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Suche nach Minen und Kampfmitteln (II)

Nachdem der erste Teil dieses Beitrages sowohl die Szenarien und Kosten als auch die technische Minensuche beleuchtet hat, wird im vorliegenden zweiten Teil die manuelle Minensuche - also das Handwerk - unter die Lupe genommen.

Manuelle Minensuche

Die wohl zeitaufwändigste und gefährlichste Art der Suche nach Minen und Kampfmitteln ist jene durch Personen, die mit einfachen Hilfsmitteln (Minensuchstab und/oder Metallsuchgerät) manuell Minen und andere Kampfmittel aufspüren. Diese Methode ist von den Bodenverhältnissen (Weideland, Wüste, steiniger Boden, Metallgehalt etc.) und den dort vermutlich zum Einsatz gekommenen Minen abhängig. Darum müssen die Minensucher und Kampfmittelräumer vor ihrem Einsatz eine lange und intensive Ausbildung absolvieren. Die erworbenen Fähigkeiten müssen durch permanentes Training bzw. ständigen Einsatz perfektioniert, aufrechterhalten und an das jeweilige Einsatzgebiet angepasst werden.

Im Rahmen dieser Suchmethode wird in gut eingespielten Teams gearbeitet. Damit Konzentrationsschwächen (aufgrund der physischen und psychischen Belastungen) hintangehalten werden, müssen die Sucher beobachtet, kontrolliert und in angemessenen Zeitabständen abgewechselt werden. Um das Gefährdungspotenzial für diese Spezialisten zu verringern, befindet sich immer nur eine Person im unmittelbaren Gefahrenbereich. Der zweite Sucher hält sich in einem Abstand von mindestens 25 Metern im gesicherten Bereich - "Safe Area" - auf und beobachtet den anderen Sucher während der gesamten Tätigkeiten. Der Beobachter warnt den gerade arbeitenden Sucher vor Abweichungen vom sicheren Gelände oder wenn sonstige unvorhergesehene Ereignisse eintreten. Damit die Minensucher über einen angemessenen Schutz bei ihrer nicht ganz ungefährlichen Tätigkeit verfügen, müssen sie im Gefährdungsbereich Schutzbekleidung tragen. Der minimale Standard (International Mine Action Standards) dabei ist ein Helm mit Sichtschutz (Visier) und eine Splitterschutzweste. Die Schutzbekleidung kann je nach Gefährdungsgrad um minensichere Schuhe, Beinschutz etc. erweitert werden. Einen Schutz vor Panzerminen, die ein Explosivstoffgewicht von 5 bis 10 kg (Richtwerte) aufweisen gibt es nach dem derzeitigen "Stand der Technik" nicht.

Die eigentliche Tätigkeit beginnt damit, dass ein "Base Stick"2) auf die sichere "Grundlinie" des zu untersuchenden Streifens ("Working Lane") gelegt wird. Der "Base Stick" ist eine 1,2 m lange Holzleiste mit quadratischem Querschnitt (zirka 2 x 2 cm), die alle 2 bis 3 cm mit einer Markierung versehen ist. Die Enden (zirka 10 cm) des "Base Stick" sind mit auffallender Farbe (meist rot) gekennzeichnet. Anschließend untersucht der Minensucher visuell das Gelände vor dem "Base Stick" auf frei verlegte Minen oder sonstige verdächtige Gegenstände. Bei Bäumen und Sträuchern ist zusätzlich auf versteckte Sprengfallen und hängengebliebene Kampfmittel wie z.B. Submunition in den Kronen bzw. im Geäst zu achten. Der zu untersuchende Abschnitt der "Working Lane" wird nun mit einem "Trip Wire Feeler"3) vertikal und horizontal nach Spanndrähten bzw. Bruchdrähten kontrolliert. Der "Trip Wire Feeler" ist ein ca. 1 m langes Stück Draht (14 SWG) und wird leicht zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger gehalten. Danach schneidet der Minensucher mit Gartenwerkzeug (Rasenschere, Astschere etc.) die Vegetation so kurz wie möglich. Die so behandelte Fläche muss 120 cm breit und soll nicht mehr als 40 bis 50 cm lang sein. Bäume oder Sträucher die mehr als 10 cm Stammdurchmesser aufweisen, werden vorerst nicht weiter behandelt.

Erst jetzt beginnt die Detektion mit dem Minensuchgerät. Der Minensucher führt den Metalldetektor so knapp wie möglich über den Boden. Wird vom Detektor kein akustisches/optisches Signal abgegeben, wird der Suchvorgang in derselben Art um eine halbe Suchschleifentiefe in Richtung unsicheres Gelände, wiederholt. Zeigt der Detektor ein akustisches/optisches Signal an, ist soweit nachzugraben, bis die Ursache für das Signal erkennbar ist. Kampfmittel sind freizulegen und dem Kampfmittelräumer zu melden, um die weitere Vorgangsweise festzulegen. Metallteile sind meist zur Gänze zu entfernen.

Einer der wesentlichsten Nachteile eines Metalldetektors liegt darin, dass er nicht zwischen Metallschrott (Granatsplittern, Nägeln, Flaschenverschlüssen, Haarnadeln etc.) und den Metallanteilen eines Kampfmittels unterscheiden kann. Dies erhöht die Fehlalarmrate bei der Suche enorm. So räumte eine NGO in Afghanistan 1994 eine Fläche von 3,8 Millionen m2 und zerstörte dabei 30 450 Minen. Auf jede dieser Minen kamen 65 andere ungefährliche Metallfragmente. Dies bedeutete eine Fehlalarmrate von 99,9 Prozent. Andere in Afghanistan tätige Organisationen berichteten sogar von 1 000:1 an Fehlalarmen pro realer Mine.

Ein weiteres Manko des Metalldetektors besteht darin, dass kleine Metallteile, die sich in der unmittelbaren Nähe von großen metallischen Gegenständen befinden, nicht detektiert werden können.

Oft wurden Schützenminen mit geringem Metallanteil (weniger als 0,5 g) direkt bei großen, metallischen Panzerminen verlegt. Beim genauen Lokalisieren kann somit nicht mehr zwischen Panzermine und Schützenmine unterschieden werden. Das händische Nachsuchen mit dem Minensuchstab muss daher in jedem Fall schon dort beginnen, wo das erste Signal erkannt wurde.

In Bosnien und im Kosovo wurden von allen Konfliktparteien bewusst Schützenminen mit Panzerminen gemischt verlegt, um die Detektion sowie die Räumung zu erschweren.

In Geländeteilen, in denen der Anteil an Metallteilen (Splitter, Metallschrott etc.) zu hoch ist, kann ein Metalldetektor nicht mehr effektiv eingesetzt werden. In solchen Fällen muss ausschließlich mit Minensuchstäben gearbeitet werden. Alternativ dazu kann die Oberfläche bis zur geforderten Räumtiefe seitlich abgegraben werden.

Der Winkel beim Einsatz von Minensuchstäben muss 30° betragen und darf nicht flacher oder steiler sein, da es Minen gibt, die schon bei sehr geringem Druck ausgelöst werden können. Die jugoslawische Schützenmine PMA 3 fällt in diese Kategorie.

Die Beseitigung der aufgefundenen Kampfmittel wird durch den Kampfmittelräumer bestimmt. Kampfmittel können entweder neutralisiert und zur weiteren Vernichtung verbracht werden oder müssen sofort an Ort und Stelle gesprengt werden. Wenn eine detektierte und identifizierte Mine nicht sofort vernichtet werden muss, ordnet der Kommandant des Räumtrupps den Beginn einer neuen "Working Lane" an. Grundsätzlich sollten am Ende des Tages alle gefundenen Kampfmittel durch einen Kampfmittelräumer oder Kampfmittelbeseitiger vernichtet werden.

Nach Beseitigung des Kampfmittels kontrolliert der Minensucher noch einmal die verdächtige Fläche auf noch vorhandene Splitter oder eventuell vorhandene Teile von Kampfmitteln. Erst wenn das Metallsuchgerät kein akustisches/optisches Signal abgibt, wird der Arbeitsvorgang fortgesetzt, bis die "Working Lane" beendet ist.

Herkömmliche Metalldetektoren sind Wirbelstromsonden, die in metallischen Leitern Wirbelströme erzeugen und dadurch Metallfragmente nachweisen. Gute Detektoren spüren sogar in schwierigen Böden (wie zum Beispiel Laterit) winzige Metallfragmente auf, was die Genauigkeit der Suche erhöht aber auch zu einer höheren Fehlalarmrate führt. Mit einem neuartigen Detektor soll nun Abhilfe geschaffen werden. Die amerikanische Firma "Quantum Magnetics" hat im Auftrag der US-Armee einen tragbaren Minensuchdetektor entwickelt, der die Fehlalarmrate herabsetzt und somit effektiver eingesetzt werden kann. Zum Lokalisieren von Minen nutzt er das Magnetfeld der Atomkerne in den Sprengstoffen. Dazu sendet er einen elektromagnetischen Impuls aus, der auf das Magnetfeld der Kerne wirkt und diese in bestimmte Schwingungen versetzt. Ist der Impuls beendet, senden die Atomkerne ein spezifisches Signal - das Kernresonanzsignal - zum Detektor zurück. Dieses Echo wird von einem Computer, der sich im Rucksack des Suchers befindet, analysiert. Da jeder Stoff ein anderes Kernresonanzsignal sendet, kann er - wie etwa der Fingerabdruck eines Menschen - eindutig identifiziert werden. Erste Feldversuche hat der Detektor bereits erfolgreich bestanden. Bis zu seinem realen Einsatz werden jedoch noch einige Jahre vergehen.

Minensuche unter Wasser

Unbemannte Unterwasserfahrzeuge werden in der Fachsprache als UUV ("Unmanned Underwater Vehicles" oder alternativ "Unmanned Undersea Vehicles") bezeichnet. Einige dieser Wasserfahrzeuge stehen bereits im Dienst der amerikanischen Marine oder nähern sich der operativen Einsatzfähigkeit. Derzeitige Entwicklungsprojekte konzentrieren sich auf UUVs, die einen vorprogrammierten Auftrag ausführen. Langfristig sollen diese Unterwasserfahrzeuge tausende Kilometer vom Heimathafen entfernt autonom in Litoralgewässern agieren. Litoralgewässer sind Gewässer in Küsten-, Ufer- und Strandzonen. Zum Beispiel sind 74 Prozent der Gewässer des Persischen Golfs und zirka 63 Prozent des Gelben Meeres (Teil des Chinesischen Meeres) flacher als 55 m Bemannte Systeme können aufgrund der geringen Tiefe, der schlechten akustischen Bedingungen bzw. wegen der permanenten Minengefahr nicht oder nur beschränkt eingesetzt werden. Mit ihren geringen Abmessungen (teilweise kleiner als Delphine) sind UUVs schwer zu orten bzw. aufzuspüren. Ein weiterer Vorteil dieses Systems liegt auch darin, dass bemannte Ressourcen für andere Aufgaben eingesetzt werden können. Auch können mehrere UUVs gleichzeitig ausgesandt werden, die es ermöglichen, Aufklärung, Überwachung, Unterwassertopographie und Kampfhandlungen durchzuführen und dennoch unentdeckt zu bleiben. Diese Hightech-Geräte sollen eines Tages sogar als drahtlose Waffenträger eingesetzt werden.

Einer der wesentlichsten Bereiche für den Einsatz der UUVs ist die Minenaufklärung bzw. Minenräumung. Der enorme Vorteil liegt darin, dass die Position von Minen in "Echtzeit" an Minenkampfschiffe bzw. Flottenverbände übermittelt werden kann und das Überraschungsmoment dominiert. Sobald eine Mine zur Auslösung gebracht wird, weiß der Feind, dass Aktivitäten des Gegners im Gange sind und kann entsprechende Gegenmaßnahmen treffen. UUVs können bereits Monate vor einem Angriff die Einsatzgebiete auskundschaften und ständig überwachen. Dabei können die UUVs in zweierlei Hinsicht den Kommandanten dienlich sein. Einerseits können sie das Gefahrenpotenzial für Minenkampfschiffe senken und zweitens können sie als Ersatz von Unterseebooten und Minenkampfschiffen eingesetzt werden.

Das System REMUS (Remote Environmental Monitoring Unit System) wurde bereits erfolgreich im Irak-Krieg eingesetzt, um den irakischen Hafen "Um Quasr" von Minen zu befreien. Damit ist dieses System das erste volloperative drahtlose UUV-System der Navy. Die UUV-Einheit (das UUV-System) ist zirka 160 cm lang, hat zirka 19 cm Durchmesser, wiegt etwa 37 kg und erreicht fünf Knoten Fahrt. Erfolgreich eingesetzt wurde REMUS durch das 2002 in San Diego aufgestellte Naval Special Clearance Team.

Das Team besteht aus SEALs (Sea, Air, Land), Unterwassersprengmeistern, Kampftauchern der Marineinfanterie und für die Minensuche speziell ausgebildeten Minensuchdelphinen. Das System kann bis zu 100 m Tiefe eingesetzt werden, ist jedoch für den Einsatz in Küstennähe bis zu einer Tiefe von drei bis zwölf Metern optimiert. REMUS leistet in der gleichen Zeit dieselbe Arbeit wie 16 Taucher, die sonst unter Lebensgefahr die Minen aufspüren und vernichten müssen. Vor allem im so genannten "Surf-Bereich" vor dem Strand sind Minen aufgrund von Wellenbrechern schwer auszukundschaften. Vor dem Aussetzen werden die Koordinaten des Aufklärungsgebietes in den Bordrechner eingegeben. REMUS untersucht anschließend systematisch die vorgegebenen Quadranten mittels Side Scan Sonar, welches links und rechts etwa 50 m weit reicht. Im Einsatzgebiet manövriert REMUS mit Hilfe von zwei zuvor gesetzten Transpondersignalen, deren Position durch GPS fixiert wurde. Die Unterwasserdrohne speichert die Signale vom Fund einer Mine oder einem ähnlichen Gegenstand im Bordrechner. Nach vollzogener Erkundung kehrt die UUV-Einheit zu einem vorprogrammierten Punkt zurück und nach der Bergung können die Daten an Bord des Minenkampschiffes bzw. Führungsschiffes ausgewertet werden.

Künftig soll REMUS seine Daten bereits während des Einsatzes direkt an die Führungszentrale übermitteln können. In Tests bewies REMUS die Fähigkeit, an Spezialbojen auf See anzudocken, um Daten hochzuladen bzw. die Lithiumbatterien aufzuladen. Damit wäre eine Einsatzfähigkeit von bis zu 80 km bzw. 22 Stunden gewährleistet. Derzeit stehen insgesamt 24 von 28 bestellten Einheiten zur Verfügung.

Weitere Entwicklungen wie das Battlefield Preparation Autonomous Undersea Vehicle (BPAUV), das Long Term Mine Reconnaisance System (LMRS), "Seahorse", "Manta", Mission Configurable UUV (MCUUV) werden weiterentwickelt bzw. stehen kurz vor ihrem Einsatz.

(wird fortgesetzt) ___________________________________ ___________________________________ Autor: Hofrat Ing. Gerd Luschnitzky, Jahrgang 1958. Eingerückt 1977, anschließend Unteroffizierslaufbahn bis zum Zugskommandanten, Fachrichtung Nachschub und später Munitionstechnik. 1982 bis 1992 Munitionsunteroffizier an der Theresianischen Militärakademie, 1992 bis 1999 Lehroffizier für Spreng- und Munitionstechnik an der Heeresversorgungsschule. 1987 bis 1992 HTL-Elektrotechnik (Abendschule), 1993 Grundausbildungslehrgang A2 technischer Dienst. 1995 Sonderlehrgang Munitionstechnik in Deutschland, 1996 bis 1997 Aufstiegslehrgang an der Verwaltungsakademie des Bundes. 1997 Grundausbildungslehrgang A1 rechtskundiger Dienst. Ab 1998 diverse Ausbildungen im Bereich Minen und Kampfmittelbeseitigung; ab 1999 verschiedene Funktionen im Bundesministerium für Landesverteidigung; 2002 Auslandseinsatz im Kosovo als EOD-Spezialist. Seit 2005 Leiter des Zentrums für Technische Produktdokumentation.

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