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... aus Brüssel: Die NATO-PfP wird 15 und die NATO 60 - ein Ausblick

Das erfolgreichste Partnerschaftsmodell in Europa - die NATO-Partnerschaft für den Frieden, NATO-Partnership for Peace oder kurz NATO-PfP - entstand 1994. Sie hat seitdem Europa und dessen sicherheitspolitisches Umfeld deutlich verändert.

Der österreichische Beitritt zur EU und zur NATO-PfP erfolgte 1995. Zehn mittelost- und osteuropäische Staaten sind bereits NATO-Vollmitglieder, Albanien und Kroatien haben am 9. Juli 2008 die Beitrittsprotokolle unterfertigt. Im Jahr 2009 wird die NATO 60 Jahre alt - mit 28 Mitgliedstaaten und 22 NATO-PfP-Partnerländern.

An der NATO-PfP beteiligen sich mit diesen insgesamt fünfzig Staaten somit auch sämtliche OSZE-Staaten außer einigen europäischen Kleinststaaten und Zypern.

Durchaus gut positioniert

Die NATO hat sich längst vom reinen Verteidigungsbündnis zu einem maßgeblichen sicherheitspolitischen Akteur weiterentwickelt. Nicht zuletzt deshalb nutzen die großteils europäischen Mitgliedstaaten die NATO auch zur Erreichung ihrer jeweiligen sicherheitspolitischen Ziele. Die Fortentwicklung von Organisationen wie der NATO ist kein Selbstzweck, sondern vielmehr die Folge der Dynamik der Umbrüche nach 1990. Die Republik Österreich ist dabei als Mitglied in maßgeblichen internationalen Organisationen wie

  • den Vereinten Nationen,
  • der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE),
  • der Europäischen Union,
  • der Weltbank und
  • als Partner der NATO-PfP,
im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchaus gut positioniert. Sie steht als Kleinstaat jedenfalls nicht alleine, denn kein Staat kann sich den laufenden und künftigen sicherheitspolitischen Herausforderungen allein (entgegen) stellen bzw. diese allein bewältigen.

Der Staatengemeinschaft wird darüber hinaus zunehmend bewusst, dass Konfliktlösungen, Wiederaufbau, wirtschaftliche Prosperität und gesellschaftlicher Aufschwung nur durch das Zusammenwirken der Vereinten Nationen, der NATO, der OSZE, der Europäischen Union, der Weltbank, der Länder und Völker der von Krisen betroffenen Staaten sowie mittels koordinierter, stimmiger Beiträge von Nicht-Regierungs-Organisationen gelingen können. Naturgemäß muss dabei aber jede Organisation auch ihre Aufgaben wahrnehmen.

Es geht demnach nicht um eine Ausrichtung "entweder auf die NATO oder die EU", sondern um eine Ausrichtung "sowohl auf die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU als auch auf die der NATO" - unter Nutzung der Synergien, die sich durch eine bessere Zusammenarbeit beider ergeben.

Für diese Verbesserung der Beziehungen tritt Österreich ebenso ein, wie für die Fortentwicklung des Informationsaustausches im Rahmen des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrates (EAPC). Im Wissen um die Bedeutung dieses Informationsaustausches hat die NATO im Jänner 2008 die Richtlinien dafür vom "Need to know" zu einer "Responsibility to share" geändert.

Gleichzeitig mit den Organisationen müssen sich aber auch die Teilnehmernationen sowie deren Streitkräfte weiterentwickeln. Auch dabei gilt: Allein ist dies weder finanzierbar noch erreichbar.

Der Nutzwert für Österreich

Eine Vielzahl an NATO-PfP-Programmen kann den Partnerstaaten helfen, die für das internationale Krisenmanagement notwendige Interoperabilität heranzubilden und in der Folge weiterzuentwickeln. Der Nutzwert für Österreich liegt dabei im Erfahrungsaustausch sowie im Erhalt von Standards, die die NATO und ihre Mitgliedstaaten in sechs Jahrzehnten entwickelt haben. Diese Programme durchziehen

  • die gesamte Fähigkeits- und Streitkräfteentwicklung,
  • die Synergienutzung im Bereich der Forschung und Ausbildung und
  • die notwendigen Kooperationen in einem sich unaufhaltsam und vehement entwickelnden Rüstungsbereich.

Die Militärvertretung Brüssel mit ihren Abteilungen kann und soll dabei gewissermaßen als "Schnittstelle und Transponder" wirken und durch ihre Präsenz in den verschiedenen Gremien die Handlungsmöglichkeiten des Bundesministeriums für Landesverteidigung optimieren. Sie soll aber auch die Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit im internationalen Bereich feststellen und allenfalls schaffen.

Einer der dafür maßgeblichen Prozesse der NATO-PfP, an dem Österreich seit Jahren teilnimmt, ist der NATO-PfP Planning and Review Process (PARP). Hier beraten die Experten der Partnerländer - unterstützt von der entsprechenden Abteilung im Internationalen Stab des NATO-Headquarters - hinsichtlich der jeweiligen Streitkräfteplanung und können anhand des internationalen Vergleiches Schlüsse für notwendige und zweckmäßige Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeitsfähigkeit ziehen.

Weitere Schritte auf dem Weg zu interoperablen Streitkräften sind Evaluierungen im Rahmen des Operational Capabilities Concept. Hierbei wird anhand internationaler Standards festgestellt, welches Maß an Zusammenarbeitsfähigkeit bestimmte Organisationselemente konkret erreicht haben. Österreich beteiligt sich seit 1996 (begonnen mit einer Transportkompanie bei IFOR) - in einem mittlerweile bedeutenden Umfang - an NATO-Operationen unter UN-Mandat. Schon deshalb sollte Österreich Einfluss auf die Aktivitäten der NATO-PfP und jene Operationen nehmen können, an denen es beteiligt ist oder eine Beteiligung in Erwägung zieht.

Im Bereich der laufenden Operationen ist für die NATO - neben dem erfolgreichen Ausgang der unter einem Mandat der Vereinten Nationen laufenden Mission ISAF in Afghanistan - vor allem das Erreichen einer langfristig tragfähigen Lösung für das Kosovo wesentlich. Wichtig sind darüber hinaus positive, international anerkannte Ergebnisse der NATO-Trainingsmission im Irak (nicht zu verwechseln mit dem U.S.-Engagement im Irak, dessen UN-Mandat Ende 2008 ausläuft) und die NATO-Operation "ACTIVE ENDEAVOUR" als Gradmesser der Effizienz aber auch der Legitimität des Handelns der NATO.

Neben den laufenden Operationen ist die Weiterentwicklung und die zusätzliche Optimierung der NATO Response Force (NRF) ein Kernpunkt. Der Zugang zur NRF steht seit 2006 auch NATO-PfP-Partnernationen offen und ihr Zustand ist gleichsam ein Gradmesser der Fähigkeit der NATO und ihrer Partner zur Erstbewältigung von Krisen mit verheerendem Ausmaß. Die NRF ist dabei gewissermaßen als "großer Bruder" der EU-Battlegroups zu sehen.

Treffen und Konferenzen

Die NATO ist in ihrer jetzigen Struktur für die beschriebenen Herausforderungen nicht idealtypisch (weil zu statisch) organisiert und eine NATO ohne ihre Partner bereits eine Denkunmöglichkeit! Deshalb wird auch mehrfach bewusst von einer PfP-NATO gesprochen, obwohl diese Bezeichnung in Programmen wie etwa der Istanbul Cooperation Initiative, dem Mediterranean Dialogue (der durch die Gründung der Mittelmeerunion am 13. Juli 2008 in Paris neue Impulse erhalten hat) oder den Contact Countries noch nicht aufscheint.

Der Euro-Atlantische Partnerschaftsrat bildet den politischen Rahmen der Zusammenarbeit in der NATO-PfP. Die Außen- und Verteidigungsminister der Partner treffen einander jährlich mindestens einmal zu Konsultationen. (Entscheidungen für die NATO können jedoch nur NATO-Mitgliedsländer treffen; Anm.) Zumeist werden diese Treffen zeitlich mit den jeweiligen Treffen im EU-Rahmen abgeglichen. (Bei diesen ist auch Österreich mit entscheidungsbefugt.) Man nennt diese Doppeltreffen im diplomatischen Sprachgebrauch "Back to back"-Treffen.

In deren Vor- und Nachbereitung bringen die jeweiligen Ministerien (insbesondere das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten und das Bundesministerium für Landesverteidigung) ihre Vorhaben und Entscheidungen ein und setzen diese in der Folge um. Die Minister und ihre Beraterstäbe sind in diesen Phasen besonders gefordert.

Ähnlich ist die Vorgangsweise im Bereich der halbjährlichen, den Treffen der Außen- und Verteidigungsminister jeweils zeitlich vorgestaffelten, Treffen der Chefs der Generalstäbe (Meeting of NATO and Partner Chiefs of Defence) im NATO-Headquarters und im EU-Militärstab.

Auch die Botschafter der Partnerländer, als ständige Vertreter der entsendenden Nationen, treffen sich (mindestens) allmonatlich mit den Botschaftern der NATO-Mitgliedstaaten.

Um strategisch handeln zu können, muss Österreich mögliche Szenarien eines internationalen Einschreitens bei Krisen laufend prüfen und sich für Österreich abzeichnende Beteiligungen an Einsätzen möglichst frühzeitig erkennen. Die Zentralstelle des Bundesministeriums für Landesverteidigung ist im Zuge der nationalen Entscheidungsfindung das militärstrategische Beurteilungs-, Beratungs- und Planungsinstrument, das Bundesheer das notwendige operative Element.

Gefragt: Interoperabilität

Die Mitgliedschaft bei sowie die aktive Mitgestaltung der Arbeit in maßgeblichen internationalen Organisationen ermöglicht einen Zugang zu und einen Austausch von Informationen, Standards und Testeinrichtungen. Das vergrößert in weiterer Folge die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit sowie zur Mitgestaltung und erhöht damit die eigene nationale Handlungsfreiheit.

Die Geschwindigkeit der Herstellung der Interoperabilität bestimmt aber jede Nation für sich. Der jeweils erreichte Grad der Zusammenarbeitsfähigkeit hat jedoch Auswirkungen auf die gesamte Organisation sowie auf den Erfolg ihrer Missionen. Deshalb haben die NATO und der EU-Militärstab ein vitales Interesse an zeitgemäßen militärischen Fähigkeiten der Mitgliedstaaten.

Aus der jahrzehntelangen Erfahrung in Krisengebieten und der weiteren Dynamisierung der Sicherheitspolitik ist für Österreich eines mit Sicherheit ableitbar: Langfristige Erfolge bei der Begegnung aktueller und künftiger Herausforderungen sind nur mit umfassenden Ansätzen möglich.

Sämtliche internationale Organisationen unternehmen ebenfalls große Anstrengungen, um die dazu notwendigen organisationsübergreifenden Koordinationsmöglichkeiten zu entwickeln bzw. zu verbessern.

Um Konflikte zu lösen, sind künftig Gesamtpakete von Maßnahmen zu planen und umzusetzen. Und deren Phasen und Ressourceneinsatz - einschließlich Art und Umfang der militärischen Präsenz in den Einsatzräumen - sollte einer stetigen Evaluierung und einem Lessons Learned-Prozess unterliegen.

Autorenteam Militärvertretung Brüssel/NATO-Abteilung

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