Der Konflikt im Jemen: Aktuelle sicherheitspolitische Forschung
Islamwissenschafter und Forscher Oberst Stephan Reiner ist am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (IFK) an der Landesverteidigungsakademie tätig. Er beschäftigt sich im Rahmen der angewandten Konfliktforschung mit dem Konflikt im Jemen. Das Verteidigungsministerium beurteilt aktuell eine mögliche Missionsbeteiligung des Österreichischen Bundesheeres. Um die sicherheitspolitische Entscheidungsfindung zu unterstützen, ist das Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement mit seiner Konfliktanalyse in die laufenden Beurteilungsschritte eingebunden.
Ein Land im Bürgerkrieg
Der krisengeschüttelte Staat auf der Arabischen Halbinsel ist seit 2014 in einem Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung gefangen. Die schlechte humanitäre Lage veranlasste die UNO vor knapp zwei Jahren eine Hilfsmission ins Leben zu rufen, um die größte Not zu lindern. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung, rund 16 Millionen Menschen, sind unmittelbar von Hunger und Unterernährung betroffen.
Wie Konfliktforschung funktioniert
Zu Beginn der Konfliktanalyse werden die grundlegenden Fragen aufgeworfen: Welche Konfliktparteien gibt es? Welche dieser Konfliktparteien agiert aktiv im Konflikt und welchen Zweck verfolgt sie damit? Wie groß ist die ausländische Einflussnahme, wer wird dabei beeinflusst und welche Auswirkungen hat dies auf die Fortdauer des Konfliktes? Schließlich wird die Frage nach der Reaktion der Internationalen Gemeinschaft sowie ausgewählter regionaler Akteure gestellt.
Konfliktanalyse für den Jemen
Im Fokus der Konfliktforschung steht die Position der beiden Hauptträger. Auf der einen Seite die der fünferschiitischen Entität der Houthis, einer Konföderation mehrerer Stämme im Norden des Landes unter Führung einer weitverzweigten Familie. Ihr gegenüber steht auf Seiten der Übergangsregierung im Süden des Landes eine saudi-arabisch geführte militärische Koalition. Das Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement legt auch Augenmerk auf die einzelnen politischen Positionen der lokalen Stämme und ihre damit in Verbindung stehende Rolle innerhalb der regulären Streitkräfte. Die unterschiedlichen Stammesmitglieder besetzen in den Streitkräften unterschiedliche Positionen mit teils diametralen Interessenslagen.
Zusätzlich müssen Aktivitäten einzelner Protagonisten der jemenitischen Innenpolitik in der laufenden Konfliktanalyse berücksichtigt werden. Die Forscher richten auf regionalpolitischer Ebene ihr Augenmerk auf Aktivitäten der politischen Führung in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Saudi-Arabien und der Islamischen Republik Iran. Die Positionen der USA, Russlands und China fließen ergänzend in die Analyse für das Bundesministerium für Landesverteidigung ein.
Der Jemenkonflikt ist nicht nur eine innerarabische Angelegenheit, sondern hat auch Auswirkungen auf die maritime Sicherheitslage. Dieses Faktum berührt auch Europas Wirtschaft, weil die Meerenge zum Roten Meer für die Warenströme und damit den Handel nach Europa essenziell ist.
Bei ihren Analysen stehen die Forscher in regelmäßigen Expertenaustausch auf internationaler Ebene. Ihre Tätigkeit erfolgt als qualifizierte Beitragsleistung für die strategische Sicherheit der Republik.