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Teamtraining - ein spezieller Bereich der Führungsverhaltensausbildung

Führen - als Schlüsselqualifikation des Kommandanten - aber wie? Effiziente Menschenführung ist vor allem Arbeit mit Menschen, und das ist die entscheidende Voraussetzung, damit die dahinter liegende Räderwerke von Aufbau- und Ablauforganisation funktionieren. Es ist das Zusammenwirken von Wissen und Wollen, Motivation, Vertrauen, Übernahme von Verantwortung und Dienen im Sinne der Umsetzung des Zieles - und vieles mehr.

Am Anfang stehen die fachliche und die soziale Qualifikation. Sie bauen auf einem allgemein humanistisch gebildeten und gefestigten Selbstkonzept (Selbstkompetenz) auf und stellen die Schlüsselqualifikationen für eine Führungskraft dar. Führungsverhalten - im Bereich der deutschen Bundeswehr als Menschenführung bezeichnet - fokussiert innerhalb dieser Qualifikationen auf das personale und soziale und dadurch das ethische Moment innerhalb der Führung.

Die Führungsverhaltensausbildung fördert nun die Auseinandersetzung der Beteiligten mit der eigenen Person innerhalb von sozialen Systemen. Sie soll zur Erhöhung der Möglichkeiten des Wahrnehmens, Erkennens und Handelns beitragen. Dadurch wird die Führungssituation nicht vereinfacht.

Die konstruktiv-kritische Reflexion aber erhöht die Wahrscheinlichkeit, Entscheidungen und Führungshandeln in der Qualität zu steigern. Sie ermöglicht daher den Beteiligten - im besten Fall - ein Handeln aus Einsicht und Überzeugung. Damit leistet die Führ­ungs­verhaltensausbildung ihren Beitrag zur Personal- und Organisationsentwicklung. Sie ist ja ein wichtiger Teil davon (siehe Abbildung 1).

Grundsätzliches zum Begriff Führung

Der vollständige Begriff Führung weist neben der zentralen Chara­kterisierung als ein "richtungweisendes und steuerndes Einwirken, um eine Zielvorstellung zu verwirklichen" auch vertrauensschaffende Aspekte, Sinnstiftung und Elemente des Dienens (siehe Abbildung 2) auf.

Die Janusköpfigkeit des Dienens und im Besonderen das Vertrauensmoment im Verhältnis von Führendem und Geführten, zeigt anekdotisch das Gespräch zwischen König Ludwig XIV. und Prinz Eugen auf:

König Ludwig: "Warum wagt er es, mich so anmaßend anzusehen?" darauf Prinz Eugen: "Ich muss prüfen, ob der Herr, dem ich dienen soll, es auch wert ist, dass ich ihm diene." Führen bedeutet Entscheiden und Handeln, ist Praxis im eigentlichen Wortsinn. Es beinhaltet daher Wissen und Wollen also mit anderen Worten die Pole Vernunft und Streben. Diese beiden Faktoren bestimmen das Handeln von Führendem und Geführten.

Nach dem Soziologen Max Weber ist Handeln "menschliches Verhalten (einerlei, ob äußeres oder inneres Tun, Unterlassen oder Dulden), ... ." Soziales Handeln ein Handeln "welches ... seinem Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist." Die Bestim­mungsgründe sozialen Handelns, und damit der hinter dem Handeln liegende Sinn wiederum können "zweckrational, wertrational, affektuell, insbe­sondere emotional, sowie traditional" sein.

Wäre der soziale Akt Führen nur auf rationale Eigenschaften reduziert, so erhielte das Zusammenarbeiten von Menschen Merkmale, welche durch die Vorstellung des Räderwerks einer Uhr vollständig abgebildet sind. Da jeder Mensch aber aus seiner Individualität und Subjektivität heraus für sich nach sinnvollem Handeln und nicht nur nach bloßer Funktionalität strebt, muss das Wollen, die Motivation, berücksichtigt werden. Eine Selbstver­pflich­tung des Einzelnen, vorgegebene oder vereinbarte Ziele zu erreichen, ist hier allein durch Sinngebung und Vertrau­ensbildung möglich. Der Einsatz von Machtmitteln, ein Zwingen, ist nur bedingt wirksam - denn wo immer er für sich die Möglichkeit erkennt, entzieht er sich diesem Zwang - und von der Persönlichkeit und Befindlichkeit des Geführten abhängig.

Stellt Prinz Eugen die Frage, ob die Ziele des Königs es wert sind, auch seine Ziele zu sein, dann steht dies mit der Überlegung im Zusammenhang, dass die Qualität eines Zieles, das sich jemand steckt, von seiner eigenen Qualität abhängt. Die Qualität eines Zieles, sein Sinn, beeinflusst die Bereitschaft, den Weg zu diesem Ziel mitzugehen.

Im - an Schärfe zunehmenden - Spannungsfeld divergierender Wertvorstellungen muss sich der militärische Führer der verschiedenen Faktoren, die auf soziale Prozesse wirken, bewusst sein. Im Besonderen muss er seine Position und Rolle im Hinblick auf die Wechselwirkungen im Führ­ungs­handeln erkennen und, auf die Situation abgestimmt, berücksichtigen. Er legt damit einen Grundstein seiner Befähigung zur Auftragserfüllung.

Die Analyse des Begriffs Führung zeigt die gegenseitige Abhängigkeit von Führer und Geführten auf. Die Verantwortung gegenüber dem Ziel, wie das Beispiel von König Ludwig XIV. und Prinz Eugen zeigt, und den von der Zielerreichung Betroffenen ist niemals einseitig. Jeder Soldat verantwortet im Sinne von General Ulrich de Maiziére horizontal und vertikal. Die horizontale Verantwortung betrifft die unmittelbar und mittelbar beteiligten Menschen; die vertikale Verantwortung ist eine transzendentale Verantwortung - die Verantwortung dem eigenen Gewissen gegenüber. Folglich begründen die Befehlsgebung und die Annahme eines Befehles immer mehrseitige Verantwortung. Der Befehlsgeber und der Befehlsnehmer müssen in der Lage sein, sich selbst und ihrer Umwelt "Antwort geben" zu können.

Führen ist daher immer das Zusammenwirken von Wissen und Wollen: Sinn- und Zielgebung, Motivation, Vertrauen, Übernahme von Verantwortung und Dienen im Sinne der Umsetzung des Zieles.

Zum Wesen des Teamtrainings

Der Teamtrainer ist eine Unterstützung in diesem Themenfeld zur Arbeit am und im System (siehe Abbildung 3). Soziale Systeme, Gruppen erzeugen ihr Wissen aus Beobachtungen. Diese Beobachtungen operieren notwendigerweise mit Unterscheidungen. Die Pluralität der eingeführten Unterscheidungen innerhalb der Gruppe, die damit verknüpften Selektionen und die daraus entstehenden Blinden Flecke begründen die Zweckmäßigkeit von Teamtraining.

Der Teamtrainer ist grundsätzlich kein Ausbilder oder Berater zur Vertiefung von Fachwissen. Sein Fachgebiet sind all jene Bereiche in der Zusammenarbeit von Menschen (Umgang mit Beziehungen, Umgang mit Wissen und Wollen, Zielen, Mitteln, Informationen, Umgang mit System und Umwelt), die in Organisationen wirksam sind. Daher besteht seine Unterstützung in der Reflexion von Handlungen und dem dahinter stehenden, unterschiedlichen Wollen, um den gemeinsamen Sinn und das gemeinsame Wollen zu verstärken.

Der Soziologe Helmut Wil­lke definiert, dass kompetentes Beobachten zwei Fähigkeiten verlangt: ein­erseits ausgebildete Möglichkeiten, um er­stens über­haupt Unterschiede feststellen und andererseits, um daraus Bedeutungen ableiten zu können. Die Kernkom­petenzen des Teamtrainers sind damit die auf die Systeme der Organisation gerichteten Analyse- und Syn­thesefähigkeiten.

Ziele des Teamtrainings

Die Zielsetzung des Teamtrainings stellt sich dreiteilig aufbauend dar:

1. Förderung der Reflexionsfähigkeit, Informationsgewinnung durch die Gruppe; 2. Entwicklung von Handlungsalter­nativen in der Situation; 3. Erhöhung der Bearbeitungskapazität.

Dabei sind vor allem die nachstehenden Ziele evident:

  • Verbesserung des Verständnisses für die Funktionen und Rollen eines jeden Mitglieds der Gruppe;
  • Verbesserung des Verständnisses für die Beschaffenheit der Gruppe und seine Rolle innerhalb der Gesamtabläufe der Organisation;
  • Verbesserung der Kommunikation zwischen den Gruppenmitgliedern über Punkte, welche die Effektivität und Effizienz der Gruppe angehen;
  • Stärkung der gegenseitigen Unterstützung unter den Gruppenmit­gliedern;
  • klares Verständnis für die ablaufenden Prozesse innerhalb der Gruppe und innerhalb der Organisation;
  • Finden von effektiven Möglichkeiten, die bestehenden Probleme auf der Sach- und der Beziehungsebene zu bewältigen;
  • Verbesserung der Fähigkeit, Konflikte positiv zu nutzen;
  • Verstärkung der Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe und zwischen den einzelnen Mitgliedern, Verringerung jenes Wettbewerbes, der auf Kosten der Gruppe und/oder der Organisation geht;
  • Verbesserung der Fähigkeit in der Gruppe, mit anderen Gruppen innerhalb und außerhalb der Organisation zusammenzuarbeiten;
  • Stärkung des Bewusstseins um das gegenseitig Aufeinander-angewiesen-Sein innerhalb der Gruppe und der Organisation.

Wie läuft´s in der Praxis?

Teamtraining ist für zusammenarbeitende OrgEt vorgesehen (siehe Abb. 4), also z. B. für Brigade-, Bataillons- und Kompaniestäbe. Schwergewicht der praktischen Durchführung ist die Ebene Kompanie, jedoch kann es im Bedarfsfall durchaus bis hinunter zur Ebene Zug reichen.

Der Zeithorizont sieht vor, dass innerhalb von drei bis fünf Jahren für jede Einheit ein Teamtraining zu absolvieren ist.

Dabei sollte Teamtraining als Vorbeugung, etwa wie die Gesundenvorsorge gesehen werden, und alle positiv für das Miteinander im Berufsalltag stimmen. Allerdings gibt es konkrete Anlässe, die durch die Begleitung einer solchen Führungsmaßnahme wesentlich besser bewältigt werden:

  • Beispielsweise die Neuaufstellung einer Kompanie - auch/besonders, wenn dies in einer neuen Garnison erfolgt;
  • wenn Kommandant und Kader sich auseinandergelebt haben oder nicht mehr miteinander können;
  • wenn sich Beschwerdefälle in einer Kompanie häufen etc.
Anforderung
Die Anforderung wird in die Jahresplanung des Fol­gejahres aufgenommen. Die nachfolgenden Zahlen sind vom Kommando Landstreitkräfte: 51 Teamtrainings wurden im Jahr 2003 durchgeführt (bei zwei Absagen in­folge Trainermangels), 82 Teamtrain­ings im Jahre 2004 (2 Absagen wegen Trainermangels) und im laufenden Jahr 91 geplante Trainings (bis Redaktionsschluss vier Absagen wegen Trainermangels).

Aufgrund des gemeldeten Bedarfes nimmt der Teamtrainer mit dem vorgesetzten Kommando Verbindung auf, um für die Auftragsklärung wesentliche Informationen einzuholen und geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

Auftragsklärung
Eine gediegen durchgeführte Auftragsklärung ist der entscheidende Schritt zu einem erfolgreichen Teamtraining. Hier gilt es, die Situation in ihrer Komplexität zu erfassen, zu untersuchen und Zusammenhänge zu identifizieren, diese genau und verständlich darzustellen und gemeinsam mit dem Auftraggeber abzugrenzen, um sie ansprech- und hinterfragbar machen zu können. Daraus werden Ziel, Erfolgskriterien und Voraussetzungen für ein erfolgreiches Teamtraining abgeleitet und vereinbart sowie Verantwortlichkeiten und Kompetenzen abgeklärt.

Die Ziele werden abgeklärt durch:

  • Darstellung der Ist-Situation (handelnde Personen, laufende Prozesse, Sichtweisen, Einstellungen, Haltungen etc.)
  • Darstellung der Soll-Situation (warum gewünscht, einzubeziehende Personen, Möglichkeit/Kompetenz der Umsetzung, erwartete positive/negative Wirkungen etc.); dann
  • zu trainierender Personenkreis(konkretes Festlegen, wer muss für den Erfolg dabeisein - sonst Absage);
  • klären der Verantwortlichkeit und der Funktion/Rolle des Teamtrainers.

Dabei nimmt der Teamtrainer eine konstruktiv-kritische Haltung zum Auftraggeber, zum Auftrag und zu der zu trainierenden Gruppe ein.

Die Konzeption stellt einen Zwi­schen­schritt dar, um

  • die Abgeschlossenheit der Phase Auftragsklärung und
  • ihre Ergebnisse zu überprüfen sowie

alternative Entwicklungen zu beurteilen und zu berücksichtigen, um die Methoden hin­sichtlich ihrer Taug­lichkeit abzuschätzen und anzupassen sowie um das Teamtraining in seiner zeitlichen und inhaltlichen Abfolge planen zu können.

Das Training
Im eigentlichen Teamtraining sind das Beziehungsgeflecht und die Wech­sel­­wirkungen in der trainierten Gruppe zu erkennen und durch geeignete Interventionen für die Gruppe sichtbar und bearbeitbar zu machen. Mit dabei auftretenden Widerständen und Hilfestellungen ist rationalisiert umzugehen. Eine Offenlegung des dahinter liegenden Wissens und Wollens ist einzufordern, um dieses nutzbar machen zu können. Erst dann ist die Entwicklung von zielrelevanten Lösungsansätzen unter Berücksichtigung der vorhandenen und entfaltbaren Ressourcen der Gruppe möglich. Die Umsetzung der aus diesem Reflexionsprozess gewonnenen Ergebnisse kann durch den Teamtrainer nur initiiert werden; zu verantworten hat die Umsetzung aber die trainierte Gruppe.

Da die trainierte Gruppe Teil einer Organisation ist, aus der sie für das Teamtraining herausgelöst wurde, ist die Wiedereingliederung in dieses Heimatsystem zu thematisieren und vorzubereiten.

Effekt
Das Training war erfolgreich, wenn eine Verbesserung der Zusammenarbeit im Team erreicht werden konnte. Dies bedeutet eine Förderung der Eigenverantwortlichkeit, in der jeder seinen konstruktiven Beitrag zu leisten hat und das Team seine Aufgaben erfüllt.

Follow up
Follow ups erzielen Nachhaltigkeit. Im Rahmen eines Follow up erfolgt die Rückschau auf die vorgenommenen Ziele und Maßnahmen sowie die Bewertung der Umsetzung/Nichtum­setzung der im Teamtraining getroffenen Vereinbarungen und Maßnahmen. Daraus kann eine weitere Begleitung der Gruppe durch den Teamtrainer als eine sinnvolle Maßnahme resultieren.

Für Teamtraining und Follow up gilt, dass sich der Teamtrainer in den Prozessen situationsangepasst einbringt und zurücknimmt.

Erlassmäßig ist ein Teamtraining mit Follow up alle fünf Jahre vorgesehen, ideal wäre ein Ein-Jahres- oder Zwei-Jahres-Rhythmus.

Hier ist noch Aufholbedarf gegenüber der Privatwirtschaft gegeben: Dort gilt es als Renomee, solche Trainings zu absolvieren und dort ist auch der Sinn außer Zweifel gestellt. Im Österreichi-schen Bundesheer gilt das ebenso für Verbände, die Teamtrainings bereits erfolgreich durchgeführt haben, alle anderen sehen das leider (noch?) nicht so.

Zusammenfassung

Menschenführung ist nicht nur die Fähigkeit einer Person, sondern Merkmal von Beziehungen zwischen Personen, die in einem definierten Ab­hän­gigkeitsverhältnis zueinander stehen, und deren Bezug zu den Zielen.

Führung ist somit keine rein absolute Größe, sondern sie gibt in der Kooperation von Menschen die Beein­fluss­ungsmöglichkeiten und so die damit verknüpften Widerstände und Zustimmungen wider.

Das Teamtraining ist somit eine Möglichkeit, die die Zusammenarbeit innerhalb einer Gruppe rationalisiert, und bietet die Gelegenheit, über eine Art Führungsverfahren mit Schwergewicht auf den Momenten des sozialen Bereichs einerseits zu beurteilen und sinnvolle Möglichkeiten zu entwickeln und andererseits deren Umsetzung einzuleiten. Insgesamt betrachtet, stellt sich Teamtraining als Hilfe/Anleitung zur Selbsthilfe dar.


Autoren: Major DI Dr. Johannes Heidler, Jhg. 1963, Studium der Bodenkultur - Land­schaftsplanung. Artillerieoffizier im Kommando der 1. Jägerbrigade, Teamtrainer/Führ­ungsverhalten; Kommunikationsbe­ra­ter mit Schwergewicht Strategieplanung und vorausschauende Kommunikation.

Major Thomas Mittermayer, Jhg. 1962, Hauptlehroffizier für Führungsverhalten und Trainerfortbildung am Institut für Offiziersweiterbildung der Theresianischen Militärakademie, Lehrtrainer/Führungsverhalten.

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