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CIMIC - Rückkehr und Integration von Flüchtlingen und Minderheiten

Civil-Military Cooperation (CIMIC) zählt erst seit einigen Jahren zu den Aufgaben des Militärs im Rahmen von Peace Support Operations, wenngleich die Idee und das Grundkonzept wesentlich älter sind. In der Regel verbindet man mit CIMIC Aufgabenstellungen wie Wiederaufbau von Infrastruktur für die Zivilbevölkerung, humanitäre Soforthilfe oder die Verteilung von Hilfsgütern an Not leidende Menschen in Krisengebieten. Das Spektrum der zivil-militärischen Kooperation ist in der Realität jedoch bedeutend breiter.

Der Zustand der Uneinigkeit zwischen den Entsendestaaten ist leicht zu begründen, wenn man sich nur die unterschiedlichen politischen Zielsetzungen vor Augen führt, die einer Entsendung militärischer Einheiten oder Verbände zu einer derartigen Mission zu­grun­de liegen. Im Falle Deutschlands sollte nach wie vor die Schaffung erforderlicher Voraussetzungen für die Rück­­kehr von bis zu 150 000 Kosovo-Flüchtlingen, die der­zeit in Deutschland leben, das Hauptziel sein. Das Ziel, Flüchtlinge zur Rückkehr zu bewegen, dürfte seit Beginn der KFOR-Mission existieren. Die Aufgabenstel­lungen für die Schaffung von Grundvoraussetzungen zur Flüchtlingsrücksied­lung im Rahmen von CIMIC haben sich naturgemäß geändert. Sie werden in den Bereichen Wiederaufbau, Berufsquali­fizierung und Wirtschaftsförderung zeitlich definiert (siehe Abbildung 2).

Noch im Jahre 2001 hatte der Wiederaufbau einer zivilen Infrastruktur oberste Priorität. Da die Wohnraum­versor­gung in der Region mittlerweile kein flächendeckendes und bei weitem kein so akutes Problem mehr ist, verschieben sich die Prioritäten der klassischen CIMIC-Aufgaben innerhalb des deutschen Kontingentes während des Frühjahrs 2002 in Richtung der Berufsqualifizierung für künftige Arbeitskräfte und Leiter von Klein- und Mittelbetrieben. Die Zukunft wird in umfangreicheren Wirtschafts­förde­rungs­maß­nah­men gesehen, wenn hiefür ein klarer Auftrag, ein angemessenes Budget und personelle Ressourcen zur Verfügung stehen. Die Planung von Minderheiten- und Flüchtlingsrückführung der Bin­nenflüchtlinge und Vertriebenen aus allen in Frage kommenden Ländern ist in der Stabsdienstordnung der Brigade der für CIMIC verantwortlichen G5-Abteilung zugeordnet.

Allgemeine Minderheitensituation

Im Verantwortungsbereich der Multinationalen Brigade Süd werden alle ethnischen Gruppen, die durch politischen, sozialen oder ökonomischen Druck seitens der albanischen Mehrheit Nachteile im täglichen Leben erfahren, als Minderheit bezeichnet. Diese Minderheiten sind, auch wegen der vorherrschenden eingeschränkten Bewegungsfreiheit, verstärkt von der Unterstützung internationaler Organisationen abhängig. Die Lage der Minderheiten im Verantwortungsbereich der Multinationalen Brigade Süd war während des Winters 2001/02 als ruhig, aber nicht als stabil zu bezeichnen. Zur generellen Ruhe in dieser Region trägt vor allem die Tatsache bei, dass von den verbliebenen über 100 000 Kosovo-Serben im ehemals autonomen Kosovo weniger als 2 000 im Süden leben. Umgekehrt kommt es gerade im Norden der Provinz (Raum Mitrovica) durch die räumliche Nähe größerer Bevölkerungsgruppen von Kosovo-Serben und Koso­vo-Albanern immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Region Prizren beheimatet viele andere Minderheitengruppen, wobei vor allem die Besiedlung mancher Gebiete mit Roma, Goranern oder Bosniaken zu Spannungen führt. Die Angehörigen der türkischen Minderheit fühlen sich durch die Anwesenheit eines türkischen Einsatzbataillons in deren Gemeinden offensichtlich gut beschützt.

Zu den Hauptproblemen der Minderheiten im Kosovo zählen:

  • erschwerter Zugang zu öffentlichen Einrichtungen wie Schulen oder Kran­kenhäusern;
  • Benachteiligung bei der Selbstversorgung mit Grundbedürfnissen wie et­wa Brennholz während des Winters; (Gerade dadurch entsteht eine permanente Abhängigkeit von der Unterstützung durch humanitäre Organisationen, wobei auch hier das Militär in Form der CIMIC eine wichtige Rolle spielt)
  • mangelnde Bewegungsfreiheit für Kosovo-Serben oder andere Gruppen, die von der albanischen Mehr­heitsbevölkerung als Kollaborateure der Serben im Krieg 1999 gesehen werden; (Bewegungen dieser Menschen sind auch heute noch ohne bewaffnete Eskorten kaum möglich)
  • völlige Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen politischen Vertretung, gerade im Hinblick auf einen schrittweisen Rückzug der internationalen Organisationen aus dem Kosovo.

Zusammenfassend kann ohne weiteres die Frage gestellt werden: "Gibt es für die verschiedenen Minderheiten im Kosovo ange­sichts der in Relation immer stärker werdenden Gruppe der Kosovo-Albaner überhaupt etwas Ähnliches wie eine gesicherte und friedliche Zukunft?"

Rückkehr von Minderheiten - politische Frage und Sicherheitsproblem

Die Rückkehr von geflüchteten Minderheiten, insbesondere der Kosovo-Serben, wird von der internationalen Gemeinschaft ziemlich einhellig als Voraussetzung zur Stabilisierung der gesamten Region nach den Richtlinien einer europäischen Wertegemeinschaft angesehen. Im November 2000 begann die Interimsverwaltung des Kosovo, UNMIK (United Nations Interim Administration Mission in Kosovo) mit ersten Schritten zur Rücksiedlung einer möglichst großen Anzahl der insgesamt über 200 000 geflohenen Kosovo-Serben. Diese Bemühungen wurden zunächst im Laufe des Jahres 2001 unterbrochen, da die politische Eskalation in Mazedonien (offiziell: FYROM/Former Yugoslav Republic of Macedonia) - verbunden mit einer Welle von über 80 000 Flüchtlingen in den Kosovo hinein - andere Prioritäten verlangte. Dennoch wurden Rahmendoku­mente unterzeichnet und mit deren schrittweisen Umsetzung begonnen. Ab 2002 werden nun die Rückführungsbe­mü­hungen verstärkt und auf alle betroffenen Minderheitengruppen ausgedehnt.

Als immer wieder deklarierte Hauptprinzipien für eine Rücksiedlung von Minderheiten in diese Krisenregion gelten nach wie vor:

  • Rückkehr ist ein Menschenrecht; (Dies schafft für die für Sicherheitsfragen verantwortlichen Organisationen - an der Spitze KFOR - immer wieder Probleme, da naturgemäß vorsichtiger vorgegangen wird und die Organisationen fallweise als Bremser bei der Umsetzung eines Menschenrechts bezeichnet werden)
  • Freiwilligkeitsprinzip; (Der Grundsatz der ausschließlich freiwilligen Rückkehr wurde noch im Jahr 2002 durch die Zwangsrücksiedlung aus einigen west- und mitteleuropäischen Ländern unterlaufen, wobei nach Gesprächen mit bundesdeutschen Behörden die Freiwilligkeit für Koso­vo-Serben aufrecht bleiben sollte)
  • Bei Rücksiedlungsplänen ist der Ort der eigenen Herkunft entscheidend, um die Schaffung neuer Enklaven für Minoritäten zu verhindern.
  • Der Dialog zwischen Vertretern unterschiedlicher ethnischer Gruppen ist bereits im Vorfeld einer Rücksiedlungsaktivität zu fördern.
  • Grundlegende humanitäre Unterstützung ist für Rückkehrer nach deren Meldung bei den verantwortlichen Behörden sicherzustellen.

Als Bedingungen für eine geordnete und dauerhafte Rückkehr von Minderheiten gelten folgende Grundsätze:

  • Sicherheit (in weiterer Folge auch mit verringerter oder fehlender Militärpräsenz);
  • Wiederaufbau der notwendigen Infrastruktur (Wohnraum);
  • Klärung der Eigentumsrechte bei mittlerweile okkupierten Gebäuden;
  • Verfügbarkeit öffentlicher Einrichtungen (Schulen, Kindergärten, Kran­kenhäuser);
  • Partizipationsmöglichkeiten am Gesundheits- und Sozialsystem auch ohne Interventionen der internationalen Organisationen;
  • Nutzung von (Aus-)Bildungsmög­lichkeiten;
  • Arbeitsplätze (es gelten zur Zeit ohne­hin an die 80 Prozent der Bevölkerung als arbeitslos; somit ist der zu erwartende Druck von Angehörigen der Minderheiten auf den begrenzten Arbeitsmarkt als weiteres Sicherheitsrisiko zu beurteilen)
  • keine Einschränkung der Bewe­gungs­freiheit (als vorrangiges Problem der Serben).

Für die Klärung von Fragen bei der Rücksiedlung von Minoritäten sind im Kosovo verschiedene Organisationen verantwortlich.

Das Mandat für die Supervision des Rückführungsprozesses ist nach wie vor dem Hochkommissariat für Flücht­lingsfragen der Vereinten Nationen (UNHCR) zugesprochen, obwohl diese Organisation nicht mehr als Säule der Interimsverwaltung eingesetzt ist. UNMIK sollte nun nach Schaffung eines eigenen Büros für Minderheiten- und Flüchtlingsfragen die Federführung für die Gesamtleitung übernehmen. Spannungen und Kompetenzprobleme sind damit gewissermaßen vorprogrammiert. KFOR besitzt das Mandat für Sicherheitsbelange und nimmt diese Verantwortung zusammen mit der internationalen Polizei der Vereinten Nationen (UNMIK-Police) wahr. Die Trennung zwischen Sicherheitsfragen mit militärischer Relevanz und zivil-polizeilichen Aufgaben gestaltet sich oftmals schwierig. Fortschritte hängen - wie auch anderswo üblich - von den handelnden Personen, aber auch von den Ausbildungsvoraus­setzungen des eingesetzten Personals ab. Gerade diese Voraussetzungen können etwa bei bunt zusammengewürfelten UN-Polizeieinheiten aus aller Herren Länder nicht automatisch angenommen werden. Da vor allem KFOR auf die Einhaltung von Sicherheits-Min­deststandards bei der Umsetzung von Rückführungsprogrammen drängt und etwa UNHCR den eigenen Erfolg nicht zuletzt an konkreten Zahlen einer Flücht­lingsrückkehr messen muss, ist in der täglichen Kommunikation durch das CIMIC-Personal zumindest von latenten Spannungen auszugehen. In der Praxis werden diese Spannungen durch einen diplomatischen Umgangston gedämpft. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), verantwortlich für Demokratisierungs­entwicklung und Wahlen im Kosovo, spielt in der Rückführungsfrage eher eine Nebenrolle.

Als Slogan der Multinationalen Brigade Süd entstand nach Berücksichtigung aller nun kurz dargestellten Faktoren rund um die Minderheitenrück­führung: "Nur kleine Schritte sind auch realistisch!"

CIMIC - Eine Herausforderung

Insgesamt versahen im Berichtszeit­raum zwölf Österreicher ihren Dienst im Hauptquartier der Multinationalen Brigade Süd. Es gilt festzuhalten, dass einem als österreichischer Soldat, unabhängig vom Dienstgrad, seitens der Angehörigen der Deutschen Bundeswehr volles Vertrauen in die eigene Fähigkeit und Akzeptanz als Kamerad entgegengebracht wird. Auch die jahrzehntelange Erfahrung Österreichs als friedensunterstützende Nation im Rahmen militärischer Auslandseinsätze wird respektiert. Dazu kommt noch die hohe Vergleichbarkeit zwischen den beiden Militärkulturen.

Eine der Voraussetzungen sind Eng­lischkenntnisse auf angemessenem Niveau (Offiziere "C" oder STANAG 6001, Level 3, Unteroffiziere mindes­tens "B" oder Level 2). Das ist eine Grundbedingung für ein ordnungsgemäßes Wahrnehmen der zugeordneten Funktion.

CIMIC als relativ neues Spektrum im Rahmen von PSO (Peace Support Operation) bietet ein wesentlich breiteres und wie im vorliegendem Fall politisch brisanteres Betätigungsfeld als vielfach angenommen.

Der konkrete Einsatz von CIMIC ist trotz der Vorlage eines gültigen Einsatzkonzeptes für KFOR von den nationalen Interessenslagen der Truppen entsendenden Staaten abhängig.

Die Maßnahmen der Deutschen Bundeswehr als Lead-Nation für die Multinationale Brigade Süd scheinen sich neben generellem sozialem Engagement im Wesentlichen auf eine Vorbereitung der Flüchtlingsrückkehr aus Deutschland in das Kosovo zu konzentrieren. Die Bearbeitung von Problemen der Minderheiten und deren Rückkehr in das südliche Ko­sovo ist dem Bereich CIMIC zugeordnet. Vor allem die Situation rund um eine Rückkehr der Serben gestaltet sich als schwierig und ist von vielen politischen Fragen begleitet. Nur kleine Schritte können hier langfristigen Erfolg erzielen.

Der Dienst in einem multinationalen Brigadekommando kann als Herausforderung gesehen werden, der man als österreichischer Offizier oder Unteroffizier mit Selbstvertrauen und der notwendigen Vorbereitung problemlos begegnen kann.


Autor: Major dhmfD Mag. Andreas Kast­berger, Jahrgang 1968; Ausmusterung zum Leutnant an der Theresianischen Militärakademie 1990. Bis 1993 Verwendung als Zugskommandant und Ausbildungsoffizier, 1993 - 1998 Kommandant der 2. Ausbildungskompanie des Versorgungsregi­ments 2. Studium der Pädagogik und Politikwissenschaft an der Universität Salzburg, 1998 Versetzung an die Heeresunteroffi­ziersakademie. Einteilung als Lehrgangsleiter beim Stabs­un­ter­of­fizierslehrgang, seit Februar 2000 Referatsleiter für Allgemeine Grundlagen & Hauptlehroffizier Wehrpädagogik. Auslandsverwendung als G5-Planungsstabsoffizier CIMIC der Multinationalen Brigade Süd im Rahmen KFOR 5 von Oktober 2001 bis April 2002.

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