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Kirche unter Soldaten

Nicht ein fest gefügter Prachtbau der Gotik oder des Barock (wie er im Kirchenlied "Ein Haus voll Glorie schauet" besungen wird), sondern eher das Bild des wandernden Gottesvolkes gibt heute die Situation und das Selbstverständnis der Kirche wieder. Darin ist die Kirche Jesus und seinen Jüngern sehr nahe. Diese waren auch stets unterwegs bzw. auf Wanderschaft und hatten keine feste Bleibe. Jesus sagt von sich selbst, dass der Menschensohn keinen Ort habe, wohin er sein Haupt legen könne. Auch das Volk Israel begegnete bei seinem Zug durch die Wüste nach der Befreiung aus Ägypten Gott unter freiem Himmel. Gott wartete nicht in Jerusalem auf sie, sondern mitten unter ihnen - in einem Zelt.

Freier Himmel und Zelt

Für Soldaten ist der Ort ihrer Kirche zumeist der freie Himmel, die Sterne am Firmament zur Nachtwache, die Kaserne, das Schiff, der Weg, die Wartezeit. Den Soldaten sind ein Shelter, ein Zelt, ein Unterstand, eine temporäre Unterkunft mehr als vertraut. Passt nicht genau zu diesem Verständnis jenes Bild von Kirche, das sie als bergende Zufluchtstätte unter dem weiten Firmament sieht und uns als die auf Wanderschaft befindliche Gemeinschaft der Glaubenden, Hoffenden und Liebenden, die die Herausforderung anzunehmen bereit sind, im Dienst an den Menschen und letztlich der guten Sache zu stehen?

Unvergesslich ist für mich seit einem meiner ersten Besuche im kriegszerstörten Bosnien das Camp und "Lager" unserer österreichischen Soldaten - und inmitten einer halbfertig gestellten Fabrikshalle das Kirchenzelt, das dort aufgeschlagen war. Alle Soldaten waren in diesem Bau in Zelten untergebracht, ebenso alle Stabsabteilungen und Kanzleien, da aufgrund der Staubbelastung und der ungenügenden Heizmöglichkeit der Dienstbetrieb nur in diesen modernen klimatisierten Zelten möglich war. Der Staub erinnerte an die Wüste, die Zelte an die Zeit der Wüstenwanderung des erwählten Volkes Israel, und alles erinnerte an Vorläufigkeit. Nun war im "Kirchenzelt" neben einer spärlichen Einrichtung auch noch die Möglichkeit für einen Tabernakel geschaffen worden; der einzige Bereich, wo man sich privat etwas zurückziehen konnte, ungestört etwas Ruhe finden konnte und der auch ein Stück vertraute Heimat versprach, dort war jener Ort, an dem im Allerheiligsten Gott selbst mitten unter den Soldaten seine Gegenwart zusicherte: Tabernakel (tabernaculum) heißt Zelt, und in diesem kleinen Zelt unter einem größeren Zelt wollte Gott seines aufschlagen. "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gezeltet" heißt es im Johannesevangelium von der Menschwerdung Jesu.

Das Geheimnis der Menschwerdung

Der ewige Gott ist nicht in der "Ferne" des Himmels. Er ist uns nicht "fremd" geblieben sondern ganz nahe und vertraut geworden, indem er sich in Jesus in das Menschsein, in Welt und Geschichte "eingefleischt" hat. Dies feiern wir zu Weihnachten. Abseits jeder Sentimentalität und Romantik der Gefühle, die oftmals nur an der Oberfläche bleiben, können wir gerade bei diesem Fest erleben, wie Soldaten ein besonderes Verständnis dafür haben, was es heißt, dass Gott ein Immanuel, ein "Gott mit uns" ist. In der Weihnachtsgeschichte spielen Soldaten keine besondere Rolle - wohl aber in der Leidensgeschichte und damit spannt sich der Bogen zum zweiten zentralen "Mysterium" (Geheimnis) unseres Glaubens neben der Menschwerdung, der Erlösungstat am Kreuz.

Gerade der Soldat weiß um das Böse, um die bedrängenden Nöte, die Bedrohung und die Gefahr, das Grauen des Krieges, die Ungerechtigkeit und die Unterdrückung und letztlich um den Tod. Ein Soldat ist aber auch der erste, der den Gekreuzigten als Sohn Gottes erkennt: Der römische Hauptmann bekennt unmittelbar nach dem Tod Jesu: "Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn." Angesichts des Todes kann er all seine Hoffnung auf den menschgewordenen Sohn Gottes setzen.

Militärseelsorge - Kirche unter Soldaten

Ich sehe die Militärseelsorge nicht so sehr als Dienstleistungsbetrieb, als bloße Personalbetreuung, als Abdeckung "religiöser Bedürfnisse", als Notnagel und Krisenintervention - all dies hat natürlich auch seine Berechtigung und seinen Stellenwert. Militärseelsorge ist auch mehr als die rechtlich abgesicherte Ermöglichung der freien Religionsausübung, wie es der moderne demokratische Rechtsstaat seinen Bürgerinnen und Bürgern einräumt.

Ich träume von einer Militärseelsorge, die Kirche im besten und eigentlichen Sinn des Wortes ermöglicht: als zusammengerufene und berufene Gemeinde, Gemeinschaft der Glaubenden unter Soldaten. Nicht die Brauchtumsträger einer christlichen Tradition, nicht die Bewahrer der Asche, sondern die Fackelträger jenes Lichtes wollen wir sein, das der Herr selbst in dieser Welt und in unserem Leben entzündet hat. Nicht von ungefähr brennt in der Nähe jedes Tabernakels ein so genanntes ewiges Licht, zu dessen Hütern wir bestellt sind und zu dessen Verbreitung wir mitbeitragen dürfen.

Mitten im Kessel von Stalingrad schuf ein Soldat und evangelischer Christ 1942 in Todesbedrängnis ein Bildnis, das als Stalingradmadonna bekannt wurde und die Umschrift trägt: Licht - Leben - Liebe.

Gibt es ein Glaubensbekenntnis, das dieses übertreffen könnte? Alle, die sich unter diesem Zeichen, in diesem Namen versammelten, die hoffnungsvoll und flehend ihre Gebete darbrachten, sind zu einer Kirche unter den Soldaten inmitten des Krieges, in der Fremde und fern der Heimat geworden. Dort hat sich unter außergewöhnlichen Bedingungen, inmitten der Apokalyptik einer Schlacht und in unmittelbarer Todesgefahr eine Vision von Kirche unter Soldaten erfüllt, die uns immer vor Augen stehen muss, wollen wir verstehen, was Kirche meint und der Herr selbst mit seiner Kirche will.

Ein dreifacher Auftrag

In der Zeit und Situation, in der wir jetzt stehen, sehe ich für die Militärseelsoge einen dreifachen Auftrag: 1. Eigene Glaubwürdigkeit und vorbildhaftes Verhalten. Das soll sich in jeder einzelnen Begegnung erkennen lassen und den Umgang mit jedem Menschen ohne Unterschied des Ranges kennzeichnen. Der Seelsorger und alle Mitarbeiter müssen Menschen des Gebetes sein, denen man ihre ständige Verbundenheit mit Gott anmerkt. Ihr tadelloses Verhalten soll Anlass geben, nach ihrer Motivation und dem Sinn ihrer Lebensgestaltung zu fragen. Einen solchen "modernen" Missionsgedanken hat der französische Offizier und heiligmäßige Eremit Charles de Foucauld inmitten der Sahara praktiziert: Er lebte seinen christlichen Glauben so überzeugend, dass Muslime seiner Umgebung danach zu fragen begannen, welches Feuer in seinem Herzen brenne.

2. Die Schar der Gläubigen, die Gott ruft, zu sammeln und zu ermutigen. Wir brauchen das Zusammentreffen der "Gemeinde" und sei es eine noch so kleine Zahl, die sich zum Gottesdienst und zum Gebet, zur Feier der Eucharistie und der Sakramente versammelt, die den Sonntag, die kirchlichen Feste und bedeutende Lebensstationen feiert, aber auch in schweren Situationen im gläubigen "Ritual" Trost, Halt und Hoffnung findet. Das "leuchtende" Brot der Eucharistie ist dabei von zentraler Bedeutung, da es zugleich eine einzigartige Quelle der Gnade und einen Höhepunkt der Gottesbegegnung darstellt.

3. Den Notleidenden und Bedrängten beizustehen und den Fernstehenden ein ständiger Ansprechpartner zu sein, Auskunft zu geben über die Hoffnung, die uns erfüllt und trotz Anfechtung und Zweifel uns niemals der Versuchung der Verzweiflung anheim zu geben. Wir müssen den Blick in die Weite suchen und ständig aufrecht erhalten und unsere Häupter zum Himmel erheben - gerade dann, wenn die Last des Lebens schwer ist. So gibt es bisweilen Zeiten, wo es gilt, das Rad einfach weiterzudrehen und in der Treue auszuhalten, dann aber auch Zeiten, wo es uns abverlangt wird, dem Rad in die Speichen zu fallen, mahnend aufzutreten und Widerstand zu leisten.

Vertrauensvoll dürfen wir es aber über allem dem Lenker der Zeit überlassen, wie und wohin er uns führt - dies ist die Zeit des Vertrauens, die Zeit des Glaubens. Eine solche Zeit des Glaubens immer wieder inmitten und unter den Soldaten anbrechen zu lassen, wollen wir als Knechte Christi mithelfen und so auch einen Ort der Gnade (Kirche) bereiten.

Autor: Militärgeneralvikar Msgr. Mag. Dr. Franz Fahrner

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