. im Folgenden ebenda, Bd. XXX, S.166f. Eine deutsche Übersetzung findet sich bei Karl Heinrich Ludwig Pölitz (Hg.): Die Europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit: mit geschichtlichen Erläuterungen und Einleitungen, 2. Bd. Die Verfassungen Frankreichs, der Niederlande, Belgiens, Spaniens, Portugals, der italienischen Staaten und der ionischen Inseln enthaltend. Leipzig 1833 [2. neugeordnete, berichtigte und ergänzte Auflage], S.17f.

(FN43) So wurde u.a. festgelegt, dass der König die Männer für diese 1.200 Mann Infanterie und 600 Mann Kavallerie nicht überschreitende Garde nur aus französischen Bürgern rekrutieren dürfe, die in den Linientruppen aktiven Dienst leisten würden oder zuvor aber ein Jahr in der Nationalgarde gedient hätten.

(FN44) Vgl. David M. Hopkin: Soldier and Peasant Soldier and Peasant in French Popular Culture, 1766-1870. Woodbridge und Rochester 2003 (Royal Historical Society Studies in History. New Series), S.351.

(FN45) Formell eingeführt wurde die allgemeine Wehrpflicht schließlich am 5. September 1798. Vgl. André Corvisier (Hg.): Histoire militaire de la France. 2 - De 1715 à 1871. Sous la Direction de Jean Delmas. Paris 1992, S.243.

(FN46) Wolfgang Kruse: Die Erfindung des modernen Militarismus. Krieg, Militär und bürgerliche Gesellschaft im politischen Diskurs der Französischen Revolution 1789-1799 (Pariser Historische Studien, herausgegeben vom Deutschen Historischen Institut Paris, Bd. 62). München 2003, S.375.

MMag. Markus Josef Prutsch

Geb. 1981; Gefreiter; 2005-laufend Doktoratsstudium Geschichte, Kultur- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät, Paris-Lodron-Universität Salzburg, bzw. Department of History and Civilization, European University Institute (EUI), Florenz; 2001-2006 Diplomstudium Politikwissenschaft, Paris-Lodron-Universität Salzburg (Abschluss: Mag. phil.); 2001-2005 Diplomstudium Geschichte, Paris-Lodron-Universität Salzburg (Abschluss: Mag. phil.); 2005-2006 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Geschichts- und Politikwissenschaft der Paris-Lodron-Universität Salzburg; 2004 Forschungspraktikum am Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam; Studienjahr 2003/2004 Wissenschaftliche Hilfskraft am Historischen Seminar der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; 2002-2003 Tutor am Institut für Geschichte der Paris-Lodron-Universität Salzburg.



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