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Das Pastoralkonzept der Militärseelsorge in Österreich

Wir erleben heute tief gehende politische und gesellschaftliche Veränderungen in Europa. "Diese Entwicklungen, besonders die Erweiterung der Europäischen Union und die Zielsetzung einer gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, stellen auch für das Österreichische Bundesheer und für die Militärsseelsorge entscheidende Herausforderungen dar. Die allgemeine gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Situation in Österreich und in ganz Europa verändert sich sehr rasch. Als Militärseelsorger und als in der Militärseelsorge engagierte Laien müssen wir uns dieser neuen Lage stellen, sie analysieren, die Grundlinien und Schwerpunkte unseres pastoralen Handelns überdenken und gemeinsam Antworten auf die aktuellen pastoralen Herausforderungen finden." So beschreibt es das Pastoralkonzept.

Auch die Erweiterung der Europäischen Union und die Entwicklungen in Richtung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beeinflussen die Arbeit der Militärsseelsorge. Hier hat uns besonders der Mitteleuropäische Katholikentag mit seinem Motto Christus, Hoffnung Europas die spirituelle und religiöse Perspektive einer größeren Europäischen Gemeinschaft aufgezeigt, mit all ihren Chancen und Herausforderungen gerade für uns Soldaten.

Grundlegende Aspekte für eine Vertiefung und Erneuerung der Verkündigung des Glaubens finden wir auch im nachsynodalen Schreiben Ecclesia in Europa von Papst Johannes Paul II. Die dort aufgezeigten Grundlinien sind für uns wesentliche Orientierungen für unsere eigenen Überlegungen für einen erneuerten Pastoralauftrag der Militärseelsorge.

Wir gehen in unserem Pastoralkonzept von einem Blick auf die veränderte gesellschaftliche und kirchliche Situation in Europa aus: "Durch den Wandel der Gesellschaft und des Alltagslebens zu größerer Pluralität sind die Nöte des modernen Menschen zahlreicher und differenzierter geworden. Damit ist auch das seelsorgliche Aufgabengebiet weiter und vielfältiger geworden. Neben all den Situationen, in denen bereits Seelsorge als Hilfe und Wegbegleitung präsent war, zeichnen sich neue zusätzliche Aufgabenbereiche ab. Besonders in jenen Situationen, in denen Menschen unter extremer Belastung stehen, mit der sie allein nicht fertig werden, bietet die Militärseelsorge Hilfestellung und Begleitung. Dies gilt vor allem im Einsatz (im Ausland, bei Assistenz, bei Katastrophen)." Darüber hinaus hat sich das Berufsbild des Soldaten entscheidend gewandelt. Soldaten müssen sich heute darauf einstellen, immer mehr für internationale Einsätzen in Krisengebieten herangezogen zu werden. Diese Einsätze können sich im Bereich des traditionellen Peacekeeping bewegen, aber es muss in Zukunft immer mehr mit schwierigen und gefahrvollen Einsätzen gerechnet werden, die auch militärische Kampfhandlungen einschließen können. Der Bildung des Soldatenethos und der Gewissensbildung (Tugenden, ethischen Normen, Humanitäres Völkerrecht) sowie der Friedenserziehung kommt in dieser Situation erhöhte Priorität zu. Das vom Zweiten Vatikanischen Konzil formulierte Soldatenbild stellt dabei viele Soldaten auch heute noch vor eine besondere Herausforderung: "Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, betrachte sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker. Indem er diese Aufgabe recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur Festigung des Friedens bei" (Gaudium et spes, 79).

Der Wandel von einem sicherheitspolitischen und militärischen Denken, das auf die Verteidigung der eigenen politischen und nationalen Gemeinschaft konzentriert ist, zu einem Denken und Handeln im Kontext übernationaler, ja globaler Solidarität ist oft nicht leicht nachzuvollziehen. Dieser Wandel wirkt sich ja im Selbstverständnis der Soldaten sowie in ihren persönlichen und familiären Leben sehr spürbar aus. Die Militärseelsorge ist hier besonderer Weise aufgerufen, Orientierung und Hilfe anzubieten.

Auch im religiösen Leben Europas sind tiefgehende Veränderungen festzustellen. "Die Militärseelsorge ist in ihrer Arbeit mit wachsender Entfremdung vom christlichen Glauben und kirchlichen Leben konfrontiert. Vermehrte religiöse Indifferenz und weltanschauliche Pluralität ist festzustellen. Wir sehen vermehrt das Ansteigen anderer Religionen sowie Menschen ohne religiöse Bildung. So genannte ‚Privatreligionen‘, religiöse Sondergemeinschaften und Sekten nehmen innerhalb der Gesellschaft zu. Gerade in dieser Situation hat die Militärseelsorge die Chance, über den kirchlichen Bereich hinaus in jene Lebenswelten hineinzuwirken, in denen der Mensch heute lebt und handelt, und Begleitung, Orientierung und Hilfe anzubieten." Auf diese Herausforderungen sucht die österreichische Militärseelsorge in ihrem pastoralen Handeln zu antworten.

Verkündigung der Heilsbotschaft

Der ständige Auftrag der Kirche umfasst die Verkündigung der Heilsbotschaft des Evangeliums, die Spendung der Sakramente und die Erfahrung der Liebe Gottes zu den Menschen in gelebter Nächstenliebe unter den besonderen Umständen, die von den spezifischen Lebensbedingungen der Soldaten herrühren. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Seelsorge den ganzen Menschen in den Blick nimmt, in Bezug - auf Gott, - auf den Mitmenschen und - zur Umwelt.

Wer in der Seelsorge Verantwortung trägt, "nimmt Anteil an Freude und Hoffnung, Trauer und Angst, in den verschiedenen Lebenssituationen der Menschen und bietet Hilfe an". Besondere Anliegen sind dabei die religiöse und ethische Bildung des Soldaten sowie die vielfältigen Formen pastoralpsychologischer und seelsorglicher Hilfe in persönlichen Krisen, bei Notfallsituationen in Einsätzen oder anderen belastenden Erlebnissen. Auch für Personen, die nicht ihrem konfessionellen Zuständigkeitsbereich angehören, sieht sich die Militärseelsorge als Ansprechpartner in allen religiösen, ethischen und persönlichen Fragen, die die Menschen bewegen. Eine außerordentliche wichtige Aufgabe ist auch die Beratung und Unterstützung von Kommandanten und Stäben aller Ebenen, besonders bei Konflikten und in Gewissensfragen.

Feier der Sakramente und der Liturgie

In ihrer besonderen Weise kommt die Militärseelsorge dem Grundauftrag der Kirche nach, der sich in die Bereiche der Verkündigung, der Liturgie und der Diakonie aufgliedert und konkretisiert. Vielfältige Formen von Gottesdiensten, Andachten, Feiern und Ansprachen zu verschiedenen Anlässen werden von der Militärseelsorge angeboten und gestaltet. Tage religiöser Besinnung sowie Seminare zu drängenden ethischen und existentiellen Fragen bieten besondere Gelegenheit zu persönlicher Vertiefung und Begegnung. Soldatenwallfahrten bieten die Chance, aus religiösen Erlebnissen ein tieferes Verständnis des Glaubens zu finden und so Mut und Kraft für den weiteren Lebensweg zu schöpfen. Ein besonderer Höhepunkt im Leben unserer Militärdiözese sind die alljährlichen Feiern der Weltfriedenstage, in deren Mittelpunkt die päpstlichen Weltfriedensbotschaften stehen, und die mit besonderer Beteiligung einer größeren militärischen und zivilen Öffentlichkeit gefeiert werden.

Die würdige Feier der Sakramente und der Liturgie ist mir als Bischof ein besonderes Anliegen, vor allem unter den oft nicht einfachen Umständen des militärischen Lebens und militärischer Einsätze. Die Feier der Eucharistie ist für uns alle - Bischöfe, Priester, Diakone und Laien - Quelle und Höhepunkt des kirchlichen wie auch unseres persönlichen geistlichen Lebens. Mir ist dabei besonders wichtig, dass unsere Militärseelsorger aus der Kraft der Feier der Eucharistie leben und arbeiten, einer Eucharistie, die nach den geltenden Normen der Kirche gefeiert und so für die konkrete Situation der Menschen fruchtbar wird.

In diesem Zusammenhang weise ich immer wieder darauf hin, dass der Militärseelsorger seine tiefste Identität nicht in Bereichen rein psychologischer Beratung und Intervention findet, sondern in den geistlichen Kernbereichen seiner priesterlichen Existenz.

Dies schließt nicht aus, dass ein Militärseelsorger auch in psychologischen Fragen, etwa der Lebensberatung, der Krisenintervention oder der Notfallseelsorge ausgebildet ist; gerade der Militärseelsorger kann leicht in Situationen kommen, wo solche Fähigkeiten ihm selbst und den ihm Anvertrauten sehr nützlich sein können. Entscheidend bleibt jedoch ein klares Bewusstsein unserer geistlichen Identität als Priester, von der her alles andere in unserem Wirken lebt und seinen echten tiefen Sinn erhält.

Gemeinsam mit dem Bemühen um eine echte Feier der Eucharistie gilt es auch, das Sakrament der Buße neu zu entdecken und den Menschen zu erschließen. Gerade im militärischen Leben ist die Feier der Versöhnung von ganz besonderer und tiefer Bedeutung, wird doch der Soldat unausweichlich mit Fragen von Unrecht und Gewalt, von Sünde und Schuld konfrontiert. Gerade der Soldat kann, ausgehend von seinen Erfahrungen in den Kriegs- und Krisengebieten der Welt, ein besonderes Verständnis für die lebenswichtige Bedeutung des Verzeihens und der Versöhnung entwickeln und so den Blick für diese Dimensionen auch in seinem eigenen Leben schärfen.

Für die Militärseelsorge eröffnet sich hier eine entscheidende pastorale Aufgabe, die uns immer mehr bewusst werden muss.

Dienst am Nächsten

In vielfältigen Formen sucht die Militärseelsorge auch den Dienst am Nächsten zu verwirklichen. Kameradenhilfe, Sorge um Kranke und Behinderte oder Menschen in Notsituationen, sowie karitative Projekte im In- und Ausland sind vielfältige Ausdrucksformen dieses vom Evangelium geforderten Dienstes. Eine besondere Sorge gilt den Familien. In Zukunft werden sich mit den Herausforderungen einer oft familienfeindlichen Umwelt auch die besonderen Probleme häufiger militärischer Einsätze zur Sicherung des Friedens und der damit verbundenen Trennung und Abwesenheit verbinden. Die Familien unserer Soldaten und Soldatinnen werden dadurch oft vor große Schwierigkeiten gestellt, in der sie jede Hilfe brauchen können. Der Militärseelsorge müssen diese Familien ein großes Anliegen sein. Dies ist ein pastoraler Bereich, dessen Bedeutung in Zukunft sicher noch zunehmen wird.

Ethik, Friedensforschung, interreligiöser Dialog

Ich habe immer wieder die Bedeutung der religiösen und menschlichen Bildung in der Militärseelsorge unterstrichen. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch auf das Institut für Religion und Frieden hinweisen, das ich vor einigen Jahren gegründet habe. Dieses Institut ist in den Bereichen der Forschung und der Bildung in den Bereichen der Katholischen Soziallehre, der Ethik des Soldaten, der Friedensforschung und des ökumenischen und interreligiösen Dialogs tätig. Es berät den Militärbischof in diesen Fragen und unterstützt die Militärseelsorge bei allen Bildungsvorhaben. Das Institut sucht die nationale und internationale Zusammenarbeit mit kirchlichen, militärischen, staatlichen und anderen Einrichtungen, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Es leistet für die Militärseelsorge, aber auch darüber hinaus, einen wichtigen Dienst in der Erforschung, der Dokumentation und der Verbreitung der Grundsätze der Soziallehre und der Friedensethik der Kirche.

Zusammenarbeit

Zum Abschluss möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen, der mir besonders wichtig erscheint: Es ist die internationale Zusammenarbeit der Militärordinariate, die in Zukunft immer wichtiger werden wird. Die pastorale Planung muss diese Dimension heute ganz selbstverständlich einbeziehen. Nicht nur, dass wir vor vielen gemeinsamen gesellschaftlichen und pastoralen Herausforderungen stehen, deren Lösung nur gemeinsam möglich ist; das gemeinsame Europa verlangt von uns diese Neuausrichtung unseres pastoralen Planens und Handelns, einfach im Blick auf die Realitäten der politischen und militärischen, der gesellschaftlichen und kirchlichen Entwicklung in Europa. Von der Intensivierung und Vertiefung einer solchen Zusammenarbeit in unterschiedlichen Bereichen wird viel für die Zukunft der Militärseelsorge in Europa abhängen.

Autor: Militärbischof Mag. Christian Werner

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