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Das war SHIRBRIG - Standby High Readiness Brigade

Bis zu 4 000 Soldaten aus 14 Mitgliedstaaten standen im Rahmen von SHIRBRIG für die Vereinten Nationen bereit. Österreich war eines der Gründungsmitglieder dieser multinationalen Brigade, die an fünf UN-Einsätzen im afrikanischen Raum sowie an zahlreichen internationalen Übungen teilgenommen hat. Nach zwölf erfolgreichen Jahren wird SHIRBRIG mit 30. Juni 2009 ihre Aktivitäten beenden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgten weltweit Anstrengungen, den Vereinten Nationen zuverlässige, rasch verfügbare und rasch einsetzbare militärische Kräfte zur Sicherung und/oder raschen Wiederherstellung des Friedens und der Sicherheit zur Verfügung zu stellen.

Der Artikel 43 der Charta der Vereinten Nationen dient diesbezüglich als Grundlage, und besagt, dass "alle Mitglieder der Vereinten Nationen sich verpflichten, für die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen militärische Kräfte und sonstige Hilfsmittel nach dessen Beschluss zur Verfügung zu stellen".

Die weitgehende Pattstellung während des Kalten Krieges verhinderte den Aufbau solcher UN-Truppen, wie dies im Artikel 43 beabsichtigt war. Erst nach dem Paradigmenwechsel und unter dem Eindruck des Völkermordes in Ruanda, Somalia und Bosnien und Herzegowina Mitte der 90er-Jahre, konnte diesem Ansinnen näher getreten werden.

Im Jahr 1994 entwickelten die Vereinten Nationen das "United Nations Standby Arrangement System" (UNSAS) als Datenbank für eingemeldete Truppen für friedenserhaltende Einsätze.

Nach einer Initiative Dänemarks gründeten die Niederlande, Kanada, Norwegen, Österreich, Polen und Schweden am 15. Dezember 1996 SHIRBRIG. Ziel war es, dass auch Nationen kleiner und mittlerer Größe mit Erfahrung in friedenserhaltenden Einsätzen militärische Ressourcen zur Verfügung stellen sollten. Dies verfolgte den Zweck, ein rasch verfügbares Element - "First In, First Out" - zumindest in Brigadestärke für Einsätze unter dem Schirm der Vereinten Nationen bereitzustellen.

Der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, übergab 1997 in Høvelte/Dänemark das sogenannte Planungselement (PlanElm) seiner Bestimmung, welches den Kern eines Brigadestabes darstellte und welches als Vorzeigemodell dienen sollte, wie schnelle und koordinierte friedenserhaltende Einsätze zu bewerkstelligen seien.

Anfang des Jahres 2000 meldete SHIRBRIG an die Vereinten Nationen ihre Einsatzbereitschaft.

Organisation

Die 14 Mitgliedstaaten von SHIRBRIG waren schließlich Dänemark, Finnland, Irland, Italien, Kanada, Litauen, Norwegen, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowenien, Spanien und Schweden. Argentinien definierte seinen Status als den einer "ruhenden Mitgliedschaft" (Mitglied der Organisation, jedoch keine aktive Beteiligung an Einsätzen und Übungen). Ägypten, Chile, Jordanien, Kroatien, Lettland, Portugal und Senegal wählten den Beobachterstatus und stellten teilweise Personal zu Übungen ab.

Die Organisationsstruktur von SHIRBRIG bestand aus dem

  • Lenkungsausschuss,
  • der Kontaktgruppe,
  • dem Planungselement und
  • einem Brigade-Pool,

gebildet aus multinationalen Truppen.

Der Lenkungsausschuss tagte in der Regel drei Mal jährlich und setzte sich aus den Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen. Er traf die strategischen Entscheidungen wie zum Beispiel die mögliche Beteiligung an Einsätzen. Die Präsidentschaft des Lenkungsausschusses wechselte jedes Jahr in alphabetischer Reihenfolge der Mitgliedstaaten. Zwei Mal hatte Österreich die Präsidentschaft (2004 und 2008) inne.

Die Kontaktgruppe, mit Sitz in New York, bestand aus den Militärberatern der 14 Mitgliedstaaten und bildete das Verbindungsglied zu den Vereinten Nationen.

Das Planungselement gliederte sich in einen ständigen Stab und in nicht ständige Stabsmitglieder mit insgesamt 85 Personen, die zu Übungen und Einsätzen herangezogen wurden.

Der Brigade-Pool umfasste die von den 14 Mitgliedstaaten eingemeldeten Truppen. Diese bestanden aus maximal 4 000 Soldaten und sollten einen brigadestarken Verband mit Hauptquartier, Informations- und Kommunikationsteilen, Infanterieverbände, Aufklärungselemente, Pioniereinheiten, Versorgungselemente und medizinische Unterstützungselemente beinhalten.

Die Teilnahme an friedenserhaltenden Einsätzen sollte anlassbezogen, nach jeweiliger nationaler Beteiligungsentscheidung, unter einem UN-Mandat, mit einer Reaktionszeit von 15 bis 30 Tagen und einer maximalen Einsatzdauer von sechs Monaten mit 60-tägiger Versorgungsselbstständigkeit erfolgen. Diese Eingreiftruppe sollte der UNO Zeit geben, selbst nach Spezialisten für einen weiterführenden Einsatz zu suchen.

Die Einsätze

Generell war SHIRBRIG für friedenserhaltende Einsätze auf der ganzen Welt vorgesehen. Die durchgeführten Einsätze haben sich in den vergangenen zwölf Jahren jedoch auf West- und Ostafrika beschränkt. Der Grund dürfte darin gelegen sein, dass Afrika der konfliktreichste Kontinent mit vordringlichem Bedarf an Friedensmissionen unter dem Schirm der Vereinten Nationen gewesen ist. So bestritt SHIRBRIG die Hälfte aller Einsätze der Vereinten Nationen in Afrika.

United Nations Mission in Ethiopia and Eritrea

Der (damalige) Kommandant der SHIRBRIG (COMSHIRBRIG) - Brigadegeneral Patrick C. Cammaert führte als Force Commander die United Nations Mission in Ethiopia and Eritrea (UNMEE).

Die SHIRBRIG wurde in UNMEE von November 2000 bis zum Juni 2001 in vermindeter Brigadestärke eingesetzt.

SHIRBRIG beteiligte sich mit dem Planungselement, einer dänischen Stabskompanie und einem kanadisch-dänischen Infanteriebataillon.

Zum ersten Mal zeigte sich, dass das SHIRBRIG-Konzept den Anforderungen entsprach. Die Zusammenarbeit zwischen dem Department of Peace Keeping Operations (DPKO) in New York, dem SHIRBRIG-Planungselement in Høvelte und den truppenstellenden Nationen in der Einsatzvorbereitung sowie den afrikanischen Kräften erwies sich als erfolgreich. Es gelang jedoch nicht, genügend Truppen von allen SHIRBRIG-Mitgliedstaaten zu rekrutieren, um zur Brigadestärke aufzuwachsen.

United Nations Operation in Cote d’ Ivoire

Während der United Nations Operation in Côte d’ Ivoire (UNOCI) im Februar und März 2003 unterstützte ein Team des SHIRBRIG-Planungselementes die afrikanischen Kräfte (Economic Community of West African States - ECOWAS) bei der Planung des friedenserhaltenden Einsatzes. Disloziert waren diese Teile in Abuja (Nigeria) im Hauptquartier von ECOWAS.

United Nations Mission in Liberia

Im Zuge der United Nations Mission in Liberia (UNMIL) von September bis November 2003 bildeten 19 Offiziere des Planungselementes den Teil eines vorläufigen Hauptquartiers bei der UN-Mission in Liberia. Dieses Personal unterstützte erfolgreich die ECOWAS Monitoring Group (ECOMOG) bei der Errichtung eines Hauptquartiers und beim Aufbau der Mission.

United Nations Mission in Sudan

Die United Nations Mission im Sudan (UNMIS) und ihr Folgeeinsatz United Nations Advanced Mission in Sudan (UNAMIS) waren die längsten in der Einsatzbilanz von SHIRBRIG.

Der dazugehörige Vorauseinsatz mit 17 Planungselement-Mitgliedern fand bereits von Juli 2004 bis Februar 2005 im Sudan statt. Von April 2005 bis Dezember 2005 standen in der Folge 88 Stabsmitglieder sowie die italienische Hauptquartiers- und Sicherungskompanie im Einsatz.

Der Kommandant von SHIRBRIG, Brigadegeneral Gregory Mitchell, fungierte gleichzeitig als stellvertretender UNMIS Force Commander und sein Stabschef als UNMIS-Stabschef. Neben Planungsaufgaben wurden Kontakte zwischen den Konfliktparteien hergestellt beziehungsweise verbessert. Die Rechtsgrundlagen dafür waren die Vereinbarung zur Vermögensaufteilung (Agreement on Wealth Sharing, 7. Jänner 2004) und das Verhandlungsprotokoll über die Kräfteaufteilung (Protocol on Power Sharing, 26. Mai 2004). Weiters stellte SHIRBRIG den Nukleus (Kern) eines militärischen Hauptquartiers, ein militärisches Koordinierungselement sowie die integrierte logistische Unterstützung der Mission.

Die UN-Resolution 1590 (vom 24. März 2005) würdigte die Leistungen von SHIRBRIG in diesem Einsatz.

Unterstützung in Afrika

Das Konzept zur Unterstützung in Afrika (African Capacity Building - ACB) mit fünf stehenden Brigaden im Rahmen der "African Standby Force" (ASF) wurde im Jahr 2003 entwickelt. Bis zum Jahr 2010 sollen diese Brigaden aufgestellt sein. Das SHIRBRIG-Modell schien den afrikanischen Kräften als bestes Beispiel für diese Entwicklung zu dienen. Das SHIRBRIG-Planungselement fokussierte die Unterstützung in den Bereichen Stabsdienst, Übungen, Versorgungsabläufe und zivil-militärische Zusammenarbeit auf zwei afrikanische Brigaden, die der Organisation von SHIRBRIG sehr ähnlich sind.

Offiziere von SHIRBRIG bildeten die Planungselemente der Eastern Africa Standby Brigade (EASBRIG) und der Economic Community of West African States Brigade (ECOWAS/ECOBRIG) vor allem in der Einsatzvorbereitung aus. Diese Partnerschaft erweiterte sich konsequent und fand im November 2008 mit einer ersten gemeinsamen Übung in Nairobi ihren Höhepunkt.

Auf einen Blick

SHIRBRIG hat mit den angeführten Einsätzen die Machbarkeit des Konzeptes von rasch einsetzbaren Kräften gezeigt. In den letzten Jahren mangelte es jedoch an verfügbaren Truppen. SHIRBRIG besaß einen kompetenten und eingespielten Stab, der sowohl als Brigadestab als auch als Kern eines militärischen Hauptquartiers einsetzbar war. Der Wert dieses Stabes wurde auch von den Vereinten Nationen bestätigt und erklärt den Rückgriff auf diese Kapazitäten für Planungsaufgaben (Sudan, Somalia) oder zum Start neuer Missionen (Liberia, Sudan).

Es gelang SHIRBRIG über die Jahre, trotz intensiver Bemühungen der jeweiligen Präsidentschaft, aber auch des Planungselements nicht, sich intern und extern entsprechend zu vermarkten. Über die Jahre hinweg hat sich die Kapazität von SHIRBRIG kontinuierlich reduziert, sodass sie von ihrer nie erreichten Brigadestärke schließlich auf ihr Planungselement zusammenschmolz.

Auch konnten in den letzten Jahren keine neuen Mitgliedstaaten für SHIRBRIG gewonnen werden, die einen Zugang zu zusätzlichen militärischen Ressourcen eröffnet hätten.

SHIRBRIG hat an fünf UN-Einsätzen im afrikanischen Raum sowie an vielen internationalen Übungen teilgenommen und vor allem das African Capacity Building (ACB) gefördert.

Am 30. Juni des heurigen Jahres wird in Høvelte die Abschlusszeremonie von SHIRBRIG in feierlicher Form durchgeführt werden. Die 12-jährige Bereitstellungs- und Einsatzphase dieser internationalen Brigade für die Vereinten Nationen wird damit ihr Ende finden.

Letztendlich wird die Auflösung von SHIRBRIG damit begründet, dass durch andere Optionen (EU Battlegroup-Konzept, NATO Response Forces), gleichzeitig mit einer Reduzierung der Truppenstärke in allen Mitgliedstaaten die Nationen nicht mehr in der Lage waren und sind, den SHIRBRIG Force Pool mit Truppenkontingenten und Ausrüstung zu befüllen.

Beim 33. SHIRBRIG-Lenkungsausschusstreffen im November 2008 in Høvelte/Dänemark wurde einvernehmlich vereinbart, die operationellen Aktivitäten der SHIRBRIG mit 31. Dezember 2008 und die operativen Aktivitäten des Planungselementes mit 30. Juni 2009 zu beenden.


Autor: Oberst Georg Rosenzopf MSD, Jahrgang 1958. Eingerückt 1977 zum Jägerbataillon 25, Einjährig-Freiwilligen-Ausbildung beim Jägerbataillon 24, VBS 1978, Ausmusterung 1981 als Infanterieoffizier zum Landwehrstammregiment 32; ab 1983 beim Jägerbataillon 25 als stv KpKdt und KpKdt der schweren Kompanie, S3 und stv RgtKdt beim Jägerregiment 7, stv BKdt beim Jägerbataillon 25, S3 der 7. Jägerbrigade (mob), seit 2002: S3 beim Militärkommando Kärnten; Heereshochalpinist. Verwendungen im BMLVS/Operationsabteilung als Leiter der Einsatzzentrale Land, Gastlehrer an der Jägerschule, TherMilAk und LVAk. 18-monatiger Auslandseinsatz bei AUSBATT/UNDOF als S3 (2005 bis 2006). Zuletzt Funktion als Senior Policy Officer und Chairman der österreichischen SHIRBRIG-Präsidentschaft im BMLVS/Abteilung Militärpolitik.

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