Drei Antworten vom Experten zur aktuellen Lage in Syrien
Wien, 12. März 2025 - Dr. Walter Posch ist Orientalist am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie. Hier beantwortet der Experte drei Fragen zur aktuellen Situation in Syrien.
Wie stabil ist Syrien?
Übergangspräsident Ahmad al-Sharaa und seine "Befreiungsbewegung Syriens" (HTS) sind erst am Anfang der Stabilisierung des Staates. Wirtschaft, Verfassungsprozess, Verwaltung und die Sicherheitsarchitektur sind noch lange nicht konsolidiert. Die jüngsten Massaker legen grausames Zeugnis dafür ab.
Wie kam es zu den Massakern gegen die Alawiten und Christen?
Manchen Berichten zufolge wehrten sich Alawiten gegen Verhaftungen und griffen daraufhin Sicherheitskräfte an, woraufhin die Lage eskalierte. Der neue syrische Sicherheitsapparat besteht nach wie vor aus verschiedenen sunnitischen Milizen, die lose in die militärische Befehlskette eingebunden wurden.
Das Hauptproblem ist aber, dass diese Milizen ideologisch der Al-Qaida und anderen dschihadistischen Gruppen nahestehen, also traditionellen Feinden der Alawiten und Christen, die mit dem Assad-Regime (Alawiten) oder dem Westen (Christen) gleichgesetzt werden. Keinesfalls handelt es sich um landesfremde Personen, sondern um Syrer, die ihren Rachedurst stillen und die wichtigste Stütze des neuen Regimes sind.
Welche Konsequenzen haben diese Massaker?
Auf diplomatischer Ebene wurden die Massaker durchgehend verurteilt, am schärfsten von den USA, Israel und dem Iran, also jenen Staaten, die am ehesten militärisch in der Lage wären, einzugreifen. Bemerkenswert sind die Erklärungen der EU und der Arabischen Liga, die pro-Assad Elemente als die ursächlich Schuldigen nennt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist jedoch davon auszugehen, dass bald zur Tagesordnung übergegangen wird.