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LOT und LMT

Am Balkan werden seit drei Jahren Konzepte über die Liaison Observation Teams in Bosnien (LOTs) und die Liaison Monitoring Teams im Kosovo (LMTs) umgesetzt, welche früher oder später den Abzug der dann überflüssig gewordenen Kampftruppen ermöglichen sollen.

Seit Dezember 2004 gibt es in ganz Bosnien und Herzegowina LOTs von mehr als einem Dutzend Truppenstellern. Die österreichischen Teams verrichten ihren Dienst im Rahmen der Composite Coy (CompCoy) der Multinational Task Force North (MNTF N).

Die Menschen im Kosovo werden seit April 2005 von den LMTs betreut. Hier sind die österreichischen Teile in der LMT-Coy der Multinational Task Force South (MNTF S) im Einsatz.

Folgende Frage drängt sich daher auf: "Spricht man diesbezüglich von zwei gleichen, zwei vergleichbaren oder von zwei unterschiedlichen Konzepten?"

Verschiedene Missionen, andere Sprachregelungen

Innerhalb der jeweiligen Missionen gibt es verschiedene Auslegungen der einzelnen MNTFs. Wird von den Konzepten LOT/LMT in Bezug auf EUFOR (European Force) bzw. KFOR (Kosovo Force) gesprochen, so beziehen sich diese Erfahrungswerte nicht auf den gesamten Einsatzraum, sondern auf den jeweiligen österreichischen Verantwortungsbereich der Missionen. Bei EUFOR ist der Fokus auf die Area of Responsibility (AOR) der MNTF N und bei KFOR auf jene der AOR der MNTF S gerichtet.

Die Anfänge von LOT

LOT ist ein Konzept, mit dem die Soldaten des Österreichischen Bundesheeres erstmals in der Mission "CONCORDIA" in Mazedonien in Berührung kamen. In der Mission EUFOR "ALTHEA" im Dezember 2004 wurde das Konzept LOT unter österreichischer Führung erstmals in Form der CompCoy der MNTF N in Bosnien und Herzegowina angewandt. Die Aufgabe der Kompanie bestand im Wesentlichen darin, Verbindung zu halten und die Bevölkerung zu überwachen, um ständig die aktuelle Lage im Einsatzraum beurteilen zu können und damit einen wertvollen Beitrag zur Sicherheit der eigenen Kräfte leisten zu können.

Die ausschließlich offene Informationsgewinnung im Gegensatz zur verdeckten Aufklärung war neu. Bei LOTs wird also nicht gezielt nach Informationen "gebohrt" - im Gegenteil, es werden ausschließlich freiwillig und offen gegebene Informationen abgeschöpft. Die Teams sind nicht auf ein Thema eingeschränkt, sondern strecken ihre "Fühler" in sämtliche Richtungen aus und nehmen auf, was lokale Politiker, Polizeichefs, Führer und viele andere mehr von sich aus den LMTs berichten wollen.

Die Vernetzung der Informationen erfolgt auf Kompanieebene in der so genannten Analysezelle. Dort werden die Informationen gesammelt, sortiert, ausgewertet und in einer Datenbank abgelegt, bzw. die für die aktuelle Lage als wichtig beurteilten Beiträge werden gemeldet.

Die Mission EUFOR "ALTHEA" startete von Anfang an mit dem LOT-System und stützt sich nach wie vor zu etwa 80 bis 90 Prozent auf die Informationen dieser Trupps ab.

Die Trupps sind flächendeckend über die gesamte AOR verteilt und stützen ihren Einsatz auf so genannte Fieldhouses; sie sind damit rund um die Uhr, sieben Tage die Woche direkt in ihrem Verantwortungsgebiet tätig.

Das System wurde von Anfang an von einer entsprechend starken Kompaniestruktur getragen. Die große Akzeptanz und Arbeitsfähigkeit der LOTs war nur möglich, weil - unnötige Aufgaben hintangestellt wurden, - der LOT-Einsatz klar gegenüber den anderen Akteuren abgegrenzt wurde und - die LOTs innerhalb der Task Force optimal positioniert waren und so ein gezieltes, professionelles Arbeiten in Ruhe möglich war.

Die LOTs wurden in der Task Force North bald zu unverzichtbaren Elementen und rechtfertigten manche anfangs unverständliche Eigenheit mit wichtigen und positiven Ergebnissen.

Copy and Paste

Die LMTs der KFOR sind Kopien der EUFOR-LOTs. Während des ersten halben Jahres der LOT-Implementierung in Bosnien wurde das Konzept von KFOR-Kräften aus der Ferne beobachtet und die Brauchbarkeit für deren Einsatzraum beurteilt. Besuche der KFOR-Kommandanten bzw. derer Evaluationsteams waren keine Seltenheit. Daher verwundert es auch nicht, dass sämtliche Standard Operation Procedures (SOPs) beider Missionen, die LOT/LMT-Organisationen betreffend, zum Verwechseln ähnlich formuliert sind.

Namensgebung und Stellenwert

Warum dann die Namensgebung nicht ebenfalls identisch ist, weiß keiner. LMT steht für Liaison Monitoring Team und bedeutet - genauso wie in Bosnien - Verbindung halten mit und Überwachen der Bevölkerung. Der Grund, warum die LMTs im Kosovo nicht denselben Stellenwert wie die LOTs in Bosnien besitzen und warum die Abkürzung LMT im Einsatzraum von der Truppe selbst immer wieder als "Latte Macchiato-Team" ausgelegt wird, ist schon einfacher zu erklären.

Im Gegensatz zu EUFOR "ALTHEA" ist KFOR keine junge Mission. Die LMTs selbst aber wurden erst im April 2005 implementiert. Anders als bei EUFOR wurden anfangs nur Teams ohne Kompaniestruktur in das Kosovo entsandt. Diese Teams wurden direkt der Task Force (damals noch Brigade) unterstellt und von dieser geführt. Das führte dazu, dass die auf (höchstens) Gruppenebene agierenden Kommandanten Befehle von der Brigade erhielten und diese umzusetzen hatten.

Noch dazu wussten die verantwortlichen Kommandanten noch nicht so recht, wie das neue Konzept umzusetzen war. Aufträge gab es eher selten, und wenn, dann waren diese meist nicht LMT-tauglich. Eher hätten Aufklärungsteile die gestellten Aufgaben erfüllen können.

Das führte dazu, dass die LMTs, deren ureigenste Aufgabe es war, die Hand am Puls der Bevölkerung zu haben, schnell von der eigenen Truppe als diejenigen angesehen wurden, die "nur mit Zivilisten Kaffee trinken gehen". Das Synonym "Latte Macchiato-Team" war geboren.

Die LMT-Coy

Mit Mai 2005 wurde - spät aber doch - auf Teile der oben angeführten Versäumnisse reagiert und der neu gegründeten LMT-Coy wurde das Kommando über elf LMTs der MNB SW (Multinational Brigade Southwest) übertragen. Ab diesem Zeitpunkt lag es in den Händen des Kompaniekommandanten, die Teams zu einer Kompanie zusammenzufassen und gleichzuschalten.

Nach der Transformation der MNB SW in die beiden multinationalen Task Forces West und Süd im Mai 2006 galt es für die aus vier Nationen (Österreich, Deutschland, Schweiz, Türkei) bestehende Kompanie, unzählige SOPs, FragOs (Fragmental Orders) sowie nationale Weisungen zu durchforsten und auf ihre Umsetzbarkeit in Bezug auf das eigentliche Ziel einer LMT-Coy hin zu prüfen. Abänderungen oder Aufhebungen mussten vorgenommen werden. Diese am Papier ausgefochtenen Grabenkämpfe auf Task Force-Ebene (der Kommandant LMT-Coy ist gleichzeitig auch RLMT - Regional Commander of LMT - und hat somit eine Stabsfunktion inne) kosteten viel Kraft und Zeit. Dadurch blieben immer öfter wichtige Anliegen, wie zum Beispiel - eine klare Positionierung der LMTs innerhalb der Task Force, - gezielte Absprachen mit den anderen Akteuren im Verantwortungsbereich - oder etwa die Durchsetzung der eigenen LMT-Coy-SOP auf der Strecke.

Selbes Konzept, verschiedene Sichtweisen

Auch wenn es im Kosovo die ureigenste Aufgabe der LMTs ist, durch ihre ständige Präsenz im jeweiligen Verantwortungsbereich den Truppenschutz zu erhöhen, werden eben genau diese Funktionen von den verantwortlichen Kommandanten unterschiedlich ausgelegt. Durch etliche Einschränkungen und Auflagen wurden Aufträge für die LMTs oft undurchführbar.

So kommt es auch, dass in Bosnien de facto ausschließlich aus LOT-Häusern heraus operiert wird, während es im Kosovo bis dato erst ein einziges LMT-Haus gibt. Die Eröffnung dieses Hauses konnte auch nur durch das persönliche Engagement des 13. Kontingentskommandanten gegen die vorerst zögernde Haltung des Kommandanten von KFOR erreicht werden.

So war das LMT-Haus in Orahovac die Heimstätte für eines von 31 Teams im gesamten Kosovo. Im wahrsten Sinne des Wortes konnten nur sie rund um die Uhr in der Lage leben und die tatsächliche Stimmung in der Bevölkerung registrieren.

Dass das Kosovo durch die noch nicht zu Ende geführten Statusgespräche nicht so stabil, aber ähnlich wie Bosnien zumindest relativ ruhig ist, steht außer Frage. In der Geschichte von KFOR kam es nie zu nennenswerten Übergriffen der Bevölkerung. KFOR-Soldaten waren nie die direkte Zielscheibe von Aggressionen der Bevölkerung.

Wenn schon in einer so ruhigen und relativ stabilen Lage (sämtliche zivilen Hilfsorganisationen schlafen unbewacht und unbewaffnet außerhalb von Kasernen inmitten der Bevölkerung) das Leben der Teams außerhalb des Camps mit derartigen Sicherheitsauflagen verbunden ist, wie reagiert KFOR dann erst bei einer geringen Lageverschärfung? Die einzige Möglichkeit wäre die Schließung des LMT-Hauses und die Rückkehr des Teams ins "sichere" Camp. Das wiederum wäre genau das falsche Signal gegenüber der Bevölkerung und würde nur zeigen, dass man aus den Unruhen im März 2004 nichts gelernt hat. Das gesamte Konzept LOT/LMT wäre mit einem Schlag ad absurdum geführt.

Zusammenfassung

LOTs und LMTs sollten prinzipiell nach demselben Konzept arbeiten (vgl. die gültigen SOPs), werden aber in den verschiedenen Einsatzräumen verschieden verstanden. Das LOT wurde in Bosnien von Anfang an als vitales Element vorangetrieben, von allen Beteiligten mit persönlichem Engagement mitgetragen und dadurch auch anerkannt.

Im Kosovo erfolgte genau das Gegenteil. Teams ohne "einen Draht" nach oben und ohne Rückendeckung durch eine eigene Kompaniestruktur wurden in eine bestehende Mission gedrängt, und die Botschaft, dass diese Teams die Basis für eine überfällige Truppenreduktion sein könnten, wurde auf allen Ebenen ignoriert.

Die einzige Chance, LMTs annähernd zu dem zu machen, was LOTs bereits sind, bestünde darin, die gewonnen Erfahrungen beider Einsätze zu vereinen, Fehler in Zukunft zu vermeiden und die funktionierenden Elemente auf das Kosovo - so gut es geht - zu übertragen. Natürlich wird es von Mission zu Mission immer Unterschiede in der Auslegung eines Konzeptes geben (auch Checkpoints in Bosnien und im Kosovo werden leicht unterschiedlich durchgeführt), die Grundsätze müssen jedoch gleich gelten. Ein Konzept macht schließlich nur dann Sinn, wenn es - einmal umgesetzt - auf nahezu alle Einsatzgebiete anwendbar ist und nur jeweils moderat angepasst werden muss.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Oberleutnant Mag. (FH) Alexander Gstrein, Einjährig-Freiwilligen-Ausbildung 1998, 2003 ausgemustert an der Theresianischen Militärakademie als Infanterieoffizier zum Jägerbataillon 24 als stellvertretender Kompaniekommandant, danach Kompaniekommandant in Tamsweg. 2004 bis 2006 Auslandseinsätze als Analyseoffizier der CompCoy/MNTF N in Bosnien und als Kommandant der Analysezelle der LMT-Coy/MNTF S im Kosovo.

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