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Im Mittelpunkt steht der Mensch: Truppenpsychologie im Katastropheneinsatz

Beim Assistenzeinsatz im Tiroler Oberland 2005 (siehe auch "Aus der Truppe", Seite 536) nutzte der Einsatzleiter, der Bezirkshauptmann von Landeck, auch die Kompetenz des Militärpsychologen.

Es lag eine Großschadenslage vor und deshalb waren - aufgrund der großflächigen Betroffenheit der Bevölkerung - unterschiedliche psychologische Fragen zu bearbeiten. Dem Psychologen (Verfasser dieses Beitrages) - mit Sitz und Stimme im Krisenstab - oblag die Koordination der psychosozialen Aufgaben. Er betreute die Einsatzkräfte sowie die betroffene Bevölkerung und nahm auch die Koordination der psychosozialen Aufgaben für den gesamten Schadensraum, den Bezirk Landeck, wahr.

Akutphase

In der Akutphase ging es vorwiegend um die Einteilung der Kriseninterventionskräfte. Anforderungen waren zu sichten und der Einsatz der Kriseninterventions-Teams zu beurteilen und zu koordinieren. Koordiniert wurde die Bedarfsdeckung in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Roten Kreuz, dem Notfallpsychologischen Dienst Österreich, dem Arbeiter-Samariter-Bund und anderen Hilfsorganisationen. Die "Stabszelle" Psychosozialer Dienst bewährte sich dabei gut.

Reaktionsphase

Nach dem (Überlebens)Kampf gegen die Naturgewalten kam es darauf an, das Weiterleben der betroffenen Bevölkerung zu strukturieren und zu organisieren. Die "Aufklärung" zeigte: Es fehlten vor allem Informationen über die mögliche Inanspruchnahme der in den Medien angekündigten Hilfsaktionen. Gleichzeitig traten Gerüchte auf. Der Truppenpsychologe hatte die Psycho-Lage eingehend zu beurteilen und dem Leiter des Einsatzstabes in den Einsatzbesprechungen Vorschläge zur Stabilisierung der Lage zu machen.

Konkret wurden dazu Großveranstaltungen (so genannte Großgruppeninformationen) vorgeschlagen. Nach Anordnung derselben ging es um deren Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. Die Veranstaltungen fanden in Ischgl, St. Anton, Kappl und Pfunds statt. Informiert wurde über - die Aufgaben der Einsatzleitung bzw. der Behörden und - warum bestimmte Entscheidungen in bestimmten Situationen erfolgten.

Im finanziellen Bereich kam es darauf an, umfassende Informationen über Schadensabdeckung und Geldaushilfen anzubieten. Dies übernahmen u. a. Mitarbeiter des Finanzamtes, des Landeskatastrophenfonds, von Banken und von Versicherungen. Im Vorfeld wurden diese instruiert, Rahmenbedingungen zur Deeskalation der emotionalen Lage der Betroffenen zu schaffen. Sie sollten darstellen, wie die Betroffenen möglichst rasch und unbürokratisch zu Soforthilfen kommen oder welche Formalitäten notwendig sind, um Geldaushilfen zu erhalten.

Im Bereich Infrastruktur erfolgten z. B. Informationen zur Wiedererrichtung von Gebäuden und zur Trockenlegung von Räumen. Gerade in den von der Umwelt abgeschnittenen Tälern hatten diese Themen hohe Bedeutung.

Im psychosozialen Bereich stellte der Militärpsychologe mögliche Reaktionen von Menschen nach erlebten traumatischen Ereignissen dar und bot Hilfe zur Bewältigung von Stressreaktionen an.

Diese Art, die Bevölkerung in einer Krise zu informieren, ist neu. Um derartige Veranstaltungen planen und durchführen zu können, muss der Truppenpsychologe sein Fachwissen in einen unmittelbaren Zusammenhang mit taktischem und logistischem Wissen bringen. Großgruppeninformationen zu planen und durchzuführen bedarf - einer intensiven "Aufklärung", - der Fähigkeit, "Krisenszenarien" - das Erleben und das Verhalten von Menschen betreffend - zu entwickeln sowie - eines "umfassenden Planes der Durchführung" zur Umsetzung.

Besonders wichtig ist die detaillierte Einweisung der "Akteure" vor der Veranstaltung, haben es diese doch mit hoch emotionalisierten Menschen zu tun. Offiziersausbildung, Truppenführung und psychologisches Wissen befähigen den Truppenpsychologen, diese Aufgabe wahrzunehmen.

Stabilisierungsphase

Danach kommt es darauf an, vorhandene und geschaffene Ressourcen zu nutzen. Gleichzeitig soll für eine ausgeglichene, stabile Psycho-Lage durch Unterstützung der Entscheidungsträger gesorgt werden. Wesentlich ist auch die psychologische Nachsorge für die Einsatzkräfte. Critical-Incident-Stress-Maßnahmen werden angeboten bzw. angeordnet.

Nachdem die Masse der Schäden behoben waren und die Bevölkerung - mit Einschränkungen - zum Alltag zurückgekehrt war, ging es auch darum, Lehrkräfte, Pädagoginnen und Pädagogen auf den Umgang mit Kindern nach den traumatischen Ereignissen vorzubereiten. Dazu erfolgte u. a. eine Informationsveranstaltung im Paznauntal (80 Teilnehmer) mit Workshops, bei der es vor allem um die Umsetzung und um Betreuungsmaßnahmen für die betroffenen Kinder ging.

Resümee

In diesem Einsatz wurde das breite Aufgabenspektrum der Truppenpsychologie gezeigt - und angewendet. Der Truppenpsychologe benötigt eine umfassende Ausbildung sowie Kenntnisse im Bearbeiten von Katastrophenlagen und Erfahrung mit der Arbeit in Krisenstäben. Die Rückmeldungen der Einsatzleitung, der Bevölkerung und der anderen Einsatzorganisationen zeigen: Die Lage wurde richtig beurteilt und die richtigen Maßnahmen erfolgten zur richtigen Zeit.

Autor: Mag. Bernhard Penz

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