Pressespiegel Miliz vom 27.04.2020
Der aktuelle Pressespiegel, die Miliz und ihre Aufbietung betreffend:
"Die Miliz ist dafür prädestiniert"
Zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik wird die Miliz mobilgemacht - in Tirol mit 4. Mai eine Kompanie des Jägerbataillons Tirol. Kommandant Elmar Rizzoli über die Herausforderungen des Corona-Einsatzes. Etwas über 200 der 700 Milizsoldaten des Jägerbataillons Tirol haben in den vergangenen Wochen ihre Mobilmachung erhalten. Diese eine von vier Kompanien des Bataillons wird zum Corona-Einsatz in Tirol abbestellt. Das Bataillon untersteht Elmar Rizzoli. Der Oberstleutnant ist Innsbruckern kein Unbekannter. Leitet er doch das Amt für allgemeine Sicherheit im Magistrat der Landeshauptstadt. Rizzoli selbst wird jedoch nicht zur Waffe greifen - das lässt sein Brotberuf derzeit nicht zu. Seit Beginn der Krise ist er kraft seiner zivilen Funktion im Einsatzstab des Landes tätig. Seine Truppe untersteht während des Einsatzes dem Befehl des Militärkommandos Tirol. Der TT stand Rizzoli wenige Tage vor dem Start des Einsatzes seiner Soldaten Rede und Antwort.
220 Milizsoldaten haben ihren Einrückungsbefehl mit 4. Mai erhalten. Die Einspruchsfrist läuft. Wie viele werden tatsächlich im Corona-Einsatz stehen?
Elmar Rizzoli: Die genaue Zahl lässt sich derzeit noch nicht sagen. Es gibt Einsprüche. Natürlich ist es für jene Grundwehrdiener, die bereits abgerüstet haben, eine viel größere Überraschung als für Kaderpersonal, das regelmäßig für den Einsatz übt. Es ist klar, dass nicht jeder einrücken wird.
Eine Teilmobilisierung der Miliz hat es in der Geschichte der Zweiten Republik noch nie gegeben. Wie überrascht waren Sie?
Rizzoli: Im urmilitärischen Sinn habe ich nicht damit gerechnet. Als es 1991 an der Südgrenze bei der Jugoslawienkrise zur Sache gegangen ist, hätte ich eher damit gerechnet. Im Zuge der Flüchtlingssituation 2015/16 hat es erste diesbezügliche Diskussionen aber bereits gegeben. Damals ist es aber zu keiner systematischen Aufbietung der Miliz gekommen, wenngleich sich aber teilweise freiwillig Kompanien gefunden haben, die in den Einsatz gegangen sind. Jetzt sind über 3000 Soldaten im Einsatz. Die Miliz löst einen Großteil ab. Es war für mich nicht überraschend, dass die Verantwortlichen dieser Republik zum Entschluss gekommen sind, die Miliz heranzuziehen. Wenn man uns braucht, wird man uns heranziehen müssen.
Bei Milizübungen wird in der Regel keine Pandemiebekämpfung durchgespielt. Welche Aufgaben kann und wird die Miliz in Tirol übernehmen?
Rizzoli: Die gesundheitspolizeilichen Assistenzen für die Bezirksverwaltungsbehörden sind im Verhältnis zu den sicherheitspolizeilichen Einsätzen zahlenmäßig nachgeordnet. Die Leute müssen aber die rechtlichen Grundlagen kennen, auf deren Basis sie einschreiten. Das ist ja der Sinn einer Einsatzvorbereitung. Die Hauptaufgabe ist aber der sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsatz. Das ist jener Schwerpunkt, den wir seit 15 Jahren ausbilden: Kontrollen an Grenzen durchzuführen, grüne Grenzen zu überwachen-einsatztaktisch ist das für unsere Soldaten nichts Neues.
Die Miliz wird also am Brenner oder an der Grenze zu Bayern stehen und dort patrouillieren und medizinische Abstriche machen?
Rizzoli: Abstriche direkt nicht. Aber ein Milizsoldat wird auch Fieber messen, Dokumente prüfen, Personen kontrollieren und den Grenzraum überwachen. Wir sind die Ablöse für die derzeit eingesetzten Heereskräfte.
Das Bundesheer kämpft generell mit fehlender Ausrüstung und Unterkünften. Ist da für die Miliz vorgesorgt?
Rizzoli: Die Einsatzvorbereitung erfolgt am Truppenübungsplatz Wattener Lizum. Dann wird in die derzeitigen Einsatzräume verlegt. Dort müssen wir Objekte anmieten. Die Kompanie wird weit verstreut sein. Die Mannesausrüstung ist vorhanden. Es ist aber kein Geheimnis, dass die Fahrzeugausstattung bei Weitem nicht so gegeben ist, wie man sich das wünscht. Da gibt es massive Defizite.
Man rückt mit dem Privat- Pkw zum Einsatzort an?
Rizzoli: Es wird private Busse geben. Das ist aber tagtägliches Brot des Bundesheeres, wenn größere Truppenteile zu verlegen sind und das nicht mit der Bahn geht. Fahrzeuge werden dort vor Ort sein, wo man sie für die Aufgabenerfüllung benötigt.
Werden die Milizsoldaten auch mit dem Sturmgewehr StG 77 ausgestattet?
Rizzoli: Es sind Soldaten - deshalb werden sie auch bewaffnet sein.
Wie schaut es mit Schutzausrüstung gegen eine Corona-Infektion aus?
Rizzoli: Das Heer produziert seinen Mund-Nasen-Schutz selbst. Im Falle von höheren Schutzstufen wird die jeweilige Gesundheitsbehörde die Schutzausrüstung stellen. Die Soldaten brauchen sicherlich nicht Aufgaben ohne die entsprechende Schutzausrüstung zu erfüllen.
Ist die zweiwöchige Ausbildung auch unter dem Corona-Aspekt einer zweiwöchigen Sicherheits-Quarantäne zu verstehen?
Rizzoli: Das ist reiner Zufall. Man achtet aber natürlich darauf, dass die Leute nicht zu sechst in einem Zimmer untergebracht werden und die vorgeschriebenen Schutzabstände gewahrt bleiben. Auch die Ausbildung wird nur in Kleinstgruppen erfolgen. Es wird auch laufend Gesundheitschecks geben-wie tägliches Temperaturmessen.
Wie lange wird der Einsatz dauern?
Rizzoli: Auf den Einberufungsbefehlen ist kein Ende vermerkt. Grundsätzlich sind aber drei Monate geplant. Man wird das aber je nach Lage beurteilen und festlegen. Manche Vorgänge in den vergangenen neun Wochen haben uns gelehrt, dass die Situation mitunter sehr dynamisch sein kann.
Bei herkömmlichen Assistenzeinsätzen (Unwetterschäden, Lawinenabgängen, Hochwasser etc.) ist es das Bundesheer gewohnt, von der Bevölkerung mit offenen Armen empfangen zu werden. Jetzt hat das Heer die zivile Bevölkerung zu überwachen, ob sie sich auch an die Reise-und Verkehrsbeschränkungen hält? Muss man die Soldaten hierfür sensibilisieren?
Rizzoli: Gerade für solche Einsätze ist die Miliz prädestiniert. Das sind Leute, die nicht nur ihre militärische Welt kennen. Ich glaube, dass unsere Leute vernünftig und menschlich an die Situation herangehen werden. Jeder unserer Soldaten hat diese Krise auch zuvor von der anderen Seite erlebt. Wir können es uns aber nicht aussuchen, ob wir überall als "Everybody's Darling" ankommen werden.
Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doszkozil (SPÖ) würde sich eine stärkere Einbindung des Heeres wünschen.
Rizzoli: Wir können froh sein, dass wir in der jetzigen Lage die Fähigkeiten des Bundesheeres noch nicht voll ausgespielt und ausgereizt haben. Dann wären wir nämlich wirklich am Ende. Hinter dem Bundesheer kommt nicht mehr viel. Wenn Experten sagen, dass die Krise noch bis 2023 andauern wird, dann müssen wir dieses Rad noch länger aufrechthalten.
Steckbrief Elmar Rizzoli: In seinem Brotberuf steht Elmar Rizzoli (50) seit nunmehr 14 Jahren im Magistrat der Landeshauptstadt Innsbruck dem Amt für allgemeine Sicherheit vor. Dieses umfasst auch die so genannte "Mobile Überwachungsgruppe" (MÜG). Militärisch führt der Oberstleutnant seit dem Jahre 2012 als Kommandant den 2006 gegründeten Milizverband "Jägerbataillon Tirol". Österreichweit gibt es zehn derartige Miliz-Bataillone. Quelle: "Tiroler Tageszeitung" vom 27.04.2020 Seite 2 Ressort: 2 Thema des Tages: Die Corona-Krise
"Wir sind noch nicht über den Berg"
Innenminister Karl Nehammer über widerstreitende Grundrechte, die Bedeutung von Eigenverantwortung, die Rolle von Experten und seine Hoffnung für den Tag X.
War es im Rückblick nötig, Miliz und Zivildiener einzuberufen?
Zum einen haben wir die Krise noch nicht überwunden, wir brauchen auch eine Durchhaltefähigkeit. Wir sind noch nicht über den Berg. Zum anderen verführt eine Ex-post-Beurteilung immer dazu, den Jetzt-Stand als Grundlage der Beurteilung heranzuziehen. Unsere Beurteilungsgrundlage aber war der wahnsinnig dramatische Verlauf in Italien mit Tausenden Toten und Zehntausenden Infizierten. Bei uns stieg die Infektionsrate rasant. Dann gilt es nur, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln, immer auch mit dem Rat der Gesundheitsexperten. Quelle: "Kleine Zeitung" vom 27.04.2020 Seite: 4 Ressort: Thema des Tages Von: Thomas Götz
Wer braucht die Miliz?
Es ist eine Premiere: Mitte März wurde eine Teilmobilisierung der Miliz beschlossen, am 4. Mai werden 3000 Soldatinnen und Soldaten in den Dienst gestellt. Allerdings drängt sich jetzt doch die Frage auf, wofür man das zusätzliche Personal überhaupt braucht. Die Mobilisierung atmet den Geist der frühen Pandemiezeit. Damals ging die österreichische Politik vom Schlimmsten aus. Mittlerweile ist klar, dass es so schlimm nicht gekommen ist. Wäre es nicht besser, die Aktion wieder abzublasen? Keineswegs, heißt es im Verteidigungsministerium. "Es sind viele Soldaten im Einsatz, die abgelöst werden müssen", sagt ein Sprecher. 1800 Mann seien allein zum Schutz der Grenzen abkommandiert, weitere 900 für den Assistenzeinsatz Migration - also im Prinzip auch zur Grenzsicherung. In vielen Fällen würden Soldaten Aufgaben erledigen, die sonst von der Polizei wahrgenommen werden, etwa beim Gebäudeschutz. Es gehe um die "Durchhaltefähigkeit des Bundesheeres als strategische Reserve der Republik", erklärte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner im "Kurier". Zweifel sind dennoch angebracht. Ende April sollen die Ausgangsbeschränkungen fallen - die Polizei kann dann aufhören, Parkbänke und Kinderspielplätze zu überwachen und sich wieder ihren eigentlichen Zuständigkeiten widmen. Falls alles gut laufen sollte, heißt es aus dem Ministerium, "können wir die Milizsoldaten auch früher wieder entlassen". Quelle: "Profil" Nr. 18/2020 vom 26.04.2020 Seite 11 Ressort: Österreich Von: RS