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Die medizinische Versorgung des Marineeinsatzverbandes UNIFIL

Mit 11. August 2006 verabschiedete die UNO die Resolution 1701, welche die sofortige Einstellung der Kämpfe zwischen Israel und dem Libanon vorsah. Auf Basis dieser Resolution wurde die Truppenstärke der UNIFIL-Mission im Libanon auf bis zu 15 000 Soldaten erhöht. Auch eine maritime Sicherungskomponente für die libanesische Küste war damit beschlossen. Der erste seegestützte Friedenseinsatz in der Geschichte der Vereinten Nationen begann.

Politische und militärische Rahmenbedingungen

Bei der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) handelt es sich um einen der ältesten friedenserhaltenden Einsätze der UNO. UNIFIL wurde vom UN-Sicherheitsrat im Jahre 1978 mit der Resolution 425 eingerichtet, womit man auf einen israelischen Einmarsch im Südlibanon im März des gleichen Jahres reagierte. Bereits damals verlangte der Sicherheitsrat die unbedingte Respektierung der territorialen Integrität, Souveränität und politischen Unabhängigkeit des Libanon innerhalb seiner völkerrechtlich anerkannten Grenzen.

Die Beobachtertruppe wurde im südlichen Libanon mit dem Ziel stationiert, den Abzug der israelischen Truppen zu überwachen, den Frieden und die Sicherheit in der Region wiederherzustellen und die Regierung des Libanon bei der Wiederherstellung ihrer staatlichen Autorität zu unterstützen. Trotz des Rückzugs der Israelis und der Stationierung von UNIFIL beruhigte sich die Lage vor Ort nicht, vielmehr blieb die Region auch in den folgenden Jahren ein großer Krisenherd. Verletzungen der Waffenruhe, Feuergefechte, israelische Vorstöße, teilweise Rückzüge, die Stationierung verschiedenster Milizen und religiöser Gruppierungen wechselten mit Phasen relativer Ruhe.

Auf Bitten der libanesischen Regierung wurde das Mandat regelmäßig erneuert; der Sicherheitsrat stufte die UNIFIL-Präsenz als hilfreich für die Stabilisierung des Gebietes ein. In den letzten sechs Jahren, bis zum Sommer 2006, als Kampfhandlungen ausbrachen, kam es trotzdem zu einer gewissen Stabilisierung im Mandatsgebiet. Die früher im Südlibanon agierenden Palästinensergruppierungen wurden allmählich durch die vom Iran unterstützte schiitische Hisbollah-Bewegung abgelöst, die mittlerweile im politischen, sozialen und kulturellen Leben des Libanon eine bedeutende Rolle spielt. Es folgte die Eskalation der Kämpfe zwischen der Hisbollah und Israel ab dem 12. Juli 2006 auf dem Territorium des Südlibanons, das im Wesentlichen identisch mit dem UNIFIL-Mandatsgebiet ist.

Nach intensiven Verhandlungen verabschiedete der UN-Sicherheitsrat am 11. August 2006 die Resolution 1701, welche die sofortige und vollständige Einstellung der Kämpfe zwischen den Parteien vorsah. Außerdem wurde mit dieser Resolution neben einer Erhöhung der Truppenstärke der UNIFIL-Mission im Libanon auf bis zu 15 000 Soldaten sowie den erweiterten Kompetenzen für die Truppe auch eine maritime Sicherungskomponente für die libanesische Küste beschlossen. Damit begann erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen ein seegestützter Friedenseinsatz.

UNIFIL Maritime Task Force (MTF)

Das Einsatzgebiet von UNIFIL umfasst zu Lande das Gebiet südlich des Litani-Flusses, westlich der Grenze zu Syrien und nördlich der so genannten "Blue Line", der Grenze zu Israel. Für die Marinekomponente von UNIFIL wurde ein Seegebiet vor der libanesischen Küste, bestehend aus den libanesischen Küstengewässern sowie einem Seeraum bis etwa 50 Seemeilen westlich der Küste festgelegt, die so genannte Area of Maritime Operations (AMO). In dieser Zone patrouillieren die Einheiten der Task Force.

Ziel der maritimen UN-Operation ist es, als verlängerter seegestützter Arm des UNIFIL-Landeinsatzes die Implementierung der Resolution durch eine maritime Überwachungsoperation zu unterstützen. Insbesondere soll die Einfuhr illegaler Waffen und militärischen Geräts in den Libanon verhindert werden.

Außerdem hat die UNIFIL MTF die Aufgabe, der libanesischen Regierung durch die Kontrolle des Seeverkehrs vor der libanesischen Küste zu helfen, ihre Aufgaben in den Hoheitsgewässern auszuüben. Eine wichtige Aufgabe ist die Hilfe bei der militärischen Ausbildung für die libanesische Marine, z. B. durch die Überlassung von Seefahrzeugen, Schulung von libanesischen Marineangehörigen und Durchführung gemeinsamer Übungen. Die Resolution schließt die Anwendung von militärischer Gewalt im Rahmen von genau definierten Grenzen nicht aus, das Mandat ist somit robust, jedoch nicht offensiv ausgestaltet.

Die Deutsche Marine bei der UNIFIL MTF

Bereits seit dem 18. August 2006 beteiligten sich deutsche Kräfte aktiv an der durch die Vereinten Nationen koordinierten Hilfsaktion zur Abwendung einer humanitären Krise im Libanon. Nach Ersuchen der libanesischen Regierung und der Vereinten Nationen sowie nach dem Beschluss der Bundesregierung und der Zustimmung des Bundestages am 20. September 2006 wurde die Deutsche Marine mit der Führung der maritimen UNIFIL-Operation sowie der Bereitstellung zahlreicher Einheiten beauftragt. Am Tag nach dem Bundestagsbeschluss verließ der aus neun Einheiten bestehende deutsche Marineeinsatzverband UNIFIL Wilhelmshaven. Etwa zehn Tage später erreichte er das östliche Mittelmeer und wurde am 8. Oktober den Vereinten Nationen unterstellt.

Am 15. Oktober 2006 übertrug der Kommandeur UNIFIL dem deutschen Flottillenadmiral Andreas Krause im Hafen von Beirut offiziell das Kommando über den ersten multinationalen Marineeinsatzverband der UN. An der Gesamtoperation beteiligen sich seither 20 Schiffe und Boote aus acht Nationen mit bis zu 2 000 Mann Besatzung und dem entsprechenden Personal in Landstäben.

Zu dem deutschen Marineeinsatzverband UNIFIL gehören mehrere Fregatten, Versorgungsschiffe, Schnellboote und Minenjagdboote, die in einem etwa sechsmonatigen Zyklus vor Ort der UN unterstellt werden. Zeitweise sind dem Einsatzverband auch Einsatzgruppenversorger (EGV) mit aktiviertem Marineeinsatzrettungszentrum (MERZ) zugeordnet. Eine rückwärtige Versorgungsbasis zur personellen, materiellen, sanitätsdienstlichen und logistischen Abstützung wurde auf Zypern eingerichtet.

Sanitätsdienstliches Konzept der UNIFIL

Die derzeit rund 12 000 im Landeinsatz UNIFIL befindlichen Soldaten aus zahlreichen Staaten werden allgemeinmedizinisch und truppenärztlich von ihren truppeneigenen Sanitätsdiensten versorgt. Im Hauptquartier der UNIFIL steht zudem ein indisches Field Hospital (Role 2) mit einer Chirurgengruppe bereit. Für weitergehende chirurgische und zusätzliche intensivmedizinische Zwecke hat Belgien eine Role 2-Einrichtung im Südlibanon zur Verfügung gestellt. Für Schwerverletzte nutzt die UNO auch verschiedene zivile Krankenhäuser im Libanon und bedarfsweise auch in Israel. Hiezu ist ein Reimbursement-Verfahren (Kostenersatz, Ersatzleistung) etabliert.

Das sanitätsdienstliche Konzept zur Versorgung der beteiligten Einheiten des Marineeinsatzverbandes UNIFIL sieht grundsätzlich eine nationale Zuständigkeit vor. Die fachdienstliche Führung der eingesetzten sanitätsdienstlichen Kräfte des deutschen Anteils der UNIFIL obliegt dem Senior Medical Officer (SMO) bzw. Leitenden Sanitätsoffizier im Einsatzgebiet (LSO i. E.). Zusätzlich koordiniert er die Notfallversorgung für den Gesamtverband und die sanitätsdienstliche Folgeversorgung/Verwundetentransport gegebenenfalls auch unter Nutzung des Host Nation Support (HNS) und der UN-Behandlungseinrichtungen. Er steht mit dem im Hauptquartier der UNIFIL im südlibanesischen Naqoura stationierten Force Medical Officer (FMO) in engem Kontakt.

Die sanitätsdienstliche Versorgung der in See stechenden Einheiten in der Role 1 wird auch bei den Partnernationen durch den jeweiligen Bordsanitätsdienst sichergestellt. Dafür gibt es an Bord der Schiffe die orgplanmäßigen Schiffsarztgruppen, während auf den Booten mit der Einschiffung von Rettungsassistenten eine zusätzliche notfallmedizinische Kapazität vorhanden ist.

An Bord eines meist in Limassol/Zypern liegenden Tenders (Marine Versorgungsschiff) befindet sich ein Geschwaderarzt, der die regelmäßig in den Hafen zurückkehrenden Bootsbesatzungen und auch das Verbindungskommando Limassol sanitätsdienstlich betreut. Im Hafengebiet von Limassol ist gemeinsam mit skandinavischen Marinekräften eine Versorgungsbasis eingerichtet, in der auch sanitätsdienstlich zusammengearbeitet wird. Die gesamte Role 3-Versorgung der deutschen und internationalen see- und landgestützten Kräfte wird über den Host Nation Support in Zypern durchgeführt. Das zypriotische Gesundheitssystem ist ausgesprochen leistungsfähig, zahlreiche gut ausgebildete Ärzte und Kliniken mit hohem Standard stehen zur Verfügung. Erkrankte Besatzungsangehörige können somit auch bei niedergelassenen zypriotischen Fachärzten oder in speziellen Krankenhauseinrichtungen konsiliarisch vorgestellt werden. Das in nationaler Verantwortung stehende STRATAIRMEDEVAC-Verfahren wird erfolgreich über zypriotische Flughäfen betrieben. Von September 2006 bis August 2007 wurden 58 Marinesoldaten aus medizinischen Gründen nach Deutschland repatriiert.

Die Rettungskette am Beispiel der Deutschen Bundeswehr

Die sanitätsdienstliche Versorgung verwundeter, unfallverletzter und erkrankter Soldaten bedingt eine Behandlungskette, die den qualifizierten Verwundetentransport mit einbezieht. Ziel ist, die Gesundheit des Erkrankten oder Verwundeten wiederherzustellen. Die Fähigkeit zur sanitätsdienstlichen Versorgung wird nach Maßgabe der in der Military Committee (MC) 326/2 sowie der Allied Joint Publication (AJP) 4.10 definierten Behandlungsebenen eins bis vier (NATO Role 1 bis 4) unterteilt.

Role 1 - Allgemein- und notfallmedizinische Erstversorgung - Rettungsstation - Luftlanderettungsstation - Schiffslazarettverbandplatz Schwerpunkte der ersten Behandlungsstufe sind Sichtung, Schockbekämpfung, Blutstillung, Freihalten der Atemwege sowie gegebenenfalls Schmerzbekämpfung und Beatmung.

Role 2 - Erste notfallchirurgische Versorgung - Rettungszentrum leicht - Luftlanderettungszentrum leicht - Dringliche chirurgische und internistische Versorgung - Rettungszentrum - Luftlanderettungszentrum - Marineeinsatzrettungszentrum (MERZ) Erste notfallchirurgische Versorgungen werden gewährleistet. Darüber hinaus wird die Transportfähigkeit für eine Verlegung in ein Einsatzlazarett hergestellt.

Role 3 - Klinische Akutversorgung im Einsatz Im Einsatzlazarett erfolgt die dritte Behandlungsstufe. Patienten werden - wie in einem Krankenhaus - ambulant und stationär fachärztlich versorgt. Allgemeinchirurgische, traumatologische und notfallmedizinische Maßnahmen in nahezu allen Fachbereichen können bis zur abschließenden Behandlung gewährleistet werden.

Role 4 - Abschließende klinische Versorgung und Rehabilitation In erster Linie stehen zur vierten Behandlungsstufe Bundeswehrkrankenhäuser zur Verfügung. Es werden auch zivile Krankenhäuser genutzt und Rehabilitationseinrichtungen beansprucht. Nach Rückführung des Patienten aus einem Einsatzgebiet erfolgen in diesen Einrichtungen alle notwendigen weiteren medizinischen Behandlungen und Therapien.

Strategic Air Medical Evacuation Der Verwundetentransport vom Lazarett im Einsatzgebiet zu Einrichtungen der Role 4 im Inland verbündeter Streitkräfte (Host Nation) oder nach Deutschland erfolgt in der Regel mit speziellen Luftfahrzeugen der Bundeswehr (Strategic Air Medical Evacuation - STRATAIRMEDEVAC).

Das Marineeinsatzrettungszentrum (MERZ)

(Lesen Sie auch "Die Deutsche Marine (III)" im TRUPPENDIENST-Heft 4/2006).

Während der Stehzeit des Einsatzgruppenversorgers "Frankfurt am Main" im UNIFIL-Verband von September 2006 bis Februar 2007 wurde das an Bord befindliche Marineeinsatzrettungszentrum (MERZ) als sanitätsdienstliche Role 2-Einrichtung einsatzunmittelbar seegestützt betrieben. Damit konnte eine medizinische Versorgung aller Kontingentsangehörigen gewährleistet werden, die im Einklang mit der Maxime der sanitätsdienstlichen Auftragserfüllung der Bundeswehr steht, d. h. dem Ergebnis nach der Versorgungsqualität in Deutschland entspricht.

Das MERZ wurde personell in der so genannten Einsatzkonfiguration 2 (Basisleistung) von insgesamt vier möglichen Konfigurationen besetzt. Hierunter wird die Fähigkeit zur Versorgung einzelner Verletzter verstanden, verbunden mit der Fähigkeit zur chirurgischen Versorgung bei Anfall mehrerer Verletzter, die nach Abschluss der Sichtung nacheinander versorgt werden müssen. Die befohlene Einsatzkonfiguration ergibt sich aus der im Einsatzgebiet vorherrschenden Bedrohungslage und den Raum- und Zeitfaktoren in der AMO.

Bei solchen Entscheidungen wird auch die übergeordnete Personallage des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Hinsicht auf die zahlreichen Einsatzverpflichtungen berücksichtigt.

Das MERZ als zentraler Anteil der Rettungskette im UNIFIL-Verband entfaltet seine Fähigkeiten im technisch-organisatorischen Verbund - mit dem EGV, - mit den sanitätsdienstlichen Kräften und Mitteln der Role 1 des UNIFIL-Verbandes, - mit den dem Verband zugeordneten Transport- bzw. Rettungsmitteln (insbesondere den auf dem EGV stationierten Hubschraubern Westland "Sea King" Mk.41) und - mit den rückwärtigen Einrichtungen und Kräften der sanitätsdienstlichen Unterstützung der Host Nation Zypern.

Das MERZ ist prinzipiell auf die Zubringung und den Abtransport der Verwundeten angewiesen. Infolge der besonderen Einsatzbedingungen ist jedoch lageabhängig auch vorgesehen, MERZ-Personal als "mobile Notarztteams" zu einem Schadensort im Einsatzgebiet zu verlegen bzw. als Transportbegleitung zu nutzen. Besonderes Kennzeichen des MERZ ist es, aufgrund des besonderen Verbundes mit dem EGV und der speziellen materiellen und infrastrukturellen Konfiguration durch einen im Vergleich zu anderen Einsätzen äußerst geringen Personal- und Administrationsaufwand ein hohes Maß an fachlicher Qualität sicherzustellen.

Gemeinsam wird der klinische Betrieb im MERZ organisiert. Beispielsweise stehen je ein Facharzt für Chirurgie und Anästhesie, ein Apotheker, Rettungsassistenten, Intensivpfleger, ein ausgebildeter Instrumenteur sowie Röntgen-, Labor- und Sterilgutassistenten zur Verfügung. Der Versorgungsumfang des MERZ im Einsatz UNIFIL erstreckt sich grundsätzlich auf die deutschen Einheiten, die in Landkommandos auf Zypern und im Libanon stationierten Soldaten und auf ausländische Kontingentangehörige, für die eine notfallmedizinische und notfallchirurgische Versorgung in der AMO sichergestellt wird.

Das MERZ steht somit unter nationalem Vorbehalt, was jedoch im täglichen Miteinander problemlos funktioniert. Während der Stehzeit der Einsatzgruppenversorger wurden zahlreiche in- und ausländische Soldaten in der Bettenstation des MERZ medizinisch behandelt oder im Operationsbereich chirurgisch versorgt. Neben bauchchirurgischen Operationen konnten auch osteosynthetische (nach Eingriff mit Schrauben, Nägeln oder Platten versorgte Frakturen) Eingriffe durchgeführt werden.

Ende Februar 2007 wurde die "Frankfurt am Main" aus dem Einsatzgebiet herausgelöst, das Schwesterschiff - der Einsatzgruppenversorger "Berlin" (Lesen Sie mehr im TRUPPENDIENST-Heft 3/2006, Seite 202 ff.) - konnte werftbedingt mit seinem MERZ erst Ende Juli 2007 vor die libanesische Küste verlegen. In der Zeit der Abwesenheit eines EGV mit MERZ wird eine notfallchirurgische Erstversorgung durch eine an Bord einer Fregatte eingeschiffte Facharztgruppe einschließlich Zahnarzt mit Bordzahnstation gewährleistet. Im gleichen Zeitraum stehen im zypriotischen Fliegerstützpunkt "Paphos" die beiden sonst an Bord des EGV stationierten Hubschrauber "Sea King" Mk.41 mit einem Marineflieger-Detachment einschließlich Fliegerarzt und Rettungsassistenten zur Verfügung.

Rettungsmittel und Verletztentransport

Für verbandsinterne Transport- und Rettungsmittel werden überwiegend diese beiden Helikopter genutzt. Mit ihnen können Patienten sitzend, liegend bzw. in Arztbegleitung vom bzw. zum EGV oder in medizinische Einrichtungen an Land verbracht werden. Die "Sea King"-Helikopter sind aufgrund ihrer Größe und Reichweite das ideale Transport- und Rettungsmittel für Rettungseinsätze über See sowie für SAR-Einsätze mit einem Verletztenanfall von mehreren Personen. Die Reichweite der Hubschrauber "Sea King" Mk.41 reicht für das gesamte Einsatzgebiet aus und auch, um die Rettungskette für die im Libanon eingesetzten deutschen Soldaten ohne Zwischenlandung, z. B. von Zypern aus in Notarztbegleitung, zu gewährleisten.

Die Zeitdauer für den Transport eines Notarztteams zum Schadensort, die Transportstabilisierung und die anschließende Verbringung eines Patienten vom Schadensort zum EGV/MERZ in der AMO kann lageabhängig mehrere Stunden dauern. Zusätzlich stehen an Bord der deutschen Fregatte Klasse 122 Hubschrauber des Typs "Sea Lynx" Mk.88A sowie auf den anderen ausländischen Einheiten weitere Helikopter zur Verbringung von Sanitätspersonal bzw. zum provisorischen Transport eines liegenden Verletzten zur Verfügung.

Rettungseinsatz des EGV "Frankfurt am Main"

Der Einsatzgruppenversorger "Frankfurt am Main" (Lesen Sie mehr im TRUPPENDIENST-Heft 3/2006, Seite 202 ff.) befand sich am 23. Oktober 2006 im UNIFIL-Einsatz im Seegebiet zwischen Zypern und Libanon. Gegen 0525 Uhr hörte der Brückenwachoffizier über Funk eine Notfallmeldung "Feuer im Schiff", gesendet von Cyprus Radio. Die Notfallmeldung betraf den syrischen Frachter MS "Silina", welcher sich auf dem Transit von Tartus (Syrien) nach Limassol (Zypern) befand. Cyprus Radio bat alle umliegenden Schiffe um sofortige Hilfeleistung. Da der EGV "Frankfurt am Main" mit seinen zwei SAR-Hubschraubern sich nur etwa 40 Seemeilen von der Unglücksstelle befand, wurde entschieden, einen "Sea King" zur sofortigen Hilfeleistung an die Unglücksstelle zu schicken.

Zugleich nahm auch der EGV mit Höchstgeschwindigkeit Kurs auf die angegebene Position. 22 Minuten nach Alarmierung startete der Bordhubschrauber von der "Frankfurt am Main" und erreichte um 0630 Uhr die Unglückstelle. Die Helikopter-Besatzung stellte fest, dass das gesamte Achterschiff der "Silina" einschließlich Deckhaus in Flammen stand. Zudem waren sämtliche Rettungsmittel des Frachtschiffes in Brand geraten, sodass es der Besatzung nicht mehr möglich war, das Schiff zu verlassen. Der Luftoperationsoffizier des Bordhubschraubers wurde auf das Schiff abgeseilt und er sammelte dort die Besatzungsangehörigen zur Bergung. Die gesamte Crew, einschließlich zwei Maschinisten mit schweren Verbrennungen wurden geborgen. Andere in der Nähe stehende Schiffe konnten infolge der Rauchentwicklung des Großbrandes nicht an die MS "Silina" heranfahren und sich daher nicht an der Rettungsaktion beteiligen.

Auf dem EGV "Franfurt am Main" waren inzwischen Vorbereitungen für die Aufnahme von zwölf Seeleuten getroffen worden. Insbesondere das MERZ mit seinen intensivmedizinischen Kapazitäten wurde in Bereitschaft versetzt. Um 0651 Uhr landete der Hubschrauber wieder an Deck des EGV "Frankfurt am Main". Die geborgenen und schwer traumatisierten Seeleute wurden zunächst zu weiteren Untersuchungen in das MERZ verbracht und danach durch die Besatzung betreut. Die beiden Verletzten wiesen Verbrennungen von bis zu 30 Prozent der Körperoberfläche auf und mussten auf der Intensivstation des Einsatzgruppenversorgers notfallmedizinisch behandelt werden.

Gegen ca. 0746 Uhr passierte der EGV "Frankfurt am Main" die durch die Rauch- und Flammenentwicklung an Bord des Havaristen weithin sichtbare Unglücksstelle. Das komplette Achterschiff einschließlich des Deckhauses war vollkommen ausgebrannt. Weitere Hilfeleistungen für die MS "Silina" wurden von ihrem Ersten Offizier, nach Rücksprache mit der Reederei, abgelehnt. Nach Passieren der Unglücksstelle nahm der EGV auf Befehl der Verbandsführung Kurs auf Limassol.

Die beiden brandverletzten Besatzungsangehörigen wurden nach Stabilisierung ihres Zustandes, Schmerzbekämpfung, Infusionstherapie und erster Wundversorgung gegen 1025 Uhr durch einen der Bordhubschrauber unter Überwachung durch Notarzt und Intensivpfleger nach Limassol geflogen und dort dem "General Hospitals" zur weiteren stationären Pflege übergeben. Die zehn an Bord verbliebenen Besatzungsmitglieder der MS "Silina" wurden nach Einlaufen der "Frankfurt am Main" in Limassol gegen 1500 Uhr, den zypriotischen Behörden übergeben.

Fazit

Mit ihrer Beteiligung an UNIFIL leistet die Deutsche Marine zusammen mit den Verbündeten aus sieben Nationen einen wichtigen Beitrag zum Friedens- und Stabilitätsaufbau im krisengeschüttelten Nahen Osten. Im Zuge der lückenlosen Absicherung des Einsatzgebietes durch den internationalen Marineverband wurden über eine Zeitspanne von zehn Monaten u. a. mehr als 8 200 Schiffskontakte registriert, überprüft und ausgewertet. Weiters wurden intensive und freundschaftliche Beziehungen zur libanesischen Marine aufgebaut.

Der Einsatz der UNIFIL MTF hat somit zu einer dauerhaften Stabilisierung der Region beigetragen. Auf sanitätsdienstlichem Gebiet kam es zu einer intensiven Zusammenarbeit zwischen den beteiligten sanitätsdienstlichen Kräften des UN-Verbandes. Insbesondere während der Stehzeiten der Einsatzgruppenversorger mit MERZ konnten zahlreiche in- und ausländische Patienten stationär behandelt bzw. erfolgreich operiert werden. Zudem wurden mehrere schiffbrüchige Handelsschiffsbesatzungen medizinisch versorgt.

In eindrucksvoller Weise zeigte sich erneut die konstruktive und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Marine und Zentralem Sanitätsdienst der Bundeswehr; Stichwort "Streitkräfte gemeinsame Operationen". Für den Einsatz an Bord eines Einsatzgruppenversorgers mit aktiviertem Marineeinsatzrettungszentrum kann aus fachlicher Sicht auch österreichisches Sanitätspersonal eingeplant werden.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Flottenarzt Dr. med. Volker Hartmann (Deutschland), Jahrgang 1960. Leiter des Sanitätsdienstes der Einsatzflottille 2 der deutschen Marine, Facharzt für Arbeitsmedizin. Seit 1984 Marinesanitätsoffizier, fünfjährige Verwendung als Schiffsarzt auf Schnellbooten und auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock", mehrjährige klinische Tätigkeit in einem Bundeswehrkrankenhaus, Einsatz im Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine in Kiel, im Stab des Admiralarztes der Marine und im Bundesministerium der Verteidigung in Bonn. Seit 2002 Leiter des Sanitätsdienstes der Zerstörerflottille (jetzt Einsatzflottille 2). Teilnahme an der "OPERATION ENDURING FREEDOM" am Horn von Afrika und als Leiter des Marineeinsatzrettungszentrums an Bord der "Berlin" im Einsatz Humanitäre Hilfe Südostasien vor Banda Aceh/Indonesien und bei der Evakuierungsoperation vor der Elfenbeinküste. 2006 bis 2007 SMO UNIFIL-Verband und Leiter MERZ auf EGV "Frankfurt am Main". Bisher 70 wissenschaftliche Publikationen (Themenbereiche: Schifffahrtmedizin, Geschichte der Maritimen Medizin, Marinesanitätsdienst, Sanitätsdienst der Deutschen Kriegsmarine). 1995 Paul-Schürmann-Preis der Deutschen Gesellschaft für Wehrpharmazie und Wehrmedizin.

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