Militärpolitik: Die Bedeutung des ÖBH in der internationalen Verteidigungspolitik
Im letzten Beitrag in diesem Jahr verdienen jene Gebiete besonderes Augenmerk, in denen das Österreichische Bundesheer im Einsatz steht oder bald stehen wird: Der geplante österreichische Beitrag zu einer möglichen EU-Operation im Tschad ist ein deutliches und willkommenes Signal, um die Afrika-Schwerpunktaktivitäten der EU und der Vereinten Nationen zu unterstützen. Für Österreich würde diese Beteiligung einen Quantensprung in der Erfahrung und einer sichtbaren internationalen Präsenz bedeuten.
Eine deutliche Verhärtung der Situation im Kosovo ist bisher ausgeblieben, ebenso wie unmittelbare Auswirkungen auf andere Teile des Balkan-Raumes. In der Status-Frage des Kosovo sind die wesentlichen Hürden aber noch zu überwinden, und die militärischen Kräfte müssen daher wachsam bleiben. In deutlich abgeschwächtem Maß gilt das auch für Bosnien und Herzegowina.
Die Lage im Nahen Osten hat sich vor allem im Libanon problematisch entwickelt. Eine unmittelbare Auswirkung auf die österreichische Präsenz ist derzeit aber nicht gegeben.
Die Lage in Afghanistan hat sich ebenfalls kritisch entwickelt, so dass mittelfristig eine Reduzierung der internationalen militärischen Präsenz nicht zielführend wäre - jedenfalls, wenn die bisherigen strategischen Ziele aufrechterhalten werden sollten. Dazu kommt die schwierige Lage in Pakistan, welche den Handlungsspielraum der Taliban vergrößert.
Die weitere Entwicklung in Afghanistan, vor allem bei ISAF, hat für Österreich eine größere Bedeutung, als dies aus der geringen Stärke der österreichischen Präsenz in dieser Operation erkennbar wäre: 2007 ist eine EU-Polizeimission angelaufen, welche die Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft in einem der schwierigsten Bereiche der Stabilisierung unterstützen soll. Der Beitrag der EU ist Ausdruck dafür, dass die Stabilität in Afghanistan eine weit über das Militärische hinausgehende Anstrengung erfordert. Der umfangreiche Beitrag europäischer Staaten zu ISAF zeigt, dass die Sorge um die Entwicklung in Afghanistan auch in Europa ein wesentlicher Faktor der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist. Die Mitwirkung Österreichs an ISAF ermöglicht - neben dem Erfahrungsgewinn in den besetzten Funktionen - einen Zugang zu Informationen, die für die Weiterentwicklung des Bundesheeres und für die Sicherheit Österreichs wesentlich sind.
Es ist auch für Österreich bedeutsam, ob die NATO als Leitorganisation für ISAF in Afghanistan erfolgreich ist oder nicht. Denn die NATO ist und bleibt auf absehbare Zukunft ein wesentlicher Bestandteil der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa und steht in enger Verknüpfung mit den Sicherheitsaspekten der EU. Zudem ist die NATO derzeit auch der wesentlichste Pfeiler der internationalen militärischen Präsenz auf dem Balkan, dessen Stabilität wiederum im Zentrum der strategischen Interessen Österreichs steht. Die Rolle der EU in diesem Raum wird durch die NATO nicht geschmälert, sie wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken. Es sollte allerdings allen bewusst sein, dass Misserfolge der NATO in anderen Operationsräumen auch auf die Glaubwürdigkeit dieser Allianz auf dem Balkan zurückschlagen können. Aus dieser komplexen Überlegung ist der Erfolg oder Misserfolg der NATO in Afghanistan auch ein Element der österreichischen Sicherheitspolitik.
Bundesheer most welcome
Insgesamt fällt bei allen Operationen auf, dass die Beiträge des Österreichischen Bundesheeres in hohem Maße willkommen sind und vor allem die Qualität der österreichischen Soldaten und Soldatinnen allgemein anerkannt wird. Ob es sich um Personal in internationalen Stäben oder um Truppen handelt, das Echo ist immer positiv. Die Ausbildung und die Menschenführung im Bundesheer bringen einen Typ von universell einsetzbarem Militärpersonal hervor, der sich sehr gut für ein breites Einsatzspektrum eignet. Der Anteil der Miliz an diesem fachlich breiten Spektrum sollte nie unterschätzt werden.
Mit diesem Personal hat Österreich auch für die Zukunft eine verlässliche Stärke. Die Schwierigkeiten und Risiken der Einsätze werden in Zukunft weiter zunehmen, was auch neue Herausforderungen bezüglich der Ausbildung und Ausrüstung mit sich bringt. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht die Beteiligung des Bundesheeres an den EU Battle Groups. Die manchmal als martialisch empfundene Bezeichnung "Battle Groups" sollte nicht den Blick dafür verstellen, dass es sich dabei um ein wesentliches Projekt zur Verbesserung des gemeinsamen politischen Agierens der EU handelt. Für das Bundesheer bleibt es eine Herausforderung, die Präsenz in internationalen Einsätzen aufrechtzuerhalten und parallel dazu die für eine Beteiligung an rasch verfügbaren EU-Einsatzverbänden notwendige Entwicklung von Fähigkeiten weiter zu betreiben.
Autor: Generalmajor Wolfgang Wosolsobe