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Herausforderungen an die Militärseelsorge in Europa

Die tiefgehenden politischen und militärischen Entwicklungen der vergangenen Jahre stellen die Militärseelsorge vor entscheidende Herausforderungen. Überall in Europa werden die Armeen umstrukturiert, oft verkleinert, und an die Gegebenheiten einer veränderten sicherheitspolitischen Umwelt angepasst. Das geht nicht ohne weitreichende Veränderungen der militärischen Organisation, aber auch der Zielsetzungen, Aufgaben und Erwartungen, die an das Militär gestellt werden. In der Öffentlichkeit wird dabei oft zu wenig bedacht, wie groß die beruflichen und menschlichen Anforderungen sind, die in dieser Situation an die Soldaten selbst gestellt werden.

Wenn von einem erweiterten Aufgabenspektrum der Armeen gesprochen wird, von vielfältigen Formen friedenserhaltender und friedenssichernder Einsätze, von internationaler Kooperation und Solidarität, dann stehen dahinter immer konkrete Menschen, die sich diese politisch-militärischen Vorgaben aneignen, sich mit ihnen identifizieren und sie in der Ausbildung und schließlich im Einsatz umsetzen müssen. Die Militärseelsorge, als "Kirche unter den Soldaten", begleitet die Soldaten und sucht in ihren seelsorglichen Zielsetzungen, in ihrer Organisation und ihrem pastoralen Handeln dieser Situation gerecht zu werden.

Die Aufgabe

Die Aufgabe der Militärseelsorge besteht keineswegs darin, den soldatischen Dienst bloß religiös zu überhöhen oder zu einer besseren militärischen Motivation der Soldaten beizutragen. Ihre Aufgaben sind breiter gestreut und zugleich tiefgehender: Es geht um die umfassende seelsorgliche, menschliche und moralische Betreuung, Begleitung und Bildung der Soldaten. Dass dabei auch brennende ethische Fragen, die sich gerade heute im Blick auf die Sicherung des Friedens und auf den Einsatz militärischer Gewalt stellen, eine wichtige Rolle spielen, ist selbstverständlich. Zur Bildung des Gewissens - gerade in diesen Fragen - beizutragen, ist eine wichtige Zielsetzung der Militärseelsorge, auch in Österreich. Dieses Angebot ethischer Bildung und Orientierung ist jedoch eingebettet in den umfassenden Verkündigungsauftrag und Heilsdienst der Kirche und erfährt von dort her Begründung und Legitimation.

Die Kirche unter den Soldaten ist deshalb nicht nur von den spezifischen politisch-militärischen Herausforderungen der letzten Jahre betroffen, sondern steht auch mitten in jenen gesellschaftlichen Entwicklungen, die das Verhältnis der Menschen zu Religion und Kirche tiefgreifend verändert haben: die abnehmende Bindung an den christlichen Glauben und die Kirche, die religiöse Pluralisierung und Individualisierung, ein verbreiteter ethischer Relativismus. Dabei öffnet sich für die Militärseelsorge die besondere Chance, mit jungen Menschen (Männern und Frauen) zu tun zu haben, die oft dem Glauben und Leben der Kirche distanziert gegenüberstehen, sich entfremdet haben oder nie persönlich mit dem Glauben in Berührung gekommen sind. In dieser Situation eine neue, manchmal sogar erste, Begegnung mit der Kirche zu ermöglichen, gehört zu den interessantesten Herausforderungen der Militärseelsorge.

Eine besondere Sorge gilt den Soldaten in Auslandseinsätzen, aber auch - und dies wird immer wichtiger - ihren Familien in der Heimat. Den Soldaten jede mögliche Hilfe zur Bewältigung der menschlichen Anforderungen im Einsatz anzubieten, ist eine Grundaufgabe der Militärseelsorge. Zugleich aber wurde in den letzten Jahren immer deutlicher, dass die Ehepartner und die Kinder bei der zunehmenden Zahl von internationalen Einsätzen daheim viel zu bewältigen haben. Auch die Rückkehr der Soldaten nach Hause kann mit besonderen Problemen verbunden sein, durch belastende Erlebnisse im Ausland oder auch durch inzwischen stattgefundene Entwicklungen im Leben der Familie. Auch in anderen Armeen ist dieses Problem sehr akut, die Militärseelsorge ist oft eine wichtige Instanz, die in der Lage ist, Unterstützung und Hilfe anzubieten.

Gesamteuropäische Zusammenarbeit

Dies alles spielt sich heute nicht mehr im Rahmen des einzelnen Staates ab, die genannten Entwicklungen und Herausforderungen stehen im Kontext der Europäischen Union und ganz Europas. Dies wurde Anfang September des vorigen Jahres bei einem Treffen der europäischen Militärbischöfe in Wien deutlich. Als ein wichtiges Ergebnis dieses Treffens wurde die Notwendigkeit betont, die gesamteuropäische Zusammenarbeit der Militärordinariate und den Austausch untereinander zu verstärken, da es viele gemeinsame Fragen und Anliegen gibt. Nicht zuletzt sind die pastoralen und ethischen Herausforderungen, die sich durch die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik stellen, nur gemeinsam zu bewältigen.

Für die österreichische Militärseelsorge ist dieses Bemühen um Kooperation nicht neu. Bereits beim Aufbau der Militärseelsorge in den ehemals kommunistischen Nachbarstaaten Österreichs während der neunziger Jahre wurde Hilfe zum Aufbau einer eigenen Form der Militärseelsorge geleistet. Regelmäßige Treffen und Besuche sollen in Zukunft den Austausch von Erfahrungen und gemeinsame Planungen ermöglichen. Die Verbundenheit der Militärseelsorge in den mitteleuropäischen Ländern kam beim Mitteleuropäischen Katholikentag durch die Teilnahme militärischer Abordnungen und einem gemeinsamen Gottesdienst in der Basilika von Mariazell besonders intensiv zum Ausdruck. Über den Austausch von Erfahrungen auf pastoraler und militärischer Ebene hinaus soll auch in Zukunft durch die Teilnahme von Soldaten an besonderen Ereignissen - wie kirchlichen Feiern und nationalen Wallfahrten - die nationenübergreifende Einheit der Kirche unter den Soldaten in Europa heute gelebt und erlebt werden.

Autor: Bischofsvikar Militärsuperior Msgr. Dr. Werner Freistetter

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