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Das europäische Sicherheits- und Verteidigungssystem und seine Akteure

10. Auflage

Dokumenttyp:

Periodikum der Landesverteidigungsakademie

Erscheinungsdatum:

Juni 2024

Herausgeber:

 Republik Österreich BMLV

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Vorwort

Gemäß Erlass des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 5. November 2002, Zl. 3.540/36-03/02, wird das vorliegende Unterrichtsmaterial zum Thema „Das europäische Sicherheits- und Verteidigungssystem und seine Akteure“ seit 2004 mit dem Ziel erstellt, die sicherheitspolitische Ausbildung für den militärischen und schulischen Bereich durch die Bereitstellung von Lehrunterlagen zu genanntem Thema zu intensivieren. Diese Informationen sollen auch für Interessierte als Nachschlagewerk zur Verfügung stehen.

Seit dem NATO-Gipfel von Madrid 1997, der Aufnahme der „Petersberg-Aufgaben“ in den Europäischen Unionsvertrag in der Fassung des Vertrags von Amsterdam im selben Jahr und der Institutionalisierung von zivil-militärischen Strukturen innerhalb der Europäischen Union ab 2001 hat sich die europäische Sicherheitsarchitektur wesentlich und umfassend verändert.

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben verdeutlicht, dass nicht nur von Staaten Bedrohungen ausgehen können, sondern gerade von nichtstaatlichen Akteuren. Heute gilt es, nicht nur sogenannten „neuen Bedrohungen“ wie die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägersysteme, Terrorismus und der organisierten Kriminalität, Cyber-Kriminalität sowie auch dem Klimawandel wirksam entgegenzuwirken. Kriege in Europa (seit 24.

Februar 2022 offener militärischer Krieg Russlands gegen die Ukraine) und im Nahen Osten (Angriff der Hamas auf Israel am 7.

Oktober 2023 und darauffolgender Angriff Israels auf Gaza) sind nun wieder Realität geworden. In beiden Kriegen stehen auch geopolitische Machtinteressen – in der Ukraine zwischen USA/EU und Russland, im Nahen Osten zwischen Israel/USA und dem Iran im Vordergrund. Es besteht eine ernstzunehmende Krise der internationalen Beziehungen und der globalen Sicherheitsarchitektur. Russlands Außenminister Sergej Lawrow betonte am 30. November 2023 beim OSZE-Gipfel der Außenminister in Skopje, in den Bereichen Sicherheit und Zusammenarbeit hätte man sich so weit von einander entfernt wie noch nie zuvor: Die OSZE stehe demnach „am Rande des Abgrunds.“ Aus diesem Grund, so Lawrow, stellt sich die Frage: „Hat es Sinn, Anstrengungen in ihre Wiederbelebung zu investieren?“ Zudem haben sich auch die Risiken für einen nuklearen Konfl ikt bedeutend erhöht.

Im November 2023 hatte Russlands Präsident Vladimir Putin die Ratifi zierung des weltweiten Vertrags über das Verbot von Atomwaffentests zurückgezogen. Internationale Rechtsnormen werden zunehmend in Frage gestellt. Wir leben in Zeiten unkontrollierter Aufrüstung. Zudem nehmen hybride Methoden der Kriegführung zu. Offene demokratische Gesellschaften erweisen sich in diesem Zusammenhang besonders verwundbar. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán forderte im Februar 2024 zudem eine Abschaffung der Direktwahl zum Europäischen Parlament. Damit wurden auch seitens der ungarischen Regierung demokratische Grundnormen in der EU offen hinterfragt.

Zum selben Zeitpunkt drohte Donald J. Trump, dass im Falle einer Wiederwahl zum US-Präsidenten im November 2024 Russland dazu eingeladen werden würde, gegen jene NATO-Staaten und somit eigene Verbündete vorzugehen, die zu wenig Geld für die kollektive Verteidigung der NATO ausgeben.

Russland könnte in diesem Fall „do whatever the hell they want“. So würde für diese Staaten der bisher garantierte nukleare US-Schutzschirm nicht mehr gelten. Der innere Zusammenhalt in der NATO wäre dadurch nicht nur gefährdet, sondern die Existenz des Bündnisses an sich, sofern sich eine US-Regierung nicht mehr zur Verteidigung von europäischen NATO-Staaten bekennen würde.

Neue Waffentechnologien machten Abrüstungs- bzw. Rüstungskontrollsysteme, die auf älteren Waffentechnologien aufgebaut waren, obsolet und wurden deshalb von den USA und Russland aufgekündigt.

Hyperschallraketen wie die russische 3K22 Zirkon, welche die achtfache Schallgeschwin- digkeit erreichen, könnten von derzeitigen Luftabwehrsystemen nicht mehr abgefangen werden. Weiters ist eine Militarisierung des Weltraums mit Antisatellitenwaffen in Vorbereitung, diese können im Orbit Ziele wie etwa gegnerische Satelliten angreifen.

Eine nukleare Militarisierung des Weltraums bleibt nicht ausgeschlossen.

Hybride Kriegführung kann die Einflussnahme auf die politische Willensbildung, Diplomatie, Wirtschaft und Kultur, jedoch ebenso Dimensionen der Psychologie, Legitimität und Moral umfassen. Krieg ist zwar an sich hybrid, jedoch exisitiert auch eine spezifi sch hybride Art der Kriegführung.

Die vorliegende Publikation gibt einen möglichst umfassenden Überblick über diese bedeutenden Thematiken. Sie soll als Leitfaden dienen sowie die Zusammenhänge in der europäischen Sicherheitsarchitektur erklären und verdeutlichen, insbesondere jene sicherheitspolitischen Kooperationen, die grundsätzlich Stabilität und Frieden durch das Zusammenwirken der in diesem Kontext relevanten Organisationen in Europa – UNO, NATO, EU und OSZE – ermöglichen sollen. In der Folge wird der Stellenwert der Neutralität und Bündnisfreiheit sowie deren Interpretationen in Irland, Malta, Österreich, in der Schweiz sowie in Zypern erläutert und diskutiert.

Mit diesem vorliegenden Lehrbehelf beabsichtigt das Bundesministerium für Landesverteidigung eine Basis zu schaffen, um die Diskussion über diese unsere Sicherheit betreffenden Themenfelder beim Bundesheer sowie in der Öffentlichkeit zu vertiefen.

Für die grafi sche Erstellung des Lehrbehelfs wird Herrn Christoph Zwierschitz ausdrücklich gedankt.

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