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Novelle des Militärbefugnisgesetzes

Allgemeines

Das Militärbefugnisgesetz, BGBl. I, Nr. 86/2000, ist nach jahrelangen intensiven Bemühungen und Vorarbeiten am 1. Juli 2001 in Kraft getreten. Es sieht im Wesentlichen eine ausdrückliche gesetzliche Normierung verschiedener besonders bedeutsamer Teilaufgaben der militärischen Landesverteidigung einschließlich der für ihre zweckentsprechende Wahrnehmung unabdingbaren Befugnisermächtigungen sowie zahlreiche diesbezügliche Rechtsschutzinstrumentarien vor.
Im Rahmen eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art. 140 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof das Militärbefugnisgesetz auf seine Verfassungskonformität geprüft. Dieser Antrag richtete sich im Wesentlichen gegen einzelne Bestimmungen betreffend den militärischen Eigenschutz, die vorläufige Festnahme, die militärischen Nachrichtendienste und den Rechtsschutzbeauftragten.
Mit Erkenntnis vom 23. Jänner 2004 hat der Verfassungsgerichtshof folgende Bestimmungen des Militärbefugnisgesetzes als verfassungswidrig aufgehoben:
* die Festnahmebefugnis militärischer Organe im Wachdienst bei Vorliegen eines Angriffes gegen militärische Rechtsgüter,
* die weitere Behandlung festgenommener Personen,
* die Befugnis zur Observation, zur verdeckten Ermittlung und zur Datenermittlung mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten für Zwecke der nachrichtendienstlichen Aufklärung und
* die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten.
Die Aufhebung der in Rede stehenden Normen ist mit Ablauf des 31. Dezember 2004 in Kraft getreten. Mit der nun beschlossenen Novelle wurden nunmehr die auf Grund des in Rede stehenden Erkenntnisses zwingend notwendigen Modifikationen - unter voller Bedachtnahme auf die höchstgerichtlichen Kritikpunkte betreffend die bisherigen Norminhalte - vorgenommen.
Der Nationalrat hat in seiner Sitzung vom 9. November 2004 die in Rede stehende Regierungsvorlage in der vom Landesverteidigungsausschuss beschlossenen Fassung stimmenmehrheitlich angenommen. Die Verfassungsnorm, mit der die Weisungsfreiheit von Rechtsschutzbeauftragten verankert werden sollte, fand keine entsprechende Mehrheit. Am 9. Dezember 2004 erfolgte die Kundmachung der Novelle im Bundesgesetzblatt I, Nr. 133/2004.

Festnahmebefugnis militärischer Organe im Wachdienst

bei Vorliegen eines Angriffes gegen militärische Rechtsgüter
Nach der alten Rechtslage war eine vorläufige Festnahme durch militärische Organe im Wachdienst zulässig, wenn hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, dass die festzunehmende Person einen Angriff gegen militärische Rechtsgüter ausführt, unmittelbar vorher ausgeführt hat oder dass nach ihr wegen eines solchen Angriffes gefahndet wird.
Unter einem Angriff gegen militärische Rechtsgüter verstand man die "Bedrohung eines geschützten Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird. Ein solcher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Handlung vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichem Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.” Somit war nach der bis zum Anlauf des 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage eine vorläufige Festnahme durch militärische Organe bereits im Stadium einer "straflosen Vorbereitungshandlung” zulässig.
Der Verfassungsgerichtshof verlangt jedoch als zwingende Voraussetzung für eine vorläufige Festnahme den Verdacht eines gerichtlich strafbaren Verhaltens. Vor diesem Hintergrund wurde durch die Novelle sichergestellt, dass künftig Festnahmen durch militärische Organe im Rahmen eines Angriffes gegen militärische Rechtsgüter nur mehr bei gleichzeitigem Vorliegen des Verdachtes auf eine mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung zulässig sind.
In der Praxis werden sich hierdurch kaum Auswirkungen ergeben, da auch bisher Festnahmen im Stadium "strafloser Vorbereitungshandlungen” de facto nahezu undenkbar waren. Überdies soll die gegenständliche Festnahmebefugnis künftig auf jene Delikte beschränkt werden, deren Ahndung den Gerichtshöfen erster Instanz obliegt (z.B. schwere Körperverletzung, schwere Sachbeschädigung, Landesverrat oder eine Wehrmittelsabotage). Im bezirksgerichtlichen Strafverfahren kommt nämlich eine derartige Festnahme auf Grund der Strafprozessordnung 1975 ausschließlich zur Identitätsfeststellung in Betracht; diese Maßnahme kann ein militärisches Organ aber ohnehin im Wege einer Personenkontrolle auf Grund des Militärbefugnisgesetzes - auch zwangsweise - durchsetzen.

Weitere Behandlung festgenommener Personen

Nach der alten Rechtslage war der Festgenommene "unverzüglich dem nächsten Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu überstellen oder, wenn der Grund der Festnahme schon vorher wegfällt, freizulassen. Er darf durch militärische Organe in keinem Fall länger als 24 Stunden festgehalten werden.”
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem in Rede stehenden Erkenntnis ausgeführt hat, muss die unverzügliche Übergabe grundsätzlich an das zuständige Gericht bzw. an die zuständige Verwaltungsbehörde erfolgen. In der vorherigen Überstellung Festgenommener an Sicherheitsorgane (als "Zwischenschaltung”) sei eine ungerechtfertigte (und damit verfassungswidrige) Verzögerung zu erblicken.
Aus diesem Grund wurde eine Verpflichtung militärischer Organe normiert, Festgenommene - bei Vorliegen bestimmter gerichtlich strafbarer Handlungen - unverzüglich direkt dem zuständigen Gericht (Gerichtshof erster Instanz) bzw. - bei Vorliegen von Verwaltungsstraftatbeständen - der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz (also der für den Tatort zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Bundespolizeibehörde) zu überstellen.
Diese Neuregelung schließt nicht aus, in Einzelfällen die Sicherheitsorgane im Rahmen der Amtshilfe um die Verbringung eines Festgenommenen an die zuständige Strafverfolgungsbehörde zu ersuchen. Dies wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn eine derartige Maßnahme in der Praxis zu einer rascheren Übergabe als durch einen militärischen Transport führt. Die Letztverantwortung für die Gewährleistung einer "unverzüglichen” Überstellung im Sinne der erwähnten verfassungsrechtlichen Vorgaben wird in jedem Fall bei den jeweiligen militärischen Dienststellen verbleiben.

Befugnis zur Observation, zur verdeckten Ermittlung und
zur Datenermittlung mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten
für Zwecke der nachrichtendienstlichen Aufklärung

Der Verfassungsgerichtshof hat die Ermächtigungen der nachrichtendienstlichen Aufklärung zum Einsatz "sensibler” Ermittlungsmethoden im Wesentlichen mit der Begründung als verfassungswidrig erachtet, dass für diese Eingriffsbefugnisse in das durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantierte Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens kein ausreichend rechtlich und faktisch wirksamer Rechtsschutz besteht.
Im Rahmen der gegenständlichen Novelle werden nun die materiellen Voraussetzungen für einen Einsatz der in Rede stehenden Ermittlungsmethoden im Rahmen der nachrichtendienstlichen Aufklärung entsprechend der Eingriffsdichte der einzelnen Befugnisse durch die Normierung diverser Zulässigkeitskriterien präziser und konkreter umschrieben.
Bei der Gestaltung dieser Kriterien soll in besonderer Weise auf die dem gesamten Militärbefugnisgesetz zu Grunde liegende strikte Beschränkung der Eingriffsbefugnisse auf den Bereich der militärischen Landesverteidigung (Art. 79 Abs. 1 B-VG) Bedacht genommen werden (Begriffe "nationale Sicherheit” und "Einsatzbereitschaft des Bundesheeres” als rechtliche Anknüpfungspunkte). Ein Eingriff in die Aufgaben der Sicherheitspolizei ist damit jedenfalls auch künftig ausgeschlossen.
Im Allgemeinen ist hinsichtlich der Aufgabenstellung der nachrichtendienstlichen Aufklärung darauf hinzuweisen, dass einer Verarbeitung (personenbezogener) Daten in der langjährigen Praxis nur eine vergleichsweise untergeordnete Bedeutung zukommt. Diese Teilaufgabe der militärischen Landesverteidigung dient nämlich in erster Linie der Erstellung eines umfassenden Lagebildes über militärische und damit im Zusammenhang stehende (insbesondere sicherheitspolitisch relevante) Entwicklungen im Ausland mit Bezugnahme auf Österreich. Bei einer solchen Lagedarstellung handelt es sich in erster Linie um eine "anonymisierte” - also nicht personenbezogene - Darstellung von Ereignissen und Tendenzen im Ausland, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf Österreich und darüber hinaus auch auf die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (GASP) haben werden.

Funktion des Rechtsschutzbeauftragten


a) Pflicht zur Verständigung des Rechtsschutzbeauftragten vor einer besonderen Datenermittlung
Auf Grund der alten Rechtslage hatte der Bundesminister für Landesverteidigung dem Rechtsschutzbeauftragten Gelegenheit zur Äußerung zu geben, sofern der Rechtsschutzbeauftragte für eine bestimmte besondere Ermittlung ein entsprechendes Verlangen gestellt hatte.
In der Vergangenheit hat es wiederholt Unklarheiten über die tatsächlichen Möglichkeiten des Rechtsschutzbeauftragten, ein solches Verlangen stellen zu können, gegeben. Aus diesem Grund hat sich die ständige Vollziehungspraxis entwickelt, dass er über jede geplante "sensible” Datenermittlung zum vorbeugenden Schutz militärischer Rechtsgüter entsprechend informiert wird, um sich gegebenenfalls äußern zu können.
Vor dem Hintergrund des in Rede stehenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes wurde diese Praxis nunmehr ausdrücklich gesetzlich normiert und darüber hinaus auch inhaltlich umfassend erweitert. Nunmehr werden der Bundesminister für Landesverteidigung und der Rechtsschutzbeauftragte nämlich gleichzeitig vor jeder "sensiblen” Datenermittlung verständigt. Damit werden auch sämtliche Observationen sowie sämtliche Datenermittlungen, die nicht dem vorbeugenden Rechtsschutz militärischer Rechtsgüter dienen, diesem Rechtsschutzinstrumentarium zur Gänze unterliegen.
Eine solche Ermittlung darf erst nach Vorliegen einer entsprechenden Äußerung des Rechtsschutzbeauftragten gegenüber den militärischen Organen und Dienststellen oder nach Ablauf von drei Tagen nach Verständigung des Rechtsschutzbeauftragten begonnen werden. Der Rechtsschutzbeauftragte hat dem Bundesminister für Landesverteidigung unverzüglich über eine allfällige Äußerung zu verständigen. Die Ermittlung darf jedoch sofort nach Verständigung des Rechtsschutzbeauftragten begonnen werden, wenn bei weiterem Zuwarten ein nicht wieder gutzumachender, schwerer Schaden für die nationale Sicherheit, insbesondere die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres, oder die Sicherheit von Menschen eintreten würde.
Des weiteren soll der Rechtsschutzbeauftragte in jedem Fall die Möglichkeit haben sich zu äußern. Im Interesse einer Verwaltungsökonomie sowie zur Stärkung der formalen Stellung des Rechtsschutzbeauftragten soll diesem dabei die direkte Kontaktnahme mit den relevanten militärischen Dienststellen ermöglicht werden.

b) Problematik "Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten"
Nach der bis zum Anlauf des 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage war auf einfachgesetzlicher Stufe vorgesehen, dass der Rechtsschutzbeauftragte in Ausübung seines Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden ist.
Der Verfassungsgerichtshof hat im erwähnten Erkenntnis festgehalten, dass es sich beim Rechtsschutzbeauftragten um eine Rechtsschutzeinrichtung handelt. Diese soll - bedenkt man die Grundrechtsnähe der diese Kontrolle auslösenden Eingriffe - darauf abzielen, im Interesse der Betroffenen das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes bei Maßnahmen der nachrichtendienstlichen Aufklärung oder Abwehr zu gewährleisten. Daraus ergibt sich, dass auch er verfassungsrechtlich weisungsfrei zu stellen ist; nur so wird - formal gesehen - gewährleistet, dass er seine Rechtmäßigkeitskontrolle unabhängig von den seiner Kontrolle unterliegenden Verwaltungsorganen ausüben kann.
Aus diesem Grund sowie vor dem Hintergrund der Tatsache, dass andere vergleichbare Rechtsschutzeinrichtungen (z.B. die Unabhängigen Verwaltungssenate, der Unabhängige Bundesasylsenat und der Unabhängige Finanzsenat) auch verfassungsgesetzlich verankert sind, war geplant, nunmehr auch die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten auf Ebene des Verfassungsrechts zu normieren.
Jedoch fand die verfassungsrechtliche Verankerung der Weisungsfreistellung des Rechtsschutzbeauftragten in der genannten Sitzung des Nationalrates keine dafür erforderliche Mehrheit.

Mag. Christoph Ulrich, ELeg

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