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Waterloo - Das Ende einer Ära

Der Juni-Feldzug des Jahres 1815 endete für Napoleon mit einer vernichtenden Niederlage auf den Feldern von Waterloo und seinem Gang ins Exil nach St. Helena. Damit war endgültig der Weg für eine Neuordnung Europas frei geworden.

Als Napoleon am 15. Juni 1815 mit seiner Nordarmee die Grenze überschritt und im Süden Belgiens (damals Teil der Niederlande) einfiel, überraschte er seine Gegner. Sein Kalkül, Briten und Preußen rasch zu schlagen und sich dann der anrückenden Österreicher und Russen anzunehmen, ging aber nicht auf. Er konnte am 16. Juni weder bei Quatre-Bras gegen die Briten, noch bei Ligny gegen die Preußen eine Entscheidung herbeiführen. So musste es zur alles entscheidenden Schlacht kommen. Diese fand schließlich zwei Tage später auf den Feldern von Waterloo, einige Kilometer südlich von Brüssel, statt.

Bei Waterloo standen sich drei höchst unterschiedliche Feldherren und Armeen gegenüber. Eine bunt zusammengewürfelte Armee unter dem Befehl von Arthur Wellesley, Herzog von Wellington (1769 bis 1852): Briten, Nassauer, Osnabrücker, Hannoveraner, Lüneburger, Belgier, Holländer usw., die teilweise auch Kommandanten unterstanden, die Wellington vom Stande her weit übertrafen. Wie etwa Wilhelm Prinz von Oranien-Nassau, der Sohn des niederländischen Königs. Insgesamt hatte Wellington starke Zweifel, was die Kampfkraft seiner Einheiten anging. Er stellte sie daher wie eine Art "Zaun" zur Schlacht auf. Seiner Ansicht nach schwächere Bataillone als "Zaunlatten", in bestimmten Abständen von erfahrenen britischen Truppen gestützt. Ob dies ein Schlüssel zum Erfolg war, oder die ihm unterstellten Truppen doch weit beherzter waren, als er angenommen hatte, lässt sich nachträglich schwer sagen. Wellington hatte zuvor fünf Jahre lang auf der spanischen Halbinsel gegen Franzosen gekämpft, nie jedoch gegen Napoleon selbst. Er schätzte den Franzosenkaiser aber hoch, hatte besonders seine Schlachten des Jahres 1814 studiert und hielt sie für Meisterwerke.

Ganz anders Napoleon (1769 bis 1821): Dieser schätzte seinen Gegner gering ein. Vor der Schlacht verkündete er, Wellington sei ein miserabler Feldherr und man werde am Abend bereits in Brüssel sein. Dabei übersah Napoleon freilich, dass weder er selbst der alte war noch seine "Grande Armée" hinter ihm stand, mit der er 1812 auf dem Höhepunkt seiner Macht in Russland eingefallen war. Seine Nordarmee hatte zwar immer noch einen soliden Grundstock an erfahrenen Soldaten, die große Masse bestand aber aus so genannten "Marie Louisen" (benannt nach Napoleons Frau Marie Louise von Österreich), jungen, frisch rekrutierten Burschen. Seinem Offizierskorps fehlten ebenfalls einige der fähigsten Köpfe. Vor allem aber fehlte ihm sein Stabschef Louis-Alexandre Berthier, den er durch Nicolas Jean de Dieu Soult ersetzen musste, nachdem Berthier zu den Royalisten übergelaufen und am 1. Juni 1815 beim "Bamberger Fenstersturz" ums Leben gekommen war. Soult war ein fähiger Truppenoffizier, als Stabschef aber überfordert. Auch Marschall Michel Ney, Herzog von Elchingen, war als Kommandant der Gardekavallerie zweite Wahl. Er musste kurzfristig Edouard Adolphe Mortier ersetzen, der vor Beginn des Feldzuges erkrankt war. Ganz zu schweigen vom eigenwilligen Marschall Emmanuel Marquis de Grouchy, der bei der Verfolgung der Preußen eine unrühmliche Rolle spielen sollte. Da Napoleon seelisch und gesundheitlich stark angeschlagen war, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich auf diese Leute zu verlassen.

Und schließlich waren da die Preußen unter Gebhard Leberecht Blücher, Herzog von Wahlstatt (1742 bis 1819). Blücher hatte sich nach dem Ende des ersten Kaiserreiches aus dem aktiven Dienst verabschiedet, war ein Jahr später aber doch wieder Kommandant der preußischen Armee geworden. Blüchers größtes Handicap war sein Alter von bereits 72 Jahren. Für die damalige Zeit beinahe ein Greis. Doch Blücher war ein versierter Taktiker, ein fanatischer Franzosenhasser und überzeugter Patriot. Überdies hatte er sich trotz seines hohen Alters seinen jugendlichen Elan erhalten. Nicht umsonst wurde er "Marschall Vorwärts" genannt. Auf seine Offiziere und Truppen konnte sich Blücher absolut verlassen.

Aufmarsch

Napoleon standen 77 500 Soldaten zur Verfügung, dazu 246 Kanonen. Weitere 30 000 Mann mit 96 Geschützen unter Grouchy hätten die Preußen eigentlich vom Schlachtfeld fernhalten sollen. Sie bekamen jedoch sehr spät Feindkontakt und spielten daher - zum Verhängnis Napoleons - keine entscheidende Rolle an diesem Sonntag. Grouchys zögerliche Verfolgung des Feindes war letztlich ein Grund für die Niederlage Napoleons. Wellington war ungefähr gleich stark an Soldaten, an Geschützen jedoch deutlich im Nachteil. Er verfügte über 73 200 Mann und 157 Kanonen. Die unterschiedliche Qualität seiner Truppen wurde schon an anderer Stelle erwähnt. Die Preußen waren die große Unbekannte. Wie viele würden an der Schlacht teilnehmen? Und würden sie überhaupt rechtzeitig das Schlachtfeld erreichen? Theoretisch zählten sie jedenfalls über 100 000 Mann mit 283 Geschützen.

Wellington bezog sein Hauptquartier in Mont St. Jean. Seine Armee stellte er auf einer leichten Anhöhe südlich seines Hauptquartiers links und rechts der Straße Genappe-Brüssel auf. Vor seiner eigentlichen Linie hatte er durch seine besten Truppen drei Gebäudekomplexe besetzen lassen, die als Vorposten und Wellenbrecher gegen die anstürmenden Franzosen dienen sollten: Das Gut Hougoumont vor seiner rechten Flanke, das Gehöft La Haie Sainte vor seinem Zentrum und Frichermont zu seiner linken Seite.

Als am 17. Juni abends offenbar geworden war, dass Napoleon Wellingtons Hauptmacht vor sich hatte, bezog er mit seinem Stab im Bauernhof Le Caillou Quartier, ebenfalls an der Brüsseler Straße gelegen. Gegen neun Uhr am nächsten Morgen, als klar war, dass sich Wellington hier zum Kampf stellen würde, besichtigte Napoleon eine Stunde lang das zukünftige Schlachtfeld und gab seinen Generälen die Aufstellung seiner Truppen bekannt. Rechts der Straße das Korps von Drouet d’Erlon, links jenes von General Charles Reille. Das Korps Lobau hielt er hinter dem Zentrum zurück, im Unklaren darüber, ob und woher die Preußen kommen würden. Auch die Garde, ebenfalls ein ganzes Korps, blieb in Reserve. Einen Großteil der Artillerie massierte Napoleon rechts vor dem Korps d’Erlon in der so genannten "Großen Batterie" mit rund 80 Geschützen. Ansonsten blieb der Kaiser angeblich sehr vage in seinen Vorstellungen, die Soult ebenso vage zu Befehlen formulierte. Im Gegensatz zu Wellington war Napoleon während des weiteren Kampfverlaufes nur zeitweise auf dem Schlachtfeld anwesend.

Da es vor der Schlacht 24 Stunden lang heftig geregnet hatte, begannen die Kämpfe erst gegen Mittag. Zuvor wäre es nahezu unmöglich gewesen, auf dem aufgeweichten Boden Artillerie zu manövrieren. Auch die Kavallerie und Infanterie hatten noch während der Schlacht Probleme mit der Bodenbeschaffenheit.

Kampf um Gut Hougoumont

Kurz nach 1100 Uhr kam der erste Vorposten der Engländer unter Feuer: Das 1. und 2. Leichte Regiment der Franzosen rückten gegen Hougoumont vor, das von englischen Pionieren vorsorglich in eine Festung verwandelt worden war. Verteidigt wurde es zu Beginn von 200 Soldaten der Garde, 800 Nassauern und rund 200 Jägern, denen über 4 000 Angreifer gegenüber standen. Im Laufe des Nachmittages stieg die Anzahl der Verteidiger auf rund 4 000, die der Angreifer aber auf 12 700. Zwei ganze Divisionen (Jérôme und Foy) wurden in die Kämpfe um Hougoumont hinein gezogen. Jérôme Bonaparte war Napoleons jüngster Bruder und leitete den Angriff auf Hougoumont. Die Nassauer, die einen Wald östlich und einen Obstgarten südlich des Schlosses besetzt hielten, mussten diese zu Beginn des Angriffes räumen. Nach einem Ausfall der Guts-Besatzung nahmen sie Teile davon aber wieder in Besitz.

Diese erste Phase des Gefechtes dauerte etwa eine Stunde. Nach Napoleons ursprünglichem Plan hätte das Unternehmen, ein reiner Ablenkungsangriff, hiermit beendet sein sollen. Doch sein kleiner Bruder dachte nicht daran und schickte weitere Truppen in den Kampf. Beinahe wäre dieser zweite Angriff geglückt, denn französischen Soldaten gelang es, mit den Briten durch das nördliche Tor in das Innere des Gutes zu gelangen. Als der kommandierende Offizier das Tor allerdings schließen ließ, wurden die Franzosen innerhalb der Mauern getötet oder gefangen. Das hielt Jérôme nicht davon ab, gleich einen dritten Angriff zu lancieren. Dieses Mal entschloss er sich, das Gehöft an der östlichen Seite zu umgehen, um vielleicht neuerlich zum Nordtor zu gelangen. Doch auf dem Weg dorthin kamen die Soldaten unter das Feuer der Coldstream Guards, die von den Mauern schossen. So wurde auch dieser Angriff abgewehrt. Zur Unterstützung von Anlauf Nummer Vier ließ Jérôme eine Haubitze an den Waldrand bringen, die das Gut zu beschießen begann. Versuche der Engländer, das Geschütz auszuschalten, wurden vorerst vereitelt. Erst die Verstärkung in Form des 2. Bataillons des 3. Garderegimentes trieb die Franzosen wieder aus dem Wald und bannte so die Gefahr ein weiteres Mal.

Inzwischen war es 1400 Uhr geworden, an anderer Stelle tobte ein entscheidender Kampf, in den Jérôme mit seinen Truppen allerdings nicht eingreifen konnte. Er war immer noch bei Hougoumont gebunden und war nicht gewillt, sein Ziel, die Einnahme des Gutes, aufzugeben. Ein weiterer Angriff endete jedoch fatal: Frische Truppen wurden aus dem Zentrum quer über das Schlachtfeld nach Westen geschickt. Britische Artillerie dezimierte sie so stark, dass sie ihr Angriffsziel nie erreichten. Gegen 1500 Uhr riss des Kaisers jüngstem Bruder allmählich die Geduld: Er ließ Hougoumont von einer Haubitzbatterie mit Brandgranaten beschießen. Wellington gab den Befehl aus, Verluste durch Feuer und herabfallendes Gebälk zu vermeiden, das Gut aber unbedingt zu halten.

Als Wellington seine Linie am späteren Nachmittag zurück nahm, sahen die Franzosen eine weitere Chance: Wieder kamen sie dem Gehöft gefährlich nahe, wieder wurden sie von den Coldstream Guards unter Feuer genommen und zurück geschlagen. Als gegen 1830 Uhr schließlich La Haie Sainte gefallen war, wollten die Franzosen auch Hougoumont in einer achten Attacke endlich in ihre Hände bekommen. Angriff und Abwehr erfolgten, wie schon sieben Mal zuvor. Nach der Schlacht soll Wellington gesagt haben: "Man kann sicher sein, dass nur britische Truppen Hougoumont halten konnten. Und von diesen auch nur die besten." Hougoumont war eine britische Schlüsselposition. Wäre sie gefallen, hätten die Franzosen das Schlachtfeld von der Flanke aus aufrollen können. Überdies banden knapp 4 000 Verteidiger an die 13 000 Franzosen, die Napoleon an anderer Stelle dringend benötigt hätte.

Erster Angriff auf La Haie Sainte

In der Nacht vor der Schlacht hatten Männer der Kings German Legion (KGL) - Hannoveraner im Dienste der englischen Krone - mit vielen anderen Soldaten in La Haie Sainte Schutz vor dem Regen gesucht. Nicht ahnend, dass sie tags darauf das Gehöft würden verteidigen müssen, hatten sie aus den Wagen und Karren sowie einem Scheunentor Brennholz gemacht. So fehlte ihnen am Tag der Schlacht Gerätschaft, um die Zugänge zu blockieren oder sich Feuerplattformen an den Mauern zu bauen. Daher schlugen die Männer Löcher in die Außenwände des Hofes, um hinaus feuern zu können. Vor sich hatten die Soldaten noch einen Obstgarten, hinter sich einen Küchengarten. Zu Beginn der Kämpfe besetzten die Deutschen diesen Obstgarten, mussten sich aber mit schwindender Kampfkraft ins Gehöft zurückziehen. Die Verteidigung von La Haie Sainte bestand ursprünglich aus sechs Kompanien des 2. Leichten Bataillons der KGL unter Major George Baring insgesamt zwischen 360 und 400 Mann. Kurz nach Mittag kam der erste französische Angriff: Infanterie rückte in zwei Kolonnen zu jeweils zwei Bataillonen gegen das Gebäude und den Obstgarten vor, den die Deutschen bald aufgeben mussten. Als zur Verstärkung ein Bataillon von Lüneburgern geschickt wurde, geriet dieses jedoch in offener Formation in einen Angriff französischer Kürassiere. Wer sich nicht zur britischen Hauptlinie zurück retten konnte, wurde von den Franzosen überrannt. Diese wurden ihrerseits aber von den englischen Dragoon Guards angegriffen und zurückgeschlagen. Auch wenn Baring diesen ersten Angriff hatte abwehren können, hatte seine Hofbesatzung doch große Verluste erlitten. Zwei Kompanien des 1. Leichten Bataillons KGL wurden daher zu seiner Verstärkung geschickt.

Der Angriff des I. Korps

Gegen 1300 Uhr begann das Feuer der "Großen Batterie" als Vorbereitung für den vermeintlichen Entscheidungsschlag der Franzosen. Etwa eine halbe Stunde später setzten sich 33 Bataillone in vier Divisionen (Bourgeois, Donzelot, Marcognet, Durutte) in Bewegung und marschierten an den Geschützen vorbei, die nun ihr Feuer einstellten. Etwas mehr als 700 Meter offener, am Ende stark ansteigende Felder galt es nun bis zu Wellingtons linkem Flügel zu überwinden. Sobald sich die Infanterie weit genug von den Batterien entfernt hatte, eröffneten diese noch einmal das Feuer. An der Spitze der rund 17 000 Mann marschierten die Plänkler, die eingezogen wurden, sobald sie Feindberührung hatten. Gegen 1400 Uhr erreichte die Masse von d‘Erlons I. Korps die Anhöhe. Vier Bataillone von Niederländern zogen sich zurück, als sie die ersten Franzosen sahen und öffneten so eine gefährliche Lücke in der Front. Der Sieg schien schon beinahe in der Hand der Franzosen. Allerdings hielten sich die Franzosen nur 15 bis 20 Minuten auf der Anhöhe. Denn dann griff die britische Kavallerie ins Geschehen ein. Generalleutnant Henry William Paget, Earl of Uxbridge, gab den zwei schweren Kavalleriebrigaden (Union, Household) den Befehl zu einem Gegenstoß. Die Household Brigade unter Sir Edwald Somerset griff westlich, die Union Brigade unter William Ponsonby östlich von La Haie Sainte an. Vor allem die Zweitgenannte richtete unter den Franzosen, die sich in Angriffsformation befanden, ein Blutbad an und machte 2 000 Gefangene. Die restlichen französischen Soldaten flohen in Panik in Richtung der eigenen Reihen, gefolgt und niedergeritten von den Royal Dragoons, Inniskilling Dragoons und den Scots Greys. Der Angriff der Letztgenannten wurde später von Lady Elizabeth Butler in dem monumentalen Gemälde "Scotland Forever!" verewigt. Ein Sergeant der Greys war es auch, der den Adler - so wurde die französische Regimentsfahne bezeichnet - des 45. Linienregimentes der Franzosen eroberte. Selbiges widerfuhr auch dem 105. Regiment, dessen Fahne in die Hände eines Hauptmannes der Royal Dragoons fiel. Doch in ihrem Überschwang galoppierte die britische Reiterei bis vor die französischen Kanonen und wurde gleichzeitig von einem Gegenangriff französischer Kürassiere, Lanciers und Jäger zu Pferd in der Flanke erfasst. Die Household und die Union Brigade verloren bei diesem Gefecht beide jeweils rund 45 Prozent ihrer Mannstärke. Auch der Kommandant der Union Brigade, Generalmajor Ponsonby, fiel dabei. Der Rückzug des Restes der Union Brigade musste durch John Ormsby Vandeleurs leichte Kavallerie gedeckt werden. Nach etwa eineinhalb Stunden war klar, dass aus dem französischen Entscheidungsschlag ein Fiasko geworden war.

Zweiter Angriff auf La Haie Sainte

Gegen 1500 Uhr erfolgte ein zweiter Angriff auf La Haie Sainte ganz in der Manier des ersten. Den Franzosen gelang es dieses Mal, durch das fehlende Scheunentor in das Gehöft einzudringen. Dort wurden sie allerdings von den Deutschen gestoppt und wieder hinaus geworfen. Siebzehn tote Franzosen blieben dabei nach Erzählungen Barings beim offenen Scheunentor zurück. Die Soldaten der KGL überstanden zwar diesen Ansturm mit relativ geringen Verlusten, allerdings waren ihre Munitionsbestände inzwischen bedenklich knapp geworden. Pro Mann standen nur mehr 30 Kugeln zur Verfügung. Baring schickte daher einen Mann zur Hauptlinie und bat um Nachschub, der auch versprochen wurde, allerdings letztlich nie ankam. Stattdessen wurde Hauptmann von Wurmb mit seinen Plänklern des 5. Linien Bataillons KGL geschickt. Wurmb kam dabei durch eine Kanonenkugel ums Leben. Diese Maßnahme erhöhte die Feuerkraft aber nur kurz, denn die Franzosen hatten nach kurzer Pause ihren Angriff wieder aufgenommen, die den Deutschen Kugeln und Soldaten kostete, den Franzosen aber keinen Sieg brachte. Um die Bastion vor seiner Hauptlinie zu verstärken, schickte Wellington schließlich noch nassauische Soldaten, die sofort in die heftigen Kämpfe eingriffen. Zu allem Überfluss hatte in der Zwischenzeit Stroh im Hof zu brennen begonnen, das die Besatzung mit ihren Essschalen löschen musste. Das Wasser kam aus einem kleinen Teich, der sich glücklicherweise im Innenhof befand. Nach eineinhalb Stunden schließlich war auch dieser zweite Angriff abgeschlagen, den Verteidigern blieben aber nur mehr drei oder vier Kugeln pro Mann. Baring wusste, dass er so einem weiteren Angriff der Franzosen nicht standhalten konnte.

Die große Kavallerieattacke

Unterdessen hatten sich die Franzosen nach der Abwehr ihres breit angelegten Infanterieangriffes wieder halbwegs organisiert. Die Felder zwischen La Haie Sainte und Hougoumont wurden nun Schauplatz der nächsten schweren französischen Angriffe. Vorausgegangen war diesen eine Missinterpretation. Ney hatte beobachtet, wie sich britische Truppen zurückzogen und zahlreiche Verwundete abtransportiert wurden. Er hatte daraus geschlossen, dass die britische Linie zu wanken begonnen hatte und wollte nun dem Feind den Todesstoß versetzen. Was er nicht wusste: Wellington hatte einem Teil seiner Truppen gestattet, in etwas geschütztere Hinterhangstellungen zurückzugehen.

So kam es jedenfalls, dass Ney gegen 1600 Uhr die schwere Reiterei in Bewegung setzen ließ: Acht Kürassier-Regimenter, eines der Lanciers und eines der Jäger zu Pferd der Garde - insgesamt an die 4 400 Mann. Sie ritten nun einen Angriff nach dem anderen gegen Wellingtons Truppen. Diese bildeten jedoch mit bis zu 13 000 Mann 22 Karrees. Mit ihrem Wall aus Bajonetten waren sie für Kavallerie undurchdringlich. Die Besatzung der britischen Geschütze suchte bei jedem neuerlichen Angriff Schutz innerhalb der Karrees. Sobald er vorbei war, bemannten sie wieder ihre Kanonen und feuerten bis zur nächsten Attacke. Sie waren es, die den Franzosen die meisten Verluste zufügten. Die Karrees aufzubrechen, wäre nur mit Infanterieunterstützung möglich gewesen. Doch diese folgte zu spät.

Nach dem ersten abgeschlagenen Angriff schickte Ney weitere acht Regimenter Dragoner und Grenadiere zu Pferd - an die 4 000 Mann - ins Gefecht. Auch sie umkreisten die Karrees ohne Aussicht auf Erfolg und wurden dabei dezimiert. Am Ende musste der Kommandant der schweren Reiterei, Marschall Francoise Kellermann, selbst seine Reserve, die Carabiniers, opfern. Gegen Ende dieses Schlachtabschnittes hatte Ney 20 Regimenter mit etwa 10 000 Mann in den Angriff geschickt. Und, wie bereits erwähnt, folgten ihnen erst jetzt die Infanterie-Division von Baron Gilbert Bachelu und eine Brigade von Maximilien Graf Foy. Doch inzwischen war der Angriff völlig erlahmt, die britische Linie hatte einer zwei Stunden andauernden Kavallerie-Attacke standgehalten. Unklar ist, ob Napoleon diesen Angriff befohlen oder Ney völlig eigenmächtig gehandelt hat. Ney nahm jedenfalls an jeder der Attacken teil und verlor dabei selbst drei Pferde.

La Haie Sainte fällt

Gegen 1800 Uhr griffen die Franzosen mit drei Bataillonen des 13. Leichten Regimentes ein drittes Mal La Haie Sainte an. Es kam, wie es kommen musste. Das Feuer der Deutschen wurde mangels Munition immer schwächer und verebbte schließlich ganz. Nun erst gelang es den Franzosen, das Haupttor einzuschlagen. Gegen die ersten Eindringlinge gingen die Soldaten der KGL noch mit aufgepflanzten Bajonetten vor. Baring erkannte aber, dass weiterer Widerstand zwecklos war und erteilte nach etwa einer halben Stunde den Befehl zum Rückzug in den Küchengarten. Da aber auch dieser ohne Munition nicht gehalten werden konnte, schlugen sich die Reste der Hofbesatzung einzeln zu Wellingtons Hauptlinie durch. Von den ursprünglich knapp 400 Mann des 2. Leichten Bataillons KGL kamen nur mehr 42 an. Von den 800 Mann, die im Laufe des Nachmittages das Gehöft verteidigt hatten, kam nur etwa die Hälfte zurück. Die Franzosen brachten in der Folge Geschütze im Küchengarten in Stellung. Sie wurden kaum 100 Meter von Wellingtons Linien entfernt zur ernsten Bedrohung.

Plancenoit - Die Krise in Napoleons Rücken

Statt sich zurückzuziehen hatte Feldmarschall Gebhard Leberecht Blücher schon in den frühen Morgenstunden des 18. Juni begonnen, mit seinen preußischen Truppen in Richtung der vermuteten Position Wellingtons zu marschieren. Gleich zu Beginn wurde er dabei aufgehalten, weil in Wavre, durch das er hindurch musste, ein Brand ausgebrochen war, der die Preußen zwei Stunden aufhielt. Zwei Stunden, die beinahe schlachtentscheidend gewesen wären. Nahezu den ganzen Tag marschierten die Preußen mit Friedrich Wilhelm Graf Bülows IV. Korps an der Spitze weiter auf den Lärm der Schlacht zu.

Erst gegen 1530 Uhr kam es am Rande des Bois de Paris endlich zur Feindberührung: Preußische Husaren unter Wilhelm Graf Schwerin trafen auf französische Husaren unter Oberst Marcellin de Marbot. Eine Stunde später hatte die preußische Infanterie schließlich den Ort Plancenoit hinter Napoleons rechtem Flügel erreicht und traf dort auf das französische VI. Korps von Lobau. Rund 7 000 Angreifern standen ursprünglich knapp 4 000 Verteidiger gegenüber, die sich in den Häusern und Gärten des Ortes verschanzt hatten. In den nächsten Stunden folgte ein erbarmungsloser Kampf. Preußen und Franzosen kannten kaum Pardon, in vielen Fällen wurden keine Gefangenen gemacht. Schließlich fiel der Ort ein erstes Mal. Die Franzosen sahen neuerlich viel mehr Truppen an einem Nebenschauplatz gebunden. Bald musste selbst die Junge Garde, eigentlich Napoleons "vorletzte" Reserve, eingreifen, die mit 4 700 Mann einen Entlastungsangriff vortrug und den Ort zurückeroberte. Doch auch sie konnte gegen die Preußen, die sich ihrerseits verstärkt hatten, nicht ewig standhalten, wodurch die Preußen Plancenoit neuerlich eroberten. Etwa um 1930 Uhr nahmen zwei Bataillone der Alten Garde, unterstützt von der Jungen Garde, mit aufgepflanzten Bajonetten den Ort noch einmal kurz ein, ehe er gegen 2030 Uhr endgültig in preußische Hände fiel. Über fünf Stunden hatte der Kampf gedauert und forderte 6 350 preußische und 4 500 französische Tote und Verwundete.

Die Garde weicht

Durch stundenlanges Anrennen der französischen Kavallerie und des Bombardements der Artillerie waren die Briten und ihre Verbündeten stark geschwächt. Ney drängte Napoleon zu einem letzten Angriff der Infanterie, doch dieser zögerte. Erst gegen 1930 Uhr gab er den Befehl zum Angriff der Garde auf Wellingtons rechtes Zentrum, ungefähr dort, wo heute der so genannte Löwenhügel steht. Rechts und links der Garde sollten andere Einheiten von Infanterie und Kavallerie noch einmal mit vorrücken, so gut es den erschöpften und dezimierten Truppen noch möglich war.

Fünf Bataillone der Mittleren Garde marschierten in offenen Karrees auf die Briten zu. Unterstützt von berittener Gardeartillerie. In einer zweiten Linie folgten drei Bataillone der Alten Garde. Diese treuesten und erfahrensten Soldaten Napoleons wurden nur in äußerster Not eingesetzt. Doch Wellington hatte diesen finalen Angriff erwartet und Vorkehrungen getroffen. Er holte von den Flanken Truppen ins Zentrum. Dies war ihm einerseits durch die Ankunft von Hans Ernst Karl von Ziethens I. Preußischem Korps an seinem linken Flügel möglich. Andererseits holte er belgische Miliz heran, die bislang noch keine Kampferfahrung hatte und die er daher in Reserve gehalten hatte.

Der direkte Angriff der französischen Garde traf Sir Peregrine Maitlands zwei Gardebataillone und Sir Colin Halketts Brigade. Diese bestand ebenfalls aus zwei Bataillonen, die allerdings aus vier verschiedenen Regimentern (30, 33, 69, 73) zusammengewürfelt waren, weil sie in den vergangenen Tagen und Stunden bereits hohe Verluste erlitten hatten. Was folgte, war Verwirrung auf beiden Seiten. Zwei Bataillone der französischen Garde trafen zuerst auf Halketts Männer und eröffneten das Feuer. Die Briten erwiderten ein Bataille-Feuer und glaubten ihren Augen nicht zu trauen, als die Franzosen sich nahezu unverzüglich zur Flucht wandten. Als Halketts Brigade zur Verfolgung ansetzte, gerieten die zwei Bataillone völlig durcheinander. Französische Artillerie, die weiter feuerte, brachte ihnen Verluste bei. Halkett befahl daher die Bataillone wieder zurück und versuchte, Ordnung in den "Haufen" zu bringen. Ein kritischer Moment, wie ein Offizier Halketts anmerkte: "50 Kürassiere hätten gereicht, um die Brigade zu vernichten." Doch die Krise ging vorbei. Jedenfalls auf britischer Seite: Oberst Detmers gemischte englisch-holländische Brigade kam Halkett zu Hilfe und nahm die Verfolgung der Franzosen auf.

Auch vor Maitlands Reihen geschah das Undenkbare: Die britischen Gardisten hatten sich, eine Spezialität Wellingtons, hinter dem Höhenrücken auf den Boden gelegt und waren erst im letzten Moment aufgestanden. Die Anhöhe war 1815 viel höher und steiler, als sie es heute ist. Das Erdreich wurde später abgetragen, um daraus den Löwenhügel aufzuschütten. Die Franzosen sahen die "dünne rote Linie" englischer Gardisten also erst, als sie schon in Schussweite waren. Auf Befehl eröffneten die Briten das Feuer. Um es möglichst verheerend zu machen, schossen 1 400 Mann, vier Reihen tief, aufgestellt auf einer Länge von 250 Metern, gleichzeitig. Und tatsächlich verfehlte diese Taktik nicht ihre Wirkung. Mit ihrer ersten Salve töteten oder verwundeten die Briten rund 20 Prozent der Franzosen. Auch deren kommandierende Offiziere Michel, Cardinal und Angelet. Zwei Bataillone der Garde zogen sich unter dem Feuer der Briten ungeordnet zurück. Nur die Artilleristen feuerten weiter. Ein drittes Bataillon, das von dieser verheerenden Salve unberührt geblieben war, wurde vom 52. Bataillon des Oberst Colbourne in der Flanke erfasst. Alle fünf französischen Gardebataillone der ersten Angriffslinie befanden sich damit in Auflösung und auf der Flucht. Gefolgt von Briten, Belgiern, Holländern, die inzwischen zum Generalangriff übergegangen waren.

Nach rund 20 Minuten war der letzte französische Angriff im Chaos untergegangen. In diesen Minuten soll sich eine legendäre Szene ereignet haben. Immer wieder sollen die Briten das 2. Bataillon des 1. Garderegimentes aufgefordert haben, sich zu ergeben. Dessen Kommandant, Graf Pierre Jaques Etienne Cambronne, habe daraufhin geantwortet: "Die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht." Als die Briten weiter mit Nachdruck die Kapitulation forderten, soll er ihnen schließlich ein "Merde!" (Scheiße) entgegengeworfen haben. Cambronne wurde wenig später schwer verwundet und gefangen genommen. Er überlebte die Schlacht und starb erst 1842.

Die drei verbliebenen Bataillone der Alten Garde versuchten ihr Möglichstes, um die Flucht der Franzosen zum Stehen zu bringen. Doch vergeblich. Die Schlacht von Waterloo war verloren. Napoleon begab sich in das Karree des 1. Bataillons des 1. Garderegimentes. Mit diesem trat er geordnet den Rückzug an. Die Gardisten hielten sich nicht nur die nachdrängenden Alliierten vom Leibe, sondern schossen auch auf ihre eigenen Landsleute, die in ihrer Verzweiflung im Karree Schutz suchen wollten. Ebenfalls in guter Ordnung verließ das 2. Bataillon das Schlachtfeld in der einbrechenden Dunkelheit.

Die Rolle der Preußen

Nach gewonnener Schlacht entstand auf preußischer Seite eine tiefe Verbitterung darüber, dass Wellington ihren Beitrag kleinredete und den ganzen Ruhm für sich in Anspruch nahm. Blücher empfand es als persönliche Beleidigung, dass Wellington die Schlacht nach dem Ort seines Hauptquartieres benannte und nicht nach jenem Ort, an dem sich die beiden Feldherren begegneten: La Belle Alliance. Der preußische Feldherr, der Napoleon in neun Schlachten gegenübergestanden war, starb 1819 mit 77 Jahren zurückgezogen an Altersschwäche.

Fest steht aber, dass die Schlacht mit großer Wahrscheinlichkeit ohne das Auftauchen von Blüchers Truppen einen anderen Ausgang genommen hätte. Napoleon fehlten dadurch im entscheidenden Moment 10 000 Mann. Von 36 Infanteriebataillonen, die er zu Beginn der Schlacht in Reserve gehalten hatte, "fraß" der Kampf um Plancenoit 25! Und unter diesen befand sich ein guter Teil seiner Elite, der Jungen und der Alten Garde.

Die Verluste

Die Schlacht, die schließlich über Napoelons Schicksal entschied und das endgültige Ende der Napoleonischen Kriege bedeutete, war verlustreich. Nicht umsonst wird Wellington, als er über das Schlachtfeld ritt, mit den Worten zitiert: "Das größte Unglück ist eine verlorene Schlacht, das zweitgrößte eine gewonnene." Wie verlustreich Waterloo wirklich war, das lässt sich nicht für alle teilnehmenden Armeen genau sagen.

Über Wellingtons Armee gibt es genaue Zahlen: Sie verzeichnete 3 500 Tote, 10 200 Verwundete und an die 3 300 Vermisste. Wobei bei den Vermissten auch zahlreiche Soldaten mit eingerechnet sind, die sich unerlaubt von der Truppe entfernt hatten. Allein von den Hannoveranischen Husaren des Herzogs von Cumberland desertierten 500 Mann. Bei den Preußen liegen ebenfalls eindeutige Zahlen vor: Insgesamt hatte Blücher bei Waterloo an die 7 000 Mann an Toten, Verwundeten und Vermissten zu verbuchen. Davon über 6 000 in den Kämpfen um Plancenoit.

Schwierig ist es hingegen, die französischen Verluste festzumachen, zumal sich die Armee Napoleons nach Waterloo in Auflösung befand. Laut Hochrechnungen dürfte Napoleon aber rund 31 000 Mann an Toten und Verwundeten auf dem Schlachtfeld gehabt haben, 5 000 wurden gefangen genommen, etwa 10 000 Mann machten sich unmittelbar während der Kämpfe oder in der Woche danach aus dem Staub. Bei einer letzten Parade am 26. Juni in Paris defilierten jedenfalls nur mehr 30 844 von ursprünglich 77 500 Mann.


Mag. Uwe Schwinghammer

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