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D-Day. Die strategische Lage 1944

Der Sommer 1944 führte für die verbliebenen Achsenmächte Deutschland und Japan zu schweren Krisen und dramatischen militärischen Niederlagen. Die Veränderung der Lage an der deutschen Ostfront ab dem Winter 1942/43 hatte die militärische Führung des Deutschen Reiches gezwungen, immer neue Verbände an diese Front zu schicken und damit phasenweise das besetzte Westeuropa von kampfkräftigen Truppen, die eine alliierte Landung verhindern sollten, auszudünnen.

Am 22. Juni 1944 begann die sowjetische Angriffsoperation "Bagration", die von den drei Ukrainischen Fronten und den drei Baltischen Fronten (Heeresgruppen) durchgeführt wurde und innerhalb von knapp fünf Wochen den deutschen Verbänden der Heeresgruppe Mitte und Teilen der Heeresgruppe Nord eine vernichtende Niederlage beibrachte. Die sowjetischen Verbände, die eine vielfache Überlegenheit an Panzern, Artillerie und Flugzeugen aufwiesen, führten tiefe Vorstöße in die rückwärtigen Räume der Heeresgruppe Mitte, die von den deutschen Verbänden nicht aufgehalten werden konnten. Zahlreiche Infanteriedivisionen wurden überrannt oder überflügelt und wurden vernichtet. Nur wenige mechanisierte Verbände (in der ersten Phase der sowjetischen Offensive verfügte die deutsche 3. Panzerarmee über keine einzige Panzerdivision!) der Heeresgruppe Mitte konnten sich unter Verlusten rechtzeitig nach Westen zurückziehen. Innerhalb von fünf Wochen wurden die deutschen Truppen um 200 bis 350 Kilometer zurückgeworfen.

Obwohl die Heeresgruppe Mitte durch schwerste Verluste (über 400 000 Mann) erheblich angeschlagen war, hatten auch die sowjetischen Heeresgruppen hohe Verluste hinnehmen müssen und sahen sich Ende Juli 1944 mit erheblichen logistischen Problemen konfrontiert.

Auch auf dem italienischen Kriegsschauplatz war die Front seit Mitte Mai in Bewegung gekommen. Nach dem Durchbruch durch die sogenannte "Gustav-Linie" und der Besetzung Roms durch Truppen der 5. US-Armee am 5. Juni und erfolgreichen Angriffen auf dem rechten Flügel (entlang der Adriaküste) durch die britische 8. Armee zogen sich die deutschen Streitkräfte auf der Apenninnen-Halbinsel vorerst rasch nach Norden zurück. Auch hier hoffte man von westalliierter Seite auf einen Zusammenbruch der deutschen Verteidigung, die zur raschen Eroberung Italiens und zum Erreichen des südlichen Alpengebietes führen sollte.

Auch in Asien zeichnete sich eine entscheidende Kriegswende ab. Am Tag des Beginns der Operation "Bagration", am 22. Juni, hatten die britisch-indischen Streitkräfte die letzte japanische Offensive in Burma endgültig zurückgeschlagen und traten ihrerseits den Vormarsch nach Osten an, der sie schließlich im Frühjahr 1945 bis in den Raum Rangun führen sollte. Im Zentralpazifik war der U.S. Navy zwischen 19. und 22. Juni 1944 die Vernichtung der Masse der japanischen Marineluftwaffe und von Teilen eines japanischen Flugzeugträgerverbandes bei den Marianen-Inseln gelungen. Die darauffolgenden Landungen amerikanischer Truppen auf dieser Inselgruppe (Saipan, Guam, Tinian) und deren Besetzung bis zum 9. Juli 1944 sicherten den amerikanischen Streitkräften neue Marine- und Luftstützpunkte (vor allem für die zukünftigen strategischen Bombereinsätze gegen die japanischen Inseln) und hatten die amerikanischen Streitkräfte der für Herbst 1944 beabsichtigten Rückeroberung der Philippinen näher gebracht.

Der Luftkrieg in Westeuropa

Eine erhebliche Verbesserung der Einsatzmöglichkeiten für die strategischen Bomberverbände der Alliierten sollte allerdings die Besetzung des Raumes Foggia in Apulien bis Ende September 1943 bringen. Hier gelang es der effektiven Bodenorganisation der alliierten Luftstreitkräfte binnen weniger Wochen, neben der bereits vorhandenen italienischen Luftwaffenbasis bei Foggia in den nächsten Wochen und Monaten noch dreizehn weitere Großflugplätze neu anzulegen. Nach der Stationierung der ersten Heavy Bombardment Groups der U.S. Air Force, die damit eine wesentlich kürzere Anflugroute für Angriffe auf Ziele in Zentraleuropa hatten, war es nun möglich, eine neue Luftoffensive, abgestimmt mit den strategischen Bomberflotten der 8. Air Force und des britischen Bomber Command in England, zu starten. Die deutsche Flugzeugindustrie wurde während der "Big Week" (vom 20. bis zum 25. Februar 1944) im gesamten Gebiet des Deutschen Reiches sowohl von britischen (bei Nacht) und amerikanischen Bomberverbänden (bei Tag) der 8. und 15. Air Force äußerst wirkungsvoll angegriffen. Bei diesen Angriffen wurden nicht die Produktionsstätten deutscher Jagdflugzeuge und diverser Zulieferbetriebe schwer getroffen, sondern die deutschen Jagdfliegerverbände erlitten nun in den Luftkämpfen durch die bereits quantitativ massiv auftretenden Begleitjäger der 8. und 15. Air Force hohe Verluste. Ab 12. Mai erfolgten heftige Angriffe auf die deutsche und rumänische Treibstoffindustrie, die binnen weniger Wochen zu erheblichen Engpässen bei der Treibstoffversorgung der deutschen Streitkräfte führen sollten.

Die Lage im Bereich der "Luftflotte Reich", die am 5. Februar 1944 aus dem bisherigen "Luftwaffenbefehlshaber Mitte" gebildet worden war, wurde für die deutsche Seite von Tag zu Tag kritischer. Diese wurde bei Tag überwiegend mit den Angriffen der 8. Air Force konfrontiert, während die Luftflotte 3 in Belgien, den Niederlanden und Frankreich auch zusätzlich die Angriffe der 9. (taktischen) Air Force und der 2. Taktischen Luftflotte der Royal Air Force abzuwehren hatte. Die deutschen Nachtjägerverbände brachten in der ersten Jahreshälfte 1944 dem Bomber Command der RAF schwere Verluste bei, eine völlige Einstellung der Angriffe konnte aber nicht erreicht werden. Die Totalverluste der Luftflotte Reich und der Luftflotte 3 an ein- und zweimotorigen Tagjägern von Jänner bis Ende Mai 1944 betrugen 3 167 Jagdflugzeuge. Obwohl die nominelle Stärke der Verbände an Flugzeugen und Personal gehalten werden konnte, bedeutete dies durch die hohen Personalverluste einen ständigen Neubedarf an Piloten, die nach immer kürzerer Ausbildungszeit (unter 120 Flugstunden, davon nur 20 am Einsatzflugzeug) zu den Einsatzverbänden geschickt wurden und oft schon die ersten zehn Einsatzflüge nicht überlebten.

Seekrieg

Neben der Einstellung von größeren Unternehmungen von schweren Überwasserstreitkräften auf deutscher Seite war in der "Schlacht im Atlantik" die Wende im U-Boot-Krieg im Frühjahr 1943 eingetreten.

Von deutscher Seite völlig unterschätzt, hatte der Bau von Handelsschiffen mit standardisierten vorgefertigten Bauelementen in den Vereinigten Staaten von Dezember 1941 bis Ende April 1943 bereits zur Indienststellung von 916 "Liberty-Schiffen" (je 7 176 Bruttoregistertonnen, bis Kriegsende sollten 2 711 Schiffe fertig gestellt werden) sowie 180 weiteren des Typs "Ocean/Park" (bis Kriegsende 393 gebaut) und 27 Tankern des Typs "Victory" (bis Kriegsende 481 in Dienst) geführt. Dazu kamen noch beträchtliche Neubauleistungen der Werften in Großbritannien. Allein diese Neubautätigkeit sollte bis Ende 1943 praktisch alle Verluste an Handelschiffen, die seit Kriegsbeginn durch die Aktionen der Achsenmächte entstanden waren, mehr als aufwiegen.

Letztlich waren jedoch seit Frühjahr 1943 nicht nur die bereits vorhandenen Kenntnisse der Westalliierten über die Dispositionen der U- Boot-"Wolfsrudel" im Nordatlantik zur Vorbereitung zu Angriffen auf die Geleitzüge entscheidend, sondern auch eine in den letzten Monaten enorm gesteigerte Qualität und Quantität der Mittel zur Bekämpfung der deutschen U-Boote.

Die meisten alliierten Kriegsschiffe waren bereits mit dem Unterwasserortungsgerät "ASDIC" (Anti Submarine Detection Investigation Committee) und wirkungsvollen Radar-Geräten ausgestattet. Die "High Frequency Direction Finding"-Geräte und Anlagen (HF-DF, in der Royal Navy umgangssprachlich Huff-Duff genannt) erlaubten es, die Position von U-Booten, auch wenn sie nur sehr kurze Funksprüche abgaben, mit Peilgeräten auf Geleitschiffen und an Land befindlichen Peilstationen sehr genau zu bestimmen und nicht zu weit entfernt stehende Jagdgruppen und Kampfflugzeuge rasch in dieses Gebiet zu entsenden, um gegen die U-Boote direkt eingesetzt zu werden.

Über 250 Langstrecken-Patrouillenbomber des britischen "Coastal Command" vom Typ Consolidated B-24 "Liberator", Boeing B-17 "Fortress", Handley Page "Halifax", sowie die Flugboote Consolidated PBY "Catalina" und Short "Sunderland", die nun alle mit effektiven Radaranlagen (ASV - Airborne Surface Vessel) mit einer Reichweite von bis zu 36 Seemeilen bei einer Flughöhe von 2 700 Metern) ausgestattet waren, standen zur Verfügung. Ebenso waren zahlreiche amerikanische Marinefliegerverbände mit Langstreckenbombern und -flugbooten (darunter neben dem Typ "Catalina" nun auch mit wesentlich kampfkräftigeren und leistungsfähigeren Martin "Mariner"-Flugbooten) mit sehr effektiven Ortungsgeräten ausgestattet und nun verstärkt am Einsatz im Atlantik beteiligt.

Zwischen Jänner 1942 und Ende April 1943 hatten allein die Royal Navy und die Royal Canadian Navy - zusätzlich zu den bereits vorhandenen Einheiten - 63 neue Flottenzerstörer, 91 Geleitzerstörer, 117 Fregatten und Sloops (moderne Kanonenboote primär zur U-Bootbekämpfung) sowie 226 Korvetten für die U-Boot-Bekämpfung in Dienst gestellt, von denen der größte Teil im Nordatlantik eingesetzt wurde. Hunderte weitere Geleitschiffe kamen bis zum Sommer 1944 in Dienst.

Bereits Ende April 1943 hatte die U.S. Navy rund 125 Zerstörer, Geleitzerstörer, Fregatten und weitere Patrouillenschiffe im Nordatlantik im Einsatz, deren Zahl sich in den nächsten acht Monaten noch fast verdoppeln sollte. Trotz einiger Verluste hatte die Zahl der alliierten Geleitschiffe bis Juni 1944 bereits ein solches Ausmaß angenommen, dass nun nicht mehr nur die Geleitzüge direkt ausreichend geschützt werden konnten, sondern auch aktiv eine offensive Bekämpfung der U-Boote durch "Hunter-Killer-Groups" der U.S. Navy und spezielle "Escort-Groups" der Royal Navy in effektiver Weise möglich wurde. Bei Kriegsende in Europa im Mai 1945 verfügten die Marinen des Commonwealth (primär die Royal Navy und die Royal Canadian Navy) über 800 Geleitschiffe (Zerstörer, Geleitzerstörer, Sloops, Fregatten und Korvetten).

Insgesamt bauten Großbritannien fünf und die USA 128 (von denen 38 an die Royal Navy verliehen wurden) Geleitflugzeugträger zwischen 1941 und 1945. Zehn Geleitträger der U.S. Navy wurden zwischen Anfang 1943 und Frühjahr 1945 im Atlantik eingesetzt und vernichteten 41 deutsche und zwei japanische U-Boote. Geleitflugzeugträger der Royal Navy waren an der Vernichtung von 18 deutschen U-Booten beteiligt.

Entscheidend war nun ab Frühjahr 1943 für die alliierte Kriegsführung, dass die Geleitzüge von Nordamerika aus Großbritannien und die Sowjet-Union, erreichen konnten. Ab Juli 1943 erreichten sie auch den italienischen Kriegsschauplatz (nach der alliierten Landung in Sizilien und ab Anfang September 1943 auf dem italienischen Festland) nahezu ohne Verluste durch U-Bootangriffe. Mit dem "Lend-lease"-Programm konnten die britischen und sowjetischen Truppen, durch die Rüstungsindustrie (bis Sommer 1945 Lieferung von Rüstungs- und Versorgungsgütern im Wert von rund 47 Mrd. US-Dollar) nachhaltig unterstützt und dadurch die eigenen Truppen im Feld sowie große Teile der Zivilbevölkerung ausreichend versorgt werden.

Die wenigen Versenkungen durch U-Boote - vor allem jene im Nordatlantik - an alliierten Transportschiffen und wenigen Kriegsschiffen, die unter extrem hohen Verlusten an U-Booten erkauft werden mussten, stellten nur noch einen Promille-Anteil am gesamten Transportvolumen und der rasant wachsenden Stärken der alliierten Kriegsflotten dar. Insgesamt sollte die deutsche U-Boot-Flotte im Jahr 1943 237 U-Boote und im folgenden Jahr 241 U-Boote fast ausschließlich durch direkte Aktionen alliierter Seestreitkräfte verlieren.

Die deutsche Marine musste sich ab Frühjahr 1944 zunehmend auf die Sicherung des atlantischen Küstenvorfeldes in Westeuropa und der Nordseeküsten bis nach Nordnorwegen beschränken und musste jedoch auch mit dieser Operationsführung durch die alliierte Überlegenheit zur See und in der Luft empfindliche Verluste hinnehmen.

Die alliierten Planungen für eine Landung in Nordwesteuropa

Entgegen erster Planungen aus den Jahren 1942 und 1943 stellte sich die Durchführung einer alliierten Landung vor dem Zeitpunkt des Frühjahres 1944 von den realen Voraussetzungen als illusorisch heraus, da weder eine entsprechende Stärke an Land- und Luftstreitkräften noch an amphibischen Schiffen zur Verfügung stand.

Erst im Frühjahr 1944 konnte General Dwight D. Eisenhower, nunmehr Supreme Allied Commander, über die notwendigen Truppen und das Material verfügen, um die Landung in der Normandie durchzuführen. Insgesamt standen im Spätfrühjahr 1944 rund 1 400 Kriegsschiffe, über 1 600 Versorgungs- und Hilfsschiffe und rund 4 250 Landungsschiffe und -boote zur Verfügung, um etwa 1,5 Millionen Mann innerhalb von sechs Wochen in Nordfrankreich anzulanden.

Immerhin hatte auch die "Operation Fortitude", die die geplante Landung einer fiktiven alliierten Heeresgruppe aus der Grafschaft Kent im Raum Pas de Calais vortäuschen sollte, Erfolg, da starke deutsche Kräfte in diesem Raum gebunden wurden.

Auf deutscher Seite entsprach die komplizierte Kommandostruktur im Bereich des Oberbefehlshabers West (GFM Gerd von Rundstedt) keineswegs den Erfordernissen einer einigermaßen erfolgversprechenden Abwehr der alliierten Invasion. Zwar hatte Hitler am 28. Juni 1943 den Abzug von Verbänden aus dem Westen verboten, die Reduktion ging aber durch die Lage im Osten und im Süden weiter. Das deutsche Heer verfügte im Westen Anfang Juni 1944 über 60 Divisionen allerdings sehr unterschiedlicher Kampfkraft. Die operativen Möglichkeiten der zehn deutschen Panzer- und Panzergrenadierdivisionen im Westen wurden viel zu optimistisch eingeschätzt. Aber auch deren Einsatz im Westen blieb bei der deutschen Führung umstritten, da die deutsche 3. Panzerarmee der Heeresgruppe Mitte in Weißrussland bezeichnenderweise über keine einzige Panzerdivision verfügte.

Die Operationen am 6. Juni 1944

Die kurz nach Mitternacht des 5. Juni beginnenden alliierten Luftlandungen können trotz ihrer relativ hohen Verluste als gelungen bezeichnet werden, da die britische 6. Luftlandedivision im Wesentlichen alle Ziele erreichte, darunter auch die Wegnahme der Brücke bei Bénouville über den Orne-Kanal (heute auch als "Pegasus-Bridge" bekannt).

Wesentlich schwieriger und verlustreicher gestalteten sich die Landungen der 82. und 101. U.S. Luftlandedivision, die weit verstreut im Gebiet des Abschnittes "Utah" abgesetzt worden waren. Immerhin verwickelten sie die deutschen Verbände in diesem Abschnitt in zahlreiche isolierte Gefechte, die mehrere Tage andauern sollten und die deutschen Truppen verwirrten und ihnen schwere Verluste beibrachten, wobei auch die eigenen Ausfälle sehr hoch waren. Bekannt aus dem Film "Der längste Tag" ist die Einnahme der Kleinstadt Sainte- Mère-Église, bei der es zu stundenlangen erbitterten Gefechten kam.

Ebenfalls unterschiedlich erfolgreich verliefen die Landungen an der Küste am frühen Morgen. Während im Bereich der 1. U.S. Army die 1. und die 29. U.S. Infanteriedivision im Landeabschnitt "Omaha" schwere Verluste erlitten hatten und erst am späten Abend die deutschen Verteidigungslinien der deutschen 352. Infanteriedivision durchbrechen konnten, liefen die Landungen im Abschnitt "Utah" bei moderaten Verlusten relativ reibungslos ab, da die meisten deutschen Verbände der 91. Luftlandedivision, der 243. und 709. Infanteriedivision, von Teilen der 17. SS-Panzergrenadierdivision sowie des Fallschirmjägerregimentes 6 keine hohe Kampfkraft besaßen. Ziel der amerikanischen Truppen war die rasche Besetzung der Halbinsel Cotentin und die Einnahme des wichtigen Hafens Cherbourg. Dies sollte jedoch nach teilweise heftigen Kämpfen erst am 26. Juni gelingen.

Im Bereich der britischen Landezonen "Gold", "Juno" und "Sword" liefen die Landungen ebenfalls relativ erfolgreich ab, da zwar die deutschen Gegenangriffe durchwegs abgewehrt werden konnten, jedoch die Vereinigung der britischen und amerikanischen Landezonen erst bis 10. Juni gelang und der wichtige Straßenknotenpunkt Caen noch mehrere Wochen heftig umkämpft blieb.

Die alliierten Luftstreitkräfte verloren im Laufe des 6. Juni 146 Flugzeuge (davon 43 Transportflugzeuge), was aber bei mehr als 12 000 geflogenen Einsätzen vorerst kaum ins Gewicht fiel. Letztlich wirkte sich die alliierte Luftüberlegenheit nachhaltig auf den Anmarsch deutscher Panzerdivisionen aus, die eine Verzögerung von oft mehr als zwölf Tagen und erhebliche Verluste hinnehmen mussten. Auch das Hauptquartier der "Panzergruppe West" wurde am 10. Juni durch einen gezielten Luftangriff britischer Jagdbomber vernichtet. Marschbewegungen bei Tage waren weitgehend unmöglich geworden. Ein trotzdem von den deutschen Verbänden - wenn auch unter hohen eigenen Verlusten - geschickt geführter Abwehrkampf in den Heckenlandschaften der "Bocage" sollte jedoch die Front in der Normandie bis Ende Juli stabil halten.

Die deutsche Luftwaffe konnte zur Unterstützung der eigenen Heereseinheiten nur eine geringe Rolle spielen. Am Tag der Invasion der Alliierten in der Normandie hatte auf das Stichwort "Dr. Gustav West" ("Drohende Gefahr West") die Verlegung von 17 der 23 Gruppen einmotoriger Tagjäger aus dem Bereich der Luftflotte Reich in den Bereich der Luftflotte 3 an die "Invasionsfont" begonnen. Für die "Reichsverteidigung" blieben ab 7. Juni nur sechs Gruppen einmotoriger Tagjäger (240 Flugzeuge) und zwei - bereits weitgehend nutzlose - Zerstörergruppen (80 Flugzeuge) übrig, die sich den Einflügen der 8. und der 15. Air Force entgegen zu stellen hatten.

In den Luftschlachten über der "Invasionsfront" gingen vom 6. bis 30. Juni mindestens 569 deutsche Jagdflugzeuge verloren, im Juli waren es nochmals 495 Jagdflugzeuge.

Die ohnehin schwachen Bomberverbände der Luftflotte 3 im Westen waren Ende August 1944 weitgehend aufgerieben und so gut wie nicht mehr vorhanden.

Eine ernstzunehmende Störung der alliierten Landungsoperationen durch deutsche Überwasserstreitkräfte und Unterseeboote gelang nicht. Nur wenige Zerstörer und Fregatten sowie einige Transportschiffe und Landungsfahrzeuge konnten versenkt werden, einige weitere fielen den wenigen Luftangriffen, Minen und der deutschen Küstenartillerie zum Opfer.

Die deutsche Marine in Nordfrankreich wurde durch britische Luftangriffe auf Le Havre und Boulogne -sur-Mer in den Nächten vom 14./15. und vom 15./16. Juni nahezu vollständig vernichtet. Deutsche U-Boote erlitten bei versuchten Angriffen auf die Invasionsflotte schwere Verluste, wobei die Versenkungserfolge sehr gering blieben. Nur noch der Einsatz von Ein-Mann-U-Booten und Sprengbooten brachte unter erheblichen eigenen Verlusten danach noch Einzelerfolge, änderte aber nichts am Erfolg der amphibischen Operation, bei der trotz eines schweren Sturmes zwischen 19. und 21. Juni bis zum Ende des Monats 861 000 Mann, 95 750 Fahrzeuge und 501 000 Tonnen Nachschubgüter über die künstlichen "Mulberry-Häfen" und an den Stränden gelandet werden konnten.

Die ab 13. Juni beginnende Offensive mit V1-Flugkörpern gegen London blieb militärisch bedeutungslos.

Weitere Entwicklung

Nach für beide Seiten langwierigen und verlustreichen Kämpfen in Frankreich gelang den alliierten Streitkräften Ende Juli 1944 der Ausbruch aus der Normandie und ermöglichte ihnen sowohl einen massiven Vorstoß nach Südosten und Osten, der nach der Kesselschlacht von Falaise ab Mitte August letztlich zur Besetzung von ganz Nord- und Zentralfrankreich und Teilen Belgiens führte, als auch die Besetzung der Bretagne und Südwestfrankreichs. Die alliierte Invasion in der Provence am 15. August ("Operation Dragoon") hatte diesen Prozess noch beschleunigt, so dass Anfang Oktober 1944 nur noch die östlichen Teile der Provinzen Elsass und Lothringen unter deutscher Kontrolle standen. An einzelnen Abschnitten der Westfront schien daher zwischen Mitte und Ende August 1944 ein militärischer Zusammenbruch des Deutschen Reiches binnen weniger Wochen bevorzustehen.

Dass die Kämpfe in Westeuropa noch mehr als acht Monate andauern würden, war jedoch zu diesem Zeitpunkt für die alliierte Seite noch nicht abzusehen.


Autor: Hofrat Professor Dr. Wolfgang Etschmann, Oberleutnant, Jahrgang 1953. Studium der Zeitgeschichte und Germanistik an der Universität Wien; 1979 Promotion zum Dr. phil., danach als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien tätig. Von 1981 bis 1982 Kompaniekommandant beim Landwehrstammregiment 21. Ab 1982 Referent für neuere Militärgeschichte am Heeresgeschichtlichen Museum/Militärwissenschaftliches Institut; 1994 bis 2011 Leiter der Militärgeschichtlichen Forschungsabteilung des Heeresgeschichtlichen Museums. Seit 2011 im Institut für Human- und Sozialwissenschaften, Referat Kriegstheorie an der Landesverteidigungsakademie.

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