Terrorismus - Angriff auf den Staat?
Raiffeisenforum , 20. Juni 2016 - Die Umfassende Landesverteidigung muss vor dem Hintergrund eines sich ändernden Bedrohungsbildes neu konzipiert und gesamtstaatlich organisiert werden. Es ist nicht mehr der konventionell angreifende militärische Gegner, gegen den es sich zu verteidigen gilt. Im Vordergrund steht vielmehr die Abwehr von hybriden Angriffen auf unseren Staat, seine Bevölkerung und deren Lebensgrundlagen. Neben Cyber-Angriffen sowie der Leistung eines Solidarbeitrags im Falle eines Angriffs auf einen EU-Staat ist es vor allem der transnationale Terrorismus, der in Zukunft einen Verteidigungsfall begründen kann.
Militärische Terrorabwehr?
Aus strategischer Sicht ist klar, dass man einem militärisch organisierten Terrorismus in letzter Konsequenz nur mit militärischen Mitteln und militärischen Einsatzverfahren beikommen kann. Eine vorausschauende und verantwortungsbewusste Sicherheitspolitik muss daher auch darüber nachdenken, ob beziehungsweise wann Terrorismus über alle sicherheitspolizeilichen Antworten hinaus zu einem Fall der militärischen Landesverteidigung werden kann.
Zu dieser entscheidenden Frage der zukünftigen Aufgaben der gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge und des Österreichischen Bundesheeres hat die Direktion für Sicherheitspolitik des Verteidigungsministeriums im Raiffeisenforum Wien eine hochrangige internationale Konferenz unter dem Titel "Terrorismus - Angriff auf den Staat" veranstaltet.
Internationale Experten
Nach der Begrüßung durch Generalstabschef Othmar Commenda analysierte der Meinungsforscher Peter Hayek die aktuellen Erwartungen der österreichischen Bevölkerung an das Bundesheer.
Peter Waldmann von der Universität Augsburg, Ulrich Schneckener von der Universität Osnabrück und Herfried Münkler von der Humboldt-Universität Berlin bemühten sich in einem ersten Panel um eine moderne Theorie des internationalen Terrorismus und seiner Qualität als Teil hybrider Bedrohungsszenarien.
In einem zweiten Panel berichteten Fachleute aus den Verteidigungsministerien Belgiens und Frankreichs von operativen Erfahrungen aus den jüngsten Antiterroreinsätzen in ihren Ländern. Ergänzt wurden diese von Brigadier Philip Eder, Leiter der Abteilung für Militärstrategie, der die militärstrategische Analyse Österreichs in Bezug auf Terroranschläge skizzierte.
Otto Depenheuer von der Universität Köln, Bernd-Christian Funk von der Universität Wien und Sektionschef Gerhard Hesse, Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, analysierten in einem dritten Panel die staats- und verfassungsrechtlichen Grundlagen einer militärischen Antwort auf den immer gefährlicher werdenden internationalen Terrorismus.
Abschließend zogen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil und Brigadier Erwin Hameseder, Obmann der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien und Milizbeauftragter des Bundesheeres, Konsequenzen für die österreichische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Minister Doskozil regt einen breiten Diskurs sowie eine offene und transparente Vorgangsweise zur Klärung offener Fragen an. Eine entsprechende Diskussion sei auch im Parlament zu führen, so der Minister.
Neuer Verteidigungsdialog
Mit dieser Konferenz wollte die Direktion für Sicherheitspolitik einen initialen Beitrag zu einer systematischen Analyse von Verteidigung im 21. Jahrhundert und zu einer breiten wehrpolitischen Diskussion und Kommunikation der Erfordernisse einer zeitgemäßen österreichischen Verteidigungskonzeption leisten. Es geht darum, einen weiterführenden Dialog zwischen internationalen zivilen und militärischen Experten zu Fragen der Weiterentwicklung von Verteidigung und Verteidigungspolitik sowie zur zentralen Frage gesamtstaatlichen Resilienz anzustoßen. Und es geht darum, die dabei gewonnene Expertise in einen Prozess der Neukonzeption einer Umfassenden Landesverteidigung einfließen zu lassen.
Ein Bericht der Redaktion Direktion für Sicherheitspolitik
Fotos zu diesem Artikel

Brigadier Philipp Eder, Leiter der Abteilung für Militärstrategie, referierte zu den Einsatzkonzepten des Bundesheeres.