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Aufklärung im Rahmen von PSO

Die Kernaufgabe eines großen Verbandes in einer Peace Support Operation (PSO) ist die Schaffung eines sicheren Umfeldes als Voraussetzung für Stabilität und Frieden gemäß den politischen Vorgaben. Zur Auftragserfüllung ist die Brigade auf eine Vielzahl von Informationen angewiesen. Daher beschränkt sich die Aufklärung nicht allein auf das Feststellen der allgemeinen Lage, sondern beinhaltet die Beschaffung umfassender Informationen über die Konfliktparteien einschließlich politischer, ethnischer, religiöser und kultureller Hintergründe. Um diese Ziele zu erreichen, benötigt eine konventionelle Brigade wesentlich mehr Aufklärungskapazität, als im Organisationsplan vorgesehen ist.

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Themenbereich der Aufklärung am Beispiel der Multinationalen Brigade Süd (MNB-S) zu Beginn des Kosovo-Einsatzes (KFOR 3).

Die Aufklärungszelle

Der Aufklärungsführer der Brigade ist der G2: Er definiert die PIRs (Prior Intelligence Requirements); umgesetzt werden diese in der ASIC (All Source Intelligence Cell). In dieser Zelle der G2-Abteilung arbeiten drei bis vier Offiziere; hier laufen alle Informationen ein, werden bewertet und zu einem Lagebild zusammengefasst. Alle Aufklärungsmittel werden anhand eines detaillierten Aufklärungsplanes eingesetzt und gesteuert; die Zuarbeit erfolgt aus nahezu allen Abteilungen des Stabes:

- Die JOC (Joint Operation Cell) informiert über die aktuelle Lage im Einsatzgebiet.

- Eine landeskundliche Beratergruppe innerhalb der G2-Abteilung liefert religiöse und kulturelle Hintergrundinformationen, weil diese speziell in einem fremden Kulturkreis von größter Bedeutung sind.

- Aus der G3-Abteilung liefern vor allem die MP (Military Police) und der OpInfo-Bereich (Operative Information) die erforderlichen Informationen.

- Einen weiteren wichtigen Informationsträger stellt der CIMIC-Bereich (Civil-Military Cooperation) dar.

Obschon die G2-Abteilung selbstständig Kontakte zu weiteren im Einsatzraum tätigen internationalen Organisationen wie UNO, OSZE und EUMM (European Monitoring Mission) hält, liefert der CIMIC-Bereich interessante Informationen über NGOs (Non Governmental Organisations) und deren Tätigkeit. Durch diverse Hilfsprojekte wird ein wertvoller Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung gepflegt.

Der Informationsaustausch mit allen Abteilungen erfolgt in täglichen Besprechungen in der ASIC.

Die Aufklärungsmittel

Die G2-Abteilung verfügt über drei IntNets (Intelligence Networks), die täglich mit wertvollen Informationen befüllt werden. Die wichtigsten Aufklärungsmittel stellen die HUMINT-Teams (Human Intelligence) dar. Ihre Aufklärungsarbeit in der gesamten AOR (Area of Responsibility) wird von nachrichtendienstlich geschultem Personal wahrgenommen und liefert ständig wertvolle Ergebnisse.

An Bodenaufklärung verfügt die Brigade über sechs passive Radarsysteme des Typs "Abra" und "Para". Sie werden vor allem zur Überwachung der Grenzen zu Mazedonien und Albanien eingesetzt. Leider verfügt die Brigade über keine weiteren Bodenaufklärungskräfte, was eine große Einschränkung der Aufklärungskapazität darstellt. Spähtrupps können nur aus den Kräften der Task Forces gebildet werden, welche meist nicht für Aufklärungsaufgaben ausgebildet sind. Besonders nachteilig wirkt sich das Fehlen von Fernspähtrupps aus, jenen Elementen, welche die Ergebnisse der Luftaufklärung verifizieren sollten.

An Luftaufklärungskapazität verfügt die Brigade über mehrere Hubschrauber zur Augenaufklärung sowie über das LUNA-System (Luftgestützte, Unbemannte Nahaufklärungs-Ausstattung). Die Augenaufklärung mit dem Hubschrauber hat den Nachteil der Wetterabhängigkeit, LUNA widerrum ist nicht für Aufklärung über große Entfernungen und lange Zeit geeignet.

Lediglich die US-Streitkräfte und die Briten verfügen über darüber hinausgehende Aufklärungssysteme, welche bei Bedarf angefordert werden können. Insbesondere die leistungsfähigen unbemannten Aufklärungssysteme vom Typ "Predator" sind sehr gefragt. Die Brigade ist dabei jedoch vom Wohlwollen der Amerikaner und dem Geschick des Verbindungsoffiziers im amerikanischen Hauptquartier abhängig.

Die Fernmeldeaufklärung wird durch eine unterstellte Kompanie wahrgenommen, sie wird brigadeunmittelbar geführt und stellt ebenfalls einen entscheidenden Faktor zur Informationsgewinnung dar.

Herausforderungen

Die Führung der Aufklärung und die Auswertung der Ergebnisse ist nur in Teamarbeit zu lösen. Mit nur vier Offizieren wurde das personelle Minimum jedoch bereits unterschritten. Vor allem Longterm- und Mediumterm-Assessments (Auswerteverfahren über einen langen bzw. mittellangen Zeitraum) wurden nur grob angerissen, da die Bearbeitung der aktuellen Lage kaum mehr Zeit dafür ließ. Zum Vergleich: Die Aufklärungszelle im Stab der US-Brigade beschäftigt 14 Offiziere.

Aufgrund dieser personellen Unterbesetzung kommt der Qualität des Personals besondere Bedeutung zu, was sich in den Anforderungen an den Einzelnen niederschlägt. Verlangt werden eine umfassende allgemeine Bildung, insbesondere über historische, kulturelle und religiöse Zusammenhänge, eine fundierte militärische Ausbildung und gute militärische Allgemeinbildung, hohe Sprachkompetenz in Deutsch und Englisch und eine erhöhte psychische und physische Belastbarkeit.

Eine große Herausforderung stellen die polizeiähnlichen Aufgabenstellungen in PSO-Einsätzen dar. Militärische Strukturen sind auf eine koordinierte Gewaltanwendung in Extremsituationen ausgerichtet. Die militärische Organisation ist daher zentralistisch und arbeitsteilig aufgebaut. Jeder bekommt die für die Auftragserfüllung notwendige Information, die nach unten, aus Gründen der militärischen Sicherheit, immer mehr gefiltert wird.

Bei einem Einsatz mit Polizei- und CIMIC-Kräften ist eine Informationsdezentralisierung notwendig. Aufgaben wie lokale Überwachung, Wahlmonitoring, Demilitarisierung, Schutz von Minoritäten, Patrouillendienst, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Wiederaufbauhilfe etc. verlangen Eigeninitiative und Entscheidungskompetenz an Ort und Stelle. Hiezu benötigen die Kommandanten vor Ort auch alle zur Auftragserfüllung notwendigen Informationen. Gleichzeitig werden viele Informationen gewonnen. Die Steuerung des Informationsflusses ist entscheidend. Durch die Einstufung von Information als Verschluss- oder Geheimsache kommt es dazu, dass Bedarfsträger nicht oder nicht rechtzeitig mit wichtigen und rasch auszuwertenden Nachrichten beteilt werden. Aus nationalen Gründen wiederum gelangen viele Informationen nicht zum übergeordneten Kommando, was zu einem Informationsdefizit führt und der Sache nicht dienlich ist.

Knackpunkte

Die Aufklärung in einer Peace Support Operation ist wesentlich vielschichtiger und aufwändiger als in einem konventionellen Gefecht. Es geht nicht darum, einen klar definierten Feind festzustellen, sondern den "background behind the background" zu finden. Fundierte Analysen über den Einsatzraum und die Konfliktparteien zu erstellen, sind das tägliche Brot des Aufklärers bei PSOs. Dies erfordert für einen großen Verband mehr materielle und vor allem mehr personelle Kapazitäten im G2-Bereich gegenüber dem Organisationsplan einer Normbrigade im Einsatz.

Eine besondere Bedeutung kommt der Qualität des Personals zu. Viele Informationen werden durch Gesprächsabschöpfung gewonnen. Gespräche bringen oft mehr Aufklärungsergebnisse als High Tech-Aufklärungsmittel. Entscheidend ist auch die flexible Handhabung der Informationspolitik. Es darf nicht sein, dass nach oben mehr Informationen gemeldet werden als nach unten zum Bedarfsträger.

Um in einer PSO erfolgreich zu sein, müssen einerseits Entscheidungskompetenzen nach unten delegiert werden, andererseits gibt es aber Situationen, wo "Mikromanagement" erforderlich ist. So kann auch eine Zugsaufgabe durch die Brigade geführt werden. Zudem ist das Führungsprinzip der Auftragstaktik in einer PSO nicht immer anwendbar, weil unterschiedliche militärische Traditionen und Verfahren der verschiedenen Nationen berücksichtigt werden müssen.


Autor: Major Ulfried Khom, Jahrgang 1965. 1987 Ausmusterung an der Theresianischen Militärakademie zum damaligen Jagdpanzerbataillon 4; Verwendung als Zugs- und Kompaniekommandant im Jagdpanzerbataillon 4 und im Aufklärungsregiment 1. 1997 Mobilmachungsoffizier des Aufklärungsregiments 1, 1999 Kommandant der Stabskompanie des Aufklärungsbataillons 1. Von 2000 bis 2001 S2-Stabsoffizier im Hauptquartier der MNB-S/KFOR. Derzeit stellvertretender Kommandant und S3 des Aufklärungsbataillons 1.

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