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Raimund Fürst Montecuccoli und die Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf im Jahr 1664: Eine Bewährungsprobe Europas

von Hubert Michael Mader

Kurzfassung

◄ Die Schlacht von St. Gotthard/Mogersdorf war das einzige militärische Treffen der Neuzeit, an dem sich nahezu das "gesamte" Europa unter einer gemeinsamen Führung gegen die Bedrohung durch eine außereuropäische Macht, das Osmanische Reich, stellte. Dem Oberbefehlshaber Raimund Graf Montecuccoli gelang mit seiner Allianz aus kaiserlichen Truppen, rheinbündischen und französischen Kräften sowie Reichstruppen und Ungarn ein Abwehrsieg gegen das kräftemäßig überlegene türkische Heer unter dem Kommando des Großwesirs Ahmed Köprili.

Im anschließenden Frieden von Eisenburg zwischen Kaiser Leopold I. und der Türkei konnte dieser militärische Erfolg allerdings nicht umgesetzt werden. Die Festungen Neuhäusel und Großwardein gingen an die Pforte und der Kaiser musste den von den Türken protegierten Michael Apafi als Fürst von Siebenbürgen akzeptieren. Andererseits signalisierte dieser Frieden aber auch eine Wende der Machtverhältnisse, indem der Kaiser ab diesem Zeitpunkt einen Status der Ebenbürtigkeit gegenüber dem Sultan einnahm.

Für die Schlacht gab den Ausschlag, dass Montecuccoli immer im Mittelpunkt des Geschehens war, während sein Gegner die Schlacht aus der Entfernung lenken wollte, dass die Ausbildung und Bewaffnung des türkischen Heeres bereits veraltet waren und dass die Hochwasser führende Raab die Türken beim Ausspielen ihrer numerischen Überlegenheit behinderte. Montecuccoli spielte einen über seine beschnittenen Kompetenzen hinausgehenden aktiven Part und wurde so zum "geistigen Oberhaupt" multinationaler Streitkräfte.

Montecuccoli war in Österreichs Heer einer der verdienstvollsten und bedeutendsten Feldherren, dessen Ruhm allerdings schon bald von dem Prinz Eugens überstrahlt wurde. Seine Verdienste für die Reform der kaiserlichen Streitkräfte stehen außer Frage, ebenso wie seine strategisch-taktischen Planungen außerordentliches Lob von verschiedenster Seite ernteten. Sowohl als Feldherr als auch als Soldat bewies der aus Modena gebürtige Montecuccoli persönliche Tapferkeit und war immer ein "ritterlicher" Gegner; daneben war er ein glänzender Diplomat und Berater. Er war stets ein treuer Gefolgsmann des Kaisers, dessen Autorität er als unantastbar ansah.

Als 16-jähriger war Montecuccoli 1625 in die Dienste des Kaiserhauses getreten; trotz seiner adeligen Abstammung musste er sich aber im kaiserlichen Heer systematisch hochdienen, bis er dann in zahllosen Feldzügen die Karriereleiter bis zum Feldmarschallleutnant erklomm. 1680 verstarb Montecuccoli als bedeutender Feldherr und einer der Begründer der modernen Kriegskunst in Linz. ►


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Raimund Fürst Montecuccoli und die Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf im Jahr 1664: Eine Bewährungsprobe Europas

Die Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf war vielleicht das einzige militärische Treffen der Neuzeit, an dem sich nahezu das "gesamte" Europa unter einer gemeinsamen Führung einigte und gegen die Bedrohung durch eine außereuropäische Macht stellte. Alle Kriege, die folgten, bestanden aus dem Bündnis einzelner Staaten gegen das Osmanische Reich bzw. fanden zwischen europäischen Mächten statt. Dies könnte als Muster bis zum 20. Jahrhundert herhalten, mit Ausnahme von St. Gotthard-Mogersdorf.

Das Treffen bei St. Gotthard-Mogersdorf, Montecuccolis (zumindest in Österreich) wohl berühmteste Schlacht, stand lange Zeit im Schatten von 1683 und den darauf folgenden Jahren der systematischen Verdrängung der Osmanen aus Europa. Trotz des ruhmlosen Endes des Krieges von 1663/64 auf dem Verhandlungstisch darf aber nicht vergessen werden, dass dieser Krieg de facto wie de jure mit der Anerkennung der Ebenbürtigkeit des Kaisers gegenüber dem Sultan endete und bereits den ersten Schritt des Abstiegs der Hohen Pforte darstellte. Mit einem Wort: Ohne den Sieg bei St. Gotthard-Mogersdorf wäre schließlich der Triumph der kaiserlichen Truppen in den Jahren 1683 und danach kaum denkbar gewesen.

V.a. aber: Es war eine multinationale Schlacht, bei der die Allianz aus europäischen Staaten den (Abwehr-)Sieg davontrug. Trotz aller Probleme, die für die Allianz belastend wirkten, hatte sich "Europa" an diesem Tag bewährt.(Fußnote 1/FN1)

Raimund (Raimondo) Graf Montecuccoli: Biografie

Wenn wir die Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf betrachten, kommen wir nicht umhin, Raimund Graf Montecuccoli als dem eigentlichen "Vater" des Sieges unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Es sei darum eine kurze Biografie Montecuccolis dieser Arbeit vorangestellt.

Raimund Graf Montecuccoli war Herzog von Melfi und Reichsfürst. Weiters wirkte Montecuccoli als General-Lieutenant (Generalissimus) sowie als Präsident des Hofkriegsrats und General-Artillerie-Direktor. Daneben hatte er die Funktionen eines kaiserlichen Kämmerers und des Präsidenten der Leopoldischen Akademie der Naturforscher inne. Montecuccoli trug u.a. die Auszeichnungen eines Geheimen Rates sowie eines Ritters vom Goldenen Vlies. Die adelige Familie Montecuccoli aus dem Raum des Apennin ist bereits seit 1060 urkundlich belegbar. Sie wurde schließlich im Jahre 1450 in den Grafen- und von Kaiser Karl V. im Jahre 1530 in den Reichsgrafenstand erhoben. Raimund Montecuccoli erhielt endlich im Jahre 1651 den Fürstenstand zugesprochen. Mit der Vertreibung des modenaischen Herzogs nach Österreich (1859) kam zugleich der Zweig Montecuccoli degli Erri (Namensvereinigung nach Heirat 1724) ins Kaiserreich. Eine andere Linie führte nach Heirat (um das Jahr 1619) den Zunamen Laderchi.(FN2) Am 21. Februar 1609 kam Raimund Montecuccoli auf dem Schloss Montecuccolo bei Modena auf die Welt und verstarb am 16. Oktober 1680 in Linz. Montecuccoli konnte als hervorragender Feldherr und als ein Begründer der neueren Kriegskunst von sich sprechen lassen. Er konnte aber auch als (kaisertreuer) Politiker und Verfasser vieler (militär-)historischer Werke in den Vordergrund treten. Montecuccoli erhielt eine traditionell ritterliche Erziehung. Seine erste Ausbildung bestand aus sprachlichen und klassischen Studien.(FN3) Raimund Montecuccoli trat als 16-Jähriger im Jahre 1625 in die Dienste des Kaisers. Ein Umstand war prägend für die Entwicklung seines Wissens und Charakters: Er musste sich - ungeachtet seiner Abstammung von einem glänzenden Adelsgeschlecht Mittelitaliens - vom einfachen Krieger im kaiserlichen Heere systematisch "hochdienen". Mit anderen Worten: Montecuccoli lernte die Pflichten und Sorgen eines Soldaten "von der Pike auf" kennen. So bestimmte es sein Verwandter Graf Ernst Montecuccoli. Dieser war seit der Schlacht bei Prag im Jahre 1620 in Heereskreisen bekannt (der Feldzeugmeister und Kapitän der Garde erlag schließlich einer siebenfachen Verwundung nach der Befreiung von Breisach im Jahre 1633).

In den Jahren 1625-33 focht Montecuccoli in Schlesien, in den Niederlanden, in West- und Norddeutschland. Während dieser Zeit war er bald bei den Fußtruppen, bald bei der Reiterei eingeteilt und musste sich jeder Beförderung würdig erweisen. Er interessierte sich von allem Anfang an für den Dienst zu Pferde. Dennoch verkannte Montecuccoli nicht den Wert der Fußtruppen und der Disziplin. Ganz in diesem Sinn wirkte Montecuccoli später als Kommandant auf seine Kürassiere ein. Sie folgten im Jahre 1634 bei Nördlingen "seinem Beispiele mit Bravour", und 1635 landete er (als Oberstleutnant) mit 200 abgesessenen (!) Reitern durch einen Handstreich einen entscheidenden Schlag gegen die Besatzung des belagerten Kaiserslautern. Montecuccoli wurde für diese Tat zum Obristen befördert und erhielt ein Kürassierregiment verliehen. Er führte es in der folgenden Zeit ruhmvoll von Erfolg zu Erfolg.

Im Jahre 1639 wurde Montecuccoli mit seinen Kürassieren in den Gefechten bei Melnik und Brandeis eingesetzt. Gegen seine im Kriegsrat vertretene Meinung nahm General Hofkirchen die Schlacht an und schlitterte in eine Niederlage. Montecuccoli selbst wurde am linken Arm verwundet und geriet in schwedische Gefangenschaft. Rund zweieinhalb Jahre brachte er in Stettin und Weimar als Kriegsgefangener zu. Montecuccoli wurde jedoch seinem Rang und seiner Abstammung entsprechend von Schweden mit allem gebührenden Respekt behandelt. In der Bibliothek zu Stettin studierte er eifrig rechtsgelehrte, philosophische und naturwissenschaftliche Werke sowie die Geschichtsbücher des Tacitus. Am meisten interessierten ihn aber die kriegstheoretischen Schriften. Hier entwickelte Montecuccoli den Plan zu seinem berühmten Werke über die Kriegskunst und brachte mit beispielgebender Klarheit und Bestimmtheit die wesentlichen Grundsätze des Kriegswesens zum Ausdruck. Im Jahre 1642 wurde Montecuccoli gegen einen schwedischen Obristen ausgetauscht und kehrte wieder zum kaiserlichen Heer zurück.

In diese Zeit fiel ein bedeutsames Duell zwischen ihm und General Hofkirchen. Zuvor gab es einen heftigen Streit über die Schuld am Verlust der Gefechte bei Melnik und Brandeis. Montecuccoli (dem fälschlicherweise die Schuld zugeschoben wurde) forderte von Hofkirchen Genugtuung. Der Kampf war nur kurz und Montecuccoli entwaffnete seinen Gegner. Dann versöhnte er sich wieder mit ihm.(FN4) Montecuccoli rückte noch im Jahre 1642 wieder gegen den Feind vor und hatte der zum Entsatz von Brieg bestimmten Armee von Erzherzog Leopold mit 2.000 Reitern den Weg frei zu bahnen. Seine zu diesem Zweck getroffenen Maßnahmen waren von großen Erfolgen begleitet. Nach geschickt verheimlichten Märschen überraschte Montecuccoli ein schwedisches Korps bei Troppau und schlug es entscheidend. Als Folge dieser Niederlage musste sich Torstenson zur Aufhebung der Belagerung von Brieg entschließen.

Der Kaiser beförderte daraufhin Montecuccoli zum General-Wachtmeister und entsandte ihn im Winter 1642/43 zum Herzog von Modena (Francesco I.). Als (provisorischer) General der Kavallerie von Modena griff Montecuccoli in die Kämpfe um das Herzogtum Castro ein und tat sich als kluger Feldherr hervor. Für seine Verdienste wurde er zum modenaischen Feldmarschall erhoben. Somit hätte Montecuccoli in Modena (seinem "Vaterland") den höchsten militärischen Rang eingenommen. Sein Tatendrang konnte allerdings im kaiserlichen Heer auf größere Erfüllung rechnen, und daher kehrte er auf Wunsch des Kaisers nach Wien zurück.

Im Jahre 1644 rückte er zum Feldmarschall-Lieutenant und Hofkriegsrat vor. Zu Beginn des Jahres 1645 stand Montecuccoli neuerdings in Schlesien und machte mehrere fast gänzlich aufgelöste Regimenter wieder kampfbereit. Mit diesen auf 5.000 Mann gebrachten Truppen marschierte Montecuccoli im Juni an die Donau zur Armee des Erzherzogs Leopold. Er verstärkte bei dieser Gelegenheit die Besatzung von Brünn. Im Heer des Erzherzogs Leopold kämpfte Montecuccoli gegen den Fürsten von Siebenbürgen und schließlich gegen den in Schlesien eingebrochenen General Wittenberg. Montecuccoli tat sich dabei v.a. als Meister des "kleinen Krieges" hervor.(FN5) Montecuccoli stand im Rufe der besonderen Tapferkeit und Tüchtigkeit, sodass Kaiser Ferdinand III. auf ihn zurückgriff, als es galt, "dem größten Kriegsmeister seiner Zeit, dem großen Turenne", die Stirn zu bieten. Dieser war, gemeinsam mit den Schweden, ins Reich vorgestoßen und bedrohte Böhmen (1647). Montecuccoli folgte (als General der Kavallerie) General Melander (Holzapfel), um dessen Unternehmungen zu unterstützen. General Melander fiel im Jahre 1648 bei einem unglücklichen Treffen, und Montecuccoli (nun als Oberbefehlshaber) musste den Rückzug antreten. Dabei erwies er sich als Taktiker ersten Ranges: "Obwohl der Feind den Sieg erfochten, sollte er doch die Frucht desselben nicht genießen. Montecuccoli führte seinen Rückzug in so meisterhafter Weise aus, dass selbst der Feind sein Bewunderer wurde, und dieser Rückzug, der von Strategen einem Sieg gleichgestellt wird, ist eines der schönsten und lehrreichsten Blätter der Kriegsgeschichte." (FN6) Bei den Friedensverhandlungen 1648 wurde Montecuccoli als kaiserlicher Bevollmächtigter der Beratungen über die Feststellung der militärischen Demarkationslinie abkommandiert. Was nicht zuletzt das Vertrauen Ferdinands III. in die diplomatischen Fähigkeiten Montecuccolis beweist. Bis zum Jahr 1657 wurde er wiederholt in kaiserlichen Vertrauensmissionen nach Regensburg, Augsburg, Flandern, England und Schweden entsandt. In Schweden erhielt Montecuccoli durch Königin Christine einen ehrenvollen Empfang. In jene Zeit fielen auch mehrere Privatreisen Montecuccolis. In Modena errang er in einem Turnier den ersten Preis. Jedoch ereignete sich zugleich ein tragischer Zwischenfall: Er tötete seinen Freund durch einen Lanzenstich. Dennoch unterstreicht die Turnierteilnahme den ritterlichen Wesenszug in Montecuccolis Charakter, trotz aller Offenheit für die moderne Taktik. Im Jahre 1657 schloss Montecuccoli die Ehe mit der Gräfin Margarethe Dietrichstein. Noch in demselben Jahr rief ihn allerdings ein neuer Kriegsschauplatz. Der so genannte zweite Nordische Krieg forderte seinen ganzen Einsatz.

Dann ergab sich im Leben Montecuccolis insofern eine entscheidende Wende, als er 1661-64 Gouverneur von Raab wurde und somit als Oberbefehlshaber des ganzen Grenzgebiets nach Ungarn hin mit kaum 25.000 Mann die (in bedeutender Übermacht) vordringenden Osmanen aufzuhalten hatte. Dies ist ihm in den ersten drei Jahren allerdings nur vorübergehend gelungen. Denn sein Talent als Feldherr fand in der Lauheit und Widerspenstigkeit der ungarischen Stände wie auch in der (schädlichen) Einflussnahme von Wien aus ihre Grenzen. Im Herbst des Jahres 1663 drangen die Türken sengend und brennend bis in die Steiermark und an die Grenzen Mährens vor. Montecuccoli konnte - aller Mittel beraubt - den Krieg nicht mehr fortsetzen und legte sein Kommando nieder. Doch im Jahre 1664 rief Kaiser Leopold I. Montecuccoli abermals an die Spitze des Heeres in Ungarn. Zuvor schon hatte dieser den Reichstag zu Regensburg um dringlichste Reichshilfe angefragt und diese auch zugesagt bekommen. Mitte Juli traf dann die Verstärkung auch ein.

Nach mehreren kleineren Gefechten kam es schließlich bei St. Gotthard-Mogersdorf zur entscheidenden Schlacht, bei der Montecuccoli nach siebenstündigem Gefecht den Sieg über Großwesir Achmed Köprili errang. Montecuccoli wurde als der "Retter Österreichs und der Christenheit" gefeiert.(FN7) Mit dem Sieg bei St. Gotthard-Mogersdorf hatte Montecuccoli die höchste militärische Karrierestufe erreicht: Er wurde von Kaiser Leopold I. zum General-Lieutenant (als Stellvertreter des Kaisers) befördert.

Montecuccoli gab einer "Vielvölker-Armee" letzten Endes den nötigen Zusammenhalt: Kaiserliche Truppen, rheinbündische und französische Kräfte sowie Reichstruppen und Ungarn kämpften kurzfristig vereint gegen die türkische Armee. V.a. aber wird eines ersichtlich: Montecuccoli hatte das Heerwesen der Türken ebenso gut studiert wie früher das der Schweden.

Danach verbrachte Montecuccoli acht Jahre nach seinem Erfolg bei St. Gotthard-Mogersdorf in Frieden und fern jedes Kampfgetümmels. Sein Scharfblick und diplomatisches Können ließen ihn immer wieder diplomatische Missionen im Auftrage Kaiser Leopolds I. unternehmen. Auch konnte er sich in stärkerem Ausmaß den Wissenschaften zuwenden. Im Jahr 1668 wurde Montecuccoli vom König von Spanien zum Ritter vom Goldenen Vlies erhoben. Der Kaiser machte ihn im gleichen Jahr zum obersten Direktor der Artillerie und Präsidenten des Hofkriegsrates. In seiner Funktion als Präsident des Hofkriegsrates (vereint mit den Agenden eines Ministers des Äußeren für türkische Angelegenheiten) sorgte Montecuccoli intensiv für eine Steigerung der Kampfbereitschaft des Heeres. Allerdings wurde seine Tätigkeit schon im Jahre 1672 unterbrochen, und er zog wieder, diesmal gegen Frankreich, einen weiteren "Erbfeind" des (habsburgischen) Kaisers, zu Felde.

Im Krieg gegen die Türken hatte Montecuccoli die Franzosen als tapfere Kämpfer gelobt, dennoch forderte er nun die energische Niederwerfung Frankreichs als das einzig richtige Ziel der kaiserlichen Politik. Andernfalls bliebe das ganze Heilige Römische Reich Deutscher Nation ständig in einer gewissen Abhängigkeit von Frankreich. Es kam auch tatsächlich zu einem Bündnis mit Brandenburg gegen die französischen Expansionsbestrebungen. Allerdings stießen Montecuccolis weitere Vorschläge auf taube Ohren. So war die Armee unvollständig und mangelhaft ausgerüstet. Es ist also kein Wunder, wenn der durch den Rheinübergang Turennes in Aktion gesetzte Feldzug ohne Erfolg für die kaiserlichen Waffen blieb.(FN8) Auf Grund von Montecuccolis durchdachten Maßnahmen hielten sich aber die Verluste in überschaubarem Rahmen. Montecuccoli hatte die militärische und politische Lage zwar richtig erfasst - es fehlten ihm aber die erforderlichen Mittel zur Umsetzung. Zu Anfang des Jahres 1673 entschied Montecuccoli in Nürnberg (wo er sich vorübergehend zur Genesung wegen seiner angegriffenen Gesundheit aufhielt) über das weitere künftige Vorgehen gegen Turenne. Er hatte nun endlich für die Führung seiner Operationen freie Hand. Und Montecuccoli brachte den Feldzug dieses Jahres schließlich "mit Kühnheit, Gewandtheit, Scharfsinn, mustergültiger Ausnützung aller Umstände" zu dem erwünschten Ziel. Am Feldzug von 1674 nahm er nicht teil - "und diese seine Abwesenheit wurde durch einen der glänzendsten Siege Turennes der Nachwelt gekennzeichnet".(FN9) Im Jahr 1675 führte Montecuccoli abermals das Oberkommando und bedrängte vier Monate lang Turenne am Rhein. Auch diesmal zeigte er sich "…unübertrefflich in der Kunstfertigkeit damaliger Kriegführung, die den Gegner nicht direkt im offenen Kampfe zu schädigen und zu beugen suchte, sondern dies durch glänzende strategische Maßnahmen, täuschende Märsche, geschickte Umgehungen, ausdauerndes Festhalten unangreifbarer Stellungen etc. zu erreichen bestrebt war und die Entscheidung erst dann den Wechselfällen der Schlacht anheim gab, wenn diese unvermeidlich geworden". Montecuccoli zwang auf diese Weise die Franzosen (nach dem Tode Turennes) zum Rückzug über den Rhein. Bei Altenheim stand Montecuccoli "zum letzten Male im Feuer" und siegte. Dann aber musste Montecuccoli, "körperlich in hohem Grade leidend", den Kriegsschauplatz für immer verlassen.(FN10) Stärker werdende Gichtanfälle nötigten ihn, für sich größere Ruhe in Anspruch zu nehmen. "Geschwächte Gesundheit, zunehmendes Alter boten genug Anlass, ihm die erbetene Beurlaubung zu gewähren." (FN11) Der Krieg mit Frankreich selbst fand im Frieden von Nijmwegen (1679) sein Ende.

Doch nun widmete sich Montecuccoli (bis zu seinem Lebensende) mit Nachdruck seinen Geschäften als Präsident des Hofkriegsrates. Er sah besonders in der leistungsfähigeren Gestaltung der Armee seine primäre Aufgabe. In diesem Sinne formierte Montecuccoli die verschiedenen Waffengattungen neu. Er errichtete die Grenadiere als "Elitetruppe" und verringerte die Zahl der Pikeniere.(FN12) Ebenso wie die von ihm durchgeführte Neustrukturierung bedeuteten auch die Ansätze zur Systematisierung und Vereinheitlichung in der Waffenproduktion einen Wandel im kaiserlichen Heerwesen. Es war der Beginn der österreichischen Waffenproduktion in Steyr. Montecuccoli forcierte die Ablösung der schweren Musketen durch leichtere Gewehre mit neuartigem Zündmechanismus.

Eine seiner bedeutenden Taten war die Einführung des stehenden Heeres in der Habsburger-Monarchie. Montecuccoli kannte das Problem mit Heeren, die man nach einem Krieg nahezu gänzlich auflöste, um sie beim nächsten Waffengang neu zu bewerben, aus eigener, leidvoller Erfahrung. Der Fall der Reichstruppen in der Schlacht bei St. Gotthard-Mogersdorf war nur eines von vielen Beispielen. Die Soldaten, so gab sich Montecuccoli überzeugt, mussten ständig einsatzbereit und geübt in den verschiedensten Waffen sein. Und schließlich: Die Soldaten sollten stolz auf ihren Stand sein und ihre neue (Lebens-)Aufgabe als "Ehrenpflicht" betrachten.

Montecuccoli beendete sein Leben mit einem schweren Unfall: Im Jahre 1680 wurde er in Linz durch einen herabstürzenden Balken am Kopf schwer verletzt. Dieses tragische Ereignis beschleunigte zweifelsohne seinen Tod. Montecuccoli starb am 16. Oktober 1680. Er ließ bei seinem Tod drei Töchter und einen Sohn zurück. Mit seinem Sohn Leopold Philipp starb im Jahre 1698 die fürstliche Linie aus. Dagegen konnte sich die gräfliche Linie "Montecuccoli-Laderchi" mit dem Zweig der Marquese Montecuccoli di Guiglia e Marano (in Italien: Marquese Montecuccoli di Polignago) weiterer Nachkommen erfreuen. Aus dem Hause Laderchi stammte auch Graf Albert (1802-52): Er war 1848-49 österreichischer Staatsminister und später Chef der 1. Sektion im Ministerium des Inneren.(FN13)

Die Schlacht bei St. Gotthard-Mogersdorf: ein Abwehrsieg des Abendlandes

Wir wollen uns nun jener Schlacht zu wenden, die Montecuccolis Berühmtheit im österreichischen Raum begründet hat: der Schlacht gegen die Türken bei St. Gotthard-Mogersdorf vom 1. August 1664. Die Schlacht nimmt einen fixen, wenn auch oft nicht in ihrer ganzen Bedeutung erkannten Punkt in der österreichischen Geschichte ein. Die Bezeichnung des Sieges von 1664 sollte genau genommen lauten: "Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf", da um die Ortschaft Mogersdorf schwere und auch (vor-) entscheidende Kämpfe ausgetragen wurden.(FN14) Sehen wir auf die Landkarte und betrachten wir Ungarn in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts: Der Großteil Ungarns war osmanische Provinz, nur der Westteil gehörte den Habsburgern (die ihn fortan "Königliches Ungarn" nannten, um ihren Anspruch auf Gesamtungarn aufrechtzuerhalten).(FN15) Da es jedoch keine klaren Trennlinien gab, waren Scharmützel an der Tagesordnung. Auf dem türkischen Teil gab es Gebiete, in denen weiterhin christliche Richter nach österreichischem Recht urteilten, und es waren nicht wenige Untertanen, die weiterhin für ihre ungarischen Herren fronen mussten. Auf der "österreichischen" Seite wiederum zahlten nicht wenige Dörfer ihre Steuern an die Osmanen, weil sie nur dadurch von türkischen Streifzügen verschont blieben. Zwischen dem Kaisertum und dem Osmanischen Reich gab es seit fast einem halben Jahrhundert eine besondere Übereinkunft: "Wenn keine Kanonen und förmliche Heere eingesetzt werden, waren beide Seiten übereingekommen, herrsche auch kein Kriegszustand. Unterhalb der Schwelle aber war alles erlaubt, und das hieß tägliche Metzeleien." (FN16) Auf ihrer Seite hatten nun Österreicher wie Ungarn eine Vielzahl von Burgen und Festungen zu ihrem Schutz errichtet. Seit 1662 lagen in den Grenzburgen zu deren Schutz etwa 18.000 deutsche Söldner, die wiederum die ungarische Bevölkerung sehr drangsalierten. Zog es wenigstens die kaisertreuen Ungarn im Krieg gegen die Türken zu Leopold I. hin, so hassten sie doch die deutsche Soldateska. Die Ablehnung der Osmanen wie der Deutschen war es, die zur Einigung der ungarischen Bevölkerungsgruppe führte.

Wenden wir uns dem Türkenkrieg 1663/64 zu, dann sehen wir, dass als unmittelbarer Auslöser die Lage in Siebenbürgen ("siebenbürgische Frage") diente. Fürst Georg II. Rákóczy schloss gegen den Befehl von Sultan Mehmed IV. (seinem "Oberherrn") ein Bündnis mit Schweden im Krieg gegen Polen (um die polnische Krone zu erobern). Darauf ergriff der Sultan Maßnahmen gegen den unbotmäßigen Fürsten. Dieser hatte sich auf die schwedischen Truppen verlassen, doch dann zogen die Schweden ihre Truppen aus Polen zurück (nun gegen die Dänen), und Rákóczy stand allein den Gräueltaten der Tataren gegenüber, die der Großwesir Achmed Köprili zur Niederwerfung Siebenbürgens schickte.

In seiner Verzweiflung rief der Fürst den (kaum geliebten) Kaiser um Hilfe, worauf nun Köprili ein türkisches Heer gegen die Rebellen warf, das im Mai 1660 die Truppen Rákóczys restlos besiegte. Der Fürst selbst wurde getötet.(FN17) Kaiser Leopold I., der zu Lebzeiten des Fürsten dessen Anliegen passiv gegenüberstand, fürchtete nun die totale Kontrolle der Pforte über Siebenbürgen und die unmittelbare Besetzung von dessen Festungen durch die Türken. Was diese zudem vorhatten, war nicht nur eine Verletzung der alten Fürstenwahlfreiheit der Siebenbürger (so sollte der von der Pforte aufgestellte Fürst Michael Apafy der Bevölkerung aufgezwungen werden), sondern zugleich eine schwere Bedrohung des habsburgischen Ungarn. Auf Befehl des kaiserlichen Hofkriegsrates wurde der General der Kavallerie Raimund Montecuccoli mit der Hilfe für Siebenbürgen beauftragt. Der Sultan ließ im Gegenzug am 18. April 1663 in Istanbul den Krieg gegen die "Ungläubigen" proklamieren.

Wir wollen nun die weiteren Ereignisse übergehen und darauf hinweisen, dass sie in der angegebenen Literatur im Detail festgehalten werden.(FN18) Dass Wien selbst im Jahr 1663 eine Belagerung durch das osmanische Heer erspart geblieben ist, darf wohl auf ein Zusammenspiel mehrerer Gründe zurückgeführt werden, wovon das andauernde Schlechtwetter und eine Überschätzung des Wiener Befestigungspotenzials die wohl wichtigsten sind. Zur weiteren Auswahl standen dem osmanischen Heer überdies noch die Schlüsselfestungen Neuhäusel respektive Raab.(FN19) Schließlich wurde die Festung Neuhäusel von den Türken belagert und eingenommen.

Zahlreiche Hiobsbotschaften flogen dem Marsch des osmanischen Heeres voraus, v.a. über den Fall der für Wien militärisch wichtigen Festung Neuhäusel wie auch weit übertriebene Meldungen über die osmanische Stärke (300.000 Mann!). Jedenfalls wurden nicht nur die Bewohner der für einen Angriff in Frage kommenden Gebiete in Panik versetzt, sie ergriff auch Wien und darüber hinaus Teile des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. In dieser verzweifelten Situation schmiedete Kaiser Leopold I. auf dem so genannten immer währenden Reichstag von Regensburg eine "europäische" Koalition gegen das Osmanische Reich, einen "Erbfeind" des Kaisers. Diese Allianz setzte sich neben den kaiserlichen Truppen hauptsächlich aus Reichstruppen (Markgraf Wilhelm von Baden), einem deutschen Rheinbundkorps(FN20) (Kommandant: Graf von Hohenlohe) und einem französischen Hilfskorps (Kommandant: Graf Coligny-Saligny) zusammen.(FN21) Ein kleines ungarisches Korps (unter Franz Nádasdy) hatte Vorhut- und Absicherungsaufgaben zu lösen, nahm aber später an der Schlacht selbst nicht teil.(FN22) Ein besonderes Gewicht muss weiters den finanziellen Hilfen des Papstes Alexander VII. und Spaniens beigemessen werden.(FN23) Wenden wir uns kurz den Begriffen "Europa" und "Christenheit" zu. Schon im 15. Jahrhundert war der Begriff "Europa" kaum mehr mit jenem der "Christenheit" gleich zu setzen. "Europa" hatte sich in eine pluralistische Staatenwelt verwandelt, die von Humanismus und Renaissance weit gehend säkular gefärbt war. Dennoch konnte sich noch immer eine sehr große Mehrheit mit dem Begriff "Christenheit" identifizieren. V.a. war es Pius II. (Aeneas Sylvius, als Papst 1458-64), der sich für das Bekenntnis zu dem "einen" (christlichen) Europa mit ganzer Kraft einsetzte. Er war es, der den Völkern Europas jenes "Europa, id est patria ... nostra" zurief und ihnen dabei gleichsam als "Bewohner eines Vaterlandes gegenüber dem im Zeichen asiatischer Despotie anstürmenden Islam" die Pflicht zum Widerstand vor Augen hielt.(FN24) Das Kaiserhaus der Habsburger nahm grundsätzlich eine "übernational-christliche" Einstellung ein und kannte keine nationalen Vorurteile bei seiner Aufgabe, die "Christenheit" zu verteidigen.

Das Verhältnis zwischen Österreich und Frankreich wies trotz aller Rivalitäten hinsichtlich der osmanischen Frage bis zu Ludwig XIV. deutliche Gemeinsamkeiten auf. Zum Zeitpunkt des Krieges 1663/64 war diese Haltung aber bereits über ein Jahrhundert alt und im Begriff, ein Auslaufmodell zu werden. Leopold I. war ursprünglich in der Frage einer Beteiligung Frankreichs an der Allianz skeptisch bis ablehnend eingestellt. Schließlich nahm sie der Kaiser widerstrebend an und erkannte mit dem Rheinbund, einer 1658 gegründeten Vereinigung zwischen habsburgerfeindlichen Fürsten, Schweden und Frankreich (die "französische" Partei), ein "Reich im Reiche" an. Ludwig XIV. wiederum erhöhte "huldvollst" die Stärke des französischen Korps auf 6.000 Mann: 4.000 Mann Infanterie, 2.000 Mann Kavallerie. Zu dem Korps kamen noch rund 150 hochadelige Freiwillige aus alten französischen und burgundischen Kreuzfahrerfamilien.(FN25) Es sei also hier unmissverständlich festgehalten: Der französische König hatte alles andere als "dem Kaiser zuliebe" seine Truppen entsandt (wenn auch ihr Einsatz für Kaiser Leopold I. gerade richtig kam), "sondern um den Rheinbündlern und allen anderen Reichsgliedern als Protektor der ‚teutschen Libertät’ (liberté germanique) und Integrität zu imponieren, im Hinblick auf spätere Pläne unentbehrlich zu werden". Daneben sammelten die Franzosen Erfahrung "im Kampf gegen den Türkenfuror". Weiters hatten sie das Ziel, sich (indirekt) "mit den Kaiserlichen zu messen und dabei auch ‚intelligence’ (Ausspähung) zu betreiben". Daraus folgt aber, dass damals zufällig, aus der Sachlage heraus, "die Interessen von Kaiser, Reich, Rheinbund und Sonnenkönig, ja die Interessen Europas selbst zeitweilig und weitgehend" zusammenfielen.(FN26) Werfen wir zur Abrundung noch einen kurzen Blick auf das Königreich Schweden. Die Schweden beteiligten sich mit je zwei Kompanien Fußtruppen und Kürassieren an dem Feldzug.(FN27) Das aber heißt: Mit Schweden und Frankreich waren zugleich die ansonsten "traditionellen" Feinde des römisch-deutschen Kaisers (und im eigentlichen Sinne Österreichs) Mitglied der Allianz.(FN28) Wenngleich sicherlich der Unterstützung durch die Schweden kaum mehr als symbolische Bedeutung zukam (und dazu Schweden wohl auch seiner Stellung im Rheinbund entsprechen wollte). Das Bündnis von 1664 war im wahrsten Sinne des Wortes eine Allianz des "christlichen Europa" gegen den Vorsturm des Islams. In diesem Zeichen stand auch das (kurzzeitige) "friedliche" Nebeneinander der Glaubenbekenntnisse. Beispiel: Katholische Priester und lutherische Prediger sorgten für das Seelenheil der Armee.(FN29) Wenn wir zum Vergleich das Osmanische Reich heranziehen, werden uns einige gravierende Unterschiede zur Situation im Abendland auffallen. Das Osmanische Reich entwickelte sich ausschließlich aus militärischen Eroberungen. Die Türken als Kriegervolk sahen in ihrer Interpretation des Korans und der Forderung nach dem unablässigen Kampf (Dschihad) gegen die "Ungläubigen" eine Bestätigung des Dranges nach neuen Eroberungen. Die Ausbildung im Militärdienst war für sie zugleich die vornehmste Beschäftigung. In diesem Sinne sahen die Türken im Religionskrieg zugleich die Voraussetzung zur Staatswerdung bzw. zur ständigen Vergrößerung des Staatsgebietes. Und die Kriege der Osmanen waren allesamt Religionskriege, also "heilige Kriege", bei denen, so ihr Glaube, auf die Gefallenen das Paradies (mit den köstlichsten Freuden) wartete.

Aus dieser Einstellung zum Krieg bzw. zur Eroberung resultiert nun ein großer Unterschied hinsichtlich der Aufstellung großer Armeen zwischen dem Sultan und dem Kaiser. Die Hohe Pforte konnte nicht nur auf eine autokratische Staatsform zurückgreifen, sondern auch auf ein Lehens- und Heerfolgesystem, die beide in die Frühzeit des Islams zurückreichten. Das bedeutete aber: Die Pforte war von Fragen der Ausrüstung und Verpflegung der Heere größtenteils enthoben. Somit konnte das Osmanische Reich auch nach Niederlagen noch immer eine (große) Armee aufstellen. Bei den kaiserlichen Heerführern lag hier die Situation bekanntlich etwas anders.(FN30) Raimund Graf Montecuccoli erhielt den Oberbefehl über die alliierte Armee im Süden Ungarns, die nunmehrige Hauptarmee. Feldmarschall de Souches führte hingegen die viel kleinere Nordarmee zur Deckung Oberungarns. Montecuccoli sollte durch sein Kommando zugleich gegen die verschiedenen aufgetretenen "Konfusionen" der Verbündeten wirken. Im Frühjahr 1664 erfolgte tatsächlich eine Offensive, doch die Belagerung von Groß-Kanizsa musste am 2. Juni wieder abgeblasen werden. Der Großwesir Achmed Köprili lenkte nun sein Heer (das damals wahrscheinlich auf über 100.000 Mann angewachsen war)(FN31) in Richtung Raabfluss. Eine der Möglichkeiten für ein Kriegsziel, das der Großwesir ins Auge fassen konnte, war es, nach einem Übersetzen der Raab weiter über Wiener Neustadt nach Wien (die Stadt des "Goldenen Apfels")(FN32) vorzustoßen.

Montecuccoli war nun zwar der Oberbefehlshaber, konnte aber die Gefechtsbereitschaft und die innere Ordnung der Korps kaum beeinflussen. Diesbezüglich waren die einzelnen Kommandanten verantwortlich. Das heißt: "Montecuccoli war also praktisch immer auf die Gutwilligkeit und die Zustimmung der anderen Kommandeure angewiesen, von denen jeder Sonderaufträge seines eigenen Souveräns, beziehungsweise des Reichstages zu Regensburg, zu berücksichtigen hatte." Dazu kam der Standpunkt des Prestiges: Montecuccoli war "nur" ein Graf und konnte daher schon auf Grund des Ranges Reichsfürsten und Herzöge kaum kommandieren.(FN33) Köprili hatte nicht zuletzt auf Grund der zahlenmäßigen Überlegenheit das Gesetz des Handelns an sich gerissen und zwang Montecuccoli, ihm ohne Unterbrechung auf dem Fuß zu folgen. Dessen Absicht war es nun, alle nur verfügbaren Truppen der Alliierten am nördlichen Raabufer zusammenzuziehen. So konnte Montecuccoli mit dem Vorteil der dazwischenliegenden Raab der osmanischen Übermacht Widerstand leisten.

Es ist hier leider nicht der Platz, die Schlacht bei St. Gotthard-Mogersdorf in ihren Einzelheiten zu schildern.(FN34) Im Folgenden soll ein kurzer Überblick nach R. Kiszling gegeben werden: "… Der Großwesir erreichte am 26. Juli südlich von Körmend das Ufer der Raab. Montecuccoli, der von dem Vorhaben des Großwesirs durch Kundschafter rechtzeitig Kenntnis erhalten hatte, eilte nun mit seiner gesamten Reiterei am nördlichen Raabufer nach Körmend. Er vermochte die Absicht der Türken zu vereiteln, die nun am Südufer nach dem von den Kaiserlichen verlassenen Städtchen St. Gotthard rückten und am 30. Juli dort ankamen. Montecuccoli führte seine Streitmacht auf dem Nordufer gleichfalls nach Westen und bezog bei Mogersdorf im Mündungswinkel der Lafnitz in die Raab eine durch die beiden Flüsse in der Ostflanke und in der Front geschützte Verteidigungsstellung. Am Westflügel standen die Kaiserlichen unter dem persönlichen Befehl des Feldmarschalls. Er hatte die Masse seiner Reiterregimenter unter dem Generalwachtmeister Graf (zum damaligen Zeitpunkt noch ‚Freiherr’, Anm. d. Verf.) von Sporck am äußersten Flügel vereinigt, östlich anschließend folgten die Reichstruppen unter Leopold von Baden sowie die deutschen Allianz-Truppen (Rheinbundtruppen, Anm. d. Verf.) Hohenlohes. Am Ostflügel standen die Franzosen.

Nachdem türkische Übergangsversuche östlich der Lafnitzmündung missglückt waren, beschloss der Großwesir, da er offenbar annahm, das vor ihm stehende kaiserliche Heer sei noch nicht ganz versammelt, bei Mogersdorf den Übergang zu erzwingen. Zuerst sollte der Stoß ins Zentrum unternommen werden.

Achmed Köprili ließ Geschütze in Stellung bringen, die nachts ein andauerndes, aber wenig wirksames Feuer gegen die deutschen Uferwachen und gegen die in der Mitte des Christenheeres stehenden Reichstruppen richteten. Gleichzeitig gingen Spahis und Janitscharen über den Raabfluss, vertrieben die Vorposten und griffen am Morgen des 1. August mit dem üblichen Allah-Gebrüll den Ostflügel der Reichstruppen an.

Obwohl nach dem nächtlichen Beschuss ein türkischer Angriff zu erwarten war, ließen sich die deutschen Kriegsknechte doch überraschen. Da die Türken den ersten Gefangenen gleich die Köpfe abschlugen, erhöhte dies auf deutscher Seite die Verwirrung. Gegen zehn Uhr vormittags war die Front der Reichstruppen durchbrochen.

Montecuccoli hatte sehr bald nach dem Beginn des Kampfes zwei Infanterieregimenter und ein Kürassierregiment der Kaiserlichen zum Flankenvorstoß gegen die eingedrungenen Moslems vorgehen lassen. Auch der Westflügel der Reichstruppen beteiligte sich am Gegenangriff durch das Wäldchen; er wurde aber bald auch von der über die Reichstruppen hereingebrochenen Panik ergriffen. Dazu war die Reiterei zunächst nur teilweise einsatzbereit, weil wegen des Mangels an Pferdefutter Abteilungen zum Nachschub abkommandiert waren, die nun eiligst zurückgerufen werden mussten. Indessen griff auch Hohenlohe mit zwei Bataillonen und vier Schwadronen von Osten her die in Mogersdorf eingedrungenen Janitscharen an und vertrieb sie, wobei die Häuser größtenteils in Flammen aufgingen. An diesen Kämpfen beteiligte sich auch eine französische Kavalleriebrigade. Zwei nachgezogene französische Infanterieregimenter verteidigten die Reste des Dorfes gegen türkische Rückeroberungsversuche.

In diesem kritischen Augenblick führte der Feldmarschall Montecuccoli persönlich vier noch intakte Regimenter der Kaiserlichen zum Angriff in südöstlicher Richtung. Im Zusammenwirken mit den von Osten her vorgehenden Truppen Hohenlohes und Colignys gelang es, die Türken zurückzudrängen und die durch den Einbruch aufgerissene Front zu schließen. Zu diesem Zeitpunkt kam die Schlacht zum Stehen, obwohl der Großwesir noch starke Kräfte auf dem Südufer verfügbar hatte, die dem Kampf der Janitscharen und Spahis bloß zugesehen hatten.

Es war um die Mittagsstunde, als Montecuccoli eiligst die hohen Befehlshaber aller Heeresteile zu sich berief um zu beschließen, ob das Heer die innehabende Stellung weiterhin verteidigen oder in Fortsetzung des Gegenangriffs dem Feinde eine entscheidende Niederlage bereiten sollte. Montecuccoli und Coligny neigten anfänglich der erstgenannten Lösung zu, wobei der Franzose noch hervorhob, sein König habe ihm den strikten Auftrag erteilt, seine Truppen möglichst zu schonen. Graf Hohenlohe war jedoch für die sofortige Fortsetzung des Angriffes und malte die Folgen einer Unterlassung in düsteren Farben. Da während dieser sehr heftigen Diskussion Meldungen einliefen, wonach die Türken mit Reiterei die beiden Flügel des Christenheeres zu umfassen suchten, bestärkte dies den Generalsrat dazu, im Zentrum die Entscheidung rasch herbeizuführen, ehe die türkischen Reiter an den Flügeln gefährlich werden konnten.

Tatsächlich war am Vormittag osmanische Kavallerie von St. Gotthard gegen den Ostflügel des verbündeten Heeres angeritten, konnte aber von einer französischen Kavalleriebrigade mühelos abgewiesen werden. Am äußersten Westflügel des Heeres hatte Graf von Sporck schon am Morgen fouragierende Türken auf das Südufer der Raab zurückgejagt. Als um die Mittagszeit stärkere türkische Reiterscharen angriffen, um die Kaiserlichen zu umfassen, vermochte der kühne Reiterführer Sporck mit zwei Kürassierregimentern, Kroaten und Dragonern, durch eine glänzend gerittene Attacke die Türken wieder auf das Südufer zurückzuwerfen. Dieser Teilerfolg war der Auftakt zu dem am frühen Nachmittag beginnenden entscheidenden Gegenangriff.

Für diesen Gegenangriff stellten sich die tief gegliederten Truppen im Halbkreis am Südrand des Wäldchens mit der Front nach Südosten bereit. Die kaiserliche Artillerie war an die Mündung des Saubaches vorgezogen worden und leitete den Angriff ein. Dieser erfolgte in fester Ordnung, wobei vom jeweiligen ersten Glied abgegebene Salven und nachfolgendes Avancieren abwechselten. Diesem massiven Stoß vermochten die Janitscharen und Spahis, die sich flüchtig eingegraben hatten, nicht standzuhalten. Ihr anfänglicher Rückzug artete unter dem pausenlosen Schießen und Zuschlagen der Verfolger in regelrechte Flucht aus. Vor der Raab kam es bei den Türken zu verderblichen Stauungen. Zahlreiche Moslems sprangen von den steilrandigen Ufern in den reißenden Fluss, in dem sich Tote, Verwundete und angsterfüllte Schwimmer sowie Pferde und Kamele hoch auftürmten. Kaum mehr als 1.000 Mann dürften von den 10.000 bis 12.000 Streitern, die angegriffen hatten, das rettende Südufer wieder erreicht haben …" (FN35) Am gegenüberliegenden Ufer musste der Großwesir zur Kenntnis nehmen, wie sich der Vorstoß über die Raab in eine Niederlage gewandelt und seine Soldaten in den Tod geführt hatte.(FN36) Am späten Nachmittag des 1. August war die (Abwehr-)Schlacht geschlagen, und auf dem nördlichen Flussufer stand kein Soldat des Feindes mehr. Auf dem südlichen Raabufer befanden sich noch etwa 30.000 Mann, die nicht in den Kampf miteinbezogen waren. Zwar hätten die der osmanischen Armee noch verbliebenen Truppen für einen neuerlichen Angriff durchaus ausgereicht, doch Köprili gab dazu nicht den Befehl. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen war ein Regenguss niedergegangen, der den Raabfluss weiter ansteigen ließ und eine neuerliche Überquerung noch schwieriger gestaltet hätte; zum anderen aber fehlte es den Osmanen an Energie und Dynamik.(FN37) Es war zweifellos das tatkräftige Engagement Montecuccolis sowie sein Feldherrngenie, das ihn die Fehler des osmanischen Heeres erkennen und rechtzeitige Gegenmaßen setzen ließ. Der Großwesir selbst bezeichnete ihn als einen "Dämon", der alle geplanten Vorhaben erraten und ihnen zuvorkommen würde. Dies spricht für Montecuccolis geniale Manövrierkunst, der es zu verdanken ist, dass die Türken bei den mehrmals versuchten Raabüberquerungen auf eine Abwehr stießen, die nicht zu brechen war.(FN38) Die Verluste auf der Seite der Alliierten betrugen etwa 2.000 Gefallene, während man um die 12.000 Toten auf der Seite des osmanischen Heeres annimmt.(FN39) Dass Montecuccoli trotzdem nicht mehr in der Lage war, nun seinerseits über die Raab zu setzen und die Türken endgültig zu schlagen, geht schon allein auf Grund des Zahlenverhältnisses hervor. Den Kampf mit den noch immer (deutlich) stärkeren Osmanen zu suchen, nachdem man zuvor die Raab überwunden hätte, wäre schlichtweg Wahnsinn gewesen. Montecuccoli, stets ein Realist, ließ es somit mit einem Abwehr-Sieg gegen die Türken bewenden.(FN40) Außerdem - dies sei am Rande bemerkt - waren sich die Sieger in der Verfolgung der geschlagenen Osmanen uneins.(FN41) In Oberungarn, das sei in Kürze noch erwähnt, konnte die (weitaus) kleinere Armee de Souches ebenfalls (Achtungs-)Erfolge gegen die Türken (Kommandant: Kutschuk Mehemed Pascha) erzielen. Wäre nicht die Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf der eigentliche welthistorische Tag gewesen, würde vielleicht an seiner Stelle die Schlacht bei Levencz (Léva) genannt werden, und de Souches hätte sich mit dem Titel eines Generalleutnants schmücken können.(FN42) Am 2. August ließ Montecuccoli in der Kirche von Mogersdorf für alle gefallenen Krieger eine Totenmesse, für den Sieg ein Tedeum halten. Der Vormarsch des osmanischen Heeres nach Wien war fürs Erste gestoppt. Darüber hinaus bedeutete der Erfolg zugleich einen Wendepunkt im Kampf gegen das Osmanische Reich.(FN43) Anfang November 1664 erhielt Montecuccoli einen Brief aus Frankreich von General La Feuillade, der ihn wohl sehr erfreute. Darin hieß es: "Glauben Sie meinem Worte als Edelmann und Soldat und seien Sie überzeugt, dass diejenigen, die bei St. Gotthard waren, überall bekennen werden, dass man nur Ihrer vollkommenen Klugheit eine für unsere Nation so ruhmwürdige Aktion verdankt, die unser gutes Glück auf Grund der mündlichen Befehle ausgeführt hat, die wir von einem so großen Feldherrn empfangen haben." (FN44) Größer könnten die Worte der Bewunderung wohl nicht ausfallen, Worte, deren Lob über eine bloße Beweihräucherung hinausreicht, noch dazu, wo sie von einem Mann kommen, der aus seinen eigenen Verdiensten kein Hehl machte.(FN45) Die Osmanen freilich maßen der Schlacht bei Mogersdorf bei weitem nicht dieselbe Bedeutung bei, wie dies das Abendland tat. Lediglich der Siegelbewahrer des Großwesirs, Hasan Aga, schrieb: "So war es wohl Gottes Ratschluss, denn hätten die Muslime es nicht verabsäumt, mehr Truppen ans andere Ufer zu bringen, so hätte mit der Gnade Allahs des Allerhabenen die Streitmacht des Islams wohl bald die Reichshauptstadt und Residenzstadt des deutschen Kaisers angegriffen und zerstört, denn Wien war ja nur mehr zehn Stunden weit entfernt, so tief waren wir schon ins Feindesland eingedrungen." (FN46) Als Trost verwies er die Moslems auf die Worte des Korans: "Wahrlich, die Rechtgläubigen sterben nicht, sondern sie gehen von der Stätte der Vergänglichkeit hinüber in die Stätte der Ewigkeit." Den jetzt triumphierenden Christen hielt Hasan Aga jedoch einen weiteren Koranvers vor Augen: "Die Tore des Himmels werden ihnen nicht geöffnet. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als sie ins Paradies. So bestrafen wir die Übeltäter." (FN47) Der Kampf um den berühmten "Goldenen Apfel" hatte sich lediglich um 20 Jahre hinausgezögert. Mit anderen Worten: Für die Türken war der geplante Sturm auf Wien nur aufgeschoben - mehr nicht.

Der Friede von Eisenburg (Vasvár) vom 10. August 1664 bestätigte auch nahezu alle Eroberungen des Osmanischen Reichs: Die Türken behielten die von ihnen eroberten Festungen Neuhäusel, Neograd und Großwardein, der Kaiser erklärte sich weiters zu der Zahlung eines "Geschenks" an den Sultan bereit. Zudem anerkannte Leopold I. den von den Osmanen eingesetzten Michal Apáfi als neuen Fürsten von Siebenbürgen.(FN48) Mit einem Wort: Die Osmanen verloren wohl die Schlacht bei St. Gotthard, bei den Friedensverhandlungen trugen sie jedoch, gestützt auf ihre militärische Größe, den Sieg davon. Dennoch begann sich in diesem Frieden langsam eine Wende der bestehenden Machtverhältnisse abzuzeichnen: Der Kaiser nahm ab diesem Zeitpunkt (de facto und de jure) einen Status der Ebenbürtigkeit gegenüber dem Sultan ein, was wiederum den ersten Abstieg des Osmanischen Reiches bedeutete.(FN49) Der Sieg von St. Gotthard-Mogersdorf war ein reiner Defensivsieg. Auf Grund der Erschöpfung der Armee, des Mangels an Proviant wie Munition und nicht zuletzt der Verluste wegen (insbesondere der Reichsarmee) konnte man eine Verfolgung des Gegners über die Raab hinaus nicht ins Kalkül ziehen. Auch konnte der Großwesir dem großen Aderlass an Verlusten insofern (einigermaßen) abhelfen, als neu eingetroffene asiatische Truppen wieder für seine Verstärkung sorgten.(FN50) Kaiser Leopold I. hatte den Frieden von Eisenburg, ohne seine Verbündeten zu fragen oder auch zu informieren, geschlossen. Er traute nicht den Franzosen, die im Westen einen Expansionskurs betrieben, und außerdem befürchtete er Aufstände der calvinistischen Ungarn. Überhaupt befürchtete der Kaiser ein Zusammengehen von Franzosen und Ungarn: Ihre Soldaten hatten sich bereits verbrüdert. Aus diesen Gründen kam es zum Abschluss dieses Verlustfriedens.(FN51) Worin hatten die Osmanen ihre entscheidenden Fehler ge­macht, die zur Niederlage in der Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf führten? Im Folgenden sollen zumindest einige Schwachstellen des türkischen Heeres bzw. die Stärken der Armee der Verbündeten in Kürze thesenförmig aufgelistet werden. Achmed Köprili war absolut unbestechlich und hielt sich an geschlossene Vereinbarungen, war aber nicht sonderlich militärisch ausgebildet. Trotzdem setzte er sich an die Spitze des Heeres, brachte es auch im Laufe der Zeit zu einer gewissen Meisterschaft in der Kriegführung, versagte aber bei St. Gotthard.(FN52) Ein Beispiel: Während er die Schlacht aus der Entfernung lenken wollte, war Montecuccoli stets am Puls des Geschehens und konnte durch sein persönliches Beispiel das Steuer wieder herumreißen.

Achmed Köprili verabsäumte es also, mit der Masse seines Heeres im Zentrum über den Fluss zu setzen. Er sandte laufend Verstärkungen, wagte aber den Totaleinsatz nicht - was zu einem entscheidenden Fehler des Großwesirs wurde. Hätte er sein Heer nämlich in seiner ganzen Stärke eingesetzt und gleichzeitig die beiden Umgehungsaktionen (links und rechts der Flügel der Verbündeten) mit starken Kräften befohlen, wäre das Treffen zweifellos mit einer schweren Niederlage der Allianz zu Ende gegangen.(FN53) Weiters sei noch bemerkt, dass die Ausbildung und Bewaffnung des türkischen Heeres bereits veraltet waren. So konnten bei Mogersdorf die Verbündeten durch ihr gebündeltes Gewehrfeuer die Türken in die Flucht schlagen. Auch im Kampf Mann gegen Mann zeichnete sich eine Überlegenheit der Alliierten ab. Kämpften die Osmanen noch immer mit dem Säbel, verwandelten sich ihre Gegner durch die Verwendung von Piken (später durch den Gebrauch von Bajonetten) zu gefährlichen Nahkämpfern. Außerdem waren die berittenen Dragoner, die abgesessen geschickt mit dem Karabiner umzugehen wussten, eine äußerst schnelle und gefährliche Truppe, denen die Osmanen kaum etwas entgegenzusetzen hatten.

Schließlich arbeitete das Terrain den türkischen Aktionen entgegen. Die Raab führte auf Grund der anhaltenden Regengüsse Hochwasser, was wiederum ein Ausspielen der türkischen numerischen Überlegenheit sehr erschwerte.

Worin lagen nun andererseits die Stärken des alliierten Heeres? Zunächst in der Person des Oberkommandierenden Raimund Montecuccoli. Trotz der formellen Beschneidung seiner Kompetenzen riss er durch sein persönliches Beispiel in einer schwierigen Situation des Kampfgeschehens das Steuer noch einmal herum. Die von ihm direkt befehligten kaiserlichen Truppen waren ein weiterer Trumpf Montecuccolis, den er geschickt auszuspielen verstand. Im Generellen gesehen hatte er kaum mehr Befugnisse als, um es zeitgemäß zu formulieren, ein "Chef des Generalstabes": Seine Gesamtbefehlsgewalt erstreckte sich auf Dinge wie z.B. den besonderen Einfluss auf den Aufbruch der Armee und Marschordnung ihrer Korps, weiters die Bestimmung von Vorhut und Nachhut, schließlich das taktische Gesamtverhalten in der Schlacht. Doch bereits hier war er in gewissem Maße wieder auf den Konsens der anderen angewiesen. Es war sein persönliches Beispiel, das Montecuccoli einen weitaus aktiveren Part einnehmen ließ.(FN54) Anders ausgedrückt: Montecuccoli war das "geistige Oberhaupt" multinationaler Streitkräfte.(FN55) Ein weiterer Punkt war der (mit-)entscheidende Einsatz der Franzosen. Diese stürmten mit dem (Kampf-)Ruf "Allons! allons! tuez! tuez!" ("Vorwärts, vorwärts, tötet, tötet!") derart wild gegen die Janitscharen vor, dass diese das Schlachtgebrüll noch Jahre später nicht vergessen konnten.(FN56) Weiters ist der entscheidende Einsatz der französischen Kavallerie zu erwähnen, die zusammen mit der kaiserlichen Reiterei verhinderte, dass die Spahis die alliierte Armee von den Flanken her umschlossen. Laut Augenzeugenberichten verhielten sich also die Franzosen "dem Rufe gemäß, der ihrer Tapferkeit damals in Europa, v.a. seit dem Siege von Rocroi, 1643,(FN57) vorausging".(FN58) Montecuccoli selbst spendete den französischen Generälen in seiner "Hauptrelation" ein großes Lob.(FN59) V.a. aber muss der Sieg vom 1. August 1664 grundsätzlich als Erfolg aller beteiligten Kräfte gesehen werden. Mit anderen Worten: Es war ein "multinationaler Gemeinschaftssieg".(FN60) Wenn daher Coligny am 1. August an den Kriegsminister schreibt: "Heute haben die Franzosen das Reich gerettet", und am 6. August hervorhebt: "Ohne die Franzosen gäbe es jetzt keinen Deutschen, der seinen Kopf auf den Schultern trüge",(FN61) so müsste man dem, unter aller Anerkennung der Leistung und Tapferkeit des französischen Korps, freilich entgegenhalten: "Ohne den laufenden Einsatz der Kaiserlichen in der 1. und 2. Schlachtphase im Zentrum, der schließlich ihr Gros umfasste, und ohne die Flügelaktion Sporcks am rechten Flügel raabaufwärts hätte auch keiner der Franzosen nachher noch den Kopf auf den Schultern getragen. Die Aktion Sporcks verhinderte nämlich die Umzingelung des Christenheeres."(FN62) Die Bedingungen des Terrains, dies sei schließlich noch bemerkt, waren für eine Abwehrschlacht (also für die Defensive) geradezu geeignet, und Montecuccoli unternahm nicht den Versuch, nach dem Sieg nun seinerseits in die Offensive überzugehen (was neben dem Wetter auch der Zustand seiner Truppe verhinderte).

Auf einen Punkt sei noch in Kürze verwiesen, nämlich das tiefe Misstrauen der Ungarn gegen die Deutschen, das dazu geführt hatte, dass sich nur wenige von ihnen zur Verteidigung "ihres" Landes zusammengefunden hatten. Der Widerwille und das Misstrauen gegen die deutsche Soldateska waren, wie bereits erwähnt, zu tief verwurzelt. Der Kaiser hatte Einzelverträge mit den bedeutendsten Magnaten getroffenen, deren Korps von Husaren und Haiducken ihn 1664 unterstützen sollten. Jene Korps wurden jedoch schwerpunktmäßig nur für Bewachungsaufgaben und "Reiterstücklein" eingesetzt. Grundsätzlich müssen wir abschließend sagen, dass der nationale (und auch egoistische) Freiheitsdrang der Ungarn, "im Verein mit absolutistischer und konfessioneller Strenge des Wiener Hofes sowie Ausschreitungen deutscher Festungsbesatzungen der Militärgrenze" zu immer wiederkehrenden Revolten führte. Und wir kommen zu dem Schluss: "Die Stärke, mit der sie schließlich allen Widerständen zum Trotz ihre nationale Physiognomie zu bewahren wussten, ist allerdings zu bewundern." (FN63) Montecuccoli in seiner Schrift "Della guerra col Turco in Ungheria" über die Schlacht bei St. Gotthard

Im Folgenden wollen wir sehen, wie Montecuccoli selbst die Ereignisse vom 1. August 1664 beurteilte beziehungsweise welche Erkenntnisse er daraus zog. Es soll dazu ein Textabschnitt von Montecuccolis "Della guerra col Turco in Ungheria" (1670) zu seiner Haltung über St. Gotthard und die Folgen, wenngleich auch bruchstückhaft, herangezogen werden.

In Bezug auf seine Gefechtsaufstellung sagt Montecuccoli, dass durch die Trennung nach Nationen zugleich durch eine Art "Wettstreit" die Tapferkeit und Entschlossenheit der einzelnen Verbände erhöht würde. Darüber hinaus wurde auf die Reichstruppen insofern Bedacht genommen, als jedes Kontingent für sich verwendet werden sollte. Montecuccoli teilte auch seine Streitkräfte so ein, dass die kaiserlichen und die französischen Truppen auf den Flügeln standen, während die Reichstruppen das Zentrum sicherten. Dabei bedachte er wohl, dass an den Flügeln letzten Endes die Entscheidung über Sieg oder Niederlage fallen musste. Die "zusammengewürfelten Reichsvölker" stellte Montecuccoli hingegen in die Mitte, wo sie noch eher gesichert waren.

In einer weiteren Passage schrieb Montecuccoli zum wiederholten Mal, es sei besser, die im Krieg weniger erfahrenen Truppen in der Mitte zu postieren, während man jene Truppen, in die man mehr Vertrauen setze, an den Flügeln platziere. Es wäre dann dem Feind nicht mehr möglich, das Heer zu umfassen und letztlich zu vernichten. Dies aber, so Montecuccoli, setze voraus, dass die an den Flügeln postierten Truppen sich aus erfahrenen Einheiten von erprobter Tapferkeit zusammensetzten, die auf diese Weise auch ihre numerische Unterlegenheit wettmachen könnten. Woraus ersichtlich ist, dass Montecuccoli die Schwachstellen der alliierten Armee, nämlich die unerfahrenen, bunt gemischten Reichstruppen, sehr wohl bekannt waren.

Montecuccoli zollt in seinen Erinnerungen, wohl auch aus diplomatischen Gründen, seinen alliierten Mitkämpfern nur Anerkennung. So findet er beispielsweise über das Vorgehen der Franzosen nur Worte des Lobes. Seine mündlich erteilten Befehle seien von ihnen "aufs Tapferste" ausgeführt worden.(FN64) Bei aller Anerkennung der Tapferkeit der französischen Truppen dürfte allerdings die Realität doch etwas anders ausgesehen haben. Ebenso verhielt es sich wohl auch mit den anderen Truppen. Doch Montecuccoli erwähnt anerkennend die Generäle aller Armeen, die sich ständig am Ort des Geschehens befunden und regen Austausch über ihr Vorgehen gehabt hätten. Sie hätten die von ihnen geführten Truppen vorbildlich ins Gefecht geführt und große Tapferkeit wie auch Vernunft bewiesen.(FN65) Große Probleme bereitete Montecuccoli, wie bereits erwähnt, die mangelnde Erfahrung der "Reichsvölker". Die Reichstruppen, die sich zum Großteil aus einer unerfahrenen Mannschaft zusammensetzten, flohen vom Schlachtfeld, sobald sie den Feind nur sahen. Sie wurden von den osmanischen Truppen mit aller Entschlossenheit verfolgt, weit zurückgeworfen und ohne Schonung umgebracht. Das Chaos schien perfekt.

Montecuccoli erzählt in diesem Zusammenhang folgende Begebenheit: "Es war damals, dass ein Mann, der sich wie ein Verzweifelter gebärdete, mit der Faust herum schlug, und den Degen schwingend, mir fortgesetzt zu schrie: ‚Unsere Soldaten betrügen sich gegenseitig schmählich und alles sei ohne Rettung verloren‘ und ich ihm antwortete: ‚Er möge sich beruhigen, wir (die Kaiserlichen) hätten ja den Degen noch gar nicht gezogen, es sei nichts Unerwartetes geschehen und es stehe alles gut." (FN66) Womit sich Montecuccoli, um es modern zu formulieren, zugleich als sehr guter Psychologe erwies.

Zugleich räumt Montecuccoli ein, dass es sich bei den Reichstruppen um unerfahrene und nicht kriegserprobte Mannschaften gehandelt hat (die auf den massiven türkischen Angriff mit nichts als panikartiger Flucht geantwortet hatten) und ein Schwerpunkt auf dem Einsatz der kaiserlichen Truppen lag. Erst als die Reichstruppen mit neuen, teils kaiserlichen Einheiten ergänzt wurden, trat abermals eine Veränderung der Situation ein.(FN67) Als es später um Rückzug oder Angriff ging und einige Generäle schon an Aufgabe dachten, gelang es Montecuccoli wiederum, durch begeisternde Worte das Steuer noch einmal herumzureißen. Er appellierte an sie, dass es keinen Weg zur Rettung mehr gebe als jenen der Tapferkeit und der Entschlossenheit. Jetzt sei es an der Zeit, den Feind mit allen Kräften anzugreifen sowie das Äußerste in die Waagschale zu werfen, um ihn zu verjagen oder doch ihm auf jede Weise standzuhalten. Es ginge darum, so Montecuccoli wörtlich, "zu siegen oder zu sterben". Daraufhin, so Montecuccoli, warf sich das Heer der Verbündeten mit dem Mut der Verzweiflung auf die Osmanen. Dabei stimmten sie ein allgemeines Geschrei "nach Art der Barbaren" an.(FN68) Montecuccoli stand indessen auch nicht an, dem Feind Worte der Bewunderung entgegenzubringen, und bewies damit, dass er im wahrsten Sinn des Wortes ein "ritterlicher" Gegner war. Als während des Kampfes um Mogersdorf z.B. einige Janitscharen, die abgeschnitten waren und sich in Häusern verschanzt hatten, den Tod durch Verbrennen einer Kapitulation vorzogen, rang dies Montecuccoli Worte der Hochachtung ab. Es sei dies eine "Hartnäckigkeit, die zum Nachdenken anregt und Bewunderung verdient".(FN69) Wieder an einer anderen Stelle seiner Schrift berichtet Montecuccoli: "Wie nahe, bei allem, die Gefahr einer Niederlage war, das lassen die Verwirrung und die Flucht der ersten, ins Gefecht gekommenen Truppen, das tapfere Verhalten der Janitscharen und Albanesen, die, wenngleich überwältigt, doch nicht um Pardon und ihr Leben baten, und der Umstand, dass der Kampf lange Zeit wie eine vor- und zurückgetriebene Meereswelle zweifelhaft und ungewiss vor- und zurückflutete … genugsam erkennen." (FN70) Zugleich zeigt dies auch, wie sehr das Gefecht auf des Messers Schneide stand.

Montecuccoli berichtet weiters, dass die Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf von neun Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags ununterbrochen dauerte. Der Waffengang erwies sich, wie Montecuccoli wiederholt zu Papier bringt, als "wild, blutig und lange zweifelhaft", bis er endlich mit dem Sieg der Verbündeten endete. Die Türken, so Montecuccoli, hatten besonders schwere Verluste (insgesamt ungefähr 16.000 Mann) zu erleiden: "Beide Heere hatten viele Tote und Verwundete, ganz besonders das türkische, bei welchem keineswegs das unkriegerische, zur Flucht geneigte Hilfsvolk, sondern die eigenen, kriegsgewohntesten und tapfersten Truppen, die Janitscharen, Albanesen und Spahi, diese ersten und hauptsächlichsten Stützen Konstantinopels, Schild und Schwert des türkischen Reiches, zugrunde gingen und eine Niederlage erlitten, so groß, wie die Geschichte nur wenige erzählt und wie sie ein derartiger vereinigter Heereskörper kaum je erlitten hat." (FN71) Bei letzterem Teil dieser Textpassage dürfte wohl ein wenig zu sehr Pathos mitgespielt haben.

Allerdings war das siegreiche Ende bei St. Gotthard-Mogersdorf für Montecuccoli kein Grund, das nötige Augenmaß zu verlieren. Montecuccoli war sich im Klaren, wie sehr das Glück der Schlacht z.B. von den räumlichen Gegebenheiten beeinflusst wurde. Es gelte in jedem Fall, die Kräfte wohl gegeneinander abzuwägen, und ein Feldherr dürfe auf keinen Fall der Versuchung nachgeben, leichtfertig alles auf eine Karte zu setzen. Dies gelte v.a. dann, so Montecuccoli, wenn etwa das Terrain nicht so vorteilhaft ist, wie es bei St. Gotthard-Mogersdorf der Fall war. Montecuccoli folgte immer dem Rat, nur wohl überlegte Schlüsse zu ziehen, und wenn man einen Fehler gemacht hätte, ihn auf keinen Fall ein zweites Mal zu begehen.

Festigkeit wie Geistesgegenwart, so Montecuccoli, wären also vonnöten, um alles rechtzeitig zu bemerken und darauf entsprechend zu reagieren. Der Feldherr muss über dem kurzfristigen Beifall des Volkes stehen. Seine Aufgabe ist es, so Montecuccoli, das Ziel nie aus den Augen zu verlieren und unter den gegebenen Eventualitäten das jeweils Optimale zu bewirken. Und Montecuccoli weiter: "Da aber viel aufs Spiel zu setzen, wo nur wenig zu gewinnen ist, war niemals klug." (FN72) Die letzte Bemerkung mag gewissermaßen als Leitmotiv Montecuccolis gelten.

In diesem Sinne bekräftigt Montecuccoli auch, dass nach der Schlacht vom 1. August 1664 an ein Ausnützen des Sieges und eine Verfolgung des Feindes nicht zu denken war. Die schwierigen Umweltbedingungen wie die (noch immer) starken Kräfte des Feindes sprachen dagegen. Die Raab war nach den Regengüssen zu sehr angeschwollen, und die Türken hatten zudem noch 30.000 Reiter, die bis dahin nur Zuschauer beim Kampf waren. Dazu kam, so Montecuccoli, dass sich auf Seiten der Verbündeten sowohl der Mangel an Brot und Munition als auch die Erschöpfung der Mannschaft drückend bemerkbar machten. Also beschränkte sich Montecuccoli darauf, den Feind bei seinem Abzug in Richtung Körmend auf dem linken Ufer der Raab zu folgen.(FN73) Eine sehr große Schwierigkeit, mit der Montecuccoli zu kämpfen hatte, war immer der Mangel an Brot, Fourage und an Transportmitteln. Dies geschah, so gibt Montecuccoli verbittert zu Protokoll, zur "größten Verwunderung und Entrüstung aller Welt, die da sah, wie die Armee aus Mangel an Lebensmitteln dahinsiechte". Viel versprechende Unternehmungen wurden ad acta gelegt, wie Montecuccoli festhält, "aus reiner Faulheit oder Nachlässigkeit oder Trägheit derjenigen, deren Pflicht und Schuldigkeit es war, für dies alles zu sorgen, sich aber doch niemals im Heere sehen ließen".(FN74) Diese niederschmetternde Anklage zeigt, wie sehr Probleme bei der Logistik ihre schweren Auswirkungen auf die Truppe hatten. Sie wirft aber auch ein bezeichnendes Licht auf die kaiserliche Administration.

Am Morgen nach der Schlacht wurde "dem Geber aller Siege" ein feierlicher Dankgottesdienst dargebracht. "Gott der Allmächtige", so Montecuccoli auch am Ende seiner Schrift vertrauensvoll, "wolle die christlichen Waffen weiters segnen und selbigen gegen diesen Feind alles Glück verleihen." (FN75) Diese sicherlich auch zeitbedingte religiöse Verbundenheit teilte Montecuccoli mit vielen Heerführern der Barockzeit.

Neu gestärkt und ausgeruht, wollte Montecuccoli einen abermaligen Waffengang mit den Türken wagen und ließ das Heer in Gefechtsformation den Weg nach Neutra nehmen, um sich so aus den Ebenen zu entfernen (Vorteil für die türkische Reiterei!) und seinerseits den Vorteil des bergigen und waldigen Terrains wahrzunehmen. Die Osmanen wären auf eine Armee gestoßen, die sich ihnen mit einer weitaus besseren Artillerie (als bei St. Gotthard-Mogersdorf) gestellt hätte. Oder, so Montecuccoli weiter, diese Armee hätte im Schutz der Neutra das osmanische Heer attackieren können. Das Unternehmen hätte freilich ausreichend mit Proviant versorgt sein müssen, doch die entsprechenden Brotlieferungen, obgleich schon zugesagt, verspäteten sich.(FN76) Inzwischen war allerdings mit dem Osmanischen Reich ein neuer 20-jähriger Waffenstillstand vereinbart worden.

Montecuccoli kam nicht umhin, bei seiner Beschreibung der Friedensverhandlungen die Schwierigkeiten im eigenen Lager aufzuzeigen, die eine Verhandlungstaktik gegen das Osmanische Reich maßgeblich erschwerten. Nach Forderung der Alliierten sollten die festen Plätze, die man zu besetzen gedachte, nicht zur Vergrößerung der kaiserlichen Einflusssphäre dienen, und der Friede sollte nicht ohne Zustimmung der Hilfsmächte (auch der kleineren) getroffen werden - was einen guten Fortschritt der Verhandlungen nahezu unmöglich machte. Sowohl Hartnäckigkeit wie auch Mut waren nötig, so Montecuccoli, um diese Schwierigkeiten (einigermaßen) zu überwinden.(FN77) Montecuccoli kritisiert an dieser Stelle zum wiederholten Mal den katastrophalen Zustand, in dem sich die Armee befunden hat, und übt ebenfalls wiederholt scharfe Kritik an den zuständigen administrativen Verantwortungsträgern. Desgleichen lässt er die Gelegenheit nicht aus, ein vernichtendes Urteil über die von Einheit zu Einheit verschiedenen Konventionen innerhalb der Armee abzugeben. Das Heer, so Montecuccoli, sei zerrissen durch die verschiedensten Interessen, Ränkespiele und Glaubensbekenntnisse. Es bedürfe zweifellos der Einhelligkeit sämtlicher Befehle, des absoluten Stillschweigens über alle Beratungsbeschlüsse und schließlich der Raschheit ihrer Ausführung, solle eine militärische Operation von Erfolg gekrönt sein.

Aber in der Armee, so Montecuccoli resignierend, sei davon nichts zu spüren. Jeder wolle sich in den Vordergrund schieben und schreibe bzw. plaudere alles aus, was ihm vorteilhaft erscheine. Hier verweist Montecuccoli auf die Gefährlichkeit der privaten Korrespondenzen, über die schon so manches militärische Geheimnis nach außen gedrungen sei. Dazu kam, so Montecuccoli fortfahrend, dass sich im Felde einige gewisse Freiheiten herausnahmen, die den Kriegsregeln gerade entgegengesetzt wären. Als z.B. der Befehl ergangen war, die Posten zu befestigen, kam einer diesem Befehl einfach nicht nach und riskierte den Erfolg des Unternehmens.

Andere, so Montecuccoli, verließen die vorgegebene Marschroute bzw. zögen eigenmächtig von dem ihnen anvertrauten Posten die Wachen zurück. Wieder ein anderer, unter dem Beschuss feindlicher Artillerie, verließ einfach seine Stellung (ohne z.B. eine schützende Brustwehr zu erbauen), d.h. er hob zugleich mit seinem Rückzug ein nötiges Bindeglied der Lagerkette auf, worauf eine gefährliche Lücke entstand. Und es kam noch besser: Ein anderer, so Montecuccoli, wollte "zum größten Nachteil und in der Hitze des Gefechtes" seine Männer aus dem Schlachtgetümmel zurückziehen, mit der Bemerkung, "dass er selbst nicht angegriffen" wurde.(FN78) Montecuccoli schreibt sich im wahrsten Sinn des Wortes all seine erlebten Missstände von der Seele und zieht mit ihnen zu Gericht. Er prangert jene Personen an, die beim Kriegsrat eine gewisse Meinung vertraten, außerhalb des Rats jedoch sich in ganz entgegengesetztem Sinne darüber äußerten. Das wären Dinge, die geeignet seien, so Montecuccoli, "um einen Feldherrn verrückt zu machen und ihn zur Verzweiflung zu bringen".

Auch ihm selbst, so Montecuccoli weiter, wäre es wohl so ergangen, hätte ihn nicht der Kaiser persönlich seiner Gunst versichert: "Es wäre mir auch nicht anders ergangen, wären auf die Wunden der Seele und die Aufregung der fast delirierenden Lebensgeister nicht fortwährend die kostbaren Balsame und Elixiere und die angenehmsten Beruhigungsmittel geträufelt worden, d.h. die höchst gnädigen, eigenhändig geschriebenen kaiserlichen Briefe, die mich unaufhörlich der Dankbarkeit und der vollsten Zufriedenheit mit allem versicherten, was täglich geschah …" (FN79) Wobei Montecuccoli die Gelegenheit nicht vorbeigehen ließ, die (mehr als) scharfe Kritik an den Zuständen im Heerwesen zugleich mit einer devoten Haltung gegenüber dem Kaiser zu verknüpfen.

Die von ihm angeführten Missstände, so Montecuccoli weiter, kämen letztlich in allen Armeen vor, die aus mehreren Hilfstruppen zusammengesetzt und daher bei großen Unternehmungen sehr schwer zu führen seien. Kurz: Alles Worte, die den Sieger von St. Gotthard zugleich als Menschen erweisen, der die Bürde der Verantwortung bei gleichzeitiger Kompetenz, die oft nur auf dem Papier stand, schwer zu tragen vermochte. Zugleich wirft seine (manchmal durchaus scharfe) Kritik an den Miseren Fragen auf, die über seine Zeit hinaus "für jede politische und militärische multinationale Föderation Gültigkeit besitzen".(FN80) Eine facettenreiche Persönlichkeit

Wir sehen im Sieger von St. Gotthard-Mogersdorf eine schillernde Persönlichkeit, deren Charakterzüge positive, aber auch einige negative Merkmale aufweisen. Allerdings können wir Montecuccoli nur dann einigermaßen richtig beurteilen, wenn wir die Zeit kennen, vor deren Hintergrund er steht. Es steht fest, dass das Barock ein Zeitalter der Theatralik und Inszenierungen war. Das hat auch auf die Heerführer jener Epoche abgefärbt.

Raimund Graf Montecuccoli vereinigte in sich die Charaktereigenschaften eines Barockmenschen par excellence, die zum Teil auch den Grundstein für das altösterreichische Offiziers­ethos bilden sollten: Er war gebildet, kunstsinnig, ritterlich, tapfer und stand (uneingeschränkt) treu zur Habsburger-Dynastie. Als Montecuccolis maßgebliche Charaktereigenschaften werden also neben strenger Rechtlichkeit auch Offenheit genannt. In seinen letzten Lebensjahren kam allerdings eine zunehmende Schwermut dazu.

Montecuccoli war also in Österreichs Heer einer der verdienstvollsten und bedeutendsten Feldherren.(FN81) Dem gilt es allerdings hinzuzufügen, dass ihm die Suche nach eigener Anerkennung und ein gewisser Pragmatismus (á la Machiavelli) nicht ganz fremd waren. Doch auch diese Eigenschaften machten einen typischen "Barockmenschen" aus. Zeitgenossen Montecuccolis lobten dessen Ruhe, Ausgeglichenheit und Festigkeit. Kurz: Es war seine Virtus (Tugend), die sie bestach. Im Krieg bestand Montecuccoli auf militärischer Disziplin und lehnte Ausschreitungen ab. Exzesse, wie sie bei Walleinstein, Tilly oder Turenne durchaus vorkamen, wurden bei Montecuccoli zumindest gegen dessen Willen verübt.(FN82) Allerdings: Harte bis grausame Methoden der Kriegführung waren auch Montecuccoli durchaus nicht fremd.

Montecuccolis Ruhm war groß (v.a. seit dem Sieg bei St. Gotthard-Mogersdorf), doch wurde er schon bald von dem Prinz Eugens übertroffen. Doch es steht heute außer Frage, dass der Savoyer seine Glorie sicherlich seinem Genie, doch auch der Stärke der kaiserlichen Armee verdankte - einer Armee, die wiederum Montecuccoli während der Dauer von Jahrzehnten aufs Beste neu gestaltet hatte. Als Militärtheoretiker bestimmte Montecuccoli lange Zeit sowohl die Strategie wie auch die Taktik mit. Sowohl Friedrich der Große als auch Napoleon Bonaparte fanden Worte des Lobes für seine operativen Planungen. So befahl Friedrich II. dem Obersten Quintus Icilius, der sich den Vorarbeiten zur "Histoire de mon temps" widmete, sich die Denkwürdigkeiten (Memorie) des Generals Montecuccoli zum Beispiel zu nehmen. Napoleon I. sah in Montecuccoli einen anerkannten Meister der Kriegskunst, besonders im Hinblick auf seinen Rheinfeldzug von 1673, und es "sei dieser Feldzug gegen Turenne gewesen, so betont der Korse, der Montecuccolis Ruhm begründet habe".(FN83) Erst mit der Französischen Revolution (Ende des 18. Jahrhunderts) und mit der militärtechnologischen Entwicklung gegen Mitte des 19. Jahrhunderts (und darüber hinaus) wurden völlig andere Voraussetzungen für die Taktik und Strategie geschaffen.

Dass es Montecuccoli als Feldherr wie auch als Soldat nicht an persönlicher Tapferkeit fehlen ließ, zeigt seine Courage, die beispielsweise in den Gefechten des Dreißigjährigen Krieges wie auch v.a. in der Schlacht St. Gotthard-Mogersdorf durchblitzte. Die ihm mitunter vorgeworfene Langsamkeit in den Operationen war in der damaligen Ansicht über Kriegführung begründet. Sie war aber auch durch den Mangel an Truppen, Proviant, Geld etc. sowie durch die Beeinflussung von Wien aus begründet.(FN84) Gegenüber dem Feind war Montecuccoli stets ein "ritterlicher" Gegner. Er schätzte den Gegner, dessen Qualitäten er Hochachtung entgegenbrachte. Als z.B. eine Kanonenkugel Marschall Turenne tötete, zeigte sich Montecuccoli wirklich betroffen von seinem Tod und bezeichnete Turenne als einen Menschen, dessen Ehre wohl außer Zweifel gestanden sei. Sein ganzes Leben zeigte eine feste Verbundenheit mit den "ritterlichen" Traditionen und mit dem sich herauskristallisierenden Offiziersethos. Montecuccoli, der mit "Zibaldone" sein wohl merkwürdigstes literarisches Werk geschaffen hat, entfaltet hier seine tiefsten Gedanken über die Monarchie, den Staat, über Politik, Religion und vieles andere mehr. Im letzten Teil des Werkes kommt Montecuccoli aber auf die ritterlichen Tugenden, die Ritterorden, auf die Turniere und Zweikämpfe zu sprechen,(FN85) was ein bezeichnendes Licht auf ihn wirft.

Aber Montecuccoli war auch ein glänzender Diplomat und Berater. Er zeichnete sich in allen Funktionen aus, die er innehatte. Sicher: Montecuccoli trat niemals als aalglatter Schöntuer in Erscheinung; dafür zeigte er sich als eleganter Kavalier und Mann von Welt.(FN86) Montecuccoli erreichte nicht zuletzt durch richtige Voraussicht, persönlichen Freimut und die bestimmte Klarlegung seiner Überzeugung fast allgemeine Zustimmung. Diese minderte sich erst, als er sich vom Heereskommando gänzlich zurückgezogen hatte und sich in stark verbitterter Weise über die Kriegführung und den trägen Verlauf der politischen Verhandlungen äußerte.(FN87) Montecuccolis Haltung gegenüber den Soldaten war patriarchalisch-fürsorglich. Allerdings erblickte er in den einfachen Soldaten lediglich "Instrumente" in der Hand des Feldherrn, die zu funktionieren hatten. Hier muss man freilich verstehen, dass es eine eher junge Wesenseigenschaft des Kommandanten darstellt, in der Person des Geführten mehr als ein bloßes "Material" für die Schlacht zu sehen.

Zweifellos besaß Montecuccoli eine tiefe, religiöse Frömmigkeit. Seine Schriften zeigen an mehreren Stellen ein ernstes Gottesbild. Für ihn war "Gott" die oberste Autorität, und nur mit ihrer Hilfe konnte man die letzte Wahrheit erschließen. Montecuccoli, ganz italienischer Fürst des Barock, setzte allerdings "Religion" beziehungsweise "Glauben" mit "katholischer Kirche" gleich (wobei er durchaus dem kirchlichen Apparat oft kritisch gegenüberstand). Ferner hatte er ein unerschütterliches Vertrauen in die Hilfsbereitschaft der Heiligen, die er in jedem Kriegszug um Beistand anrief. Montecuccoli zeigte sich jedoch dem neustoizistischen Leitgedanken der "frommen Vernünftigkeit" sehr verbunden und sah die Frömmigkeit als eine durchaus nützliche Empfindung, die er bedenkenlos für diesseitige Ziele einsetzte. Der unter den Soldaten im Dreißigjährigen Krieg herumgeisternde Aberglauben (Traumdeutung, Astrologie) machte auch vor Montecuccoli nicht Halt.

Montecuccoli war stets ein Gefolgsmann zweier Herrn, des Kaisers und des Herzogs von Modena.(FN88) Der Kaiser bedeutete ihm jedoch die nahezu absolute Autorität. Seine Treue wie auch seine Opferbereitschaft zum Kaisertum stehen wohl außer Zweifel.(FN89) Seine Treue, weiters seine unwidersprochene Tapferkeit nahmen Elemente vorweg, die später unter dem Schlagwort (altösterreichisches) "Offiziersethos" gängig wurden. Loyalität zum Kaiser, zur Dynastie (als vereinigendes "Dach" des Vielvölkerstaates) und die persönliche Tapferkeit als Beweis für Zuverlässigkeit und Pflichterfüllung: Dies alles findet man bei Montecuccoli, der das erste "stehende Heer" der Kaiserlichen ins Leben rief.(FN90) Dass seine Ausrichtung auf den Kaiser ihm zuweilen "Scheuklappen" verlieh, bedarf wohl keiner näheren Ausführung.

Montecuccoli hegte große Ziele mit seinen Vorstellungen vom Kaiser und seiner (imaginären) Machtfülle. Sein Traum eines allumfassenden Kaisertums erfuhr in seiner Vorrede zur Schrift "Della guerra col Turco in Ungheria" seine schriftliche Fixierung. Dabei sieht Montecuccoli im Kaiser schon den "Retter des Abendlandes und der Christenheit" vor sich. Montecuccoli schreibt in seinem Vorwort an den Kaiser: "... Und welche Waffen wären geheiligter, als die so zur Befreiung des Grabes Christi geführt werden! Und wem kommt es mehr zu, die Bedrückten zu erheben, die Tyrannen vom Throne zu stoßen, die Welt im gerechten Gleichgewichte zu halten, als dem Ersten und Größten unter den Menschen, der Gott allein über sich zu erkennen und diesem allein zu gehorchen hat? Und wo ließen sich edlere, reichere und nützlichere Lorbeeren gewinnen, als da, wo man widerrechtlich Angeeignetes wiedererobert, weite Provinzen mit dem Heere zu durchziehen, der Aufforderung der Unterdrückten, den Prophezeiungen der Weisen, endlich dem Laufe der Flüsse folgen soll? …" (FN91) Danach stilisiert Montecuccoli den Kaiser zu einer Art Heroen mit (fast) einem Heiligenschein, der an Charakterstärke und Großmut nahezu einzigartig in der Welt dasteht. Und Montecuccoli gibt sich überzeugt, dass unter Leopold I. der Aufstieg des Kaisertums zur vorherrschenden Macht erfolgen wird. Denn unter diesem Kaiser hat Gott schon begonnen, wie Montecuccoli überzeugt ist, die Heere der Osmanen blutig in die Schranken zu weisen. Leopold, so gibt er sich überzeugt, wird die seit der späten Antike bestehende Teilung der Herrschaft über die Erde überwinden und somit die größte geschichtliche Tat setzen, die ein Herrscher zu vollbringen imstande ist. Die bis ins Schwulstige gesteigerte Lobeshymne auf Leopold I. sollte später unter Prinz Eugen wenigstens teilweise ihre Entsprechung mit den tatsächlichen historischen Gegebenheiten erhalten. Bei Montecuccoli hingegen war sie de facto reine Fiktion.

Jedenfalls wurde Montecuccoli nach der Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf geradezu als "Executor des Kaisertums" heroisiert, der jede denkbare Maßnahme zu dessen Schutz und Ruhm ergreift. Seine Haltung wird nicht nur zum Symbol für Tapferkeit, sondern auch als Ausdruck einer durch Tatkraft gesteigerten Autorität gefeiert, "die ihrerseits wieder die Autorität des Kaisers verstärkt, die Krone auf dem Herrscherhaupte fester gründet, ja ihren Träger rückwirkend durch den - dem Feldherrn­entschluss zum Angriff folgend - ‚Sieg über die Heiden’ zu seinem hohen Amte umso nachdrücklicher legitimiert".(FN92)

Was blieb von der Schlacht bei St. Gotthard-Mogersdorf?

Wir finden heute in Mogersdorf (Burgenland) eine Reihe von Gedenkstätten, die uns an das historische Ereignis von 1664 erinnern. Zu jenen Denkmälern zählt das am westlichen Ortsrand aufgestellte "Weiße Kreuz", auch "Türkenkreuz" genannt. Im Jahre 1839 wurden hier ungeheure Massen menschlicher Gebeine ausgehoben und 1840 feierlich beigesetzt. Am Sockel des Gedenkkreuzes befinden sich an den vier Seitenflächen die Worte in deutscher, lateinischer, ungarischer und französischer Sprache eingraviert: "Den tapferen Helden allen, die im Jahre 1664 hier gefallen, durch bewaffnete Türkenhand, kämpfend für Gott, Kaiser und Vaterland." Wobei hier die Werte "Kaiser" und "Vaterland" auf unkritische Weise auch den gefallenen Franzosen als Grund ihres Sterbens unterlegt werden.

Im Jahre 1984 wurde an diesem Ort auch der so genannte "Friedensstein" errichtet. Auf der Vorderseite wird in türkischer Sprache der gefallenen osmanischen Soldaten mit folgenden Worten gedacht: "Den im Jahre 1664 gefallenen türkischen Soldaten gewidmet - Friede allen, die hier ruhen." Dazu ist das Wort "Friede" in mehreren Sprachen eingemeißelt: FRIEDE, BARIS, BEKE, MIR und PAX. Dieses Denkmal ist in Europa wohl einzigartig. An der ehemaligen Stätte kriegerischer Auseinandersetzung sind heute Fichtenbäume als Symbole des Friedens gepflanzt.

Unweit dieses Platzes befindet sich die Annakapelle, die in einer Rundform gebaut ist und wahrscheinlich um 1670 für die Opfer der Türkenschlacht errichtet wurde. Unter einem Gemälde der hl. Anna mit dem Kind Maria steht die (aus dem Lateinischen übersetzte) Inschrift: "Unter dem Schutz der hl. Anna, der Mutter der Gottesgebärerin, wurde das ganze Vaterland in der Türkenschlacht vom Feinde befreit." Die Kapelle wurde deshalb der heiligen Anna verehrt, weil das Volk glaubte, ihr diesen Sieg zu verdanken.

Zum 300-Jahr-Jubiläum wurde bei Mogersdorf im Jahr 1964 auf dem Schlößlberg eine Gedächtnisstätte errichtet. Die Schlößlkapelle wurde im modernen Stil wieder aufgebaut und bildet mit einem 15 m hohen Betonkreuz eine beeindruckende Einheit. Der Schlößlberg war 1664 der Feldherrnhügel der alliierten Armee. In der Kapelle selbst befindet sich seit dem Jahr 1976 ein Altarbild, das in drei Bronzetafeln symbolisch "Tod - Auferstehung - ewiges Leben" zeigt. Seit 1979 befindet sich im so genannten "Kreuzstadel" auf dem Schlößlberg ein kleines Türkenschlacht-Museum.

Das Deckengemälde in der Pfarrkirche stellt die "Schlacht bei Mogersdorf" dar. Das Fresko wurde 1912 geschaffen und zeigt die Attacke des Generals Sporck. Als Symbol für den Sieg der "Christenheit" erstrahlt über den Reitern ein Kreuz. Daneben gibt es eine Mariensäule, die als Ausdruck für die fromme Haltung der Bevölkerung gedacht ist und die Inschrift enthält: "Der Glorwürdigsten Himmels-Königin Maria, der Mutter Gottes zu Ehren und Abwendung der großen Türkengefahr ist dieses Bild aufgerichtet worden. 1664." (FN93) Alle diese Denkmäler und Gedächtnisstätten zeigen, dass auch auf das Volk dieser Umgebung der Sieg Montecuccolis von 1664 seine nachdrückliche Wirkung nicht verfehlt hat.

Seit der Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf sind Jahrhunderte vergangen. Nach einem hohen Blutzoll und unvorstellbaren Grausamkeiten steht Europa auf dem Sprung zur Einheit und natürlich auch zur militärischen Zusammenarbeit. Strategie und Taktik haben sich, bedingt durch militärtechnologische Innovationen, rasant geändert. Dennoch könnten uns die Ereignisse von damals vielleicht noch immer zu denken geben, welche Schwierigkeiten und Probleme sich mit der Führung multinationaler Streitkräfte ergeben können. Und anhand von Raimund Fürst Montecuccoli würden wir auch zugleich ein Beispiel sehen, wie diese in etwa zu überwinden sind.

ANMERKUNGEN:

(Fußnote 1/FN1) Die Auszüge aus den Quellen werden in der modernen Schreibweise wiedergegeben.

(FN2) Vgl. Helmut Neuhaus: Montecuccoli (Montecuculi), in: Neue Deutsche Biographie (NDB), hrsg. von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 18, Berlin: Duncker & Humblot, 1997, S.44.

(FN3) Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), hrsg. von der (Bayerischen) Akademie der Wissenschaften, Bd. 22, Leipzig: Verlag Duncker & Humblot, 1885, S.183.

(FN4) Schreiber wiederum berichtet von einem Duell, das auszutragen Montecuccoli in der schwedischen Kriegsgefangenschaft gezwungen war. Dazu die Passage von Schreiber im Wortlaut: "Die anderen Offiziere hatten nur wenig Verständnis dafür, dass Montecuccoli sich den Studien hingab, statt mit ihnen Karten zu spielen, zu würfeln, zu saufen oder noch andere Vergnügungen zu suchen. Hier wiederholte sich, was er schon in jungen Jahren erlebt hatte; er entfremdete sich den Kameraden. Einer dieser Herren, ein früherer Freund, machte ihm Vorwürfe, beleidigte ihn sogar schwer, sodass es zu einem Duell kam. In diesem Fall wirkte es sich nicht gut aus, dass die Gefangenen weitgehend sich selbst überlassen blieben und sogar ihre Degen behalten durften. Zum Glück ging die Sache unblutig zu Ende: es gelang Montecuccoli, dem Gegner die Waffe aus der Hand zu schlagen, und dann brachte er es nicht über sich, den Wehrlosen zu erstechen, sondern bot ihm die Versöhnung an." - Georg Schreiber: Raimondo Montecuccoli. Feldherr, Schriftsteller und Kavalier, Graz-Wien-Köln: Verlag Styria, 2000, S.45.

(FN5) Vgl. ADB, a.a.O., S.183ff.

(FN6) Constant von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 19, Wien: Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei, 1868, S.46; Zum Dreißigjährigen Krieg vgl. auch: Thomas M.Barker: The Military Intellectual and Battle. Raimondo Montecuccoli and the Thirty Years War, Albany/ New York: State University of New York Press, 1975.

(FN7) Vgl. ADB, a.a.O., S.186.

(FN8) Vgl. ADB, a. a. O., S.186f.

(FN9) Wurzbach, a.a.O., S.47.

(FN10) ADB, a.a.O., S.187.

(FN11) Wurzbach, a.a.O., S.48.

(FN12) ADB, a.a.O., S.187.

(FN13) Vgl. Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. Bearbeitet von Karl Bosl/Günther Franz/Hanns Hubert Hofman, Bd. 2, München: Francke Verlag, 1974, S.1928.

(FN14) Vgl. Georg Wagner: Das Türkenjahr 1664. Eine europäische Bewährung, Eisenstadt 1964 (= Burgendländische Forschungen, Nr.48), S.2.

(FN15) Vgl. Wolfgang Gust: Geschichte des Osmanischen Reichs. Das Imperium der Sultane, München-Wien: Carl Hanser Verlag, 1995 (Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH), S.134.

(FN16) Ebenda, S.192.

(FN17) Vgl. Ebenda, S.191ff.

(FN18) Siehe z.B. Wagner, S.75ff.

(FN19) Vgl. Wagner, a.a.O., S.85.

(FN20) Westdeutsche Fürsten in Allianz mit Frankreich.

(FN21) Vgl. Marktgemeinde Mogersdorf (Hg.), 800 Jahre Mogersdorf, o. J., S.40.

(FN22) Vgl. Wagner, a.a.O., S.74.

(FN23) Vgl. Ebenda, S.88ff.

(FN24) Ebenda, S.32.

(FN25) Vgl. Ebenda, S.136ff.

(FN26) Ebenda, S.408f.

(FN27) Vgl. Schreiber, a.a.O., S.177.

(FN28) Die zahlreichen blutigen Ereignisse des 17. Jahrhunderts sprechen davon Bände!

(FN29) Vgl. Wagner, a.a.O., S.242f.

(FN30) Vgl. Ebenda, S.65f.

(FN31) Über die zahlenmäßige Überlegenheit wird noch zu sprechen sein. Vorweg sei nur festgehalten: Die stolze Zahl von rund 100.000 Mann bezieht sich auf die türkischen Kampftruppen plus dem Tross. Die Kampfzahl dürfte insgesamt maximal bei 50.000 Mann gelegen sein.

(FN32) Die Bezeichnung "Stadt des Goldenen Apfels” stand ursprünglich für eine von den Osmanen begehrte Stadt, im Lauf des 17. Jahrhunderts wurde sie ein Pseudonym für die Haupt- und Residenzstadt Wien.

(FN33) Wagner, a.a.O., S.19f.

(FN34) Genaue Beschreibungen finden sich z.B. in: Schreiber, a.a.O., S.175ff; Wagner, a.a.O., S.156ff.

(FN35) Rudolf Kiszling: Die Schlacht bei Mogersdorf am 1. August 1664, o. J., S.1ff.

(FN36) Vgl. Mogersdorf, a.a.O., S.46.

(FN37) Vgl. Schreiber, a.a.O., S.183. Vielleicht waren auch religiöse und politische Gründe bis zu einem gewissen Grad dafür verantwotlich.

(FN38) Vgl. Wagner, a.a.O., S.388.

(FN39) Vgl. Mogersdorf, a.a.O, S.44ff.

(FN40) Vgl. Schreiber, a.a.O., S.183f.

(FN41) Vgl.Gust, a.a.O., S.199.

(FN42) Vgl. Wagner, a.a.O., S.120ff.

(FN43) Vgl. Mogersdorf, a.a.O., S.47. Das Jahr 1683 brachte nach der vergeblichen 2. Türkenbelagerung den endgültigen Vormarsch der kaiserlichen Armee.

(FN44) Schreiber, a.a.O., S.188.

(FN45) Vgl. Wagner, a.a.O., S.308.

(FN46) Schreiber, a.a.O., S.185.

(FN47) Gust, a.a.O., S.199.

(FN48) Walter Kleindel: Österreich. Zahlen, Daten, Fakten, Salzburg: A&M Andreas & Müller, 2004, S.150.

(FN49) Vgl. Wagner, a.a.O., S.4.

(FN50) Ebenda, S.430.

(FN51) Vgl. Gust, a.a.O, S.200.

(FN52) Ebenda, S.196.

(FN53) Vgl. Wagner, a.a.O., S.312.

(FN54) Ebenda, S.163f.

(FN55) Ebenda, S.369.

(FN56) Vgl. Gust, a.a.O., S.199.

(FN57) Im Mai 1643 vernichtete ein französisches Korps unter Marschall Enghien die spanische Armee bei Rocroy (Rocroi) an der Grenze zu Flandern. "8.000 spanische Infanteristen lagen am Abend tot auf dem Schlachtfeld, 7.000 gerieten in Gefangenschaft." - Peter Miger: Der Dreißigjährige Krieg. Gegen Land und Leute, Niederhausen/Ts.: Orbis Verlag, 2001, S.324.

(FN58) Wagner, a.a.O., S.308.

(FN59) Ebenda, S.403. So habe z. B. de Fuellart als Kommandant der Kavallerie nicht davor zurückgescheut, vom Pferd abzuspringen und der "streitenden" Infanterie beizustehen.

(FN60) Wagner, a.a.O., S.369.

(FN61) "Aujourdhuy les Francois ont sauvé l’Empire" - "Sans les Francois il n’auroit pas un Allemand qui eust sa teste sur les epaules presentement.” (FN62) Wagner, a.a.O., S.315f.

(FN63) Ebenda, S.479.

(FN64) Vgl. Direktion des k. und k. Kriegs-Archivs (Hg.), Ausgewählte Schriften des Raimund Fürsten Montecuccoli, General-Lieutenant und Feldmarschall. Bearbeitet von Hauptmann Alois Veltzé, Bd. 2, Wien-Leipzig: Wilhelm Braumüller, 1899, S.433ff.

(FN65) Ebenda, S.563.

(FN66) Ebenda, S.434f.

(FN67) Ebenda, S.561.

(FN68) Vgl. Veltzé, Montecuccoli, a.a.O, S.437. Das Geschrei sollte die Türken einerseits verunsichern, anderseits konnte es den eigenen Mut bis zur Tollkühnheit steigern.

(FN69) Veltzé, Montecuccoli, a.a.O., S.435.

(FN70) Ebenda, S.440.

(FN71) Ebenda, S.438f.

(FN72) Ebenda, S.441.

(FN73) Vgl. ebenda, S.442f: Je näher sie sich Körmend näherten, desto mehr stieg offensichtlich Montecuccolis Lust, wieder eine Offensive zu wagen. Er schreibt: "Als man sich am 9. August Körmend genähert hatte, stellte ich im Kriegsrate vor und erneuerte am 11. die Vorstellung, dass die Verhältnisse nicht günstiger sein könnten, als sie wären, um entweder mit dem ganzen Heere über die Raab hinaus vorzugehen, oder mit ausgewählter ‚commandierter‛ Mannschaft den Rückzug des Feindes zu stören und den Sieg zu verfolgen; man erwiderte mir aber einhellig, es sei unmöglich, die Soldaten dahin fortzuschleppen wenn sie sich früher nicht ausgeruht hätten, es fehlten Brot und Fourage, die Grundlage jeder guten Unternehmung, man müsste sich in sumpfige Gegenden begeben, in welchen sich nach längerem Regen nicht zurechtzufinden sei. Man müsste früher das müde, wenig zahlreiche, verwundete, kranke und unberittene Volk in der Gegend von Ödenburg sich erholen lassen, das da und dort zerstreute Volk heranziehen, die alte Mannschaft aus den Festungen herausziehen, die Verpflegung gänzlich regeln, dann erst gegen den Feind marschieren. Um diesen zu beobachten, wurde damals nur Nádasdy mit seinen Ungarn ausgesendet, verstärkt durch Kroaten, Dragoner und sechs Feldstücke. Und während der Türke sich gegen Stuhlweissenburg bewegte, zog unsere Armee zwischen der Pinka und Güns langsam gegen Ödenburg. Dort erholte sie sich durch einige Tage und wurde durch neuerlich aus dem Reich gekommene Truppen unter dem Prinzen Ulrich von Württemberg, sowie durch eine sehr schöne Artillerie aus den kaiserlichen Arsenalen verstärkt." Die genauen Hintergründe für Montecuccolis Kurswechsel (Druck von Seiten des Kaisers? Nur eine "Schutzbehauptung"? Neuer Offensivgeist? etc.) müssen an dieser Stelle unbeantwortet bleiben.

(FN74) Veltzé, Montecuccoli, a.a.O., S.445.

(FN75) Ebenda, S.563.

(FN76) Ebenda, S.445f.

(FN77) Ebenda, S.447.

(FN78) Ebenda, S.448.

(FN79) Ebenda, S.449.

(FN80) Wagner, a.a.O., S.449.

(FN81) Vgl. ADB, a.a.O., S.188f.

(FN82) Vgl. Jean-Jacques Langendorf: Ahnengalerie der kaiserlichen Armee 1618-1918. Biographische Schattenrisse, Wien: Karolinger, 1995, S.32. Wobei hier eine wohl zu idealistische Haltung Montecuccolis angenommen wird.

(FN83) Wagner, a.a.O., S.391.

(FN84) Vgl. ADB, a.a.O., S. 188.

(FN85) Vgl. Langendorf, a.a.O., S.30f.

(FN86) Vgl. Schreiber, a.a.O., S.277.

(FN87) Vgl. ADB, a.a.O., S.188.

(FN88) Vgl. Langendorf, a.a.O., S.32.

(FN89) Vgl. ADB, a.a.O., S.188.

(FN90) Vgl. Ernst Bruckmüller (Hg.): Österreich Lexikon in drei Bänden, Bd. 2, Wien: Verlagsgemeinschaft Österreich-Lexikon, 2004, S.430. Vgl. Veltzé, Montecuccoli, a.a.O., S.15ff, 185ff u. 611ff.

(FN91) Veltzé, Montecuccoli, a.a.O., S.197f.

(FN92) Wagner, a.a.O., S.294.

(FN93) Vgl. Mogersdorf, a.a.O., S.52ff.

Dr. Hubert Michael Mader

Geb. 1955; OR; Studium der Wirtschafts- und Sozialgeschichte/Österreichische Geschichte, seit 1991 an der Landesverteidigungsakademie, seit 1993 am Institut für Wehrpolitik, jetzt Institut für Human- und Sozialwissenschaften (IHSW); Forschungsschwerpunkte: Soldatenethos, Sozialgeschichte des Militärwesens; Mitarbeiter der Evangelischen Militärseelsorge; zahlreiche Publikationen zu diversen kulturwissenschaftlichen Themenstellungen.



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Die Schlacht bei St. Gotthard-Mogersdorf.

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