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Kriegs- und Militärgeschichte in Österreich (er-)forschen

Wer sich in Österreich mit Kriegs- und Militärgeschichte befassen möchte, dem stehen verschiedene Institutionen zur Verfügung. Es sind dies die Bibliotheken, Museen und Archive. Die wichtigsten Institutionen, die Forschung über Krieg und Militär ermöglichen, sind die Abteilungen "Kriegsarchiv" und "Archiv der Republik" im österreichischen Staatsarchiv.

Museen sammeln und bewahren dreidimensionale Objekte auf und stellen sie für ein interessiertes Publikum zur Schau. Beispiele sind in Österreich die neun Landesmuseen, das Heeresgeschichtliche Museum oder kleinere, auf privater Basis arbeitende Häuser und Sammlungen, wie das Kaiserjägermuseum in Innsbruck oder das Bunkermuseum auf dem Wurzenpass in Kärnten.

Doch die eigentlichen Datenspeicher zur Erforschung von Kriegs- und Militärgeschichte sind die Archive. In ihren großen Speichern lagern die Nachlässe der Streitkräfte Österreichs seit dem 16. Jahrhundert. Im größten Archiv des Landes, dem Österreichischen Staatsarchiv (ÖSTA) in Wien, befinden sich die schriftlichen Zeugnisse der Habsburgerarmeen bis 1918, der Volkswehr von 1918 bis 1920 und des Ersten Österreichischen Bundesheeres von 1918 bis 1938 sowie die Akten des Bundesheeres ab 1955. Bis 1983 befanden sich alle Archivalien militärischer Herkunft im Kriegsarchiv. In diesem Jahr wurde das "Archiv der Republik" als selbstständige Archiv- abteilung aus der Taufe gehoben, das das gesamte Schriftgut der Bundesbehörden der Republik Österreich seit 1918 bewahrt. Damit wanderten aus dem Kriegsarchiv alle Bestände nach 1918 in diese neue Abteilung. Im Archiv der Republik gibt es dazu noch einen kleinen Bestand "Militärakten der NS-Zeit" für die Zeit 1938 bis 1945.

Die Abteilung bezog zwischen 1983 und 1987 provisorisch in einer ehemaligen Fabrikhalle im siebten Wiener Gemeindebezirk Quartier und übersiedelte als erste Abteilung des Staatsarchivs in das neue Haus in der Nottendorfer Gasse in Wien 3. Anders verhielt es sich bei dem viel älteren Kriegsarchiv, das erst 1991 aus dem Amtsgebäude der Stiftskaserne nach Erdberg übersiedelte. Seit über zwanzig Jahren befinden sich nun fast alle Bestände aus der österreichischen Militärgeschichte unter einem Dach.

Doch eben nur fast alle. In den neun Landesarchiven befinden sich noch landesspezifische Bestände zur österreichischen Militärgeschichte. Als erstes Beispiel sei hier das oberösterreichische Landesarchiv genannt: Im Bestand "Militärische Sammlungen" befinden sich Archivalien zu den Freikorps des Jahres 1859 (Sardischer Krieg), der "Freiwilligen oberösterreichischen Schützen" 1915 bis 1918, der Heeresstandortverwaltung in Linz oder des Wehrbezirkskommandos Linz 1938 bis 1945. Ein anderes prominentes Beispiel ist der Bestand der Kaiserjäger am Tiroler Landesarchiv in Innsbruck. Aber auch die Kommunalarchive verwahren Archivgut zur Militärgeschichte, fast immer mit lokalem Bezug. So verwahrt zum Beispiel das Marktarchiv Purgstall an der Erlauf (Bezirk Scheibbs, Niederösterreich) einen Teil der Akten des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Schauboden oder das Marktarchiv Weyer (Bezirk Steyr-Land, Oberösterreich) den Bestand der hiesigen Nationalgarde des Jahres 1848. Die Kommunalarchive geben auch regelmäßig wieder aufgefundenes Schriftgut mit Bezug zum Militär an das Kriegsarchiv ab (Beispiel: Bestand Gräberevidenzen des Kriegsgefangenenlagers Hart bei St. Georgen am Ybbsfeld in Niederösterreich).

Aber auch in Kirchenarchiven - katholischen wie (soweit überhaupt existent) auch evangelischen - sind Bestände mit Bezug zum Militär vorhanden. Ein Beispiel ist hier das vom Autor geordnete Archiv der Evangelischen Militärsuperintendentur und der evangelischen Militärpfarren im Archiv der Republik.

Was sind Archive und wie sind sie entstanden?

Unter einem Archiv versteht man eine Institution, worin der (schriftliche) Nachlass einer Organisation aufbewahrt, geordnet, dauernd erhalten und nutzbar gemacht wird. Während es in der Antike schon Formen des Archives gab - das Wort stammt aus dem Altgriechischen "αρχείον/archeíon" (Behörde) - kennt das europäische Mittelalter ein Archiv im obigen Sinn nicht. Die wenigen wichtigen Archivalien bewahrte man in den Schatzgewölben, Urkundenschreinen und Bibliotheken auf.

Durch das Aufkommen des Papiers im 14. Jahrhundert und den Ausbau der Behördenstruktur der Städte, der Wirtschaft und des Staatswesens ("Beginn des Aktenzeitalters" nach Günther Franz) entstanden immer größere Mengen an Behördenschriftgut, das in den Registraturen bei diesen Behörden gelagert wurde. Für den Habsburgerstaat entscheidend war der Ausbau der Behördenstruktur durch Ferdinand I., der - basierend auf den mittelalterlichen Hofämtern - ab 1527 Behörden zur Lenkung und Verwaltung des Staates gründete.

Das Kriegsarchiv und seine Geschichte

Ab dem Jahr 1527 finden wir einen "Selbstständigen Kriegsrat" als zeitlich begrenzte Vorform einer Militärbehörde, die 1556 dauerhaft eingerichtet (ab 1564 "Hofkriegsrat" genannt) wurde. Diese Behörde existierte bis 1848. Bezeichnend für Österreich ist, dass es bereits vor einem stehenden Heer eine Heeresbehörde gab! Das Schriftgut, das bei diesem Hofkriegsrat während seiner Behördentätigkeit entstand, lagerte in einer dem Amt angeschlossenen Registratur ("Hofkriegsräthliche Registratur"), die, neben vielen Außenstellen, das Hauptaktenlager in der Stallburg (Hofburg, Wien 1) hatte. Als sich im Jahr 1705 die Militärbürokratie veränderte, bezog man das Kanzlei- und Registraturwesen mit ein. Wegen der bereits großen Aktenmengen in der Hofkriegsräthlichen Registratur war dieser Schritt notwendig geworden. Kaiser Joseph I. ernannte 1711 Bernardus Rosenbaum zum Archivar in der Hofkriegskanzlei und schuf mit dem "Hofkriegsräthlichen Kanzleiarchiv" ein neues Endarchiv. Damit gelangten die Akten nach ihrem Gebrauch zuerst in die Registratur und kamen danach endgültig ins Archiv. 1711 ist also das Geburtsjahr des Vorläufers des Kriegsarchivs in Wien. Das 18. Jahrhundert hatte für das Archiv noch eine weitere gravierende Aufgabenveränderung parat: 1779 hob Joseph II. die amtliche Militärgeschichte aus der Taufe und unterstellte sie dem "Hofkriegsräthlichen Kanzleiarchiv" Mit dem Zeitalter Napoleons erfuhr Österreichs Archivwesen im Militärbereich erneut eine entscheidende Veränderung. Die treibende Kraft der Reform des Behördenwesens, Erzherzog Carl, erreichte bei Kaiser Franz II. 1801 die Errichtung des "Kriegsarchivs", jedoch als militärhistorische Forschungsanstalt, während die beiden anderen Institutionen (Registratur, Kanzleiarchiv) bestehen blieben. Carl argumentierte dies so: Es sei "[…] höchst notwendig […], daß Männer von Einsicht und Kenntnissen die ruhigen Zeiten bestens benutzen, Ideen, Urtheile, Vorschläge und Angaben, welche die höhere Taktik zum Gegenstand haben, zu prüfen […]". Sie sollten "[…] Verhältnisse mit Beziehung auf die besonderen Staaten selbst entwerfen [in der Lage sein] […], um bei einem Krieg mit den vorzüglichsten vorbereitet zu seyn […]. Um aber diesen Zweck desto eher und gewisser zu erreichen, muß vor allem ein point de ralliement bestimmt werden, wo auf die Taktik Bezug habende Arbeiten geprüft, beurtheilt, registriert und aufbewahrt werden müßen. Dieses ist die Einrichtung eines Kriegs-Archivs, bloß in Aussicht auf militärische, taktische Defensions-, Angriffs- und Operazions-Gegenstände […]". Das Kriegsarchiv besaß ab dem Jahr 1808 ein eigenes Publikationsorgan, die "Österreichische Militärische Zeitschrift/ÖMZ".

Im Laufe des 19. Jahrhunderts legte das Kriegsministerium - es ersetzte den veralteten Hofkriegsrat nach der Revolution 1848 - die (historischen) Bestände der drei Institutionen zusammen. Bis 1905 hatte das Kriegsarchiv seinen Sitz Am Hof (ehem. Klostergebäude der Jesuiten, heute ein neues Gebäude, ehemals im Besitz der Bank Austria), dann bis 1991 im Akademietrakt der Stiftskaserne. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Kriegsarchiv eine dem Bundeskanzleramt unterstellte Zivilbehörde. Aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg gelang die Vereinigung der Zentralarchive zum Österreichischen Staatsarchiv. Das Kriegsarchiv ist heute ein "geschlossenes Archiv". Das bedeutet, dass keine Akten mehr aus den Behörden an das Archiv abgegeben werden (können) - die Registraturbildner von einst sind ja seit 1918 Vergangenheit. Demgegenüber ist das Archiv der Republik ein "offenes Archiv", denn das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport liefert weiterhin Akten an das Staatsarchiv ab.

Die Gliederung der Bestände des Kriegsarchivs

Das Kriegsarchiv in Wien ist in 22 Bestandsgruppen gegliedert. Sie umfassen Personalunterlagen und Belohnungsakten (Schriftgut zur Verleihung von militärischen Auszeichnungen - wie etwa die Bestände des Militär-Maria-Theresien-Ordens), Feldakten zu den Feldzügen und Operationen der habsburgischen Streitkräfte bis 1918, Schriftgut zu den Militärbehörden aller Bereiche und anderen militärischen Einrichtungen, Archivalien zur Kriegsmarine und zur Luftfahrtruppe sowie Sammlungen (u. a. Nachlässe von Personen, Pläne-, Karten- und Bildersammlung).

Forschen im Staatsarchiv

Jeder, der heute das Aktenmaterial des Österreichischen Staatsarchivs zu Forschungszwecken benutzen will, muss bestimmte Regeln einhalten. Bevor der Interessierte sich in das Staatsarchiv in Wien (Nottendorfer Gasse 2, gleich gegenüber der U3-Station "Erdberg") begibt, ist es ratsam, sich auf der Hompage (www.oesta.gv.at) über Grundlegendes zu erkundigen. Im Internet findet der Forscher nicht nur alle Abteilungen des Archivs aufgelistet, sondern auch wichtige Zusatzinformationen über das Onlinearchiv- informationssystem. Das sollte man vorher benutzen. Ganz entscheidend ist jedoch die Anfrage zum Thema direkt an das Archiv selbst. Die Anfrage ist per E-Mail an die Abteilung zu richten (Kriegsarchiv kapost@oesta.gv.at, Archiv der Republik adrpost@oesta.gv.at). Stellen sie am besten die Anfrage 14 Tage vor dem geplanten Besuch.

Im Archiv selbst muss jeder Besucher einen Besucherbogen für je ein Jahr ausfüllen. Er akzeptiert mit seiner Unterschrift auch die Benutzungsordnung des Staatsarchivs. Im Bogen selbst sind die Aktenbestände, die der Forscher angefordert hat, aufgezeichnet.

Der Besuch des Staatsarchivs ist mit Kosten verbunden, das heißt, jeder Besucher muss eine "Benutzerkarte" lösen. Hier besteht die Möglichkeit, zwischen einer Fünftageskarte, einer Monatskarte oder einer Jahreskarte zu wählen. Die Jahreskarte kostet momentan (Dezember 2013) 42,- Euro.

Im Archiv führt den Besucher der erste Weg zum Hauptdienst, der mit ihm die ersten Schritte bespricht. Hier geht es um die Benutzung der (analogen) Findmittel im Lesesaal sowie um den Bestellvorgang selbst. In den Findmitteln finden sich die Signaturen der Bestände, mit denen der Forscher arbeiten kann. Die Signaturen trägt der Forscher in die Bestellscheine ein und gibt sie ab - und zwar für jede archivalische Einheit (etwa Karton) einen eigenen. Das Material liegt dann spätestens zwei Tage später für die Dauer von vier Wochen für ihn in einem eigenen Fach bereit. Zu beachten ist aber: Pro Tag dürfen nicht mehr als drei Einheiten oder zehn Einzelstücke bestellt werden!

Im Lesesaal gelten besondere Vorschriften. Taschen (auch Laptoptaschen) und Jacken müssen in der Garderobe in einem versperrbaren Fach zurückgelassen werden. Nahrungsmittel und Getränke dürfen im Lesesaal nicht konsumiert werden. Neben dem Laptop ist nur das Benutzen von Bleistiften erlaubt. Handys sind grundsätzlich abzuschalten. Am Leseplatz darf nur eine einzige Einheit (etwa Karton) benutzt werden. Bei mehreren Einheiten besteht die Gefahr, dass einzelne Bestände durcheinanderkommen.

Jeder Besucher muss bei der Benutzung der Akten Baumwollhandschuhe verwenden! Für die Reproduktionen der Akten stehen Auflichtscanner und Kopierer gegen Entgelt zur Verfügung. Jedoch dürfen nicht alle Archivalien vervielfältigt werden - eine Nachfrage beim Hauptdienst ist hier der beste Weg.

Auf einen Blick

Mit den beiden Abteilungen im Österreichischen Staatsarchiv stehen dem Forscher fast unerschöpfliche Datenspeicher zur Verfügung, die es gilt, auszuwerten. Denn zu groß sind die weißen Flecken in Österreichs Militärgeschichte. Aber auch die Beschäftigung mit den eigenen Vorfahren ermöglicht das Staatsarchiv - und nicht zu vergessen die fachübergreifende Forschung.


Autor: Mag. Martin Prieschl, MA, Jahrgang 1976. 2004 Wehrdienst im Panzergrenadierbataillon 13, Angehöriger des Jägerbataillons Wien I. Studium der Rechtswissenschaft und Geschichte an der Universität Salzburg. Abschluss in Geschichte 2003 mit Auszeichnung; Auszeichnung des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für die besten Studierenden 2003/2004; Ausbildung zum Archivar am Institut für Österreichische Geschichtsforschung und der Fachhochschule Potsdam, Mitglied des Instituts für österreichische Geschichtsforschung; Dissertation an der Universität Linz über Kommunales Urkundenwesen der Stadt Ried im Innkreis. Nach dem Studium neben zahlreichen Publikationen u. a. Tätigkeiten im Verlagswesen und Ausstellungskoordinator. 2007 bis 2009 Archivar bei der Evangelischen Kirche AB (Oberkirchenrat, Diözese Niederösterreich, Salzburg-Tirol, Militärsuperintendentur), Funktionsdienste bei der Österreichischen Militärischen Zeitschrift ÖMZ. Seit 2009 Geschäftsführer der Fa. Archivtechnik & Systeme (Kommunal- und Firmenarchive).

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