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"Munitionslager in Albanien explodiert!"

Ein UNDAC-Team erkundete die Situation und beriet die Regierung von Albanien

UNDAC-Teams dienen der Ersterkundung und der Abschätzung von Katastrophen sowie von deren Ausmaßen und Folgen. Ein Team - geführt von einem österreichischen Offizier - stand nach der Explosion eines Munitionsdepots in Albanien im Einsatz.

Am Samstag, dem 15. März 2008, explodierte ein großes Munitionslager in Gerdec (Vore), 15 km von Tirana entfernt, in dem zuvor alte Munition vernichtet wurde.

Die Benachrichtigung der Österreicher, die für ein United Nations Disaster Assessment and Coordination Team (UNDAC-Team; Katastrophenabschätzungs- und Koordinierungsteam der Vereinten Nationen) in Albanien in Frage kamen, erfolgte am 19. März 2008 um ca. 0130 Uhr via SMS. Nach Rücksprache mit dem Diensthabenden Offizier im Bundesministerium für Landesverteidigung der Genehmigung durch das Bundesministerium für Landesverteidigung erfolgte die Verfügbarkeitsmeldung an das United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs in Genf (UN OCHA; Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung Humanitärer Angelegenheiten). Im Laufe des Vormittags des 19. März 2008 wurde das UNDAC-Team zusammengestellt.

Das Team und seine Aufgaben

Seitens UN OCHA wurde Brigadier Mag. Dr. Alois A. Hirschmugl als Teamleader bestellt. Die UNDAC-Teams bestehen aus Spezialisten zur Ersterkundung und zur Abschätzung von Katastrophen sowie von deren Folgen. Die weiteren Teammitglieder waren Steffen Schmidt (Dänischer Katastrophenschutz), Per-Anders Berthlin (Internationale Operationen, Schweden), Janathan Goodwill (Berater, Großbritannien), Alessandro Pirrone (Italienisches Außenministerium), Thummarukudy Muraleedharan (Umweltprogramm der Vereinten Nationen, Indien) und Rivo Salong (Estnische Rettungsdienste). Der Einsatz dauerte für die Mehrzahl der Teammitglieder vom 20. März bis zum 3. April.

Unmittelbar nach der Ankunft in Tirana am 20. März erfolgte ein Treffen mit dem Resident Coordinator der Vereinten Nationen (Offizielle Vertreterin des UN-Generalsekretärs in Albanien), Frau Gülden Türkos-Cosslett, und dem sehr hilfreichen Country Team der Vereinten Nationen. In Albanien läuft wie in sieben anderen Staaten das Projekt "One United Nations" - das heißt, alle UN-Organisationen in Albanien arbeiten gemeinsam unter einer Führung, einem Programm und einem Budget. Das funktioniert in Albanien sehr gut und stellt im Katastrophenfall eine ungemeine Erleichterung dar. Bei diesem Treffen wurden die Aufgaben des UNDAC-Teams besprochen und festgelegt:

  • Durchführung der Ersterkundung und Feststellung des Gesamtbildes der Situation;
  • Erkundung der Umweltgefährdung, Entnahme von Proben und Vorschläge für Schutzmaßnahmen;
  • Unterstützung der Regierung bei der Koordination der erforderlichen Maßnahmen;
  • mittel- und langfristige Empfehlungen an die Internationale Gemeinschaft, die albanische Regierung und die UNO.

In den folgenden Tagen erfolgten Erkundungen vor Ort. Proben wurden entnommen, Daten gesammelt, analysiert sowie entsprechend geklärte und gesicherte Informationen weitergegeben.

Das Team nahm auch mit allen relevanten Ministerien sowie mit nationalen und internationalen Organisationen Verbindung auf. Zusammengearbeitet wurde u. a. mit dem Resident Coordinator und dem Country Team der Vereinten Nationen, dem Stellvertretenden Premierminister von Albanien, dem albanischen Innen-, Verteidigungs-, Erziehungs-, Gesundheits- und Verkehrsministerium, mit albanischen Verwaltungsbeamten, der Agency on Legalization, Urbanization and Integration of Informal Zones (ALUIZNI - Agjencia për Legalizimin, Urbanizimin dhe Integrimin e Zonave Informale), Befehlsstellen der albanischen Streitkräfte, mehreren Botschaften, Öffentlichkeitsarbeitern, dem Bürgermeister von Gerdec (Vore), lokalen Autoritäten im Raum Durres sowie mit karitativen und im Sozialbereich tätigen Organisationen (z. B. Albanisches Rotes Kreuz, Danish Church Aid, National Agency for Housing).

Dem UNDAC-Team oblag neben den Erkundungen vor allem die Verhandlungsführung mit den erwähnten Stellen ("Diplomatischer Teil des Einsatzes").

Opfer, Schäden und Maßnahmen

Um eine möglichst rasche, vor allem aber zielgerichtete Hilfe nach einer Katastrophe wie dieser zu ermöglichen und zu koordinieren, benötigen die potenziellen Helfer gesicherte Informationen über Opfer, Schäden sowie über bereits erfolgte Maßnahmen:

  • Die Explosion tötete 24 Personen, verletzte ca. 300 weitere, zerstörte 308 Gebäude und beschädigte weitere 3 835 erheblich.
  • Das Gebiet um den Ground Zero ("Nullpunkt" der Explosion) wurde abgeriegelt und in drei Zonen unterteilt. Eine Oberflächenreinigung erfolgte durch die albanischen Streitkräfte mit Unterstützung durch ausländische EOD-Experten.
  • Die evakuierten Menschen wurden zum Teil in Durres in zwei Hotels der Regierung sowie in einem Privathotel untergebracht und versorgt, der Rest fand bei Familien und Freunden Unterschlupf.
  • Die Versorgung, einschließlich der Traumabehandlung, war grundsätzlich gegeben.
  • Das Explosionszentrum soll durch eine private, entsprechend geschulte Firma gereinigt werden. Das wird voraussichtlich rund sechs Monate dauern.
  • Die Bevölkerung ist zum Großteil bereits wieder in ihre früheren Wohngebiete zurückgekehrt, eine Unterweisung z. B. für das Verhalten bei Auffinden von Blindgängern ist durch Flugblätter erfolgt.
  • Die Wiederaufbaukosten der Häuser (ohne die beschädigte Infrastruktur) werden ca. 17 Millionen Euro betragen.
  • Das größte Problem sind jedoch die noch immer vorhandenen 100 000 Tonnen Altmunition, die noch zu entsorgen bzw. zu vernichten sind. Der finanzielle Aufwand dafür wird (grob geschätzt) 50 Millionen Euro betragen.
  • Die albanische Regierung hat seitens des Teams bereits Empfehlungen zur Reorganisation des Nationalen Notfallsplanes erhalten.
  • Für Umweltschutzmaßnahmen in Gerdec (Vore) werden ca. 9,2 Millionen Euro benötigt.

Am 31. März 2008 erhielten der Innen- sowie der Verteidigungsminister Albaniens im Beisein des Resident Coordinators der Vereinten Nationen vom UNDAC-Teamleader ein erstes Feed-Back zu den Erkundungsergebnissen und Empfehlungen des Teams.

Am Folgetag präsentierte der Teamleader diese ersten Ergebnisse der Internationalen Gemeinschaft. Dabei anwesend waren die Botschafter Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, der Niederlande, Österreichs, Polens, Schwedens, der Schweiz, Spaniens, der Tschechischen Republik, Ungarns und der Vereinigten Staaten. Darüber hinaus nahmen u. a. auch Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Weltgesundheitsorganisation (WHO - World Health Organization), des Kinderhilfswerkes der Vereinten Nationen (UNICEF - United Nations International Children’s Emergency Fund), des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP - United Nations Development Programm), der Europäischen Union, der Internationalen Organisation für Migration (IOM), der Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung (USAID - United States Agency for International Development), der Weltbank und der US Army teil. Der Präsentation folgte ein Update der geplanten Spenden bzw. Vorhaben.

Am 3. April 2008 endete der erste Einsatz eines multinationalen UNDAC-Teams unter der Führung eines Österreichers. Am 7. April wurde der Endbericht, in den die Testergebnisse aus Genf bereits eingearbeitet sind, veröffentlicht. Er kann unter http://www.un.org.al/beta/ eingesehen werden.

-sgl-


"Schießpulver im Schubkarren ... Männer und Frauen aus den umliegenden Dörfern öffneten mit Schraubenziehern die Patronen ..." (Berliner Zeitung, 10. April 2008).

"Die direkte Verantwortung für die Katastrophe von Gerdec trägt die albanische Firma Alba Demil: Sie beschäftigte die Tagelöhner aus den Dörfern ringsum, ohne Training, ohne die elementarsten Sicherheitsvorkehrungen ..." (Frankfurter Rundschau, 11. April 2008).

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