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Psychologie

Fünf im Denken?

"Fünf im Denken" lautete eine Schlagzeile in der deutschen Zeitschrift Der Spiegel Nr. 45/2006 zu den aktuellen Rahmenbedingungen für die Auswahl des Nachwuchses in der deutschen Bundeswehr. Dieses Thema folgte einer öffentlichen Diskussion im Zusammenhang mit jenen Bildern, auf denen ehemals in Afghanistan eingesetzte Soldaten der deutschen Bundeswehr mit den Gebeinen Verstorbener oder Getöteter zu sehen sind. Auch in den österreichischen Medien waren diese Bilder und damit auch das Verhalten von Soldaten im Einsatz zeitweilig Thema und fallweise Anlass zur Kritik. Durch eine derartige mediale Berichterstattung besteht die Gefahr, dass die hervorragenden Leistungen und das Ansehen der österreichischen Soldaten pauschal in Mitleidenschaft gezogen werden und dadurch bei deren Angehörigen und im Kader Verunsicherung hervorgerufen wird. Nun stellt sich die Frage, ob die in den deutschen Medien hergestellten Zusammenhänge mit den herabgesetzten Kriterien bei der Auswahl der Soldaten für die Auslandseinsätze als Erklärung herangezogen werden können oder ob nicht vielleicht doch andere Faktoren im Vordergrund stehen.

Aus der Sicht der Militärpsychologie gibt es vielfältige Ursachen für solche Fehlleistungen unter Soldaten. Grundsätzlich handelt es sich dabei zumeist weniger um ein Auswahl- oder ein Ausbildungsproblem; vielmehr resultiert ein solches Fehlverhalten von Soldaten aus ungünstigen Rahmenbedingungen. Extreme einsatzbedingte Belastungen, wie die permanente Lebensgefahr bei der Auftragserfüllung, die ständige Konfrontation mit Tod und Verwüstung bei gleichzeitiger Trennung von der Familie sowie das Leben im Camp über längere Zeit und eine gewisse Isolation, können zu außergewöhnlichen Verhaltensweisen führen. Hier ist ein breites Spektrum von Reaktionen möglich, das von einer Verrohung der Sprache über "martialische" Fotos bis - in Ausnahmefällen - hin zur Störung der Totenruhe reicht. Die Betroffenen sind sich der Tragweite und der Auswirkungen dieser Handlungen in solchen Situationen meist nicht bewusst. Neben jenen Ursachen, die in der Psyche der Person begründet sind, kann das Fehlverhalten, das für Außenstehende unverständlich erscheinen mag und deshalb rational nicht nachvollziehbar ist, durch nicht bewältigte Belastungs- und Stresssituationen ausgelöst werden. Gruppendynamische Kräfte können dabei als Verstärker wirken. Solche Reaktionen sind keinesfalls militärtypisch, sondern auch aus anderen Lebensbereichen wie Sport, Schule, Politik etc. bekannt.

Nachdem die Militärpsychologie des Heerespersonalamtes des Bundesheeres alle für einen Auslandseinsatz vorgesehenen Soldaten ausgewählt hat, unterweist das Streitkräfteführungskommando diese im Rahmen der Ausbildung unter anderem hinsichtlich der kulturellen Besonderheiten dieses Einsatzes. In einem Code of Conduct werden die Verhaltensregeln gegenüber der Zivilbevölkerung vermittelt. Das Streitkräfteführungskommando bereitet seine Soldaten darauf vor, auch in einem schwierigen Umfeld und unter großem Stress ihre Aufträge unter Achtung der Menschenwürde zu erfüllen. Trotzdem kann es vereinzelt vorkommen, dass Soldaten nonkonforme Verhaltensweisen zeigen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Umgebungsbedingungen stehen. Ein derartiges Verhalten kann aber grundsätzlich nicht mit Leistungen in jenen Tests in Beziehung gebracht werden, die über das Denkvermögen der Testpersonen Aufschluss geben sollen.

Wenn nun sowohl die Auswahl als auch die Ausbildung und die Einsatzvorbereitung als ausreichend beurteilt und durch jahrelange Arbeit und internationale Anerkennung unter Beweis gestellt wurden, ist daher nicht die Leistung mit Fünf - also mit nicht genügend - zu beurteilen. Vielmehr stellt sich die Frage, wie die Soldaten bei ihrer Auftragserfüllung von Seiten des Systems und der Bevölkerung unterstützt werden können, um derartige Entgleisungen von Einzelpersonen, die "erklärbar, aber nicht tolerierbar sind" (Zitat von GenLt Mag. Günter Höfler in der Tageszeitung Österreich vom 29. Oktober 2006), zu vermeiden.

Die Aufgabe der Militärpsychologie im Bundesheer liegt in der Personalauswahl sowie in der Unterstützung und Beratung der Kommandanten in der Einsatzvorbereitung, der Einsatzbegleitung und der Einsatznachbereitung. Im gegenständlichen Fall wird von der Militärpsychologie eine konsequente Dienstaufsicht durch die Kommandanten angeregt, um ein von der Norm abweichendes Verhalten ihrer Soldaten rechtzeitig erkennen und einem drohenden Fehlverhalten von Einzelnen oder Gruppen schon im Ansatz entgegenwirken zu können. Zusätzliche, insbesondere Stress reduzierende Maßnahmen, wie das Ermöglichen von Gesprächen sowie das Schaffen von Freiräumen und Möglichkeiten zur aktiven Freizeitgestaltung, werden empfohlen.

Darüber hinaus unterstützt ein professionelles Team aus Militärärzten, Militärpsychologen und Militärseelsorgern den Kommandanten und die Truppe bei der Auftragserfüllung.

Autor: Obstlt dhmfD Mag. Christian Langer und Oberrat Mag. Bernhard Penz

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