Strategische Reise: Der Generalstabslehrgang in Brüssel
Die Offiziere des 20. Generalstabslehrganges befinden sich derzeit am Beginn ihres dritten Ausbildungsjahres. Das Schwergewicht liegt nun, nachdem die Ausbildungsabschnitte Taktik und Operation in den ersten beiden Jahren abgeschlossen wurden, auf der militärstrategischen Führungsebene. Diese stellt die Schnittstelle der politischen und operativen Führung dar.
Institutionen vor Ort kennenlernen
Im Zuge der Beleuchtung der militärpolitischen Handlungsfelder unternahmen die Soldaten von 20. bis 23. Oktober eine Reise nach Brüssel.
Ziel der Reise war es, sowohl die Militärvertretung Brüssel als auch jene Institutionen vor Ort kennenzulernen, in denen das Bundesheer vertreten ist. Diese Institutionen sind die NATO, deren Partner Österreich seit 1995 ist, die Europäische Union und die Europäische Verteidigungsagentur.
Österreichs Vertreter in Brüssel
Durch die Militärvertretung Brüssel ist das Bundesheer in diesen Institutionen präsent. Aufgaben dieser Vertretung sind neben der Analyse relevanter Vorgänge und der Berichtslegung vor allem das Einbringen der österreichischen Position und das Halten von Kontakten.
Über die Abteilung Militärpolitik und in weiterer Folge über die Direktion für Sicherheitspolitik wird die militärstrategische Beratung des Verteidigungsministers wahrgenommen.
Der Zweck der Reise bestand darin, das Zusammenwirken jener Institutionen in Brüssel mit den nationalen militärstrategischen Abläufen zu verstehen. Aufgrund der stetig voranschreitenden Vernetzung der europäischen Streitkräfte ist es von entscheidender Bedeutung, Schnittstellenkompetenz in diesem Bereich aufzubauen und zu erhalten.
NATO-Hauptquartier
Am ersten Tag wurde das NATO-Hauptquartier besucht. 22 der 28 EU-Mitgliedstaaten sind auch NATO-Mitglieder, die anderen sind zumindest NATO-Partner. Für Österreich ist es wichtig, seine Rolle als NATO-Partner im Rahmen seiner Möglichkeiten wahrzunehmen.
Eine enge Zusammenarbeit ermöglicht es, auch inhaltlich im Sinne des Policy-Making mitzugestalten und die für Einsätze notwendige Interoperabilität sicherzustellen. Die Säulen der NATO-Partnerschaft sind Kooperation, die Förderung von Demokratie und die Bildung. So können Systeme, Staaten und Einzelpersonen im positiven Sinne beeinflusst werden. Hierbei bietet die NATO-"Partnerschaft für den Frieden" die notwendige Plattform und Werkzeuge an.
Europäische Union
Am zweiten Tag lag der Fokus auf der Europäischen Union. Der Leiter des EU-Militärstabes, Generalleutnant Wolfgang Wosolsobe, gab den Besuchern einen Gesamtüberblick über den EU-Militärstab und den Europäischen Auswärtigen Dienst. Staaten können Kompetenzen aufgeben und diese der Europäischen Union übertragen, um aus dieser ein Plus zu ziehen, wenn die EU im Sinne aller Mitgliedsstaaten ihre Instrumente anwendet.
Das Kompetenzfeld der Außen- und Sicherheitspolitik ist nach wie vor national, dies erklärt die mit 1.600 Personen relativ geringe Größe des Europäischen Auswärtigen Dienstes, von dem wiederum nur Teile mit der "Common Security and Defence Policy" betraut sind – die EU-Kommission beschäftigt im Vergleich dazu mehr als 26.000 Menschen.
Kernaufgabe des EU-Militärstabes ist es, die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik hinsichtlich möglicher ziviler und militärischer EU-Missionen und Operationen zu beraten und für diese Einsätze im Anlassfall die Planungs- und Führungskompetenz wahrzunehmen.
Europäische Verteidigungsagentur
Der letzte Tag der Reise stand im Zeichen der Europäischen Verteidigungsagentur EDA. Diese Institution, die ebenfalls der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik untersteht und auf ministerieller Ebene angesiedelt ist, hat zur Aufgabe, die EU-Mitgliedsstaaten bei gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen zu unterstützen.
Die Verteidigungsagentur identifiziert dabei vor allem militärische Fähigkeiten, die zur Erreichung der strategischen Ziele der EU in Zukunft vonnöten sein werden. Die fünf Kernfähigkeiten sind derzeit unbemannte Luftfahrzeuge, Luft-Luft-Betankung, Cyber, Satellitenkommunikation und Lufttransport.
Bei dem Besuch wurde auch auf die gegenwärtige Problematik eingegangen, dass einerseits oft nationale Rüstungsinteressen jenen der EU im Wege stehen und andererseits zwar viele gute Ideen vorhanden sind, die finanzielle "kritische Masse" jedoch fehlt.
In Summe erfüllte diese Reise die Erwartungen der Lehrgansteilnehmer und schaffte es, die bisher im Lehrsaal erlernte Theorie mit Bildern aus der realen Welt zu unterlegen. Zudem wurde die Bedeutung von EU und auch der NATO für unseren Staat eindrucksvoll unterstrichen.