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Rösselsprung

von Romedio Graf von Thun-Hohenstein

Kurzfassung

◄ Im Frühjahr 1944 sahen sich die deutschen Streitkräfte und ihre Verbündeten in Jugoslawien einer ständig wachsenden Partisanenarmee gegenüber, die sie in Dalmatien, Montenegro und Albanien in permanente Abwehrkämpfe verstrickte, während es andererseits den Deutschen in Serbien, Kroatien und Bosnien gelungen war, Titos Verbände nördlich und westlich der Drina zurückzudrängen. Am 9. Mai bekräftigte das OKW, dass ein Angriff auf Titos Hauptquartier die Chance böte, Titos Führungs- und Verwaltungsapparat zu lähmen.

Am 12. Mai wurden im Hauptquartier des Panzerarmee-Oberkommandos 2 die Einzelheiten für das geplante Unternehmen, das den Namen "Rösselsprung" erhielt, festgelegt. Entscheidend war dabei das Überraschungsmoment zu Beginn der Operation. Die jugoslawischen Kräfte in Drvar waren nicht so stark, wie man angesichts der Tatsache, dass sich Titos Hauptquartier sowie die drei alliierten Militärmissionen dort befanden, erwarten konnte. Tito residierte aus Furcht vor deutschen Luftangriffen meist in einer Höhle, die sich im Inneren des Höhenzuges befand, der den Ort Drvar von allen Seiten umgibt.

Der Angriff begann am 25. Mai 1944 um 0630; der deutsche Hauptstoß richtete sich gegen die Stadtmitte, die von den Partisanen erbittert verteidigt wurde. Gegen 0845 Uhr hatten die Deutschen den letzten Widerstand der Partisanen gebrochen, und um 0900 Uhr war Drvar komplett in ihrer Hand, ohne dass sie Titos Hauptquartier lokalisieren konnten. Tito hatte die Nacht in einer Art Hütte in der Nähe der Höhle verbracht und sich in den Höhlenkomplex zurückgezogen, als der deutsche Angriff begann.

Als zu Mittag der Widerstand erbittert wurde, war es weder gelungen, Tito, seinen Stab oder die alliierten Militärmissionen aufzuspüren oder gefangen zu nehmen. Angesichts dieser Lage befahl der Kommandant des deutschen Unternehmens den Rückzug der noch kampffähigen Kräfte des Bataillons Richtung Friedhof, um sich dort zur Verteidigung einzurichten. Tatsächlich hatten Tito und sein engster Stab bereits gegen 1115 Uhr ohne große Verluste verlassen.

Während die deutsche Führung mit "Rösselsprung" die letzte Möglichkeit vergeben hatte, der Partisanenbewegung Titos einen entscheidenden Schlag zu versetzen, hatten die Briten sofort die Gefahr begriffen, die Tito drohte, und reagierten mit zwei Sofortmaßnahmen. Die erste war die massive unmittelbare Luftunterstützung für die Partisanen, die auch für die Deutschen eine völlig neue Dimension erreichte, die zweite ein Landungsunternehmen gegen die Insel Brac mit einem starken Kontingent britischer Truppen. Auf britisches Betreiben verließ Tito Jugoslawien Richtung Bari, von wo er umgehend nach Vis gebracht wurde, um dort sein neues Hauptquartier einzurichten.

Die Lehren aus "Rösselsprung" sind leicht zu ziehen: Das eingesetzte Fallschirmjäger-Bataillon entsprach wohl den militärischen Erwartungen, wurde aber auch ohne Rücksicht auf Verluste eingesetzt und war nach dem Einsatz praktisch aufgerieben. Entscheidend war jedoch, dass es im Vorfeld der Aufklärung nicht gelungen war, Titos tatsächlichen Aufenthaltsort zu finden. Das Hauptziel der Unternehmung wurde damit verfehlt. Die Unterschätzung der Kampfkraft der Partisanen und ihre schnelle Reaktion auf die Landung trugen wesentlich zum Misserfolg bei. ►


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Rösselsprung

Im Frühjahr 1944 sahen sich die deutschen Streitkräfte und ihre Verbündeten in Jugoslawien einer ständig wachsenden Partisanenarmee gegenüber, die vom OKW als "gut geführt, mit schweren Waffen ausgerüstet" beurteilt wurde. Dem 1892 geborenen Generalsekretär der Kommunistischen Partei Jugoslawiens, Josip Broz "Tito",(Fußnote 1/FN1) war es gelungen, eine Armee aufzustellen, die schließlich an Schlagkraft und Mobilität bald allen Bürgerkriegsgegnern auf dem jugoslawischen Kriegsschauplatz überlegen war. Deren Stärke betrug zehn Generalkommandos, mit jeweils etwa 10.000 bis 15.000 Mann geschätzt, gegliedert in 31 Divisionen von je 2.000-3.000 Mann und etwa 100 örtlichen Kampfgruppen. Demgegenüber standen die deutschen Kräfte mit der 2. Panzerarmee Generaloberst Lothar Rendulics, mit 11 Infanteriedivisionen, einer Kavalleriedivision und einer Gebirgsdivision, deren Gesamtstärke sich am 1. Juni 1944 auf 185.484 Mann belief.(FN2) Der Name "Panzerarmee" war irreführend, weil Rendulic weder über eine Panzer- noch über eine Panzergrenadierdivision verfügte. Hinzu kamen ein bulgarisches Armeekorps mit vier Divisionen sowie 50 Sicherungsbataillone, die jedoch unzureichend motorisiert und daher für eine bewegliche Kampfführung ungeeignet waren.

Die allgemeine Lage und erste Vorbereitungen

Die Lage auf dem jugoslawischen Kriegsschauplatz im April 1944 zeichnete sich einerseits durch permanente Abwehrkämpfe in Dalmatien, Montenegro und Albanien gegen Partisanenverbände und alliierte Kommandounternehmen aus, während es andererseits den Deutschen in Serbien, Kroatien und Bosnien gelungen war, Titos Verbände nördlich und westlich der Drina zurückzudrängen. Die bevorstehende Invasion der Alliierten in Frankreich und die Tatsache, dass Tito mit seinem zweiten Versuch im April 1944, sich in Serbien festzusetzen, vorerst gescheitert war, führte zu dem deutschen Plan, Titos Führungsorgane mitsamt den ausländischen Militärmissionen zu zerschlagen oder wenigstens lahm zu legen und dabei unter Umständen auch Tito selbst gefangen zu nehmen.(FN3) Vorangegangen war eine intensive Funkaufklärung, die schließlich im März 1944 Titos Hauptquartier im westbosnischen Drvar ausmachen konnte. Dies war durch den Einsatz eines Zuges der in Saloniki stationierten Nachrichtenaufklärungsabteilung 4 möglich geworden.(FN4) Dieser Zug unter dem Befehl von Hauptmann Wollny war im Sommer 1943 nach Belgrad verlegt worden und begann von dort mit der Überwachung und Entschlüsselung des Funkverkehrs der Partisanenverbände. Nach wenigen Monaten konnte praktisch der größte Teil des Funkverkehrs des Obersten Stabes entschlüsselt werden, ohne dass dies den deutschen Abhörspezialisten große Probleme bereitete. Schwierig war dagegen die Einpeilung der jeweiligen Standorte, weil die Partisanenverbände äußerst beweglich waren und die Peilung von "erdmagnetischen Störungen" erschwert wurde. Weil Tito inzwischen aber nicht mehr von wechselnden, geheimen Basen, sondern von Drvar aus führte, konnte dort das Hauptquartier des Obersten Stabes eingepeilt werden. Außerdem hatte die deutsche Luftaufklärung in und um Drvar Markierungen für alliierte Versorgungsflüge und Absprungplätze festgestellt. Im Partisanengebiet eingeschleuste Agenten lieferten ebenfalls entsprechende Informationen.

Am 6. Mai 1944 "übermittelte" Generalfeldmarschall Maximilian v. Weichs, der Oberbefehlshaber Südost, dem die Heeresgruppen E in Griechenland und F in Jugoslawien unterstanden, in einer Weisung der 2. Panzerarmee, sich für einen Vorstoß in den Raum Bugojno-Jajce-Banja Luka-Prijedor-Bihac’-Knin vorzubereiten. Am 9. Mai bekräftigte das OKW, dass ein Angriff auf Titos Hauptquartier die Chance böte, Titos Führungs- und Verwaltungsapparat zu lähmen oder sogar zu zerstören und darüber hinaus die alliierte Unterstützung vorübergehend zu unterbrechen. Offenbar trafen sich am 12. Mai im Hauptquartier des Panzerarmee-Oberkommandos 2 die Führungen des Armeeoberkommandos und der betroffenen Generalkommandos des XV. Gebirgskorps, des V. SS-Gebirgskorps und des Fliegerführers Kroatien zu einer Besprechung, um die Einzelheiten für das geplante Unternehmen, das den Namen "Rösselsprung" erhielt, festzulegen. Entscheidend war dabei das Überraschungsmoment zu Beginn der Operation. Daher sollte zunächst das SS-Fallschirmjäger-Bataillon 500 über Drvar "unter starkem Einsatz der eigenen Luftwaffe und Inkaufnahme jeden Risikos abgesetzt werden mit dem Auftrag, in Verbindung mit frühzeitig in Volltarnung eingesetzten Teilen der Division ‚Brandenburg’ das feindliche Führungszentrum auszuschalten".(FN5) Anschließend sollten Teile des im Raum Knin dislozierten XV. Gebirgskorps (Gen.d.I. Ernst von Leyser) sämtliche Zugänge nach Drvar mit fünf motorisierten Kampfgruppen abriegeln, die im Raum Drvar befindlichen Partisanenverbände binden bzw. niederkämpfen und schließlich die aus der Luft gelandeten Truppen entsetzen.

Die Einnahme von Drvar und die damit erhoffte Zerschlagung von Titos Führungsstab sollte das SS-Fallschirmjäger-Bataillon 500 unter SS-Hauptsturmführer Rybka durchführen. Dieses Bataillon gehörte zu den so genannten "Bewährungseinheiten" der Waffen-SS, und sein Personal rekrutierte sich überwiegend aus Angehörigen des Strafvollzugslagers der SS und Polizei Danzig-Matzkau.(FN6) Das Bataillon war gemäß Verfügung des SS-Führungshauptamts vom 6.9.1943 in Chlum/Böhmen zunächst ausschließlich zur so genannten "Bandenbekämpfung" aufgestellt worden und hatte im Mai 1944 die Nummer 500 erhalten. Allerdings wurde diese Einheit erst nach einer Direktintervention des Wehrmachtführungsstabes von Himmler für dieses Unternehmen freigegeben.

Die Vorbereitungen für das Unternehmen Rösselsprung liefen relativ schnell an. Die Bereitstellung der Kräfte für das geplante Unternehmen konnte offenbar nur unter "rücksichtsloser Entblößung anderer Gebiete" erfolgen.(FN7) Diese Kräfte sollten aus dem zur 7. SS-Gebirgs-Division "Prinz Eugen"(FN8) gehörenden Gebirgsjäger-Regiment 13, dem zum Heer gehörenden Grenadier-Regiment (mot.) 92, dem 4. Regiment der Division "Brandenburg" und der Panzer-Abteilung 202 aus der operativen Reserve des Oberbefehlshabers Südost, einer regimentsstarken Kampfgruppe der kroatischen 373. Infanteriedivision mit dem Stab, dem II. und III. Bataillon des 384. I.R. und der Aufklärungsabteilung 373 sowie schließlich dem SS-Fallschirmjäger-Bataillon 500 bestehen.(FN9) Die Deutschen waren dabei um größtmögliche Geheimhaltung bemüht, doch bildeten der Funkverkehr zwischen dem OKW, dem Oberbefehlshaber Südost und der 2. Panzerarmee und die Aufklärungsflüge in niedriger Höhe ein Risiko, weil der Gegner daraus Rückschlüsse für das deutsche Angriffsziel ziehen konnte. So hatte die britische Funkaufklärung in Bletchley Park durch die Entschlüsselung des deutschen Funkverkehrs zwar von einer in Kürze bevorstehenden Operation erfahren, die den Decknamen Rösselsprung trug, besaß aber keine Hinweise auf den Ort und den Umfang dieser Operation.(FN10) Erst als am 23. Mai ein deutsches Aufklärungsflugzeug in niedriger Höhe mehrmals über Drvar flog, kam Oberstleutnant Vivian Street, der in Abwesenheit von Brigadier Fitzroy Maclean als Chef der britischen Militärmission fungierte, zu dem Schluss, dass ein schwerer Luftangriff auf Drvar bevorstünde, und übermittelte Tito seine Befürchtungen. Zugleich verlegte Street vorsorglich das Hauptquartier der britischen Militärmission.(FN11)

Die geplante Kampfführung

Das SS-Fallschirmjägerbataillon 500 hatte inzwischen am 20. Mai den Befehl erhalten, sich auf einen Angriff aus der Luft vorzubereiten, Ziel und Zeitpunkt des Einsatzes blieben bis wenige Stunden vor Beginn geheim. Am 21. Mai befand sich das Bataillon in seinen Bereitstellungsräumen bei Kraljevo, Befehle wurden nur persönlich durch Offiziere überbracht, Rang- und Einheitsabzeichen wurden entfernt, Soldbücher abgelegt, während die Soldaten ihre Fallschirmjäger-Kampfanzüge gegen Infanterieuniformen auswechselten. Am gleichen Tag wurde die Operationsplanung vom OKW genehmigt und der Korpsbefehl erteilt. Die endgültigen Einsatzbefehle für die Fallschirmjäger ergingen am 23. Mai, sie wurden den Soldaten jedoch erst auf den Flugplätzen bekannt gemacht. Die Luftwaffe stellte für den Transport 40 Ju-52 und eine Anzahl Lastensegler zur Verfügung, die von Ju-87 oder Hs-126 gezogen wurden. Außerdem standen zur Erdkampfunterstützung die II./JG 51 (II. Gruppe/Jagdgeschwader 51) und I./StG 2 (I. Gruppe/Stukageschwader 2) zur Verfügung, die jedoch von anderen Fronten abgezogen werden mussten.(FN12) Als X-Tag wurde der 25. Mai festgelegt, neueste Luftaufnahmen von Drvar bezeichneten das Ziel. Weil weder die verfügbaren Ju-52 noch die Lastensegler das gesamte Bataillon jeweils allein transportieren konnten, wurden drei Gruppen gebildet. 314 Mann sollten aus den Ju-52 mit dem Fallschirm abspringen und die Stadt einnehmen, 340 Mann sollten mit den Lastenseglern ausgewählte Objekte angreifen, und 220 waren für die Landung bzw. den Absprung in einer 2. Welle vorgesehen. Hinzu kamen einige bosnische Hilfstruppen, Angehörige der Division Brandenburg sowie weitere Spezialkräfte wie Dolmetscher und Funker. Jeder Soldat erhielt ein Foto von Tito, der möglichst lebendig gefangen genommen werden sollte, andernfalls aber zu erschießen war. Dafür sollte jedes Risiko eingegangen werden. Die 340 Mann in den Lastenseglern waren in sechs Gruppen gegliedert, wobei der 110 Mann starken Gruppe "Panther" die Aufgabe zufiel, die "Zitadelle" zu nehmen, in der man Titos Stab und vielleicht auch Tito selbst vermutete. Rybkas Befehl dazu lautete: "Schwerpunkt des Handelns für alle Teile des Bataillons ist der Oberste Stab Titos. Sobald bekannt ist, wo sich der Stab befindet, haben alle Teile des Bataillons, die in der Nähe dieses Hauptzieles gelandet sind, unaufschiebbar und rücksichtslos vor allem den Obersten Stab Titos auszuschalten. Wichtige Persönlichkeiten sollen nach Möglichkeit lebend in unsere Hand fallen."(FN13) "Greifer" mit 40 Mann sollte die Angehörigen der britischen, "Stürmer" mit 50 Mann die der sowjetischen und "Brecher" mit ebenfalls 50 Mann die der amerikanischen Militärmission gefangen nehmen. "Draufgänger" mit 70 Mann sollte die Funkstation einnehmen, während "Beißer" mit nur 20 Mann gemeinsam mit "Greifer" gegen die britische Militärmission vorgehen sollte. Die zum Absprung vorgesehenen Fallschirmjäger teilten sich in die Gruppen "Blau", "Grün" und "Rot", deren Stärken 100 bzw. 95 und 85 Mann betrugen, und sollten den Ort Drvar erobern und mögliche Ausbruchsversuche des Gegners verhindern. Wegen des erwarteten Feindwiderstandes sollte die 2. Welle so früh wie möglich abgesetzt werden.(FN14) Am 24. Mai um 18:30 Uhr hatten die Kampfgruppen der 2. Panzerarmee bei Knin, Srb und Bihac unter größtmöglicher Geheimhaltung ihre Ausgangsstellungen bezogen. Die Entfernungen nach Drvar betrugen 65 km (Knin) bzw. 25 km und 29 km (Srb bzw. Bihac). Die 7. SS-Gebirgsdivision riegelte am Morgen des 25. Mai sämtliche Verbindungsachsen nach Drvar ab, das über drei Straßen und eine Eisenbahnlinie erreichbar war. All dies geschah offenbar unbemerkt von der alliierten Luftaufklärung.

Die jugoslawischen Kräfte in Drvar waren nicht so stark, wie man angesichts der Tatsache, dass sich Titos Hauptquartier sowie die drei alliierten Militärmissionen dort befanden, erwarten konnte. Tito residierte aus Furcht vor deutschen Luftangriffen meist in einer Höhle, die sich im Inneren des "Höhenzuges befand, der den Ort Drvar von allen Seiten umgibt".(FN15) Diese war von einer erst im März aufgestellten Ingenieurs-Brigade ausgebaut worden, die auch vor dem Eingang eine Holzbaracke errichtet hatte. Zunehmende deutsche Bombenangriffe und die Annahme eines möglicherweise bevorstehenden deutschen Angriffs ließen Tito häufig in eine zweite Höhle in 6 km Entfernung ausweichen, wo er tagsüber arbeitete, während die Mitglieder des Führungsstabes weiterhin in Drvar blieben.(FN16) In Drvar selbst befanden sich außer den zwei Bataillonen der Ingenieurs-Brigade, die völlig unzureichend bewaffnet waren, 137 Offiziersschüler, 816 Delegierte des Zweiten Kongresses der Antifaschistischen Jugend Jugoslawiens, ca. 200 Zivilisten und die 350 Mann von Titos Begleitbataillon. Da erst am 15. Mai die 3. Brigade der 6. Proletarischen Division aus der Stadt herausgezogen und in das Gebiet westlich von Drvar verlegt worden war, kam v.a. dem aus vier Zügen bestehenden Begleitbataillon die Verteidigung im Falle eines deutschen Angriffs zu.(FN17) Nennenswerte Flugabwehrwaffen besaßen Titos Verbände nicht, lediglich der 4. Zug des Begleitbataillons verfügte über sechs Flugabwehr-MGs. Es existierten um Drvar außerdem drei provisorische Landebahnen, die britische Militärmission, eine amerikanische Mission westlich Drvars und eine sowjetische 1,6 km nordwestlich der Stadt. Entscheidend war jedoch, dass die Deutschen nicht wussten, wo sich Titos Hauptquartier befand.(FN18)

Der Angriff

Am 25. Mai um 06:30 Uhr(FN19) griffen zunächst zwei Fw-190-Jäger mit Bordkanonen an, gefolgt von 15 Ju-87-Sturzkampfbombern, die Ziele in der Stadt und v.a. vermeintliche Fla-Stellungen bombardierten, wobei die Funkverbindungen von Titos Hauptquartier zerstört wurden und lediglich die Telefonverbindungen zum 5. Korps und zur 1. Division intakt blieben.(FN20) Noch bevor diese Angriffe beendet waren, erschienen gegen 07:00 Uhr die Ju-52 der ersten Welle, die zunächst in 1.700 m Höhe den in der Anflugrichtung vor Drvar liegenden Höhenzug überfliegen mussten, um dann anschließend mit gedrosseltem Motor auf die Absprunghöhe von etwa 120-150 Metern zu gehen. Die drei Gruppen der 314 Mann starken ersten Welle sprangen planmäßig ab, bei "Rot" befand sich auch der Kommandeur mit dem Bataillonsstab. Absprung, Landen, Lösen vom Schirm, Aufnahme der abgeworfenen Waffen, Orientierung und Sammeln an den vorher bezeichneten Treffpunkten nahmen etwa 15 Minuten in Anspruch, worauf die Fallschirmjäger sofort zum Angriff übergingen. Weitere 340 Mann wurden mit Lastenseglern gelandet, die jeweils zehn Mann einschließlich des Piloten und die schwere Ausrüstung wie Mörser, so genannte "Ofenrohre", schwere MGs, Explosivstoffe und Flammenwerfer transportierten. Bis 07:45 Uhr war die Landung, unterstützt von Luftangriffen, erfolgreich geglückt, wenn auch unter spürbaren Verlusten. Während die Fallschirmjäger Ausfälle durch das rasch einsetzende Abwehrfeuer der Partisanen, durch eigene Luftangriffe und Verletzungen bei der Landung erlitten, trafen die schwersten Verluste die Lastensegler, von denen drei bei der Landung zerstört wurden. Einige wurden schon in der Luft getroffen, während andere von den Schleppflugzeugen zu früh ausgeklinkt wurden und daher nicht an den vorgesehenen Punkten landeten.

Der deutsche Hauptstoß richtete sich gegen die Stadtmitte, die von den Partisanen erbittert verteidigt wurde; sie wurden von Delegierten des kommunistischen Jugendkongresses und Zivilisten, unter denen sich auch Frauen und Kinder befanden, unterstützt. Besonders heftig waren das Gebäude des Bezirkskomitees des Kommunistischen Jugendverbandes und der Radiosender umkämpft, dessen sämtlichen Verteidiger fielen oder erschossen wurden. Gegen 08:45 Uhr hatten die Deutschen den letzten Widerstand der Partisanen gebrochen, und um 09:00 Uhr war Drvar komplett in ihrer Hand, ohne dass sie Titos Hauptquartier lokalisieren konnten.(FN21) Die Fallschirmjäger hatten ungefähr 400 Gefangene gemacht, die nun von den Brandenburgern und Abwehrmännern vernommen wurden. Einige ließ man frei, wie z.B. einen örtlichen Kommandeur der Tschetniks, der nationalserbischen Partisanenbewegung Draza Mihailovics’, die 1943 von den Alliierten fallen gelassen worden war und nun gelegentlich mit den Deutschen Stillhalteabkommen aushandelte und zuweilen gemeinsam mit ihnen gegen die Kommunisten kämpfte. Die Männer des SS-Bataillons gingen mit allergrößter Härte vor. Wer noch Widerstand leistete, wurde erschossen, ebenso erschossen sie offenbar sämtliche Bewohner der Häuser, in denen die alliierten Missionen untergebracht waren. Die Gefangenen wurden zum Teil zum Verwundetentransport und zum Schleppen von Munition gezwungen, wobei die Verwundeten zum Friedhof gebracht wurden. Gleichzeitig bezog der Bataillonsgefechtsstand im Zentrum von Drvar Stellung. Beim Durchkämmen der Stadt auf der Suche nach versteckten Partisanen wurden nach jugoslawischen Angaben zahlreiche Zivilisten ermordet, darunter auch Frauen und Kinder.(FN22)

Jagd auf Tito und Einsatz der zweiten Welle

Rybka stand nun vor der Frage, ob Tito unter den Toten oder Gefangenen zu suchen war oder sich womöglich an einem anderen Ort aufhielt. Tito hatte jedoch die Nacht in einer Art Hütte in der Nähe der Höhle verbracht und sich in den Höhlenkomplex zurückgezogen, als der deutsche Angriff begann. Ihn begleiteten einige Mitglieder seiner Leibwache, seine damalige Geliebte Zdenka und sein Schäferhund. Nachdem einige weitere Mitglieder seines Stabes eingetroffen waren, darunter Kardelj und Milutinovic, war diese Gruppe auf zwölf Männer und acht Frauen angewachsen.(FN23) Die ersten dort auftauchenden Deutschen gerieten sofort in das Abwehrfeuer von Titos Bewachern, worauf Rybka durch den dort aufflammenden Gefechtslärm zu dem Schluss kam, dass es sich hier um ein besonderes Objekt, möglicherweise Titos Hauptquartier, handeln könnte. Gegen 10:30 Uhr setzte Rybka daraufhin zwei Gruppen seiner Männer nördlich der Stadt am Fuße der dortigen Bergformationen gegen das hier vermutete Führungszentrum der Partisanen an.(FN24) Unter dem Feuerschutz eines schweren MG kämpfte sich eine Gruppe langsam gegen heftiges Abwehrfeuer von Titos Stab und seinem Begleitbataillon über einen engen Pfad Richtung Eingang der Höhle vor. Schließlich blieb jedoch dieser Annäherungsversuch im Abwehrfeuer der Partisanen liegen, die durch das Eingreifen der Offiziersschüler verstärkt wurden, worauf sich die Deutschen zurückzogen und den Höhlenkomplex mit MG und Granatwerfern unter Feuer nahmen. Die ganze Zeit über flog die Luftwaffe Angriffe mit Jägern und Bombern, die jedoch teilweise unterbrochen werden mussten, wenn es zu einer engen Verflechtung der Kämpfenden kam.

Bereits gegen 09:30 Uhr hatten jedoch die ersten Gegenangriffe der umliegenden Partisaneneinheiten begonnen, während Rybka versuchte, die Angreifer niederzuhalten und deshalb Teile des Bataillons außerhalb der Stadt durch die dortigen Weizenfelder gegen die bewaldeten Höhen im Südwesten Drvars vorgehen ließ, die von eingegrabenen Einheiten der Partisanen gehalten wurden. Gegen 11:50 Uhr erschien die zweite Welle mit 20 Ju-52 und mehreren Lastenseglern, die südlich von Drvar landeten. Diese Maschinen stießen auf wesentlich stärkeres Abwehrfeuer als die erste Welle und erlitten während der Landung Verluste in der Luft und am Boden. Rybka setzte die zweite Welle ebenfalls gegen die Höhen südwestlich der Stadt an, doch der Angriff kam hier bald zum Erliegen.(FN25) Gegen Mittag begann die Situation kritisch zu werden, als drei Bataillone der 3. Brigade der 6. Lika-Division die Deutschen einzukesseln begannen.(FN26) Zugleich hatte man von Titos Hauptquartier aus telefonisch dem 5. Korps und der 1. Division befohlen, die aus dem Raum Bihac und Jajce gegen Drvar vorrückenden deutschen Einheiten mit allen Mitteln zum Stehen zu bringen. Um 16:00 Uhr befand sich das Bataillon im schwersten Abwehrkampf gegen stark überlegene Partisanenkräfte; im Nahkampf wurden die Partisanen immer wieder zurückgeworfen, sie hatten jetzt jedoch die Einschließung beinahe vollendet. Zu diesem Zeitpunkt war es weder gelungen, Tito, seinen Stab oder die alliierten Militärmissionen aufzuspüren oder gefangen zu nehmen. Angesichts dieser Lage befahl Rybka den Rückzug der noch kampffähigen Kräfte des Bataillons Richtung Friedhof, um sich dort zur Verteidigung einzurichten. Während das Bataillon sich kämpfend zurückzog, wurde Rybka um 18:00 Uhr schwer verwundet und daraufhin mit dem Fieseler Storch, der eigentlich für Titos Abtransport dienen sollte, ausgeflogen.(FN27)

Weitere Lageentwicklung

Nachdem kurz darauf auch der stellvertretende Bataillonskommandeur gefallen war, übernahm Hauptmann Bentrup, ein dem Bataillon zugeteilter Fallschirmjägeroffizier, das Kommando. Bentrup ließ das Bataillon sich hinter der Friedhofsmauer eingraben und Stellung zur Rundumverteidigung beziehen. Mit dem Beginn der Dämmerung verstärkten sich die Angriffe der Partisanen, nun auch unterstützt vom 4. Bataillon der 3. Brigade, das erst später in den Kampf eingreifen konnte. Weil die Partisanen die deutsche Luftwaffe nicht mehr zu fürchten hatten, erreichten die Angriffe in der Nacht ihren Höhepunkt, als Elemente der 9. Dalmatinischen Division in die Kämpfe eingriffen.(FN28) Die Reste des Bataillons befanden sich zusammengedrängt auf dem Friedhof. Zwischen den Gräbern lagen Verwundete und zahlreiche Gefangene, Nahrung und Arzneimittel gab es kaum noch, ebenso fehlte es an Wasser. Dennoch wurden sämtliche Angriffe der Partisanen abgewehrt, die inzwischen ein Vielfaches der deutschen Kräfte erreicht hatten, eine durch die Mauer eingebrochene Gruppe wurde im Gegenstoß vernichtet.

Währenddessen versuchte man immer noch Klarheit über den Verbleib Titos zu gewinnen und kam nach weiteren Vernehmungen zu dem Ergebnis, dass dieser entkommen sein musste. Tatsächlich hatten Tito und sein engster Stab bereits gegen 11:15 Uhr ohne große Verluste, lediglich ein Mitglied seiner Leibwache fiel, durch einen getarnten Ausgang die Höhle verlassen(FN29) und sich "einer oberhalb der Höhle kämpfenden Partisanengruppe unter Führung Rankovics" (FN30) angeschlossen, wobei das Hauptproblem die zeitweilig in Hysterie verfallende Geliebte Zdenka darstellte. Nach einem Marsch über 15 km stieß man in Potoci auf die dort nach und nach eintreffenden Mitglieder der alliierten Missionen, die sich ebenfalls dorthin durchgeschlagen hatten.(FN31) Die Gefahr war jedoch für Tito und seinen Stab nicht vorüber, denn "in Volltarnung" operierende Jagdkommandos durchkämmten noch das Gelände entlang der vermuteten Fluchtwege. Außerdem hatte Tito keine Verbindung zu seinen Einheiten, die Partisanenbewegung war damit kurzfristig führungslos.

Um 04:30 Uhr zogen sich jedoch die Partisanen zurück, um beim Hellwerden nicht von der deutschen Luftwaffe überrascht zu werden. Diese griff bereits um 06:00 Uhr die sich zurückziehenden Partisanen mit mehreren Jagdbombern an. Um 07:00 Uhr erschienen zwölf Ju-52 und warfen v.a. die bitter benötigte Munition ab.(FN32) Die Briten hatten inzwischen mehrere Nachrichten über die Vorgänge in Drvar erhalten. Sie ließen erkennen, dass neben der erfolgten Luftlandung ein konzentrischer deutscher Stoß auf Drvar im Gange war: "Concentrations reported above are at points in a large circle roughly 70 miles in diameter around Partisan Headquarters." (FN33) Es wurde rasch klar, dass sich Tito und seine Führungsgruppe in großer Gefahr befanden, erschwerend kam hinzu, dass Tito nach der Flucht aus Drvar keinen Kontakt mehr zu seiner Partisanenarmee hatte. Titos Gruppe besaß nur ein einziges intaktes Funkgerät, das Hauptmann Hilary King, der Nachrichtenoffizier der britischen Militärmission, mit sich führte.(FN34) Man entschloss sich daher, den Partisanen trotz der starken Bindung der eigenen Kräfte in Italien und Südfrankreich jede nur mögliche Luftunterstützung durch die MAAF (Mediterranean Allied Air Force) zu gewähren,(FN35) und noch am 26. Mai griffen 36 B-17 Flying Fortress, die von 22 P-38 Lightning begleitet wurden, deutsche Verbände bei Bihac an, während Jäger und Jagdbomber taktische Luftnahunterstützung für die Partisanenverbände ebenfalls im Raum Bihac flogen.(FN36) Diese Einsätze sollten sich in den nächsten Tagen noch wesentlich steigern und erreichten ihren Höhepunkt am 29. Mai, als 294 B-24, begleitet von 88 Lightnings Versorgungseinrichtungen und Truppenkonzentrationen, wiederum im Raum Bihac und Bosanski Krupa mit 481 Tonnen Bomben belegten, während zahlreiche Lightnings, Hurricanes und Spitfires die gegen Drvar vorrückenden Kolonnen im Raum Knin/Bihac angriffen.(FN37) Nachdem aber die Reste der in Drvar kämpfenden SS-Fallschirmjäger am 26. Mai gegen 07:00 Uhr Funkkontakt zu Teilen der Aufklärungseinheit 373 hergestellt hatten, gelang es schließlich um die Mittagszeit am 26. Mai Teilen der kroatischen 373. Infanteriedivision und des Gren.Rgt. (mot.) 92, das Fallschirmjägerbataillon zu entsetzen.(FN38) Zu diesem Zeitpunkt besaß das Bataillon, das mit 874 Mann am Vortag gelandet war, nur noch 250 kampffähige Männer. Offenbar besaß man nach wie vor keinerlei Informationen darüber, dass Titos Lage weiterhin durchaus prekär war. Der Führer der Partisanenarmee befand sich mit den wichtigsten Mitgliedern seines Stabes und den Mitgliedern der Militärmissionen weiterhin auf der Flucht, wobei die einzige Verbindung zur Außenwelt das Funkgerät Hauptmann Kings darstellte.(FN39) Hätten die deutschen Truppen energisch die Verfolgung der Partisanen betrieben, dann wäre ihnen Tito womöglich doch noch in die Hände gefallen, denn am 1. Juni kam es zu einem kurzen Gefecht zwischen deutschen Truppen und der noch auf der Flucht befindlichen Gruppe des Obersten Stabes, ohne dass diese von deutscher Seite erkannt worden wäre.(FN40) Ein Grund dafür dürfte die Tatsache gewesen sein, dass viele Einheiten nur selten die Marschstraßen verließen, wie es im Erfahrungsbericht über Rösselsprung heißt. Dies galt etwa für das Gren.Rgt. (mot.) 92: "Die früheren Erfahrungen scheinen sich zu bestätigen, wonach das Rgt. ungern ins Gelände geht, dadurch den Feind nie wirklich packt. Zweifellos ist das Rgt. durch seine fast pausenlosen Einsätze abgestumpft, setzt sich nicht voll ein, tritt aber der Bevölkerung gegenüber schroff auf."(FN41) Über das 1. Regiment Brandenburg wird berichtet, dass es sich im infanteristischen Einsatz "an keiner Stelle dem Feind gegenüber durchgesetzt habe".(FN42) Durch das "Kleben" auf den Straßen wiederum erhöhte sich die Gefährdung gegenüber den Luftangriffen der MAAF, deren Jagdbomber v.a. den deutschen Radfahrzeugen und hier besonders den LKW schwere Verluste zufügten.(FN43)

Alliierte Gegenmaßnahmen

Während die deutsche Führung mit Rösselsprung die letzte Möglichkeit vergeben hatte, der Partisanenbewegung Titos einen entscheidenden Schlag zu versetzen, hatten die Briten sofort die Gefahr begriffen, die Tito drohte, und reagierten mit zwei Sofortmaßnahmen. Die erste war die massive unmittelbare Luftunterstützung für die Partisanen, die auch für die Deutschen eine völlig neue Dimension erreichte.(FN44) Allein bis zum 1. Juni flog die MAAF über 1.000 Einsätze zur direkten Unterstützung der Partisanen.(FN45) Dass am 1. Juni außerdem die Balkan Air Force (BAF) aufgestellt wurde, hing nicht direkt mit Rösselsprung zusammen, stellte aber eine erhebliche Verschlechterung der militärischen Lage für die Deutschen dar, wenn man sich vor Augen hält, dass die BAF bis zum 8. Mai 1945 21.837 Einsätze flog.(FN46) Die zweite Maßnahme war ein Landungsunternehmen gegen die Insel Brac mit einem starken Kontingent britischer Truppen von über 1.000 Mann, bei dem sich auch ca. 100 US-Soldaten befanden, die von 2.500 Mann der Partisanentruppen der Volksbefreiungsarmee unterstützt wurden. Dieser Landungsversuch scheiterte jedoch unter hohen Verlusten an der erbitterten Gegenwehr der unterlegenen deutschen Besatzung.(FN47) Die Hoffnung auf einen Abzug von Kräften, die bei Rösselsprung eingesetzt waren, erfüllte sich jedoch nur kurzfristig, weil ein Bataillon der 7. SS-Gebirgs-Division, das nach Beginn des Landungsunternehmens zur Verstärkung der Inselbesatzung befohlen worden war, noch angehalten werden konnte.(FN48) Inzwischen hatte sich die Lage Titos jedoch entscheidend verändert, denn General Kornejew, der Chef der sowjetischen Militärmission bei Tito, hatte offenbar am 31. Mai den Vorschlag gemacht, dass Oberstleutnant Street mit dem noch intakten Funkgerät nach Bari funken sollte, eines der dort stationierten sowjetischen Flugzeuge sollte entsandt werden, um die sowjetische Militärmission auszufliegen; Kornejew schlug Tito vor, sich ihm anzuschließen. Er hatte in Stalingrad ein Bein verloren, und die Flucht mit Titos Oberstem Stab hatte ihm erheblich zugesetzt. Tito zögerte jedoch zunächst bei der Vorstellung, Jugoslawien zu verlassen, während Street erklärte, dass er von Bari aus sofort nach Vis gebracht werden könnte, um dort sein neues Hauptquartier einzurichten. Am 3. Juni stimmte Tito diesem Vorschlag schließlich zu. Noch am gleichen Abend landete eine sowjetische Dakota, von sechs US-Maschinen begleitet, auf dem Flugfeld von Kupresko Polje. Tito, einige Mitglieder des Obersten Stabes, seine Geliebte, der Hund, Kornejew und Street flogen mit der sowjetischen Dakota nach Bari, die restlichen 74 Mann seines Stabes, der Leibwache und der alliierten Militärmissionen sowie 118 verwundete Partisanen nahmen die Amerikaner auf. Am 6. Juni fuhr Tito an Bord des britischen Zerstörers HMS Blackmore mit seinem Stab nach Vis, worauf der britische Premierminister Churchill als Reaktion auf Rösselsprung etwas pathetisch erklärte, dass Vis bis zum letzten Mann verteidigt werden müsse.(FN49) Dies sollte sich als unnötig erweisen, denn die Deutschen unternahmen keinen weiteren Versuch, Tito auszuschalten. Ob die Gefangennahme oder gar der Tod Titos eine entscheidende Veränderung zu Gunsten der Deutschen auf dem jugoslawischen Kriegsschauplatz bewirkt hätte, ist eher fraglich. Wohl eher hätte sein Ausfall Auswirkungen auf die Nachkriegsordnung in Jugoslawien gehabt.(FN50)

Zusammenfassung und Lehren

Die Lehren aus "Rösselsprung" sind leicht zu ziehen: Das eingesetzte Fallschirmjäger-Bataillon entsprach wohl den militärischen Erwartungen, wurde aber auch ohne Rücksicht auf Verluste eingesetzt und war nach dem Einsatz praktisch aufgerieben. Allerdings wurde das Bataillon eher schematisch geführt, denn die Tatsache, dass Rybka mehr seinem taktischen Einsatzplan als der sich entwickelnden Lage folgte, ist nicht von der Hand zu weisen.(FN51) Die starke Konzentration auf das Objekt "Zitadelle", in der man ursprünglich Titos Stab vermutete, hat möglicherweise die entscheidende Umgruppierung und Konzentration aller Kräfte auf die Höhle, in der sich Tito befand, verhindert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Fallschirmjäger nur bis zur erfolgten Landung flexibel sind, danach ist ein Neuansatz auf Grund einer veränderten Gefechtslage nur relativ langsam möglich. Immerhin hätte die Möglichkeit bestanden, die zweite Welle umzudirigieren und so abzusetzen, dass sie die um die Höhle konzentrierten Kräfte im Rücken hätte fassen können. Dass Rybka bereits in seinem Einsatzbefehl an das Bataillon die Anwesenheit Titos als eher fraglich einstufte, könnte eine Erklärung dafür sein, dass er erst spät die Bedeutung der von den Partisanen so erbittert verteidigten Höhle erkannte. Unklar ist, ob er Titos Anwesenheit dort für möglich hielt.(FN52) Den Deutschen gelang es am 25. Mai, die Luftherrschaft über dem Einsatzraum zu sichern; für den Zeitraum 25./26.Mai werden 440(FN53) Einsätze angegeben. Angesichts der Tatsache, dass die weit überlegenen Luftstreitkräfte der MAAF vom 26. Mai bis zum 1. Juni ca. 1.000 Einsätze zur Unterstützung von Titos Partisanenarmee flogen, wirkt diese Zahl sehr hoch. Möglicherweise wurden auf deutscher Seite auch die Einsätze der Transportmaschinen und Lastensegler dazu gerechnet, was eine Erklärung für die hohe Zahl liefern könnte.

Die Partisanenkräfte wurden von der Luftlandeoperation überrascht, und es gelang, zumindest die in Drvar befindlichen Elemente von Titos Kommandostruktur zu zerschlagen.

Entscheidend war jedoch, dass es im Vorfeld der Aufklärung nicht gelungen war, Titos tatsächlichen Aufenthaltsort zu finden. Das Hauptziel der Unternehmung wurde damit verfehlt.

Die Unterschätzung der Kampfkraft der Partisanen und ihre schnelle Reaktion auf die Landung trugen wesentlich zum Misserfolg bei.

Der Entsatz kam fast zu spät, hier dürften sich der hartnäckige Widerstand der Partisanen und die nicht energisch genug vorgetragenen Angriffe der Entsatzkräfte ausgewirkt haben, deren Vorstoß auf Drvar sich auf die Straßen konzentrierte. Dies wirkte sich negativ im Kampf gegen die Partisanen aus und begünstigte außerdem den Einsatz der alliierten Luftwaffe, die aber erst ab dem 26. Mai massiv in das Kampfgeschehen eingriff.

Eine Landung auf dem Plateau oberhalb der Stadt wäre nach Ansicht der Partisanen Erfolg versprechender gewesen, hätte aber bessere nachrichtendienstliche Erkenntnisse vorausgesetzt.

Ob tatsächlich faulty intelligence auf deutscher Seite vorgelegen hat, wie Eyre meint, kann insofern mit einem Fragezeichen versehen werden, als die deutsche Funkaufklärung relativ erfolgreich war, was jedoch von Eyre eher vernachlässigt wird.

Luftlandetruppen benötigen detaillierte Beschreibungen des Objektes, weil sie zwar das Überraschungsmoment besitzen, anschließend aber nur über begrenzte Beweglichkeit verfügen.

Die abschließende Beurteilung von Rösselsprung durch den OB Südost ist eher euphemistisch zu sehen. Man war "im Ganzen zufrieden", auch wenn das Ergebnis "nicht voll den Erwartungen entsprach".(FN54) Titos Hauptstab sei für einige Zeit "mattgesetzt" worden und der Inspekteur des Nachrichtenwesens der Partisanen habe sich unter den Gefallenen befunden.(FN55) In der Realität war "damit die letzte Chance zu einem entscheidenden Schlag gegen die Tito-Bewegung als Ganzes vertan".(FN56) Diesem Satz ist nichts hinzuzufügen.

ANMERKUNGEN:

(Fußnote 1/FN1) Tito (25.5.1892-4.5.1980) war für die Deutschen ein durchaus ernst zu nehmender Gegner. Dies wurde 1943 von den Alliierten dadurch anerkannt, dass sie ihre Militärhilfe für den Anführer des Nationalserbischen Widerstands, Dragoljub "Draza" Mihailovic (27.4.1893, hingerichtet in Belgrad 17.7.1946), praktisch einstellten und alle verfügbare militärische Hilfe auf Tito konzentrierten. Dennoch sah Tito seine Hauptaufgabe im Kampf gegen seine jugoslawischen Gegner, versuchte dies aber den Alliierten gegenüber zu verschleiern.

(FN2) So bei Klaus Schmider: Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941-1944. Hamburg-Berlin-Bonn 2002, S.587.

(FN3) Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht Bd. IV: 1. Januar 1944 - 22. Mai 1945. Erster Halbband, eingel. u. erl. v. Percy Ernst Schramm, Frankfurt/Main 1961, S.661.

(FN4) Karl-Dieter Wolf: Das Unternehmen "Rösselsprung" in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Nr.4/1970, S.485.

(FN5) Ebd., S.662.

(FN6) Rolf Michaelis: Das SS-Fallschirmjäger-Bataillon 500/600, Berlin 2004, S.8-11. Dieses Buch enthält zwar einige Informationen, aber die so genannten "Quellenangaben" in den Fußnoten lassen sich an Hand der vom Autor angegebenen Quellen nur mit Mühe oder gar nicht ableiten. Das Buch trägt insgesamt einen sehr stark apologetischen Charakter und kann daher nur unter Vorbehalt verwendet werden.

(FN7) KTB OKW, Bd. IV, S.662.

(FN8) Die volksdeutsche SS-Division "Prinz Eugen" war zweifellos eine der kampfstärksten, wenn nicht die kampfstärkste deutsche Division auf dem jugoslawischen Kriegsschauplatz. Am 20.2.1944 wies die Division 8,5% Reichsdeutsche und 91,5% Volksdeutsche auf; 53,6% ihrer Angehörigen kamen aus dem Banat und Serbien, 21,3% wie auch ihr erster Kommandeur, der spätere SS-Obergruppenführer Arthur Phleps, aus Rumänien, 11,2% aus Kroatien, der Rest aus der Slowakei und Ungarn. Thomas Casagrande: Die Volksdeutsche SS-Division "Prinz Eugen". Die Banater Schwaben und die Nationalsozialistischen Kriegsverbrechen. Frankfurt/New York 2003, S.211. Die von SS-Obergruppenführer Phleps, vom 1.7.1943-25.8.1944 Kommandierender General des V. SS-Gebirgs-Armeekorps, entwickelte Idee der so genannten "Freien Jagd" bot einen Erfolg versprechenden Ansatz gegen die ständig wachsenden Streitkräfte der Partisanen. Die konsequente Durchführung hätte aber nach Schmider den Einsatz von mindestens drei Gebirgsdivisionen erfordert, um größere Partisanenverbände einkesseln und tatsächlich auch vernichten zu können. Allzu oft wurden jedoch bei den Erfolgsmeldungen erschossene Zivilisten und Opfer von Repressalien als Feindtote gezählt, was am 11. Juli 1944 im Falle der 369. (kroat.) Infanteriedivision zu einer "Ermahnung" hinsichtlich der Meldepraxis führte, dass als Feindtote nur im Kampf Gefallene zu gelten hätten. Schmider, S.396/397. Andererseits war bei einem Einsatz der Division "Prinz Eugen" "…jeder vom Tod bedroht, der andere ethnische oder nationale Merkmale der Sprache oder der Herkunft hatte". Casagrande, S.285.

(FN9) Ebd.

(FN10) Es gab drei Entschlüsselungen vor dem Beginn von "Rösselsprung", in denen auf dieses Unternehmen Bezug genommen wurde, ohne aber Tito oder Drvar zu erwähnen. Ralph Bennett: Ultra and Mediterranean Strategy. New York 1989, S.350/351.

(FN11) Michael McConville: Knight’s Move in Bosnia and the Rescue of Tito: 1944. RUSI-Journal December 1997, S.66.

(FN12) Schmider, Partisanenkrieg, S.384. Ausführliche Darstellungen von "Rösselsprung" geben Wolf: Rösselsprung, S.479-501; Charles D. Melson: Red Sun: A German Airborne Raid, May 1944. The Journal of Slavic Military Studies, No.4/2000, S.101-127 sowie Lieutenant-Colonel Wayne D. Eyre: Operation RÖSSELSPRUNG and the Elimination of Tito, May 25, 1944: A Failure in Planning and Intelligence support. The Journal of Slavic Military Studies, No.2, 2006, S.343-377.

(FN13) Wolf, S.488.

(FN14) Wolf, S.487.

(FN15) Wolf, S.495.

(FN16) Wolf, Ebd.

(FN17) Wolf, S.501.

(FN18) Melson, S.108.

(FN19) Die Angaben über den Beginn der Luftangriffe sind unterschiedlich. Melson schreibt "just before dawn at 0630", gestützt auf einen Bericht vom 3. Juni 1944, Melson, S.109; Eyre gibt 0635 Uhr an, wobei er sich auf den Einsatzbefehl des Fliegerführers Kroatien stützt, Eyre, S.351; während offenbar die britische Miltärmission aus Drvar über Funk 0430 Uhr als Beginn der Luftangriffe meldete. PRO (Public Records Office) WO 106/3283. Vermutlich dürfte aber der Beginn der Luftangriffe gegen 0630 erfolgt sein.

(FN20) Wolf, S.503.

(FN21) Melson, S.112. Lieutenant-Colonel Wayne D. Eyre von den königlich-kanadischen Streitkräften, der im Jahr 2000 als Kompaniechef der NATO Stabilization Force in Bosnien im Sektor Drvar eingesetzt war, stellt allerdings die Frage, ob die Deutschen bei der Schwere der Kampfhandlungen die Zeit gehabt hätten, die von jugoslawischer Seite behaupteten Gräuel zu begehen. Eyre, S.353.

(FN22) Ebd, S.112.

(FN23) McConville, Knight’s Move, S.66; Wolf, S.504.

(FN24) Eyre, S.353.

(FN25) Melson, S.113.

(FN26) Eyre, S.353.

(FN27) Wolf, S. 504.

(FN28) Eyre, S.355.

(FN29) "This act has been inaccurately described in many accounts. After the first attack failed, Tito, escorted by several staff, climbed down a rope through a trap door in a platform at the mouth of the cave. He then followed a small creek leading to the Unac River, then diagonally climbed the heights to the east of the cave, a route which would provide cover for the most of the way.” Eyre, S.354.

(FN30) Wolf, S.504.

(FN31) McConville, S.66.

(FN32) Hier ergibt sich eine Unklarheit. In dem Buch von Otto Kumm: "Vorwärts Prinz Eugen!" Geschichte der 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division "Prinz Eugen". Osnabrück 1987, S.195-209, ist der Erfahrungsbericht dieser Division vom 3.7.1944 abgedruckt, in dem es heißt: "Vom 2. Tage des Unternehmens (Rösselsprung) an ist ein Luftwaffeneinsatz weder mit Kampf- noch mit Aufklärungseinsätzen erfolgt." Dem widerspricht aber, dass offenbar am frühen Morgen des 26. Mai Luftunterstützung geflogen worden ist und von Ju-52 Munitionsnachschub abgeworfen wurde.

(FN33) Die erste Funkmeldung aus Drvar sprach zunächst nur von einer Luftlandung mit Fallschirmjägern und Lastenseglern, doch weitere Nachrichten vom Hauptquartier des 8. Korps und aus Bosanski Petrovac zeigten einen relativ starken Einsatz deutscher Bodentruppen. PRO WO 106/3283, 2A.

(FN34) McConville, S.66.

(FN35) "Arrangements are being made for fullest possible air support including bombing of Bihac". PRO WO 106/3283 2A.

(FN36) RAF Mediterranean Review No.7 (April to June 1944), S.86 sowie Air Staff Operational Summary(A.S.O.) NO: 1284, S.3 u. 4; beides Royal Air Force Museum, London.

(FN37) A.S.O. Summary NO. 1287, S. 1.

(FN38) Eyre, S.355, gibt 1245 Uhr als Zeitpunkt an, an dem die Angriffsspitzen der Entsatzeinheiten die Verbindung zu den eingeschlossenen Fallschirmjägern herstellten.

(FN39) McConville, S.66.

(FN40) Schmider, S.385.

(FN41) BA/MA(Bundesarchiv/Militärarchiv) RH 24-15/59, Erfahrungsbericht "Rösselsprung" v. 6.6.1944, zitiert bei Schmider, S.387.

(FN42) Ebd.

(FN43) Die Verluste bei "Rösselsprung" betrugen 144 zerstörte und 73 beschädigte Kraftfahrzeuge. Ebd.

(FN44) Schmider, S.386.

(FN45) RAF MedRev, S.86.

(FN46) The History of the Balkan Air Force, July 1945, Headquarters, The Balkan Air Force, R.A.F., C.M.F., S.124, Imperial War Museum London.

(FN47) Dabei wurde Churchills Neffe, Oberstleutnant Jack Churchill, von den Deutschen gefangen genommen, Oberstleutnant "Pops" Manners vom 40. Commando Regiment der Royal Marines starb an seinen Verwundungen, mehrere weitere Offiziere des 40. und 43. Commando Regiment fielen.

(FN48) Schmider, S.393.

(FN49) McConville, S.67.

(FN50) Schmider, S.419.

(FN51) "It would seem that he fought his plan and not the enemy". Eyre, S.366.

(FN52) Rybkas Befehl ging davon aus, dass, falls "wider Erwarten Tito selbst gefangen genommen werden sollte", größtmögliche Geheimhaltung befohlen war. Wolf, S.488.

(FN53) Schmider, S.386.

(FN54) KTB OKW, Bd.IV, S.663.

(FN55) Ebd., S.664.

(FN56) Schmider, S.388.

Dr. Romedio Graf v. Thun-Hohenstein

Geb. 1952; Besuch des humanistischen Gymnasiums in Kiel; Studium der Geschichte und Philosophie in Kiel und München; 1980 Promotion bei Karl-Dietrich Erdmann in Geschichte mit einer Biographie des Generalmajors Hans Oster; 1980-1984 u.a. Lehrtätigkeit an der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sicherheitspolitik in Kiel; seit 1984 selbstständiger Forstwirt und freischaffender Historiker mit dem Schwerpunkt der Militärgeschichte des Zweiten Weltkrieges.



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Operation Rösselsprung, 25. Mai 1944.
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Operation Rösselsprung, 25. Mai 1944.

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