Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Die Streitkräfteentwicklung des Bundesheeres der Zweiten Republik

von Friedrich Hessel

Kurzfassung

◄ Die Entwicklung eines Heeres hängt einerseits vom sicherheitspolitischen Umfeld und andererseits dem Bedrohungsgefühl der Bevölkerung ab, wobei das daraus resultierende Spannungsfeld die Streitkräfteplaner vor große Herausforderungen stellt.

Die Anfänge des Bundesheers der Zweiten Republik gehen auf mobile Gendarmerie-Einheiten zurück, die Anfang der 50er-Jahre als so genannte B-Gendarmerie aufgestellt wurden und nach Abzug der Besatzungsmächte und Erlangung der staatlichen Souveränität zum Kern des neu geschaffenen Bundesheeres wurden. Im Juli 1956 wurde aus dem Amt für Landesverteidigung ein eigenes Ministerium und mit der "Heeresgliederung 56" die konkrete Organisation in drei Gruppen mit de facto neun Brigaden festgelegt, allerdings war das Ziel mit einer Mannschaftsstärke von etwa 60.000 Mann zu ehrgeizig gesteckt.

Anfang der 60er-Jahre machten Kaderpersonalmangel und zu geringes Grundwehrdieneraufkommen eine Reform notwendig, die auf die Schaffung kleinerer, rasch einsetzbarer Streitkräfte zielte. Die "Heeresgliederung 62" resultierte in der Schaffung von zwei mechanisierten und fünf Jägerbrigaden, die sich auf neun neu geschaffene Militärkommanden territorial abstützen konnten und von drei speziellen Ausbildungsregimentern personell gespeist wurden. Das Spannungsverhältnis zwischen Organisationsgröße und Personalaufkommen führte 1968 zu einer Organisationsänderung, an deren Ende eine Umfangsreduzierung, allerdings ohne Strukturreform stand. Ende der 60er-Jahre gliederte sich das Bundesheer in vier Jägerbrigaden, drei Panzergrenadierbrigaden und drei mobil zu machende Reservebrigaden. Daneben existierte die neu geschaffene Territorialorganisation in Form von 20 Landwehrverbänden, die den Militärkommanden zugeordnet waren.

Aus der Diskussion über Wehrdienstzeitverkürzung und Rückbesinnung auf den Verteidigungsfall resultierte die Entwicklung der Raumverteidigung, durch die die Abhaltewirkung des Bundesheeres eine ernst zu nehmende Größe werden sollte. Mit der "Heeresgliederung 72" wurde zunächst ein dem Ministerium nachgeordnetes Armeekommando geschaffen, das aber 1978 zur eigenen Sektion aufrückte, und die Gruppenkommanden wurden zu Gunsten zweier Korpskommanden aufgegeben. Der Bereitschaftstruppe stand die mobil zu machende Landwehr als Träger des Raumverteidigungskonzepts gegenüber, und die Militärkommanden fungierten als territoriale Kommanden.

Nach dem Ende des Kalten Kriegs und dem Wandel des Bedrohungsbildes erfolgten als Vorwegnahme einer Gesamtreform 1991 die Auflösung des Armeekommandos und des Kommandos der 1. Panzergrenadierdivision sowie die Errichtung eines neuen dritten Korpskommandos. Die "Heeresgliederung 92" bedeutete ein Abgehen vom Konzept der Raumverteidigung, damit ein Auflösen der raumgebundenen Landwehrverbände; die Landwehrstammregimenter wurden in 12 Jäger- und vier Stabsregimenter umgewandelt, die durch Mobilmachung zu 12 Jägerbrigaden anwachsen sollten.

Noch während die neue Organisation eingenommen wurde, erfolgten weitere Reformschritte, die in der "Heeresgliederung 98" ihre Ausprägung fanden. Drei stehende Jäger- und zwei Panzergrenadierbrigaden, die Auflösung eines Korpskommandos und eine Organisationsstraffung der Militärkommanden mit insgesamt 20 mobil zu machenden territorialen Milizbataillonen waren die Folge. Die schon 1960 vorsichtig begonnene "Internationalisierung" des Bundesheeres fand in der Schaffung des Kommandos Internatioale Einsätze seine logische Fortsetzung. Der erforderliche Streitkräfteumfang reduzierte sich von 150.000 auf 110.000 Mann Mob-Stärke.

Österreichs EU-Beitritt und die völlige Neuorientierung der europäischen Sicherheitspolitik lösten auch im Bundesheer Diskussionen über die militärischen Strukturen aus, die 2002 in der Schaffung eines Generalstabes resultierten, der Planungs-, Führungs- und Rüstungskompetenz in sich vereinte. Die beiden Korpskommanden wurden in ein Kommando Landstreitkräfte zusammengefasst. Durch die Verkürzung der Wehrdienstzeit auf sechs Monate und die Aussetzung der Truppenübungen für die Miliz werden in Zukunft rasch einsetzbare Kräfte an Bedeutung gewinnen. ►


Volltextversion

Die Streitkräfteentwicklung des Bundesheeres der Zweiten Republik

Die Entwicklung eines Heeres(Fußnote 1/FN1) hängt im Wesentlichen von zwei dominierenden Aspekten ab. Der eine ist zunächst das sicherheitspolitische Umfeld und dessen Ausstrahlung und Einfluss auf den darin eingebetteten Staat, der seine Existenz erhalten und seinen (prosperierenden) eigenständigen Weg gehen will. Damit eng verbunden ist der zweite bedeutsame Faktor, nämlich die Einstellung der Bevölkerung gegenüber dieser Situation, ihr daraus entspringendes Bedrohungsgefühl sowie die Haltung der durch diese Bevölkerung gewählten (und davon abhängigen) Politiker zur konkreten Bewältigung der sicherheitspolitischen Herausforderungen.

Ein Spannungsfeld zwischen diesen beiden gestaltenden Elementen entsteht - bezogen auf Österreich - dadurch, dass das sicherheitspolitische Umfeld vorgegeben und mehr oder weniger außenbestimmt ist, während das Bedrohungsempfinden und die daraus resultierende Politik hausgemacht sind und den Realitäten nicht unbedingt entsprechen müssen.

Diejenigen, die dann das konkrete Instrument "Bundesheer" zu gestalten haben, nämlich die dafür verantwortlichen Offiziere, sind voll in dieses Spannungsfeld gestellt, da sie einerseits die Herausforderungen des Umfeldes und dessen Entwicklungsaspekte (vorausschauend) möglichst nüchtern zu beurteilen haben, das heißt, weder zu negativ noch zu beschönigend, und andererseits mit den innenpolitischen Realitäten konfrontiert sind, die sich im Wesentlichen in verfügbarem Personal und Material widerspiegeln.

Unter diesen genannten Aspekten möge der Leser die Entwicklung des in seiner letzten Konsequenz Existenz bewahrenden Instrumentariums eines Staates am konkreten Beispiel Österreich mitverfolgen.

Ausgangslage und Anfang

Mit Beginn der Zweiten Republik war bereits bei Bildung der Provisorischen Staatsregierung unter Dr. Karl Renner ein "Unterstaatssekretariat für Heerwesen" vorgesehen gewesen. Dieser Schritt erfolgte am 27. April 1945, wobei in der Regierungserklärung des nachfolgenden Tages (bereits) die Errichtung einer "bescheidenen Wehrmacht" angedacht wurde. Diese Maßnahme ging (vermutlich) einerseits von der Erkenntnis aus, dass Unabhängigkeit mit Wehrhoheit verbunden sein müsse, sowie andererseits aus der Beurteilung der (weiterhin) besonderen strategischen Lage Österreichs.(FN2) Diesem ersten vorsichtigen sicherheitspolitischen Schritt begegneten die Besatzungsmächte am 10. Dezember 1945 mit einem Verbot. Sie untersagten jegliche Art militärischer Tätigkeit.

Die weltweite und europäische Entwicklung hin zur Blockbildung zwischen Ost und West, verbunden mit einem - im Gegensatz zur Geschichte nach dem Ersten Weltkrieg - Integrationsprozess im westlichen Europa, führte Anfang 1948 zu neuerlichen Gesprächen innerhalb der Regierung, die schließlich in der Entscheidung zum Aufbau von mobilen Gendarmerieeinheiten mündeten und im Jahr 1949 zu dementsprechenden Verhandlungen mit den Westalliierten überleiteten. Damit begann - in Verbindung mit dem sicherheitspolitischen Interesse der Westmächte (USA, Großbritannien, Frankreich) an einem westorientierten Österreich - die Formierung so genannter Alarmbataillone der Gendarmerie in den westlichen Besatzungszonen.

Die kommunistischen Umstürze in den durch die Sowjetunion besetzten mitteleuropäischen Staaten Ende der 40er-Jahre, der Koreakrieg 1950 und der Versuch einer kommunistischen Machtübernahme in Österreich 1950 führten rasch zur definitiven Festlegung der (militärischen) Organisation der mobilen Gendarmerie. Es sollten zunächst drei Bataillone ("Gendarmerie-Alarmabteilungen") zu je 500 Mann, jeweils eines in den drei Westzonen, gebildet werden. Der personelle Aufwuchs war durch die bestehenden Gendarmerieschulen sicherzustellen, die materielle Ausrüstung wurde durch die USA zugesagt. Diese "Truppe", dann als "B-Gendarmerie" bezeichnet, trat im Herbst 1951 erstmals öffentlich in einer taktischen Übung und einem anschließenden Vorbeimarsch auf.

Jene ersten Übungen zeigten das "militärische" Ausbildungsdefizit in den Einheiten auf, worauf - unter Einflussnahme durch den amerikanischen Oberbefehlshaber in Österreich - die Bundesregierung am 2. Oktober 1951 den Ausbau der Gendarmerie einschließlich der Aufnahme von ehemaligen Wehrmachtsoffizieren verfügte. Der dazu im Februar 1952 festgelegte Organisationsrahmen sollte nunmehr sechs "Gendarmerieschulen" mit insgesamt 5.000 Mann umfassen. Am 1. August 1952 traten sodann die ersten Kriegsoffiziere ihren Dienst an. Koordiniert wurde der Aufbau dieser Truppe durch eine eigene Stelle ("Pensionsabteilung A") im Innenministerium.

Ende 1953 wurde die Sollstärke der B-Gendarmerie auf 8.300 Mann festgelegt, womit die Anzahl der Bataillone von sechs auf zehn anstieg. Allerdings zeigte sich schon damals, dass die Rahmenbedingungen für das Personal derart gestaltet waren, dass anstelle der 5.000 nur 4.000 Mann gewonnen werden konnten und von den angestrebten 8.300 bis Mai 1955 lediglich 6.500 erreicht wurden. Das Ausrüstungsmaterial entsprach zunächst ebenfalls keineswegs den Erfordernissen, da es weder neuwertig war noch schwerere Waffen umfasste. Erst als sich 1955 die Verwirklichung des Staatsvertrages abzuzeichnen begann, kam es schließlich zu einem Abkommen über die Lieferung amerikanischer Überschussgüter.

Bereits nach dieser kurzen Zeit ließ sich die künftige Entwicklung der österreichischen Streitkräfte absehen. Das sicherheitspolitische Umfeld, die äußeren Einflussfaktoren erforderten zwar ein einigermaßen sicheres und berechenbares Österreich. Die innenpolitische Haltung war jedoch (durch die Zwischenkriegszeit und die Auswirkungen des Weltkrieges) antimilitärisch geprägt, die verantwortlichen politischen Mandatare standen eher lustlos und ambivalent vor diesen sicherheitspolitischen Zwängen.

Die Erklärung und Handhabung der "immerwährenden Neutralität" tat ein Weiteres, um sich in "Sicherheit ohne besondere eigene Anstrengungen" wiegen zu können, was sich in der Politik der Regierenden zeigen sollte (obwohl je nach Bedarf die hoch gerüstete Schweiz als Vorbild "bemüht" wurde).

Der Schritt Österreichs in die Selbstständigkeit am 15. Mai 1955 bewirkte in der Folge im Juli die Bildung eines Amtes für Landesverteidigung (im Rahmen des Bundeskanzleramtes) sowie die Verabschiedung des Wehrgesetzes am 7. September 1955, womit gleichzeitig die allgemeine Wehrpflicht für männliche Staatsbürger verfügt wurde. Dabei trat die unterschiedliche Einstellung von ÖVP und SPÖ zur Strukturierung des Heeres offen zu Tage. Die ÖVP vertrat eine Dienstzeit von einem Jahr ohne Wiederholungsübungen, also ein Heer mit mehr Präsenzverfügbarkeit, aber geringer Mobilmachungsfähigkeit. Die SPÖ wollte sechs Monate Grundwehrdienst mit anschließenden 90 Tagen Wiederholungsübungen, womit geringere Präsenzstände zu Gunsten höherer Mobilmachungsfähigkeit angesprochen wurden. Der österreichische Parteienkompromiss führte schließlich zu einer durchgehenden Dienstzeit von neun Monaten (einschließlich einer 14-tägigen Dienstfreistellung). Da die finanziellen Aufwendungen bis zu diesem Zeitpunkt im Wesentlichen durch die USA getragen wurden, stellte die Bundesregierung nunmehr nur jenen finanziellen Rahmen zur Verfügung, der den unmittelbaren Bedarf umfasste, und dabei sollte es auch für die Zukunft bleiben!(FN3) Von besonderer Bedeutung war, dass die Entscheidung zu Gunsten der Überleitung der bisherigen B-Gendarmerie in das neue Bundesheer gefällt wurde, was in anfänglichen Diskussionen über diverse Modelle durchaus nicht als zwangsläufig angesehen worden war. Es war somit Kontinuität für den weiteren Aufbau der Streitkräfte gegeben, was nicht genug hervorgehoben werden kann.

Der Aufbau

Mitte Jänner 1956 beschloss der Ministerrat die künftige Struktur für die Organisation des Bundesheeres, und am 11. Juli wurde aus dem Amt für Landesverteidigung ein selbstständiges Ministerium. Am 15. Oktober 1956 rückten dann die ersten Wehrpflichtigen ein.

Dem Ministerratsbeschluss gingen divergierende Vorstellungen zur Organisation des Heeres voran, die sich v.a. in unterschiedlichen Standpunkten hinsichtlich der Einnahme von Divisions- (mit Regiments-) oder Brigade- (mit Bataillons-) Gliederungen manifestierten.

Zum Vorteil für das junge Heer wurde für die Strukturierung von Brigaden entschieden, womit sowohl hinsichtlich künftiger Organisationsformen als auch zur Bewältigung vielfältiger Einsatzaufgaben wesentlich mehr Flexibilität vorgegeben wurde, was sich bis heute als zukunftweisend darstellt. Allerdings war dieses Heer, bezogen auf die Möglichkeiten der erwartbaren Ressourcen, bereits von Anfang an zu groß dimensioniert. Der Grund lag im schon aufgezeigten Spannungsfeld zwischen den militärisch beurteilten und abgeleiteten sicherheitspolitischen Erfordernissen und den dann durch Parlament bzw. Regierung tatsächlich zur Verfügung gestellten Mitteln. So war diese Heeresorganisation auf etwa 60.000 Mann ausgelegt, für deren Umfang die USA die Ausrüstung liefern wollten; tatsächlich verfügbar waren 40.000 Personen. Der strukturierte Aufbau von Reserven war auf Grund der Gesetzeslage ebenfalls noch nicht möglich.

Die konkrete Organisation wurde sodann im Sommer 1956 als "Heeresgliederung 56" festgelegt und umfasste drei "Gruppen" mit acht Brigaden (vier Infanterie- und vier Gebirgs-Brigaden) plus Heerestruppen (Panzerverbände, Unterstützungs- und Führungstruppen). Die Einnahme der Truppengliederung war - realistischerweise - in Etappen vorgesehen. Die räumliche Festlegung der drei Gruppen entsprach der geografisch/militärischen Bedrohungsbeurteilung (Nordost, Südost und West), die Brigadekommanden waren gleichzeitig auch für territoriale Aufgaben zuständig.

Der Einsatz dieses erst am Anfang seiner Entwicklung stehenden Heeres während der Ungarnkrise im Herbst 1956 führte zur Akzeptanz durch die österreichische Bevölkerung, hatte jedoch kaum Einfluss auf die bereits angesprochene Haltung der politischen Entscheidungsträger.

Der Aufbau der vorgegebenen Organisation wurde zielstrebig angegangen, und mit Beginn der 60er-Jahre waren aus den geplanten acht Brigaden drei Infanteriebrigaden sowie vier Gebirgs- (Jäger-) Brigaden gebildet. Die achte Brigade sowie eine neunte Brigade (aus Heerestruppen und Panzertruppenschule) entwickelten sich zum mechanisierten Teil des Heeres. Innerhalb von fünf Jahren wurde somit ein Streitkräfterahmen im Umfang von vier Gebirgs-, drei Infanterie- und zwei gepanzerten Brigaden aufgebaut, der durchaus beachtenswert war, aber v.a. im personellen Aufkommen große Schwierigkeiten hatte, ein Problem, das das Heer weiterhin in besonderer Weise beeinflussen sollte.

Die erste "Reform"

Am Anfang der 60er-Jahre zeichnete sich, bezogen auf den weiteren Heeresaufbau, ein Umdenken, eine neue "Philosophie" ab. Bestimmt war dieses Denken durch mehrere Faktoren: Da gab es einerseits die Erkenntnis, dass das Heer unter bedeutendem Personalmangel litt, der durch das (nicht organisationsadäquate) Grundwehrdiener- (GWD-) Aufkommen sowie durch den geringen Kaderzulauf gekennzeichnet war. Damit war zeitweise nur eine Einsatzbereitschaft von weniger als der Hälfte der Kräfte gewährleistet.

Weiters war die Möglichkeit zum Aufbau eines Reserveheeres zur "Befüllung" der Brigaden und zur Aufstellung von Grenzschutzeinheiten v.a. gesetzlich (in Form von Waffenübungen), aber auch materiell nicht entsprechend ausgereift. Insbesondere war die Heranbildung qualifizierten Miliz-Führungspersonals im erforderlichen Umfang nicht möglich. Eine rasche und effiziente Mobilmachung war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht durchführbar. Schließlich wurde hinsichtlich der Bedrohungsbeurteilung und der Abwehrmaßnahmen mehr Wert auf unverzügliche Reaktion bei Krisen und weniger auf massive Abhaltung gelegt. Dies sollte sich als entscheidender (pragmatischer) Denkansatz in der Gestaltung des Streitkräfterahmens herausstellen!

Bei der Beurteilung der militärstrategischen Lage und der damaligen Möglichkeiten des Bundesheeres schwang sicherlich auch die Einstellung mit, dass Österreich auf eine Bedrohung so rasch wie nur möglich reagieren müsse und gleichzeitig einen Durchhaltefaktor vorzusehen hätte, der Hilfe und ein rasches Eingreifen von "außen" einkalkulierte. Eine eigenständige Behauptung Österreichs war wohl als Wunschdenken angesehen worden. Diese geistige Ausrichtung musste sich auf die Streitkräftestruktur entsprechend auswirken.

Aus den erwähnten Überlegungen ergab sich eine Denkschule, die auf die Organisation von rasch verfügbaren und unverzüglich einsetzbaren Truppen ausgerichtet war, die eine gewisse Ergänzung in einer (geringfügigen) Reservekomponente finden sollten: insgesamt gesehen also eine Verringerung des Streitkräfterahmens zu Gunsten von mehr Effizienz!

Der Planungsprozess verfolgte daher das Ziel, rasch einsetzbare Brigaden ("Knopfdruckbrigaden") zur Verfügung zu haben, die unverzügliche Reaktion auf Krisen aller Art (Überraschungsaktionen) erlauben sollten. Der Tenor war: lieber weniger, dafür sofort einsatzbereit. Diesem pragmatischen Ansatz stand die kritische Meinung gegenüber, dass eine solche Organisation für einen Operationsfall bei stärkerer Bedrohung (Verteidigungsfall?) nicht ausreichend sei. Schließlich führte dies zu einem Kompromiss, der zwischen der bisherigen Anzahl von neun Brigaden und der geplanten Größe von sechs Brigaden eine tatsächliche Struktur von sieben Brigaden vorsah, ein Umfang, der - wie sich herausstellen sollte - bezogen auf die Ressourcen nach wie vor zu groß war.

Den offiziellen politischen Beschlussfassungen gingen Entwicklungsschritte voraus, die eine bessere Befüllung mit Kaderpersonal ermöglichen sollten, wobei Pflichtwaffenübungen seitens der Politik zwar weiterhin abgelehnt wurden, jedoch freiwillige Waffenübungen mit der Wehrgesetznovelle vom 15.12.1960 ermöglicht wurden. Damit konnte zumindest die Kadersituation, allerdings vornehmlich auf dem Offizierssektor, allmählich verbessert werden. Der qualifizierte Aufbau von Reserve- (Miliz-) Formationen, wozu geschlossene Übungen erforderlich gewesen wären, war dadurch jedoch noch immer nicht möglich. Dennoch gelang es schrittweise, Grenzschutzkompanien zu bilden, deren Anzahl 1961 mit 120 geplant war. Bis 1965 konnten konkret 60 aufgestellt werden.

Dazu kam die folgerichtige Überlegung, die Einsatztruppe von Territorialaufgaben zu entlasten und eine eigene Territorialorganisation aufzubauen. Schon damals wurden als Alternativen entweder das "eigenständige" oder ein in das Brigadekommando integriertes Militärkommando beurteilt. Die Entscheidung fiel zu Gunsten eigenständiger Kommanden, womit die Trennung von Einsatz- und Territorialaufgaben vollzogen wurde. Allerdings verstärkte der Aufbau dieser neuen Organisation die Problematik der Kaderlage noch mehr.

Ein weiterer konsequenter Schritt war die Schaffung von Ausbildungstruppen, die die Grundausbildung der jungen Soldaten durchzuführen und diese anschließend an die Einsatztruppe abzugeben hatten. Dazu wurden v.a. drei Ausbildungsregimenter gebildet, die gleichzeitig als Reservebrigaden vorgesehen waren. Alles in allem wurden alle Maßnahmen gesetzt, um das Ziel, unverzüglich verfügbare Einsatzbrigaden zu gestalten, erreichen zu können.

Daraus resultierte dann die "Heeresgliederung 62". Diese wurde am 30. Juni 1962 dem Landesverteidigungsrat zur Empfehlung an die Bundesregierung vorgetragen, worauf am 17. Juli die Bundesregierung die vorgeschlagenen Maßnahmen beschloss. Als Durchführungstermin wurde der 1. Jänner 1963 festgelegt. Somit setzte sich das "neue" Heer aus zwei mechanisierten und fünf Jägerbrigaden zusammen, die sich auf neun neu zu bildende Militärkommanden territorial abstützen konnten sowie durch spezifische Ausbildungsverbände (aus denen drei zusätzliche Reservebrigaden erwuchsen) mit Grundwehrdienern "gespeist" wurden. Die Einsatzbereitschaft der sieben präsenten Brigaden und die Flexibilität ihrer Einsatzmöglichkeiten wurden dadurch jedenfalls beträchtlich erhöht und erreichten Mitte der 60er-Jahre eine Effizienz, die auch in den folgenden Einsätzen (Katastrophenhilfe 1965 und 1966, Südtirol 1967, CSSR 1968) durchaus bewiesen werden konnte.

Die Negativfaktoren, die sich in der Zukunft zeigen sollten, bestanden zunächst im zu großen Rahmen (sieben Brigaden, neun Militärkommanden, drei Ausbildungsregimenter), der durch zu geringes Kaderaufkommen nicht zufrieden stellend befüllbar war. Dazu kam, dass durch viele "Funktionssoldaten" und wiederholte Ausbildungsgänge innerhalb der Brigaden (alle drei Monate kamen "Neue", während die "Alten" schon drei Monate hinter sich hatten) mit der Zeit der Slogan des "Leerlaufes" zu greifen begann und die Diskussion um eine Wehrdienstzeitverkürzung anheizte. Diese Diskussion wurde seit 1963 durch Vorstöße der SPÖ, die ihre ursprünglichen Vorstellungen vom Aufbau eines "Milizheeres" erneut aufzugreifen versuchte, am Leben gehalten.

Weiters war ein - nicht zu unterschätzendes - psychologisches Element unberücksichtigt geblieben, nämlich die "militärische Heimat" des Soldaten. Die jungen Männer fühlten sich im Ausbildungsverband nicht zu Hause, und im Einsatzverband war durch die alle drei Monate erfolgende "Neubefüllung" die Integration ebenfalls erschwert. Diese "Stimmung" trugen die eingerückten Soldaten nach außen und damit in die Öffentlichkeit. Und innerhalb des Heeres war die Motivation des Kaders bei den Ausbildungsregimentern gefährdet, da sich deren Angehörige schließlich nur mehr als "Fließbandproduzenten" anzusehen begannen.

Organisationsänderung

Ausgelöst durch das weiterhin nicht zu beseitigende Spannungsverhältnis zwischen Organisationsgröße und Personalaufkommen wurde Anfang des Jahres 1968 eine Organisationsänderung in Form der Reduzierung des Umfanges (nicht der Anzahl!) der Verbände durchgeführt. Diese kann schwerlich als Strukturreform bezeichnet werden, da sich an der grundsätzlichen Gliederung des Heeres nichts änderte. Vielmehr wurden die geplanten Veränderungen als "Rationalisierungsmaßnahmen" bezeichnet, wobei der Organisationsrahmen innerhalb der Verbände gestrafft werden sollte und dabei insgesamt 30 Einheiten stillzulegen oder aufzulösen waren. Eine tatsächliche (einzelne) Strukturkorrektur erfolgte allerdings bereits 1964, als eine Jägerbrigade in eine mechanisierte Brigade umgewandelt wurde. Somit war Ende der 60er-Jahre das Heer in vier Jägerbrigaden, drei PzGren-Brigaden und drei mobil zu machende Reservebrigaden gegliedert.

Neben der genannten Organisationsänderung wurden zusätzlich Schritte gesetzt, die mit dem Begriff Territorialverteidigung umschrieben werden können. Es handelt sich dabei um die weiterführende Aufstellung von Grenzschutzkompanien, deren Zahl schon 1961 mit 120 festgelegt wurde, um den Bau von festen Anlagen und Sperren (zunächst eher grenznah, aber auch in der Tiefe) sowie - mit Beschluss aus dem Jahr 1966 - um die Formierung von 140 Sicherungskompanien zum Schutz von besonderen Einrichtungen und Objekten. Alle diese "Landwehr"-Einheiten wurden im Rahmen der Organisationsänderung 1968 in 20 Landwehrverbänden zusammengefasst und den Militärkommanden zugeordnet.

Erforderliche Pflichtwaffenübungen wurden nach wie vor vom Gesetzgeber nicht genehmigt. Zumindest wurden aber mit der Wehrgesetznovelle vom 24.7.1962 die so genannten "Inspektionen/Instruktionen" eingeführt, durch welche die beorderten (Miliz-) Soldaten alle zwei Jahre für vier Tage einberufen werden konnten. Eine entsprechend tiefer gehende Einsatzausbildung dieser (Miliz-)Einheiten scheiterte jedoch weiterhin an den fehlenden gesetzlichen Voraussetzungen. Auf materiellem Gebiet wurde 1969 das Militärleistungsgesetz beschlossen, das somit im materiellen Bereich Mobilmachungsvorbereitungen ermöglichte.

Rückblickend ist dieser Reformschritt des Jahres 1962, bezogen auf Bedrohungsbeurteilung und Reaktionsmöglichkeiten, als konsequent anzusehen, wie die Effizienz einsatzbereiter Verbände bei diversen Assistenzeinsätzen und v.a. während der CSSR-Krise des Jahres 1968 zeigte, wenn auch der quantitative Umfang durch Reduktion um 30 Einheiten im Jahr 1968 "korrigiert" werden musste. Die innere Stimmung und Motivation, sowohl von Teilen des Kaderpersonals als auch der jungen Soldaten, war insgesamt in eine schwierige Situation gebracht worden.

Im Jahr 1960 wurde für das Bundesheer ein neuer Aufgabenbereich im internationalen Geschehen wirksam. Es war dies die erstmalige Entsendung von Soldaten im Rahmen von UNO-Truppen in Form eines Sanitätskontingentes während der Kongo-Krise, zunächst nur auf Basis eines Karenzurlaubes verbunden mit einem Sondervertrag. Erst 1965 wurden schließlich die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für künftige Entsendungen in einer Wehrgesetznovelle geschaffen. Diese internationalen Einsätze sollten nicht mehr "abreißen" und zeitigten in den Folgejahren bedeutenden Einfluss auf die innere Haltung der Streitkräfte und ihre Bereitschaft zur internationalen Öffnung. Dadurch trugen sie in besonderer Weise sowohl zum ausgezeichneten Ruf der österreichischen Soldaten als auch zu deren Selbstbewusstsein bei.

Auf Grund der schon dargestellten Negativfaktoren, die sich mit der Zeit summierten, sowie - v.a. - eines neuerlichen sicherheitspolitischen Umdenkens wurde geistig der nächste Prozess für eine Zukunftsgestaltung des Heeres eingeleitet. Die militärstrategische Entwicklung nahm im Prinzip Abschied von den "Krisenreaktionskräften ohne massive Abhaltekompetenz" und griff wieder zurück auf die Kernaufgabe "eigenständige Verteidigung". Der unmittelbare Anstoß kam schließlich durch die - aus der Diskussion um Leerlauf und Wehrdienstzeitverkürzung entsprungene - politische Wahlkampf-Forderung "sechs Monate sind genug", wodurch der Umgestaltungsprozess endgültig ausgelöst wurde.

Die Strukturreform

Wenn bisher die Bewältigung von Krisen bzw. eine erste, unverzügliche Reaktion auf konventionelle Angriffe die Zielsetzung eines Einsatzes des Bundesheeres war, rückte nunmehr der Verteidigungsfall in den Vordergrund. Dabei war die Erkenntnis schmerzlich, dass die zehn Brigaden eine für jede militärische Planung berechenbare und einkalkulierbare Größe waren und damit keine übermäßige strategische Abhaltewirkung vermitteln konnten. Als Alternative wurde das Konzept der Raumverteidigung entwickelt. Diese sollte Österreich flächendeckend überziehen und sah einerseits Räume mit starken Verteidigungskräften und andererseits dazwischen liegende Zonen mit Jagdkampfkräften vor. Diese Strategie sollte im Laufe der Zeit sowohl in der Bevölkerung angenommen werden als auch im Ausland Beachtung finden. Österreich wurde plötzlich zu einem "unberechenbaren" Element in den militärischen Planungen - und dadurch die Abhaltewirkung zu einem ernst zu nehmenden Faktor. Die geistige und praktische Beschäftigung mit dieser Konzeption (einschließlich etlicher großer Verbandsübungen) zog sich bis 1978 hin und wurde in diesem Jahr durch die Herausgabe eines offiziellen Grundsatzpapiers zur Raumverteidigung zum Abschluss gebracht.

Zur "Befüllung" des österreichischen Raumes bedurfte es einer großen Anzahl von Kräften, die naturgemäß - und wie die bisherige Entwicklung zeigte - durch präsente Kräfte nicht aufzubringen waren. Im Zusammenhang mit der letztendlich politischen Entscheidung zu sechs Monaten Grundwehrdienst plus zwei Monaten Übungspflicht war die Voraussetzung für den Aufbau eines relativ großen Milizheeres gegeben. Es vollzog sich somit gleichzeitig der Umstieg von der (durchgehenden) Dienstzeitvorstellung der ÖVP zur milizrelevanten Interessenlage der SPÖ (mit aufgeteilter Dienstzeit). Konkret erfolgte die Bearbeitung dieser komplexen Aufgabe im Rahmen einer "Bundesheer-Reformkommission", die unter Einschluss außermilitärischer Gremien und Einrichtungen von Mai bis Oktober 1970 tagte.

Die Empfehlungen dieser Kommission hatten maßgeblichen Einfluss auf die künftige Streitkräftestruktur, wobei folgende Faktoren von besonderer Bedeutung waren: - Es sollte ein dem BMLV nachgeordnetes Armeekommando errichtet werden.

- Die Bildung einer (präsenten) Bereitschaftstruppe im Umfang von 15.000 Mann war vorzusehen.

- Der Ausbau des Heeres war in zwei Phasen auf 300.000 Soldaten auszurichten. (Die bisherigen Stärken des Heeres stiegen allmählich von 30.000 über 50.000 und 80.000 auf 100.000 mit nunmehriger Zielvorstellung von 150.000 Soldaten in einem ersten Schritt.) - Die Masse des Heeres - nunmehr als "Landwehr" bezeichnet - war in einer mobilen und einer raumgebundenen Komponente zu organisieren.

- Zur Verwirklichung waren entsprechende Mobilmachungsmaßnahmen sowie (endlich) Pflichtwaffenübungen und zusätzliche freiwillige Waffenübungen vorzusehen.

Die Umsetzung dieser Empfehlungen führte durch einen mühseligen, vielfach auch emotionsgeladenen Planungsprozess zu einem Endergebnis, das - wie sich zeigen sollte - zwar die Grundideen im Kern verfolgte, die Konkretisierung aber nur mit Abstrichen zuließ.

Zur Verwirklichung dieser Absichten war nunmehr eine radikale Änderung der Organisation erforderlich. Der "Umstieg" hatte nämlich zur Konsequenz, dass neben Bereitschaftstruppe und Luftstreitkräften ein friedensmäßiges Ausbildungsheer mit der Masse eines mobil zu machenden Einsatzheeres gekoppelt werden musste. Dazu bediente man sich schließlich der so genannten Landwehrstammregimenter, die einerseits die friedensmäßige Ausbildung für die Mob-Truppen übernehmen und andererseits im Einsatzfall als Landwehrverbände in diese Mob-Truppen übergeführt werden sollten. Vorweg wurden auch jene legistischen Voraussetzungen geschaffen, die im Anschluss an den sechsmonatigen Grundwehrdienst die Durchführung von Truppenübungen im Ausmaß von 60 Tagen sowie die Absolvierung von Kaderübungen und (die bereits bestehenden) freiwilligen Waffenübungen zum Aufbau eines qualifizierten Milizkaders regelten. Dies erfolgte im Rahmen der Wehrgesetznovelle des Jahres 1971.

Nach diversen planerischen Durchgängen innerhalb des Verteidigungsressorts beschloss die Bundesregierung auf Grund der Empfehlung des Landesverteidigungsrates am 6. Juni 1972 die "Heeresgliederung 72", die nach den zwischenzeitlich gesetzten Maßnahmen in einem weiteren Organisationsschritt im Jahr 1978 in eine endgültige Struktur übergeleitet wurde.

Zunächst war die Bildung des Armeekommandos als dem BMLV nachgeordnete Dienststelle vorzusehen. Mit der Errichtung dieses Kommandos im Jahr 1973 entstanden relativ bald Spannungen zum Ministerium, da grundsätzliche Materien (Ausbildung, Einsatzvorsorgen, Mobilmachungsvorbereitungen, Organisation, Ausrüstung und Bewaffnung) mehr oder weniger doppelt und parallel bearbeitet wurden, das Armeekommando als nachgeordnete Dienststelle jedoch von der Zentralstelle weisungsabhängig war. Zur Bereinigung dieses unbefriedigenden Zustandes wurde als konsequente Lösung die Eingliederung des Armeekommandos in das Ministerium, als eine Sektion desselben, angesehen. Nach Befassung des Landesverteidigungsrates und Beschluss des Ministerrates Anfang 1978 erfolgte diese Überleitung noch im selben Jahr. Trotz gewisser Kompetenzentflechtungen verlagerten sich die Spannungen jedoch nur um eine Ebene, führten zum Teil zu Planungsstillstand und zu unnötigem Kräfteaufwand in den Auseinandersetzungen um unterschiedliche Auffassungen.

Die Bildung von (nur mehr) zwei Korpskommanden mit Wirkung vom 1. Jänner 1974 war durch die Aufstellung des Armeekommandos eine logische Folge, die bisherige Bezeichnung "Gruppenkommando" verschwand. Wenn auch in manchen Kreisen die Truppenstärken von ausländischen Korps den österreichischen Verhältnissen entgegengehalten wurden, so war die Ebene selbst wohl richtig angesprochen.

Hinsichtlich Bereitschaftstruppe und mobil zu machender Landwehr stand das Bundesheer (wie immer die Ressourcen betreffend) von Anfang an auf schwachen Beinen. Die Planungsphilosophie zur Bereitschaftstruppe sah vor, eine unverzüglich verfügbare "Neutralitätsschutztruppe" zur Bewältigung von Krisensituationen ohne Mobilmachung bzw. bis zum Abschluss derselben zur Verfügung zu haben. Nach ersten unrealistischen Größenvorstellungen von bis zu 40.000 Mann langte die Planungsentscheidung bei 15.000 Mann mit drei mechanisierten Brigaden an. Glücklicherweise hielt man am "Task Force-System" der Brigaden fest und fiel nicht auf die Regimentsgliederung zurück. Allerdings sollte sich bald herausstellen, dass die (v.a. finanziellen) Möglichkeiten zur personellen Befüllung dieser "kleinen effizienten Streitmacht" mit Kadersoldaten in keiner Weise geeignet waren, die vorgesehene Stärke zu erreichen. Somit reduzierte sich schon im Jahr 1975 das Vorhaben letztendlich auf die Bildung der 1. Panzergrenadierdivision mit den drei unterstellten Panzergrenadierbrigaden. Eine zweite (Jäger-) Division im Westen wurde zwar angestrebt, blieb aber in der Erarbeitung von möglichen Organisationsplänen stehen. Die weitere Planung wurde eingestellt. Der Ministerratsbeschluss vom 28. Februar 1978 bestätigte endgültig diese bisherige Entwicklung und stimmte der Organisation der 1. PzGrenDiv mit drei PzGrenBrig als stehender Truppe zu, wobei noch zusätzlich einzelne Verbände (z.B. drei Jägerbataillone) zur so genannten Bereitschaftstruppe zählten.

Die Landwehr war als Träger der Verteidigung im Sinne des Raumverteidigungskonzeptes vorgesehen. Die notwendigen organisatorischen Maßnahmen liefen im Wesentlichen ab 1974 an. Ihre Kernstruktur fand sie sodann in den so genannten Landwehrstammregimentern (mit Kompaniegliederung), die die Ausbildung und Überstellung in die Mob-Organisation durchführten sowie im Einsatzfall als Landwehrregimenter (mit Bataillonsgliederung) zu Kampfverbänden wurden. Die friedensmäßig präsenten Landwehrverbände waren somit Rahmentruppen für die Ausbildung und gleichzeitig Basis für die Aufstellung der Milizverbände und wurden den Militärkommanden unterstellt. Die eigentliche Bildung dieser Landwehrstammregimenter und damit der endgültige Übergang in die Landwehrorganisation erfolgte nach Befassung des LV-Rates ebenfalls mit Ministerratsbeschluss vom 28. Februar 1978, was auch im Zusammenhang mit der gesetzlichen Neuregelung von Pflichtkaderübungen aus dem Jahr 1977 stand. Zusätzlich erwuchs aus diesen Stammverbänden noch der mobile Teil der Landwehr in Form von acht Jägerbrigaden, deren Führungskern (als Brigadestab) im Frieden in den Militärkommanden (mit Ausnahme Vorarlbergs) integriert war und im Einsatzfall aus diesen erwuchs.

Die Größe der Landwehr war - in einem ersten Planungsschritt - mit bis zu 500.000 Mann angedacht worden, fand sodann ihre Planungsgröße bei 150.000 mit vorgesehener Erweiterung auf 300.000. Dabei war das Erreichen der rein personellen Stärke durchaus möglich, es mangelte an den finanziellen Ressourcen, diese Kräfte auch tatsächlich einsatzkonform auszurüsten.

Die Militärkommanden wurden als territoriale Kommanden - ebenfalls im Jahr 1974 - wesentlich aufgewertet, weil sie im Einsatzfall militärische Führungsaufgaben über bestimmte Einsatzräume (Zonen) wahrzunehmen sowie zusätzlich einen Brigadestab (für die Landwehrbrigade) "auszuscheiden" hatten. Dazu wurden ihnen ab 1975 "ihre" (regionalen) Landwehrtruppen unterstellt. Auch bei diesem Strukturschritt des Heeres zeigt sich wieder - wie seit Beginn der ersten Aufstellungen -, dass militärische Planungsideen, selbst wenn sie einigermaßen realistisch erfolgten, in der politischen Wirklichkeit keine zuverlässige und überzeugte Realisierungsbasis fanden. Der Grund lag in der Einstellung der politischen Verantwortungsträger, die im Allgemeinen keinen inneren Glauben an Bedeutung und Möglichkeiten eines effizienten Heeres zur Gestaltung der Sicherheitspolitik des Staates erkennen ließen. Dies gilt auch für weitere Entwicklungen.

Mit der Bildung der Landwehrstamm-Organisation im Jahr 1978 war beabsichtigt, bis 1986 die so genannte "Zwischenstufe" mit 186.000 Mann zu erreichen, die 26 Landwehrregiments- (Zonen-) Kommanden mit 33 Landwehrbataillonen (Jägerbataillonen), 21 leichten Landwehrbataillonen (Jagdkampf, Sicherung), sechs Sperrbataillonen und einer weiteren Anzahl von Sperrkompanien umfassen sollte. Der Ausbau dieser Organisation wurde in den kommenden Jahren zielstrebig verfolgt.

In der Zusammenschau zeigt sich somit, dass über den gesamten Verlauf der 70er-Jahre das Bundesheer einen einschneidenden strukturellen Reformschritt setzte. Dieser fand seine Begründung in der Absicht, eine glaubwürdige Abhaltestrategie zu entwickeln, die der Situation des Kalten Krieges und eines zwischen den Blöcken liegenden kleineren neutralen Staates Rechnung trug. Diese Überlegungen, verbunden mit dem politischen Druck einer Dienstzeitverkürzung bzw. vielmehr einer geänderten Dienstzeitregelung, beeinflussten wesentlich den Umbau der Streitkräfte auf ein starkes Milizheer kombiniert mit einer rasch verfügbaren und reaktionsschnellen Einsatzkomponente (Bereitschaftstruppe).

Nach der grundsätzlichen Neuausrichtung mit den Beschlüssen des Jahres 1972, gefolgt von den organisatorischen Festlegungen der Jahre 1974/75 und dem Abschluss in der Landwehrstruktur des Jahres 1978, konnte somit das Heer einigermaßen konsolidiert im Sinne der Raumverteidigung in die Zukunft gehen und die neue Organisation mit Leben erfüllen. Letztendlich wurden aber - wieder einmal, oder: wie immer - die geplanten Sollstärken nicht erreicht, was v.a. - ebenfalls wie immer - an den dem Heer vorenthaltenen Ressourcen scheiterte.

Die Neugestaltung des europäischen Umfeldes, die letztendlich zum Ende des Kalten Krieges führen sollte, zeichnete sich anfangs nur allmählich ab und wurde durch die Öffentlichkeit kaum wahrgenommen bzw. als unrealistisch beurteilt. Im militärischen Bereich jedoch wurde in streng geheimen Berichten auf dieses Phänomen schon bald hingewiesen, mögliche Konsequenzen wurden abgeleitet. Damit begann erneut ein Umdenken hinsichtlich der militärstrategischen Situation und der damit verbundenen Auswirkungen auf die Streitkräfte. Es galt einfach, die neue Lage zu beurteilen und Möglichkeiten zur Reaktion zu entwickeln.

Ein zweiter Einflussfaktor war (auch wieder einmal) in der Budgetsituation gegeben, was letztendlich zur Einsicht zwang, dass der Ausbau der Raumverteidigungskonzeption zu einem 300.000-Mann-Heer nicht zu verwirklichen war. Zu diesem Zeitpunkt, nämlich 1987, war der Ausbau der so genannten Zwischenstufe mit 186.000 Mann im Wesentlichen abgeschlossen. Die erforderlichen Mann-Stärken von 300.000 (oder mehr) wären durchaus zu erreichen gewesen, jedoch konnte die zusätzlich erforderliche Ausrüstung für diese angestrebte Größenordnung auf Grund restriktiver budgetärer Bedingungen nicht mehr sichergestellt werden. Beide Faktoren, der strategische wie der finanzielle, führten zum Entschluss, den weiteren Ausbau der Streitkräfte zu beenden, wobei eine in sich abgerundete Struktur angestrebt wurde. Als offizielle Begründung wurde eine "zwischenzeitliche Rationalisierungsmaßnahme" angeführt. Dies hatte zur Folge, dass noch fehlende Elemente, v.a. im Ersatz- und Logistik-Bereich, in die Organisation eingefügt wurden und schließlich ein Heer von 240.000 Mann zur Verfügung stand.

Es ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass das Konzept der Raumverteidigung zwar weiterhin Gültigkeit hatte, aber durch die geringere Quantität an Truppen die Raumbindung der Verbände zu Gunsten von mehr Mobilität und Flexibilität zurückgestellt werden musste. Die Landwehr hatte also mobil zu werden.

Die notwendigen Konsequenzen wurden durch den Landesverteidigungsrat angenommen und im Ministerrat des 6. Oktober 1987 beschlossen, womit die Raumverteidigung zwar ihren Zenit erreichte, gleichzeitig aber bereits der "Schwanengesang" durch die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen eingeleitet wurde. Diese Maßnahmen waren daher nicht als Strukturreform anzusehen, da keine organisatorische Neuorientierung erfolgte, es war ein Stillhalteprozess eingeleitet worden, um aus diesem heraus gegebenenfalls neue Wege beschreiten zu können. Das Bundesheer umfasste somit an seinem quantitativen Entwicklungshöhepunkt das Armeekommando (als eigene Sektion des BMLV), die Panzergrenadierdivision mit drei (präsenten) Panzergrenadierbrigaden, die Luftstreitkräfte mit drei Fliegerregimentern plus der Luftraumüberwachung sowie zwei Korpskommanden mit neun Militärkommanden und mit (nach Mobilmachung) insgesamt acht Landwehrbrigaden, 25 Landwehrregimentern, acht Regimentern der Logistik- und Führungsorganisation sowie 30 Ersatzregimentern.

Die nächste Strukturreform

Mehr oder weniger schlagartig war die Gefahr der globalen Auseinandersetzung zwischen den beiden großen Blöcken verschwunden. Gleichzeitig zeichnete sich die Entwicklung zu freien Nationalstaaten im Osten und v.a. Südosten Österreichs ab, verbunden mit regionalen Spannungen und plötzlich wieder möglichen lokalen militärischen Auseinandersetzungen. Gegen diese Form von potenziellen Konfliktaustragungen zeigte sich die Raumverteidigung als System relativ wirkungslos, da die flächendeckende Behauptung des Großteils von Österreich gegenüber einer partiellen Gefährdung eines Grenzabschnittes mit einem Mal zu einer unrealistischen Variante mutierte. Etwa zum gleichen Zeitpunkt, also mit Beginn der 90er-Jahre, war die ressourcenabhängige Unmöglichkeit zum weiteren Heeresausbau erwiesen, und es setzte sich auch endgültig die Erkenntnis durch, dass die Spitzengliederung mit der paralysierenden Struktur des Armeekommandos als Teil des Ministeriums einer Bereinigung bedurfte.

Der erste, als der Gesamtreform vorweg genommene Schritt, war daher im Jahr 1991 die Auflösung des Armeekommandos, die Auflösung des Kommandos der 1. PzGrenDiv und die Einrichtung eines dritten Korpskommandos in Analogie zu den früheren drei "Gruppen" und den damit verbundenen operativen Raumzuordnungen (Nordost, Südost und West). Dass diese Maßnahme zeitgleich mit dem Einsatz des Heeres an der jugoslawischen Grenze erfolgte, ist dem Zufall zuzuschreiben, da die Bundesregierung am 2. Juli 1991 einerseits die vom LV-Rat empfohlene neue Spitzengliederung beschloss und andererseits ebenso den Einsatzbefehl an das Bundesheer zur Kenntnis nahm.

Der Einsatz des Bundesheeres an der steirisch/kärntnerischen Südgrenze im Sommer 1991 sollte die in ersten Zügen bereits angedachte Reform beschleunigen, da die Bedeutung eines plötzlichen grenznahen Einsatzes mit präsenten Kräften und ohne zusätzliche Mobilmachung in den Vordergrund trat. Die grundsätzlichen Überlegungen des Jahres 1991 sahen daher in weiterer Folge vor, die Raumverteidigung als Konzept aufzugeben, das Heer auf etwa 150.000 Mann (eine schon von früher bekannte Größe) zu beschränken und die Flexibilität und Mobilität in einer ausschließlichen Brigadestruktur zu suchen. Die daraus resultierenden Planungen und politischen Gespräche mündeten sehr rasch (schon Mitte Juli 1992) in Empfehlungen bzw. Beschlüsse durch den LV-Rat und Ministerrat, womit die Einnahme der "Heeresgliederung 92" ausgelöst wurde.

Zunächst waren von der Auflösung v.a. die raumgebundenen Landwehrverbände betroffen, insbesondere die Sperr- und Jagdkampfkräfte. Die Landwehrstammregimenter verloren ihre Funktion als Zonenkommanden und Miliz-Ausbildungszentren und wurden in zwölf Jägerregimenter sowie vier Stabsregimenter umgewandelt, aus denen im Mobilmachungsfall zwölf Jägerbrigaden erwachsen sollten.

Die Ersatzregimenter wurden aufgelöst, die Personalreserve wurde direkt an die Verbände gebunden, wobei die Mobilmachungsstärke des Heeres rund 120.000 Mann betrug und die ergänzende Personalreserve rund 30.000 Mann umfassen durfte. Die Panzergrenadierbrigaden wurden beibehalten.

Die Auswirkungen auf die Führungsstruktur zeigten sich in der Zuordnung der operativen Aufgaben an die Korpskommanden, während die territoriale Administration sowie bloße taktische Führungsaufgaben den Mililtärkommanden obliegen sollten. Innerhalb der Organisation der Militärkommanden schienen somit keine Brigadestäbe mehr auf, diese wurden nunmehr durch die zwölf Jäger-Regimentskommanden gestellt.

Die neue Organisation wurde innerhalb der nächsten drei Jahre eingenommen und führte in der Entwicklung des Bundesheeres zu einer Einsatzdoktrin, wie sie in den Anfängen des Heeres und v.a. in den 60er-Jahren zu beobachten gewesen war, d.h., dass die Ausrichtung - wieder - auf die Bewältigung von Krisenszenarien und möglichen lokalen Konflikten mit einzelnen Nachbarstaaten durch Verstärkung der Präsenzfähigkeit bei Beibehaltung einer doch noch relativ starken, flexibel einsetzbaren Mobilmachungskomponente erfolgte. Das Heer umfasste somit neben den Luftstreitkräften drei Korpskommanden, neun Militärkommanden, drei Panzergrenadierbrigaden sowie im Frieden zwölf Jägerregimenter und vier Stabsregimenter, die im Einsatz zu zwölf Jägerbrigaden wurden.

Noch während die neue Struktur durch die Truppe eingenommen wurde, war einerseits innerhalb des Generaltruppeninspektorates klar, dass als nächster Schritt eine weitere Umschichtung zu Gunsten präsenter Kräfte zu erfolgen hätte, andererseits wurde auf politischer Seite ein Situationsbericht eingefordert, der nach eingehender Analyse zu Beginn des Jahres 1997 im LV-Ausschuss behandelt und am 27. Februar im Plenum des Nationalrats diskutiert und zur Kenntnis genommen wurde. In diesen Bericht waren bereits die Strukturüberlegungen des Generaltruppeninspektorates eingeflossen, womit der nächste Schritt der Heeresreform eingeleitet wurde, der bereits im Folgejahr in der "Heeresgliederung 98" seine Ausprägung fand.

Den Kern dieses Schrittes bildete die Umwandlung der bisherigen mobil zu machenden zwölf Jägerbrigaden bzw. deren friedensmäßige Regimentsgliederung in drei stehende Jägerbrigaden. Die mit Verbänden unterdurchschnittlich ausgestatteten drei Panzergrenadierbrigaden waren auf zwei - damit stärkere - Brigaden zusammenzuführen. Ergänzend zu dieser Strukturierung der Kampfverbände wurde ein Korpskommando aufgelöst, die Militärkommanden wurden in ihrer inneren Organisation gestrafft und entwickelten sich somit ebenfalls wieder - ihrer ursprünglichen Bestimmung folgend - in Richtung einer territorialen Dienstleistungsorganisation für Truppe und Bundesland.

Bereits hier wurden zwei Wege hinsichtlich der künftigen Bedeutung des Mob-Heeres diskutiert. Ein Weg sah die ausschließliche Ausrichtung auf eine "reine" Präsenzarmee vor, die zweite Planungsvorlage ging in Richtung der Beibehaltung eines gewissen mobil zu machenden Aufwuchselementes aus verbliebenen Mob-Bataillonen.

Die Entscheidung fiel zu Gunsten zusätzlicher mobil zu machender Kräfte, womit - den Militärkommanden zugeordnet - 20 territoriale Milizbataillone erhalten blieben.

Die Beibehaltung dieser 20 Territorialbataillone stellte an und für sich einen Systembruch dar, da im Prinzip - im Gegensatz zur bisherigen Zielsetzung der 90er-Jahre - eine Zweiteilung des Heeres erfolgte. Die Reorganisation nach der Raumverteidigung sah v.a. Flexibilität und Mobilität vor, die in der geschlossenen Brigadestruktur ohne spezifische "Territorialbataillone" sichtbar war. Die nunmehrige Beibehaltung der 20 Bataillone entsprang einem operativen Denken, das vor "nur mehr" fünf Brigaden zurückschreckte und daher zusätzliche, mobil einsetzbare Verbände, sozusagen als "Sicherheitsnetz", verfügbar haben wollte. Diese wurden aber relativ bald als "ortsgebundene Heimatschutzverbände" angesehen, Einsatzvielfalt und flexible Reaktion im Verbund entwickelten sich zurück. Dadurch wurde - für die Zukunft - die Integration in sich geschlossener Streitkräfte erschwert und hatte eher ein Konkurrenzdenken zwischen Territorialstruktur und präsenten Einsatzkräften zur Folge, was Einstellungsprobleme gegenüber einer zukunftsorientierten Heeresentwicklung mit sich bringen sollte.

Die im Jahr 1960 vorsichtig begonnene Internationalisierung des österreichischen Heeres war in der Zwischenzeit zu einer selbstverständlichen Aufgabe der Streitkräfte geworden und durch die Politik, zwar wachsam und daher manchmal auch zögerlich, aber doch zukunftsgerichtet getragen worden. Im Rahmen der "Heeresgliederung 98" kam es in diesem Zusammenhang zur Einrichtung eines eigenständigen Kommandos für Internationale Einsätze, das die qualitative Parallelität der Aufgabenstellung zwischen Inlandseinsätzen und Auslandseinsätzen augenscheinlich machte.

Die somit eingenommene Struktur umfasste also zwei Korpskommanden, das Kommando für Internationale Einsätze, neun Militärkommanden mit insgesamt 20 mobil zu machenden territorialen Milizbataillonen, drei Jägerbrigaden sowie zwei Panzergrenadierbrigaden. Der dazu erforderliche Streitkräfteumfang reduzierte sich von 150.000 auf 110.000 Mann Mob-Stärke. Damit war die 1991 begonnene Umstrukturierung des Heeres abgeschlossen.

Der Weg in die Zukunft

Zwischenzeitlich und v.a. im Anschluss an diese Reform hatte die beginnende Berufsheerdiskussion zwangsläufig wieder eine Dienstzeit-Diskussion hervorgerufen, wobei in den Jahren 2000/2001 eine Expertenkommission den möglichen Umstieg auf ein "Freiwilligenheer" analysierte. Das ernüchternde Ergebnis zeigte als Alternativen den Weg zur größenmäßigen Marginalisierung des Heeres oder zu einem enormen finanziellen Aufwand, dessen Erfüllung nach den bisherigen Erfahrungen nicht erwartet werden konnte. Es wurde daher in eindeutiger Weise empfohlen, die allgemeine Wehrpflicht beizubehalten.

Durch die völlige Neuorientierung der europäischen Sicherheitspolitik und den EU-Beitritt Österreichs 1995 sowie der Internationalisierung von Konflikten seit den kriegerischen Auseinandersetzungen am Balkan (somit direkt in Europa) entwickelte sich das strategische Denken in Österreich in eine Richtung, die mit dem Begriff "Globalisierung" zu umschreiben ist. Dies beinhaltete in letzter Konsequenz die Erkenntnis, dass Krisen außerhalb des eigenen Staatsgebietes nicht zu ignorieren und deren Auswirkungen im eigenen Umfeld nicht abzuwarten wären, sondern dass diese möglichst an ihrem Ursprung befriedet werden müssten.

Damit waren erneut die militärischen Strukturen zu analysieren und auf ihre Tauglichkeit zum Wirksam-Werden in der internationalen Krisenszenerie zu überprüfen. Ein neuerlicher Planungsprozess wurde ausgelöst, der derzeit noch nicht abgeschlossen ist. Der erste Akt hiezu erfolgte schon Anfang des neuen Jahrtausends mit einer - fast revolutionären - neuen Spitzengliederung, die das bisherige österreichische Ministerialsystem durchbrach und im Jahr 2002 einen Generalstab formte, der Planungs-, Führungs- und Rüstungskompetenz in sich vereinte.

Damit verbunden war die Anpassung der Führungsspitze der Truppe, wobei v.a. die beiden Korpskommanden aufgelöst und zu einem Kommando der Landstreitkräfte zusammengefasst wurden. Die dadurch heimatlos gewordenen Korpstruppen wurden den Brigaden unterstellt, wodurch diese zusätzliche Kapazitäten auf dem Pioniersektor, bei der Artillerie sowie der mechanisierten Panzerabwehr erhielten und eine dementsprechende Aufwertung erfuhren.

An dieser Stelle seien noch drei weitere Bereiche angesprochen, die bisher nur gestreift bzw. kaum erwähnt wurden. Dies ist zunächst der Bereich Luftstreitkräfte, der in aller Kürze wie folgt zu beurteilen ist: Bereits mit Beginn des Bundesheeres wurden die Komponenten Luftraumüberwachung (aktiv und passiv), Transport und Fliegerabwehr aufgebaut und weitergeführt. Der Erfolg wurde gerade bei diesen Elementen in besonderer Weise durch das Budget bestimmt. Die passive Luftraumüberwachung erhielt - bedingt durch nationale und internationale Aufgabenstellung und Erwartungshaltung - eine hervorzuhebende Förderung und zeigt eine dementsprechende ausgezeichnete Qualität. Der aktive Faktor in Form von Abfangjägern war eine ewige politische Kontroverse und konnte gerade so weit aufgebaut und aufrechterhalten werden, dass die wenigen Piloten in der Lage waren, eine minimale Schutzfunktion zu übernehmen sowie das erforderliche Wissen und Können zu erhalten und weiterzugeben. Erst durch die Terrorbedrohung der jüngsten Zeit ist die Notwendigkeit einer effektiven aktiven Reaktionsmöglichkeit im Luftraum im Wesentlichen unbeeinsprucht, wenn auch nach wie vor ungeliebt. Der Transportraum in Form von Hubschraubern war immer anerkannt und für "alle Fälle" erwünscht. Es bedurfte jedoch auch dabei immer wieder besonders schwer wiegender Naturereignisse, um die erforderliche Modernisierung auf einigermaßen geeignetem Stand halten zu können. Schwerere Flächentransporter unterstreichen erst seit kurzem die Bedeutung der Internationalisierung des Bundesheeres. Die Fliegerabwehr zog mit diesen Entwicklungsschritten in etwa mit und konnte erst nach der Jugoslawienkrise auf Lenkwaffen zugreifen.

Damit eröffnet sich ein kurzer Blick auf den zweiten Bereich, die budgetäre Lage. Diese ist weiterhin durch die innenpolitische Stimmung - und zwar im Wesentlichen bei allen Parteien - bestimmt, nämlich eine vorausschauende budgetäre Festlegung in Form von Zusagen zu vermeiden, um keinerlei Bindungen einzugehen und dabei das Heer auf einem Niveau zu halten, das gerade noch eine einigermaßen adäquate Einsatzbereitschaft ermöglicht.

Der dritte Aspekt hängt unmittelbar mit der Aufgabenerfüllung zusammen und betrifft die Qualität der österreichischen Soldaten und des damit verbundenen Ausbildungssystems. Vielleicht gerade durch die politischen Zwänge sah das Bundesheer seine innere - und von außen kaum beeinflusste - Chance darin, Innovation, Motivation, Improvisation, Kooperation und selbstlose Einsatzbereitschaft durch hoch qualifizierte Ausbildung zu einer prägenden Geisteshaltung zu machen, die bei allen bisherigen Einsätzen im Inneren und im internationalen Bereich höchste Anerkennung fand.

Leider schlug diese Anerkennung nie in budgetären Anstrengungen seitens der Regierenden zu Buche.

Das "neue" Heer

Die nunmehr in Bearbeitung befindliche Anpassung der Streitkräfte an die - weltweiten - sicherheitspolitischen Herausforderungen findet das Heer wieder einmal in dem schon eingangs erwähnten Spannungsfeld zwischen Entwicklung im Umfeld und politischer Einstellung im Inneren.

Die Entwicklung im Umfeld ist gekennzeichnet durch die schon dargestellte Globalisierung aller politischen Prozesse, dem der militärstrategische Bereich ebenfalls Rechnung zu tragen hat, sowie durch die Einbindung Österreichs in die EU, wobei es gilt, deren Politik, auch militärisch, mitzugestalten und mitzutragen. Die Einstellung im Inneren ist, wie schon erwähnt, bereits seit 60 Jahren ambivalent, da die Vorteile der Integration gerne angenommen werden, die Erfordernisse einer effizienten Sicherheitspolitik den militärischen Bereich aber dann auszuklammern versuchen, wenn das Budget oder gefährlicher werdende Einsätze gefordert wären. Diese Haltung wird der Politik insofern leicht gemacht, als auch innerhalb der Streitkräfte unterschiedliche Einstellungen zur Notwendigkeit der Internationalisierung einerseits und der Aufgabenstellung im Inneren andererseits, verbunden mit Fragen nach Bedeutung und Effizienz der Miliz, gegenübergestellt und - wie in solchen Fällen üblich - vielfach emotional statt rational behandelt werden.

Als zusätzlicher und wesentlicher Einflussfaktor auf die Streitkräftestruktur ist die politische Entscheidung anzusehen, die Dienstzeit von acht auf sechs Monate zu verringern. Damit verbunden wurden im Jahr 2004 die Truppenübungen für die Miliz ausgesetzt, eigenständige Milizverbände soll es aber gemäß den Empfehlungen der Bundesheerreformkommission weiter geben. Es wäre nunmehr sinnvoll, dass die Milizsoldaten als bedeutender Faktor des Einsatzheeres - was im Prinzip ja immer ihr Zweck gewesen ist - gemeinsam mit dem Berufskader besondere Integrationsbemühungen in den präsenten Verbänden entfalten.

2005 dürfte somit ein Heer sehen, das quantitativ auf etwa 50.000-60.000 Mann reduziert wird, wobei die noch bestehende Territorialorganisation mit eigenständiger und mobil zu machender Miliz zunehmend an Bedeutung zu Gunsten rasch einsetzbarer Kräfte verlieren wird. Darüber hinaus gehende Prognosen sollen im Rahmen dieser geschichtlichen Darstellung nicht erfolgen.

Zusammenfassung

Vorweg sei ein recht interessantes Phänomen aufgezeigt, dass sich nämlich - zwar von unterschiedlichen sicherheitspolitischen Betrachtungsweisen ausgehend, aber doch - ein Kreis in der Strukturierung der österreichischen Streitkräfte schließt. Anfänge bzw. derzeitige Ausformung der Organisation ähneln einander gewissermaßen in ihrer Ausrichtung auf möglichst hohe Präsenz bei möglichst unverzüglicher Einsatzbereitschaft. In der historischen Mitte dazwischen stehen zwei Strukturschritte, die zunächst eine eigenständige Verteidigung durch die Abhaltestrategie der Raumverteidigung und anschließend die Entwicklung zur Bewältigung der Globalisierungsaspekte zum Ziel hatten, wobei Letzteres weiter in die künftige Streitkräftegestaltung hinüberführt.

Im Gesamtbild zeigt sich also ein Heer, das zunächst bis 1955 in der B-Gendarmerie seine militärische Basisorganisation fand und aus dieser (glücklicherweise) in eine Streitkräftestruktur übergeleitet wurde, deren Brigaden-Organisation 1956 politisch abgesegnet wurde. Während der 60er-Jahre wurde das Schwergewicht auf möglichst präsente, mobile Brigaden, abgestützt auf eine neu aufgebaute Territorialorganisation (Militärkommanden) gelegt, um hauptsächlich gegenüber Krisen unverzüglich reaktionsfähig zu sein.

Unter dem Eindruck des Bedrohungsbildes der Blockkonfrontation in den 70er-Jahren wurde ein Weg eingeschlagen, der die eigenständige Abhaltung, das mögliche Heraushalten aus einem Konflikt - durch Raumverteidigung, verbunden mit einem umfassenden Milizsystem - zum Ziel hatte. Es handelte sich bei dieser Konzeption um den ersten wirklich ernst zu nehmenden Versuch, eine Strategie des zwischen den Blöcken liegenden neutralen Kleinstaates zu entwickeln (im Allgemeinen wurde dies aber kaum erkannt oder einfach nicht anerkannt). Selbst in dieser Struktur wurde jedoch auf rasch einsetzbare, präsente Kräfte (Bereitschaftstruppe) nicht verzichtet.

Diese Konzeption blieb bis in die 80er-Jahre gültig, bis sie durch restriktive Budgetentwicklung und sicherheitspolitische Umbruchsignale im europäischen Raum einen jähen Ausbaustopp erfuhr. In den 90er-Jahren trat die nunmehr wieder erforderliche rasche Reaktionsfähigkeit durch Mobilität und Flexibilität in vermehrter Präsenz und größtmöglichem Verzicht auf Mobilmachungsnotwendigkeiten in den Vordergrund; aus Gründen operativer "Rückgriffsmöglichkeiten" blieben 20 Territorialbataillone bestehen.

Seit 1960 wurde die Internationalisierung - zunächst vorsichtig über UNO-Truppen, dann aber v.a. durch die Einbindung in die EU - zielstrebig vorangetrieben (Schaffung eines eigenen Kommandos für Internationale Einsätze im Jahr 1998).

Die Spitzengliederung wurde durch die Schaffung eines Generalstabes den internationalen Führungsinstrumentarien angepasst und nunmehr der Schritt gewagt, sich von einer "nationalen Streitkräftestruktur mit teilweiser Einpassung in die europäische Konzeption" zu einer "europäischen Streitkräftekomponente unter ergänzender Wahrnehmung nationaler Schutz- und Hilfe-Aufgaben im Inneren" zu entwickeln und dabei insbesondere den Herausforderungen der Globalisierung zu entsprechen.

Abschließend sei im Rückblick auf die vergangenen 60 Jahre festgestellt, dass die Streitkräfteentwicklung zwar jeweils von äußeren Gegebenheiten und Prämissen geprägt wurde und auch weiterhin beeinflusst bleiben wird, dass aber die tatsächliche innere Struktur der Streitkräfte immer vom Verstehen dieser Umstände sowie der damit verbundenen Innovationsfähigkeit der Soldaten dieses Heeres abhängt und letztlich vom Mut derselben getragen wird.

ANMERKUNGEN:

(Fußnote 1/FN1) Eine Darstellung der Entwicklung des Bundesheeres seit Beginn der Zweiten Republik in einem vorgegebenem begrenztem Umfang birgt einerseits das Problem, dass viele Einzelaspekte und Detailverästelungen unberücksichtigt bleiben müssen, bringt andererseits jedoch den besonderen Vorteil einer straffen Zusammenschau mit der Möglichkeit, Tendenzen und Strömungen verfolgen und Entwicklungen in einem Gesamtrahmen besser beleuchten zu können. Damit verbunden kann somit auch das Verständnis für den Gang der geschichtlichen Ereignisse geweckt und Einsicht in Hintergründe gegeben werden.

(FN2) Die geopolitische Lage eines Staates hat einen nahezu absolut bestimmenden Einfluss auf seine politische Entwicklung, da die Erwartungshaltung seines Umfeldes und dessen Interessen - immer in irgendeiner Form mit Machtentfaltung verbunden - prägend wirken.

(FN3) Man beachte - aus heutiger Sicht - die damaligen zunächst durchaus realistischen Ansätze zu einer Dienstzeit-Festlegung einerseits und den Ursprung der bis heute wirksamen Budgetmisere andererseits.

Friedrich Hessel

Geb. 1941; General i. R.; Nach Abschluss der Mittelschule 1960 Eintritt in das österreichische Bundesheer (in Landeck/Tirol), 1964 Ausmusterung zum Infanterieoffizier als Jahrgangserster, 1964 bis 1969 Ausbildungsoffizier an der Jägerschule in Saalfelden, 1969 bis 1972 Generalstabsausbildung, 1972 bis 1980 Taktiklehrer, ChdStb und StvKdt der TherMilAk sowie Kdt PzB 33 in Zwölfaxing, 1980 bis 1983 Stv Leiter der Generalstabsabteilung, 1983 bis 1990 Leiter der Ausbildungs- und Vorschriftenabteilung, 1987/88 unterbrochen durch Auslandsverwendung als ChdStb und StvKdt von UNDOF in DAMASKUS, 1991 bis 1996 Leiter der Generalstabsabteilung, 1996 bis 2002 Leiter der Generalstabsgruppe A (Strukturplanung), ab 2000 gleichzeitig Stellvertretender Generaltruppeninspektor, 2002 letzter Dienstgrad General, Ende 2002 Ruhestand.



Ihre Meinung/your opinion/votre opinion: Ihre Meinung/your opinion/votre opinion
Die Heeresgliederung 1956.
(Zum Vergrößern anklicken !)

Die Heeresgliederung 1956.

Die Heeresgliederung 1962.
(Zum Vergrößern anklicken !)

Die Heeresgliederung 1962.

Die Heeresgliederung 1972.
(Zum Vergrößern anklicken !)

Die Heeresgliederung 1972.

Die Friedensgliederung in der Zeit der Raumverteidigung um 1983.
(Zum Vergrößern anklicken !)

Die Friedensgliederung in der Zeit der Raumverteidigung um 1983.

Heeresgliiederung NEU/Friedensorganisation 1992.
(Zum Vergrößern anklicken !)

Heeresgliiederung NEU/Friedensorganisation 1992.

Heeresgliederung 1992/Strukturanpassung 1998.
(Zum Vergrößern anklicken !)

Heeresgliederung 1992/Strukturanpassung 1998.

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle