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Soldat der Zukunft

Als Antwort auf steigende Anforderungen, die an die Soldaten in ihren Einsatzräumen gestellt werden, wurden in den letzten Jahren in den Streitkräften weltweit Soldatenmodernisierungsprogramme (SMP) begonnen. Auch das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (BMLVS) setzt in diese Richtung Maßnahmen.

Das Ziel ist klar definiert. Es geht um die Steigerung der Leistungsfähigkeit der "abgesessenen" Soldaten, also um einen erhöhten Schutz, die Digitalisierung, eine verbesserte Beweglichkeit sowie eine größere Führungs-, Aufklärungs- und Durchsetzungsfähigkeit. Der "Dismounted Soldier" und das damit verbundene System wird zum Begriff.

Dismounted Soldier System

Ein "Dismounted Soldier System" (DSS) ist ein komplexes System, das den militärischen Nutzer vor hohe Anforderungen stellt. Dieser ist nicht mehr "nur" ein Individuum, das einen Auftrag in einem Kollektiv zu erfüllen hat, sondern er wird gleichzeitig zur Plattform und zum Sensor. Technologie muss den Soldaten verlässlich unterstützen und darf keineswegs ablenken oder überfordern. Nur damit ist sichergestellt, dass das Gesamtsystem als ein Instrument zur Erhöhung der "Combat Effectiveness" durch den Soldaten auch und vor allem in Stresssituationen und in unmittelbaren Kampfhandlungen akzeptiert wird.

Die Herausforderungen, die es bei der Entwicklung eines DSS zu bewältigen gilt, sind vielfältig und verlangen Komplexität des Denkens und des Handelns bereits im Planungsprozess. Der rasante technologische Fortschritt mit all seinen Konsequenzen ist dabei ebenso zu berücksichtigen, wie der Umgang der (jungen) Soldaten mit den einzelnen Komponenten. Ergebnisse von Programmen in befreundeten Streitkräften zeigen, dass der Nutzer so früh wie möglich einzubinden ist, um die Bedürfnisse und Besonderheiten der jeweiligen Waffengattung zu berücksichtigen.

"Soldat der Zukunft"

Nachdem im Jahr 2008, nach vereinzelten Schritten in der Vergangenheit, das Vorhaben "Soldat der Zukunft" im BMLVS mit dem Auftrag der Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen initiiert wurde, erfolgt seitdem die nationale Bearbeitung auf planerischer Ebene und in Kooperation mit internationalen Arbeitsgruppen in der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) und der NATO.

In dieser "Community" werden, abgeleitet aus Fähigkeitslücken und Erkenntnissen der Lessons Learned-Prozesse, militärisch taktische und technische Anforderungen an ein DSS durch internationale Experten analysiert und festgelegt. Die involvierten Programmmanager erkennen und bündeln Synergien parallel zu nationalen Vorhaben und initiieren und vergeben nationale und multinationale Forschungsprojekte und Studien zur Schließung erkannter Fähigkeitslücken.

Lösungsmöglichkeiten werden in Zusammenarbeit mit der Industrie entwickelt, um ein Höchstmaß an Interoperabilität sicherzustellen und den Bedürfnissen des Soldaten in gegenwärtigen aber vor allem in zukünftigen Einsätzen zu entsprechen.

Anforderungen an ein DSS

Das Feld, worin sich der Soldat bewegt, ist geprägt von einem hohen Maß an Vernetzung, Multinationalität sowie Auftragserfüllung im Sinne von "joint and combined" bis zur untersten Ebene. Interoperabilität sowohl in taktischer als auch technischer Hinsicht stellt höchste Anforderungen an ein DSS.

Technologische Komponenten haben ausschließlich den Zweck, den Soldaten bei seiner Auftragserfüllung zu unterstützen, ihm die benötigten Informationen rasch und zuverlässig zur Verfügung zu stellen, bzw. seine Wirkmittel verhältnismäßig, präzise und zeitgerecht zum Einsatz zu bringen und somit seine Leistungsfähigkeit auf dem Gefechtsfeld zu erhöhen.

Informationsüberlegenheit bedingt höchste Anforderungen an Systemkomponenten. Netzwerkfähigkeit, die Fähigkeit zu Erhalt, Verarbeitung bzw. Auswertung und Weitergabe relevanter Information in (Beinahe-)Echtzeit als Grundlage von gesteigerter "Situational Awareness" (SA) und Verbesserung der Führungsfähigkeit, stellt eine Kernfähigkeit dar.

Innovative, zukunftsorientierte technische Lösungsansätze sind zu beurteilen. Orientierung, Navigation, Nachtsicht- und Nachtkampffähigkeit, Datensicherheit, (kabelloser) Datentransfer innerhalb des Systems und über weite Entfernungen, Freund/Feind-Kennung sowie der Schutz vor IEDs (Improvised Explosive Devices) im Einsatzraum sind ebenso Herausforderungen, die es zu lösen gilt, wie ballistischer Schutz, Gewicht, Ergonomie, Mobilität und Energieversorgung bzw. -management. Schnittstellen innerhalb und außerhalb des Systems sind zu definieren, um die Zusammenarbeit in einem multinationalen Verbund sicherzustellen.

Überprüfung des Systemansatzes

Ist das Ziel der Soldatenmodernisierungsprogramme jeweils klar definiert, so sind Systemansatz bzw. Systemarchitektur der einzelnen DSS durchaus unterschiedlich. Wurde anfänglich eine höchstmögliche Digitalisierung des Soldaten angestrebt, so lässt sich international in den letzten Jahren eine deutliche Trendumkehr feststellen. Einerseits sind technologische Grenzen erreicht, andererseits ergaben Studien und Erprobungen, dass neben der Bedeutung der Technologie der Mensch im Zentrum zu stehen hat. Seine physischen und psychischen Voraussetzungen entscheiden über die Effektivität und Akzeptanz eines Gesamtssystems und verhindern eine Überforderung des Nutzers.

Als erster Schritt und als Ergebnis der multinationalen Kooperation, erfolgte die Demonstration des norwegischen Gesamtsystems NORMANS (Norwegian Modular Arctic Network Soldier). Dieses wurde auf Wunsch des BMLVS in der durch die norwegischen Streitkräfte genutzten Erprobungskonfiguration durch die Firma THALES AUSTRIA - auf der Basis eines Leihvertrages - zur Verfügung gestellt.

Wesentlicher Zweck dieser Demonstration war einerseits die Überprüfung der Systemarchitektur NORMANS und andererseits die Ermittlung des Mehrwertes eines Gesamtsystems im Vergleich zur im ÖBH eingeführten Ausrüstung.

NORMANS

NORMANS wurde in den Jahren 2000 bis 2013 in enger Kooperation zwischen dem norwegischen Verteidigungsministerium, FFI (Forsvarets Forskningsinstitut/Forschungsinstitut des Verteidigungsministeriums) und der Firma THALES NORWAY als Generalunternehmer entwickelt, ausführlich insbesondere in Szenarien erprobt, die Einsätzen von Soldaten des ÖBH sehr ähnlich sind, und wird im Jahr 2014 für die norwegischen Streitkräfte beschafft.

NORMANS verfügt über eine modulare, zweistufige Systemarchitektur. Diese besteht aus einer NORMANS Light Unit und einer NORMANS Advanced Unit, die der Reduktion des Gesamtgewichtes und der Ergonomie große Bedeutung beimisst, und die durch den ebenenbezogenen Einsatz von moderner Technologie funktionsbezogene Informationen zur Verfügung stellt. Die Komponenten werden mittels MOLLE (Modular Lightweight Load-carrying Equipment)-Bebänderung an einer modularen ballistischen Schutzweste, die auch die Kabelverbindungen aufnimmt, befestigt. Die Sprach- und Datenübertragung erfolgt in einem IP-Netzwerk, das mit Nachbarsystemen, Battlefield Management Systemen (BMS), Sensoren und Fahrzeugen über Schnittstellen kommuniziert. Während der Demonstration beim ÖBH erfolgte die Datenübertragung mittels des datenfähigen Personal Role Radio (PRR) THALES St@r Mille.

NORMANS Light Unit (NLU)

Mittels NLU wird die Situational Awareness des Soldaten auf unterster gefechtstechnischer Ebene wesentlich erhöht. Als armbanduhrgroße Command, Control & Intelligence (C2I)-Komponente verfügt die NORMANS Light Unit über einfach zu bedienende Systemfunktionen wie Darstellung der eigenen Position, Orientierung, Navigation, Empfang und Übermittlung von Textnachrichten, und stellt die aktuelle Lage ohne Kartenunterstützung in Echtzeit dar. Vorprogrammierbare Alarmmeldungen können in Echtzeit im gesamten Netzwerk versendet und empfangen werden. Die Stromversorgung der NLU erfolgt über die Stromquelle des Funkgerätes.

NORMANS Advanced Unit (NAU)

Die Bedienung der NAU erfolgt über einen PDA mit Touchscreenfunktion, welcher auf Windows CE basiert. Die SA von Kommandanten und Spezialisten wird durch Fähigkeiten wie Friendly Force Tracking (FFT), Erstellen und verzugsloses Übermitteln von Textnachrichten und taktischen Zeichen, Symbolen und Plänen auf Kartenausschnitten oder Luftbildern wesentlich gesteigert. Wie bei der NLU erfolgt die Datenübertragung mittels Funkgerät, die Energieversorgung jedoch mittels eines separaten Akkus.

Demonstration NORMANS beim ÖBH

Die Dauer der Demonstration war von Oktober bis Dezember 2013 festgelegt. Die Detailvorbereitung lag in den Händen des Streitkräfteführungskommandos (J5), welches das Jägerbataillon 19 als Erprobungstruppenkörper festgelegt hat. Da im ÖBH kaum praktische Erfahrungswerte mit einem DSS vorliegen, wurden nach der Geräteübergabe die ersten drei Wochen für eine ausführliche Schulung durch die Firma genutzt. Das Personal der Firma THALES verfügt über eine militärische, einsatzerprobte Vergangenheit in den norwegischen Streitkräften. Ziel war es, für die in der Vorbereitungsphase festgelegten Testblöcke jene Voraussetzungen sicherzustellen, die eine objektive und vergleichbare Auswertung ermöglichen. Die eigentliche praktische Demonstration wurden auf fünf genormte und auswertbare Teststrecken aufgeteilt, jeweils durch eine Test- und eine Kontrollgruppe, aufgeteilt auf zwei Testblöcke, durchlaufen. Je Testblock stand eine Kalenderwoche mit einer durchschnittlichen zeitlichen Inanspruchnahme des Personals von zehn Stunden pro Tag zur Verfügung. Besondere Testkriterien waren die Handhabung und Bedienung der jeweiligen NORMANS-Systeme.

Zusätzlich wurden Daten mittels Fragebögen, die auf die jeweilige Teststrecke abgestimmt waren, erhoben. Zweck war es, die Akzeptanz der Systemkomponenten, die Quantität der Nutzung sowie subjektive Wahrnehmungen der einzelnen Probanden zu ermitteln. Die Demonstration schloss mit einer detaillierten Auswertung aller ermittelten Daten ab.

Die praktische Demonstration erfolgte nach dem Prinzip einer vergleichenden Testung und wurde durch vier Jägergruppen, bestehend aus KIOP/KPE-Personal und/oder Kaderkräften, absolviert. Jeweils zwei Gruppen wurden mit dem System NORMANS und zwei Jägergruppen ohne das System NORMANS in zwei Testblöcken mit der Auftragserfüllung auf den jeweiligen Teststrecken beauftragt.

In den einzelnen Testblöcken waren gefechtstechnische Aufgaben wie Orientieren im Gelände, Verhalten in einem Hinterhalt, Angriff aus der Bewegung, Schutz von Räumen und Aufklärung zu erfüllen. Zu diesem Zwecke durchliefen die Jägergruppen einzeln und voneinander unabhängig die unterschiedlichen Teststrecken.

Teststrecke Aufklärung

Nachfolgend wird die Teststrecke Aufklärung näher betrachtet. Zweck war das Ermitteln eines möglichen Mehrwertes von NLU bzw. NAU in der gefechtstechnischen Anwendung. Als messbare Fähigkeitsbereiche wurden SA, Orientierung, Navigation, Führungsfähigkeit, Sprach- und Datenübermittlung sowie FFT festgelegt.

Die Teststrecke hatte alle Phasen des Spähtrupps gemäß der Dienstvorschrift für das ÖBH "Die Aufklärungsgruppe" zum Inhalt, und wurde anhand der darin festgelegten Phasen und räumlichen Vorgaben angelegt.

Nach Auftragserteilung an den Gruppenkommandanten in Form eines geschlossenen Befehles hatte die Vorbereitung und die Planung ausschließlich mit dem System NORMANS zu erfolgen. Das Ergebnis war an das vorgesetzte Kommando zu übermitteln. Der Zweck dieser Teststrecke war die Feststellung des Mehrwertes des Systems NORMANS beim auf- und abgesessenen Orientieren und Navigieren (z. B. Verschieben der Karte, Setzen von Wegpunkten) sowie der Datenübertragung. Eine Strecke in einem "Feind gefährdeten Raum" war unter festgelegten Kriterien zu überwinden. Die Überprüfung der Systemfähigkeiten erfolgte in den Bereichen Datenübertragung, Orientieren im Gelände, SA, FFT. Die Zielaufklärung über einen festgelegten Zeitraum und die laufende Übermittlung der Aufklärungsergebnisse an das vorgesetzte Kommando war ebenso sicherzustellen, wie die Feststellung des Mehrwertes des Systems NORMANS beim Auftreffen auf gegnerische Kräfte und Absetzen mit anschließender Verfolgung durch den Gegner. Schließlich erfolgte noch die Koordinierung zweier räumlich getrennter auf- und abgesessener Spähtrupps durch den übergeordneten Kommandanten und Zusammenführen der Eigenen.

Erste Ergebnisse (Auszug)

Als wesentlichster Mehrwert des Systems NORMANS wurde die Führungsfähigkeit, insbesondere hinsichtlich Sprach- und Datenübertragung, ermittelt. Der Kommandant verfügt mit NORMANS ständig über ein aktuelles Lagebild in Echtzeit und somit über eine permanente Führungsüberlegenheit gegenüber der Kontrollgruppe mit der derzeit im ÖBH eingeführten Ausrüstung.

Die Signalreichweiten sind abhängig von der Leistungsfähigkeit und Reichweite des Gruppenfunkgerätes. Exakte Positionen und Sichtbarkeit der eigenen Kräfte, digitale Übermittlung von Feindlagemeldungen sowie grafischen Befehlen und Plänen erhöhen die Handlungssicherheit aller Soldaten. Aspekte der Digitalisierung, wie Löschen bzw. Ausblenden von Objekten, Überlagerungen auf dem Kartenbild (eigene Position, Gruppenmitglieder, Wegpunkte, Führungslinien, Feindeinzeichnungen) und mögliche Überlagerungen von GPS-Signaturen, bedingen eine spezielle Ausbildung und entsprechende Übung. Luftbilder und digitales Kartenmaterial, welches das Zoomen und die Veränderung des Maßstabes unterstützen, steigern die Qualität der Darstellung am PDA.

Bei intensiven Gefechtshandlungen erfolgte durch die Soldaten weiterhin eine Abstützung auf gewohnte Muster und Verhaltensweisen. Die Nutzung des Systems, mit Ausnahme des Gruppenfunkgerätes zur Sprachübertragung, wurde deutlich reduziert. Hier wären in Zukunft weitere Erkenntnisse, besonders durch Einbindung des Systems in einen Führungs- und Wirkungsverbund, zu generieren.

Resümee

Das Ziel von Soldatenmodernisierungsprogrammen ist in allen Streitkräften klar definiert, der Systemansatz bzw. die Systemarchitektur sind jedoch durchaus unterschiedlich. Mit der Demonstration des NORMANS wurde seitens des BMLVS ein wesentlicher und zukunftsweisender Schritt in Richtung Realisierung eines "Dismounted Soldier Systems" im ÖBH gesetzt. Internationale Vernetzung und Kooperation bilden die Grundlage für eine Teilnahme an den Entwicklungen in befreundeten Streitkräften und für die Überprüfung der eigenen geplanten Systemarchitektur eines DSS.

Die Entwicklungen im Bereich der Soldatenmodernisierung findet international mit Riesenschritten statt. Nur eine Beteiligung an diesem Prozess stellt in Zukunft die Interoperabilität sicher. Stillstand bedeutet Rückschritt, Teilnehmen hingegen ist gemeinsamer Fortschritt!


Autoren: Oberst Johannes Bogner, MSD, Jahrgang 1964. 1986 Ausmusterung TherMilAk; langjährige Verwendung als Infanterieoffizier; LO, HLO und Kdt LAbt JgS bzw. HTS; AuslE UNDOF und KFOR; seit 2010 Einteilung als Fachoffizier Infanterie, BMLVS/StruktPl; stvLtr Projektgruppe Soldatenmodernisierung; Ver­treter BMLVS in internationalen Ar­­beitsgruppen und Programmen im Bereich der Soldatenmodernisierung.

Mjr Mag.(FH) Michael Magnet, HTS­GLAbt & ProjGrp Soldatenmodernisierung.

Mjr Mag.(FH) Markus Mautz, SKFüKdo/J5.

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