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Von segmentierter zu vernetzter Sicherheitspolitik in der EU der 25

von Heiko Borchert/Reinhardt Rummel

Kurzfassung

◄ Die Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) bietet für die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) neue Entwicklungsperspektiven, damit diese fortan die drei Funktionen - Auf- und Ausbau adäquater sicherheitspolitischer Fähigkeiten, um die neuen Sicherheitsherausforderungen meistern zu können; - Beitrag zur Stabilisierung von Krisenregionen mit zivilen und militärischen Operationen; und - Einleitung der Umstellung von der segmentierten zur vernetzten Sicherheitspolitik erfüllen kann. Diese Neugestaltung der Sicherheitssektoren und damit letztlich der gesamten sicherheitspolitischen Ausrichtung der Union überwindet das dichotome militärisch-zivile Verständnis von Sicherheitspolitik aus der Anfangsphase des Aufbaus der ESVP und geht über das Nebeneinander von militärischen und zivilen Denkkategorien und Handlungsmustern hinaus, um adäquate Antworten auf die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen geben zu können.

Es geht nicht nur um die parallele Verfügung über militärische und zivile Interventionsmittel, sondern um ihren verbundenen Einsatz, der nur durch die Umstellung vom segmentierten zum vernetzten Verständnis sicherheitspolitischer Konzepte, Fähigkeiten, Kräfte und Instrumente sicherzustellen ist. Dieser sicherheitsstrategische Wandel ergibt sich zum einen aus dem neuen Konfliktbild, zum zweiten aus dem daran angepassten Operationsbild, wobei die Grenzen zwischen militärisch und zivil garantierter Sicherheit fließend sind, und drittens aus der Notwendigkeit, politische Kohärenz unter den Vorzeichen der gleichzeitigen Vertiefung und Erweiterung der europäischen Integration zu gewährleisten.

Eine vernetzte Sicherheitspolitik für die EU wird nicht nur von der Natur der Bedrohung, sondern auch durch dynamische Schritte im Unionsbildungsprozess nahe gelegt. Die Erweiterung der EU ebenso wie ihre Vertiefung erhöhen die Anforderungen an eine konsistente Politikvorbereitung und -umsetzung. Für die ESVP heißt das, militärische und zivile Sicherheit in einem gemeinsamen Kontext zu behandeln. Abgesehen von der Philosophie der "netzwerkzentrierten Kriegführung" wird das Konzept der Vernetzung in der Sicherheitspolitik bisher nicht explizit angewandt. Der Übergang zur vernetzten Sicherheitspolitik erfordert substanzielle Anpassungen in den drei zentralen Bereichen der Gestaltung der Sicherheitspolitik (Strategieentwicklung, Planung, Umsetzung, Wirkungsüberprüfung), der Fähigkeitsorientierung (Identifizierung, Bereitstellung und Weiterentwicklung gemeinsamer Fähigkeiten) sowie der Verbesserung der Zusammenarbeitsfähigkeit der involvierten Sicherheitskräfte (Risikobeurteilung, Nachrichtenbeschaffung, Entwicklung von Standards, Kooperation mit der Wirtschaft).

Für die Zukunft ist ein Sicherheitsansatz erforderlich, der über die scharfe Trennung zwischen der militärischen, polizeilichen oder zivilen Einsatzoption hinausgeht und ein neues Einsatzspektrum mit fließenden Übergängen zwischen der Verwendung der einzelnen Sicherheitskräfte ermöglicht. Trotz bestehender Schwächen stellt dabei die ESVP im Kern die richtige Antwort auf diese Herausforderung dar. Die skizzierte Reform des Sicherheitssektors liegt im Interesse der EU-25, weil sie substanzielle Beiträge zur Umsetzung der strategischen Ziele der ESS, der Ausdehnung der Stabilitätszone und der Stärkung der internationalen Ordnung leistet Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass der europäische Ansatz der Vernetzung der militärischen mit den nicht-militärischen Fähigkeiten gerade im Bereich der Stabilisierungsaufgaben eine transatlantische Annäherung ermöglicht, die der Entwicklung der Fähigkeitsbereiche auf beiden Seiten des Atlantiks sowie gemeinsam in abgestimmter Weise dienlich sein kann. ►


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Von segmentierter zu vernetzter Sicherheitspolitik in der EU der 25

Die Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) eröffnet eine neue Entwicklungsperspektive für die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), die fortan drei Funktionen erfüllt: Erstens unterstützt sie den Auf- und Ausbau adäquater sicherheitspolitischer Fähigkeiten, um die neuen Sicherheitsherausforderungen meistern zu können. Zweitens trägt sie zur Stabilisierung von Krisenregionen mit zivilen und militärischen Operationen bei und drittens leitet sie die Umstellung von der segmentierten zur vernetzten Sicherheitspolitik ein, das heißt, sie fördert die Neugestaltung der Sicherheitssektoren und damit letztlich der gesamten sicherheitspolitischen Ausrichtung der Union. Diese dritte Leistung des ESVP-Projekts wurde bisher weitgehend vernachlässigt, stellt jedoch langfristig den wichtigsten Beitrag zur strukturellen Prävention und damit zu Frieden und Stabilität dar.

Mit der Erklärung von St. Malo war der Startschuss für eine europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wie sie dann auf den Gipfeltreffen von Köln, Helsinki und Feira entworfen worden ist, gefallen. Inzwischen sind die Konturen dieses noch jungen Politikbereichs durch eine Reihe von Innovationen geschärft: durch den Aufbau neuer sicherheitspolitischer und militärischer Institutionen in Brüssel, die EU-geführten Missionen in Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und im Kongo, die Errichtung eines EU-Amts für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten, die Erarbeitung einer ESS sowie durch die Entwicklungsperspektiven des Verfassungsvertrages. Zunehmend zeichnet sich ein sicherheitspolitischer Ansatz ab, der inhaltlich breit sowie auf nachhaltige Stabilisierung ausgelegt ist und deshalb auf militärischen und zivilen (politischen, wirtschaftlichen) Fähigkeiten der Gefahrenabwehr und Konfliktbearbeitung beruht.

Allerdings sind die bisherigen Bemühungen von einer noch immer überwiegend traditionellen Herangehensweise an die Sicherheitspolitik geprägt, denn der militärische und der zivile Bereich werden nach wie vor getrennt gehalten. Auf der einen Seite werden mit Hilfe spezifischer Einsatzszenarien Fähigkeitsziele und Anforderungen an den Aufbau einer militärischen Schnelleingreifkraft definiert.(Fußnote 1/FN1) Diese soll die Europäer in die Lage versetzen, in jenen Situationen handlungsfähig zu sein, in denen sich die NATO als Ganzes nicht engagieren will. Gleichzeitig steht dahinter auch die Absicht, durch den Ausbau der militärischen Fähigkeiten als Gesprächs- und Kooperationspartner Washingtons ernst genommen zu werden. Auf der anderen Seite haben sich die EU-Staaten dazu verpflichtet, die zivilen Fähigkeiten der EU durch den Aufbau entsprechender Kapazitäten in den Bereichen Polizei, Rechtsstaatlichkeit, Verwaltungsmodernisierung und Zivilschutz zu stärken. Zu diesem Zweck wird ein dem militärischen Vorgehen analoges Verfahren gewählt, indem Fähigkeitsziele definiert und nationale Beiträge eingefordert werden.(FN2) Kurzfristig mag dieses dichotome militärisch-zivile Verständnis von Sicherheitspolitik für die ersten Schritte zum Aufbau der ESVP richtig gewesen sein. Langfristig reicht es indessen nicht aus. Um adäquate Antworten auf die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen geben zu können, muss über das Nebeneinander von militärischen und zivilen Denkkategorien und Handlungsmustern hinausgegangen werden. Gefordert ist nicht nur die parallele Verfügung über militärische und zivile Interventionsmittel, sondern ihr verbundener Einsatz. Das läuft auf die Umstellung vom segmentierten zum vernetzten Verständnis sicherheitspolitischer Konzepte, Fähigkeiten, Kräfte und Instrumente hinaus. Die Grenzen zwischen militärisch und nicht-militärisch - und damit implizit auch zwischen "Militärmacht" und "Zivilmacht" - wären schrittweise zu überwinden, um die traditionell getrennten Sicherheitsbereiche stärker aufeinander abstimmen und besser miteinander verbinden zu können.(FN3) Dieser sicherheitsstrategische Wandel, der sich die Logik und die Handlungsgewinne der Vernetzung zunutze macht, ergibt sich zum einen aus dem neuen Konfliktbild, zum zweiten aus dem daran angepassten Operationsbild, wobei die Grenzen zwischen militärisch und zivil garantierter Sicherheit fließend sind und drittens wird die Reform des EU-Sicherheitsbereichs auch aus der Notwendigkeit heraus betrieben, politische Kohärenz unter den Vorzeichen der gleichzeitigen Vertiefung und Erweiterung der europäischen Integration zu gewährleisten. Für die Aufgaben der Krisenprävention, des Krisenmanagements und der Krisennachbearbeitung verfügt die EU über ein eindrückliches Spektrum von Instrumenten. Javier Solana hat deshalb zu Recht darauf hingewiesen, dass die große Herausforderung in der effektiven Abstimmung dieser Instrumente liegt.(FN4) Im vorliegenden Artikel soll dieser Koordinationsaspekt vor allem mit Blick auf das Verhältnis zwischen Militär und Polizei analysiert werden, während hinsichtlich der Schnittstelle zu den übrigen zivilen Politikfeldern (wie der Außenwirtschafts- oder der Entwicklungspolitik) auf die einschlägigen Analysen verwiesen wird.(FN5)

Neues Konfliktbild

Die ESS stellt zu Recht fest, dass sich das Konfliktbild des 21. Jahrhunderts grundlegend von demjenigen der Vergangenheit unterscheidet. Aber eigentlich sind es nicht die neuen Gefährdungsformen (Massenvernichtungswaffen, internationaler Terrorismus, ethnische Konflikte), die die heutige Sicherheitslage entscheidend charakterisieren, sondern es ist die Veränderung der Kontrahenten, nämlich der Strukturwandel der Feindschaft, was auch als asymmetrische Bedrohung bezeichnet wird. Verantwortlich dafür sind im Wesentlichen die Erosion des staatlichen Gewaltmonopols, die Privatisierung der Gewalt - einschließlich des Missbrauchs staatlicher Gewaltmittel für private Zwecke der Regierenden - sowie der damit einhergehende Bedeutungsgewinn nicht-staatlicher Gewaltakteure.

Ein Teil der Ursachen des nach 1990 festzustellenden Trends des Staatenzerfalls bzw. des Verlusts des staatlichen Gewaltmonopols geht auf strukturelle Merkmale der internationalen Ordnung des Kalten Kriegs zurück. Das internationale System hat in einigen Regionen der Welt sehr fragile Staaten hervorgebracht. Diese waren und sind in Afrika und in Teilen Asiens sowie Lateinamerikas in erheblichem Maß vom Export weniger Rohstoffe und von der externen Entwicklungshilfe abhängig. Sie verfügen daneben kaum über andere Einnahmequellen, was sie äußerst anfällig für wirtschaftliche und finanzielle Schwankungen macht, ihre staatliche Autorität schwächt und Verteilungskämpfe auslöst. In den vormals kommunistischen Ländern Europas waren multiethnische Staaten unter dem Druck des Ost-West-Gegensatzes zusammengehalten worden, ohne dass ernsthafte Bemühungen zum Ausgleich zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen unternommen worden wären. Das Ende des Kalten Krieges führte in diesen Regionen häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um Vorteile und Rechte einzelner Ethnien und sozialer Gruppen. Der Rückgang der internationalen Entwicklungshilfe von 60 Mrd. USD (1992) auf gut 53 Mrd. USD (2000)(FN6) und der Zerfall der Weltmarktpreise für die exportierten Rohstoffe haben vor allem die Länder Afrikas doppelt hart getroffen. Durch das Versiegen der Staatseinnahmen (in einigen Fällen auch durch illegale Bereicherung der Regierenden) war die öffentliche Hand nicht mehr in der Lage, zentrale Funktionen - innere Sicherheit und Ordnung schaffen, Gesundheit und Bildung gewährleisten, Infrastruktur bereitstellen - zu erbringen. Den drohenden Legitimationsverlust wollte die führende Klasse meist über die Befriedigung partikularer Interessen abwenden. Die damit einhergehende "Ethnisierung" der Politik setzte jedoch einen Teufelskreis in Gang, der oftmals im Bürgerkrieg endete.(FN7) Ein vergleichbarer Prozess der Ethnisierung fand nach 1990 auch auf dem Balkan statt. Dort resultierten die kriegerischen Auseinandersetzungen vor allem aus dem Fehlen tragfähiger institutioneller Strukturen, die es erlaubt hätten, die ethnischen Spannungen durch regelorientierte und damit friedfertige Maßnahmen zu lösen. Krieg erschien den Beteiligten als geeignetes Mittel zur Identitätsstiftung und zum Aufbau ethnisch begründeter Kleinstaaten.(FN8) Heute ist die Lage dadurch charakterisiert, dass an die Stelle des staatlichen Gewaltmonopols in den zerfallenden Staaten die Privatisierung der Gewalt tritt, meist in der Form des Bedeutungszuwachses nicht-staatlicher Gewaltakteure (lokale Kriegsfürsten, Rebellen, terroristische Gruppierungen) oder privater Militär- und Sicherheitsunternehmen, die ihre Dienstleistungen am Markt anbieten.(FN9) Diese Akteure sind insgesamt nur schwierig zu kontrollieren und profitieren wirtschaftlich von Unruhe und Gewalt. Weil die Anwendung von Gewalt in diesem Umfeld rational und wirtschaftlich vorteilhaft ist, entstehen eigentliche "Bürgerkriegsökonomien",(FN10) die über die wirtschaftliche Globalisierung direkt mit den "Friedensökonomien" verknüpft sind und für diese auf Dauer ein Stabilitäts- und Sicherheitsrisiko darstellen.(FN11) Der Bedeutungsgewinn der nicht-staatlichen Gewaltakteure verändert das Konfliktbild nachhaltig. Christopher Daase stellt in seiner Untersuchung des Phänomens der "kleinen Kriege" eindrücklich dar, dass der Übergang von der symmetrischen Konfliktstruktur, in der sich staatliche Akteure gegenüberstehen, zur asymmetrischen Konfliktstruktur, in der staatliche auf nicht-staatliche Kontrahenten treffen, zu unkonventionellen "Kriegen" führt, die zeitlich und räumlich entgrenzt sind. Gerade weil die nicht-staatlichen Gewaltakteure im klassischen Kriegsvölkerrecht nur eine untergeordnete Rolle spielen, finden solche "kleinen Kriege" jenseits der etablierten Rechtsnormen statt, tragen zur Erosion bzw. Relativierung des Kriegsvölkerrechts bei und verändern letztlich das Wesen der Staatlichkeit: Akzeptiert der staatliche Akteur in der Auseinandersetzung mit dem nicht-staatlichen Gewaltakteur den Regelbruch, setzt er seine eigene politische Legitimität aufs Spiel - ein Prozess, der sich im Rahmen des internationalen Kampfs gegen den Terrorismus bereits abzeichnet.(FN12) In einer Welt, in der sich die Bedrohung nicht vorwiegend aus den Waffen eines feindlichen Staates ableitet, sondern vor allem eine Folge der Rechtlosigkeit, der organisierten Kriminalität, massiver Menschenrechtsverletzungen sowie der ökonomischen, politischen und religiösen Erniedrigung gesellschaftlicher Gruppen ist, werden militärische Instrumente allein oder zivile Gegenmaßnahmen für sich, wie sie in der ESVP in Reserve gehalten werden, nicht weit tragen. Die Natur dieser sicherheitspolitischen Aufgaben verlangt nach der Einbindung aller Interventionskapazitäten in einen übergreifenden und koordinierenden Handlungsrahmen sowie einer Vernetzung aller beteiligten sicherheitspolitischen Akteure.

Neues Operationsbild

Druck zur Überwindung der segmentierten Sicherheitspolitik baut sich auch auf der operativen Ebene auf. Das Konfliktbild der "kleinen Kriege" lässt ein "neues Sicherheitsdilemma"(FN13) entstehen, für dessen Überwindung bisher noch keine Erfolg versprechenden Maßnahmen entwickelt worden sind. Die seit 1990 durchgeführten internationalen Militäroperationen verdeutlichen, dass es zu einer zunehmenden Verschiebung der Schwergewichte an der Schnittstelle zwischen der militärischen und der polizeilichen Gewährleistung von Sicherheit kommt. In Vorkriegs- und Nachkriegssituationen ist der Trend eindeutig: Der Fokus im Rahmen der internationalen Stabilisierungsoperationen verschiebt sich immer mehr in Richtung von Polizeiaufgaben. Wie bedeutend die polizeilichen Fähigkeiten - oder ihr Fehlen - sind, haben die Schwierigkeiten der USA und Großbritanniens im Irak nach dem offiziellen Ende des Krieges deutlich gemacht. Der "Miles protector",(FN14) der neben seinem eigentlichen Kampfauftrag immer mehr auch einen Schutzauftrag übernehmen muss, gerät dadurch allerdings in einen spannungsgeladenen Prozess der Konstabularisierung, der mit widersprüchlichen Konsequenzen für die Organisationsform, den Organisationsgrad und die Differenzierung der Aufgaben verbunden ist.(FN15) Die Fähigkeiten der militärischen wie der polizeilichen Spezialkräfte müssen also qualitativ verbessert und für ein arbeitsteiliges Handeln vorbereitet werden.

Die Aufhebung klarer Grenzen zwischen militärischen und polizeilichen Aufgaben sowie zwischen symmetrischer und asymmetrischer Kriegführung ist aber nicht nur die Folge des neuen Konflikttyps. Die zunehmende Bedeutung transnationaler Risiken wie ungeregelter Migration, unerlaubter Weitergabe von Massenvernichtungswaffen oder internationalem Terrorismus setzt ein Fragezeichen hinter die klassische Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Sicherheit. Die Anschläge vom 11. September haben dies verdeutlicht: Auf die von innen vorgetragene Gefährdung der Sicherheit haben die USA - zusammen mit anderen Ländern - vorwiegend unter Einsatz des Mittels der "äußeren Sicherheit", des Militärs, geantwortet. Die Terrorismusbekämpfung als eine spezifische Form der asymmetrischen Kriegführung wird jedoch, wenn sie lediglich als militärische Aufgabe definiert wird, entweder ihr Ziel verfehlen oder den Charakter der militärischen Truppen verändern, weil das Verfolgen von Verdächtigen und das Ausheben konspirativer Zellen sowie andere Leistungen eher den klassischen Polizeiaufgaben zuzuordnen sind.

Je mehr die militärischen Streitkräfte die Herausforderung der asymmetrischen Kriegführung annehmen, desto stärker werden sie mit einem Legitimitätsproblem konfrontiert. Verantwortlich dafür ist, wie Martha Finnemore darlegt, der Wandel der Motive zum Einsatz militärischer Gewalt in den internationalen Beziehungen. Am Beispiel militärischer Interventionen zeigt sie, dass die Verrechtlichung der internationalen Politik neue Wege der friedlichen Konfliktbeilegung eröffnet und gleichzeitig klare Rahmenbedingungen für den Einsatz militärischer Gewalt setzt. In der Konsequenz wird dieser Einsatz immer stärker unter polizeilichen Vorzeichen diskutiert: "In observing that intervention is increasingly shaped by law, (…) I am claiming only that we think about political immorality in a different way we did three hundred years ago and behave toward it differently as a consequence. We increasingly think of it as a "crime," and the criminal framework implies certain ways of dealing with these problems. Rhetorically, logically, and ethically such a framework leads to a set of expectations about publicly authorized force, analogous to policing, to stop these actions and rational-legal justice, in the form of trials, to deal with their perpetrators." (FN16) Das Konfliktbild der "kleinen" oder asymmetrischen Kriege unter Beteiligung nicht-staatlicher Akteure, der Kampf gegen den internationalen Terrorismus und die Übernahme von Stabilisierungsaufgaben führen somit zu einem Operationsbild, bei dem militärische und polizeiliche Aufgaben ineinander übergehen. Bisher fallen die Antworten auf die Verwischung der Grenzen zwischen den militärischen und den polizeilichen Bereichen sowie den innerstaatlichen und den externen Gefährdungen nicht adäquat aus. Die operativen Fakten sprechen aber dafür, dass sich diese traditionelle Unterscheidung bei einer wachsenden Zahl von Sicherheitsaufgaben nicht mehr aufrechterhalten lässt. Sachgerecht wäre insofern eine stärkere Vernetzung zwischen allen Sicherheitskräften und ihren jeweiligen Organisationen, was langfristig zu einer grundlegenden Umwandlung des Sicherheitssektors führen müsste. Auf die EU, die gegenüber den Mitgliedstaaten den Vorteil hat, dass sie durch Traditionen nicht gebunden ist, wartet hier eine anspruchsvolle Entwicklungsaufgabe.

Vertiefung und Erweiterung der europäischen Integration

Eine vernetzte Sicherheitspolitik für die EU wird nicht nur von der Natur der Bedrohung und den praktischen Erfordernissen der Erwiderung nahe gelegt, sondern wird auch durch dynamische Schritte im Unionsbildungsprozess angeregt. Die Erweiterung der EU ebenso wie ihre Vertiefung erhöhen die Anforderungen an eine konsistente Politikvorbereitung und -umsetzung. Für die ESVP heißt das, militärische und zivile Sicherheit in einem gemeinsamen Kontext zu behandeln, auch wenn (oder gerade weil) einige EU-Mitgliedstaaten gegenüber der Einführung einer militärischen Unionskomponente Vorbehalte haben. Die Erwartung der Gegner einer Militärkomponente ist, dass die EU als Militärunion durch den Einbezug der zivilen Krisenkapazitäten relativiert werden wird. Die Befürworter der Militärkomponente zählen darauf, dass die Wirkung der militärischen Fähigkeiten der EU durch den Einsatz der zivilen Instrumente gestärkt werden wird.

Beide "Lager" müssen sich also über das optimale Verhältnis von militärischen und zivilen Mitteln Gedanken machen. Dadurch entsteht letztlich eine Orientierungshilfe für die Weiterentwicklung der ESVP (Stichwort: Redefinition des Helsinki Headline Goal).

Ein ähnlicher Impuls geht von der offensichtlichen Notwendigkeit aus, dysfunktionale institutionelle Grenzen innerhalb der EU abzubauen. So sieht der Verfassungsvertrag der EU vor, der Union eine eigene Rechtspersönlichkeit zu verleihen, einen EU-Außenminister einzuführen, die Ämter und Arbeitsstäbe des Hohen Repräsentanten und des EU-Kommissars für externe Beziehungen zu kombinieren, vermehrt Mehrheitsentscheidungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zuzulassen und neue Wege zur Finanzierung auswärtiger Aktionen zu beschreiten.(FN17)Am wichtigsten dürfte sein, dass - unabhängig vom Verfassungsvertrag - die zivilen und die militärischen Komponenten der EU-Interventionspolitik im neuen Außenministerrat integral behandelt werden können, dass die überarbeitete ESS nunmehr den Zusammenhang von interner und externer Sicherheit anerkannt hat und die operative EU-Planungszelle für militärische und für zivile Einsätze verantwortlich sein soll.(FN18) Die praktische Verbindung von Außen- und Sicherheitspolitik einerseits sowie Innen- und Justizpolitik andererseits bleibt indessen ein Entwicklungsdesiderat. Möglicherweise bietet sich für bestimmte Aufgaben die Bildung eines EU-Sicherheitsrats an, und zwar mit einer Zusammensetzung, die sowohl die funktionale Vertretung der relevanten europäischen Institutionen als auch die Beteiligung einiger Mitgliedsstaaten nach einem politischen Schlüssel erlaubt.

Dieser Blick auf das Innenleben der EU gerät immer wieder in die Kritik. Die europäische Introvertiertheit, so wird suggeriert, sei mit Blick auf die zu lösenden externen Aufgaben unangebracht und stelle im Kern die eigentliche strukturelle Ursache der europäischen Machtlosigkeit dar.(FN19) Diese Kritik vergisst allerdings, dass die inhaltliche und institutionelle Abstimmung auf nationaler und internationaler Ebene die zentrale Voraussetzung kohärenter Vorbereitung und Umsetzung jeglicher Politik darstellt.(FN20) Ohne Erledigung der Hausaufgaben in diesem Bereich wird es nicht möglich sein, die bisher getrennt nebeneinander entwickelten europäischen Ansätze zur Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs-, Innen- und Justizpolitik besser aufeinander abzustimmen bzw. zu integrieren. Genau darin besteht langfristig jedoch eine der zentralen sicherheitspolitischen Herausforderungen.

Vernetzte Sicherheitspolitik

Die Vernetzung als Leitidee europäischer Sicherheitspolitik ergibt sich aus den eben beschriebenen Notwendigkeiten,(FN21) denen im Rahmen der klassischen staatlichen Strukturen nicht mehr adäquat entsprochen werden kann. Auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit anderen Politikfeldern des europäischen Integrationsprozesses hat sich die Feststellung durchgesetzt, dass die Steuerungs- und Regelungsaktivitäten im europäischen Mehrebenensystem am besten über netzwerkartige Ansätze beschrieben werden.(FN22) Diese Einsicht kann sinngemäß auf die Sicherheitspolitik übertragen werden und bezieht sich dabei vor allem auf die - zu berücksichtigenden Ebenen der Beschlussfassung und der Umsetzung (z.B. supranational, national und sub-national), - einzubeziehenden bzw. zu berücksichtigenden Akteure (z.B. Staaten, NGOs, Unternehmen, nicht-staatliche Gewaltakteure), - zu erfüllenden Aufgaben (z.B. Konfliktprävention, Krisenmanagement, Intervention) und - zur Auswahl stehenden Instrumente (z.B. diplomatische, wirtschaftliche, militärische und polizeiliche Mittel).

Von wenigen Ausnahmen abgesehen wird das Konzept der Vernetzung in der Sicherheitspolitik bisher nicht explizit angewandt.(FN23) Eine solche Ausnahme stellt die vor allem von den US-amerikanischen Streitkräften entwickelte Philosophie der "netzwerkzentrierten Kriegführung" dar. Dabei geht es allerdings weniger darum, neue Ansätze zur Lösung der Problemursachen zu erarbeiten. Im Vordergrund steht dabei die Absicht, unter Einsatz der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie Fortschritte bei der Kriegführung zu erzielen. Vor dem Hintergrund der übergeordneten Zielsetzung der Informationsüberlegenheit(FN24) geht es darum, "(to network) sensors, decision makers, and shooters to achieve shared awareness, increased speed of command, higher tempo of operations, greater lethality, increased survivability, and a degree of self-synchronization". (FN25) Die wesentlichen Vorteile der informationstechnischen Vernetzung der Systeme und der Entscheidungsträger liegen in der erhöhten Transparenz hinsichtlich des Lagebildes, der Verkürzung der Entscheidungsprozesse, der Erhöhung des Operationstempos und der verbesserten Wirkung im Einsatz.

Richtig verstanden, doch bisher noch nicht konsequent umgesetzt, geht der Anwendungsbereich dieses Konzepts allerdings weit über den engen Anwendungskreis der militärischen Streitkräfte hinaus und umfasst den gesamten Sicherheitssektor. Vernetzte sicherheitspolitische Fähigkeiten stellen nach unserer Einschätzung die adäquate Antwort auf die neuen Herausforderungen dar, weil sie dazu beitragen, die bestehenden Organisationsgrenzen zu überwinden. Der damit einhergehende Umbau des Sicherheitssektors und seiner Akteure (Militär, Polizei, Grenzschutz, Zivilschutz, Nachrichtendienste, paramilitärische Einheiten etc.) wird langfristig zum Aufbau vernetzter Sicherheitskräfte beitragen, die auf der Basis einer gemeinsamen Risikoanalyse und verbundener Planung über gemeinsame Fähigkeiten, Strukturen, Mittel und Instrumente verfügen. Die Vernetzung verschiedener autonomer Sicherheitsbereiche soll der erfolgreichen Gefahrenabwehr, der Krisenprävention sowie dem Krisenmanagement dienen, muss allerdings dort ihre Grenzen finden, wo sie zu einem Überwachungs- oder Polizeistaat führen könnte.

Der Wandel von der segmentierten zur vernetzten Sicherheitspolitik erfordert in erster Linie einen neuen konzeptionellen Umgang mit den skizzierten Herausforderungen. Notwendig ist es, - die Form und die Struktur bestehender Sicherheitskräfte und ihrer Organisationen anzupassen; - die sicherheitspolitische Kultur und die Einsatzdoktrin, die die Arbeitsgrundlage dieser Akteure und Organisationen bilden, weiter zu entwickeln und - die Art und Weise der Leistungserbringung bzw. der Zusammenarbeit effektiver und effizienter zu gestalten.(FN26) Ziel ist es, eine Einstellungsänderung zu erwirken, die in der ESVP strukturell bereits angelegt ist, aber noch konsequenter vorangebracht werden müsste. Das Denken in einem zivil-militärischen Sicherheitskontinuum, das die bessere Abstimmung der sicherheitspolitischen Instrumente der EU verlangt, hat sich im Verfassungskonvent schon manifestiert. In langfristiger Perspektive entsteht daraus das Potenzial, die gegenwärtige Drei-Säulen-Struktur der Union zumindest in Fragen der Sicherheitspolitik durch einen entsprechenden Querschnittsprozess zu überbrücken. Damit wäre ein Prozess eingeleitet, der nicht ganz ohne Rückwirkungen auf die Kompetenzen der involvierten Organe möglich sein und insofern auch die Reformfähigkeit der Mitgliedstaaten auf die Probe stellen wird. Im Vorgriff darauf trägt die von der Arbeitsgruppe "Verteidigung" des Europäischen Verfassungskonvents vorgeschlagene Solidaritätsklausel dem Vernetzungsgedanken explizit Rechnung, indem sie den "interdisziplinären Charakter des Unionsansatzes" beim Einsatz "sämtlicher der Union zur Verfügung stehender Instrumente (und zwar sowohl die militärischen und die ursprünglich für die Petersberg-Aufgaben geschaffenen Strukturen als auch die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit, der Bevölkerungsschutz usw.)" im Falle eines terroristischen Anschlags auf dem Gebiet der Union hervorhebt.(FN27) Diese umfassende Herangehensweise an sicherheitspolitische Aufgaben scheint allerdings im Zusammenhang mit der im Verfassungsvertrag ebenfalls vorgesehenen "strukturierten Zusammenarbeit" eher verloren gegangen zu sein.(FN28)

Konsequenzen der vernetzten Sicherheitspolitik

Der in Umrissen skizzierte Übergang zur vernetzten Sicherheitspolitik erfordert substanzielle Anpassungen in drei zentralen Bereichen: bei der Gestaltung der Sicherheitspolitik (Strategieentwicklung, Planung, Umsetzung, Wirkungsüberprüfung), bei der Fähigkeitsorientierung (Identifizierung, Bereitstellung und Weiterentwicklung gemeinsamer Fähigkeiten) sowie bei der Verbesserung der Zusammenarbeitsfähigkeit der involvierten Sicherheitskräfte (Risikobeurteilung, Nachrichtenbeschaffung, Entwicklung von Standards, Kooperation mit der Wirtschaft).(FN29)

Gestaltung der Sicherheitspolitik

Der Übergang vom dichotomen zum vernetzten Sicherheitsverständnis wird für die betroffenen Ministerien und Organisationen mit weitreichenden Konsequenzen verbunden sein - das gilt für die EU-Institutionen genauso wie für ihre Mitgliedstaaten.(FN30) Von entscheidender Bedeutung sind strategische Führung und integrierte Strategiebildung. Hierbei geht es um die frühzeitige Identifizierung sicherheitspolitisch relevanter Entwicklungen und die darauf abgestützte Analyse der Konsequenzen, um adäquate sicherheitspolitische Vorgehensweisen zu entwickeln. Obwohl einige Länder im euro-atlantischen Raum über interministerielle Gremien verfügen, die diese Aufgabe wahrnehmen könnten (z.B. der Bundessicherheitsrat in Deutschland, der Sicherheitsausschuss in der Schweiz oder der Nationale Sicherheitsrat in Österreich), scheitern sie oft an der Ressortzuständigkeit der einzelnen Ministerien.(FN31) Die Regierungschefs und die Kabinettsmitglieder stehen daher in der Pflicht, den Wandel durch die Reorganisation der zentralen Prozesse (z.B. Finanzen, Personal) herbeizuführen, um die Dominanz der ressortspezifischen Linienorganisation zu Gunsten der "Vernetzungsorganisation" zu überwinden.

Wird diese Forderung über die folgenden Verwaltungsebenen konsequent umgesetzt (Top Down-Ansatz), dann können die Planungs- und Entscheidungsprozesse entsprechend angepasst werden. Die meisten Verwaltungsapparate in Europa folgen einem zielorientierten Planungsverständnis (Management by objectives). Deshalb ist es entscheidend, die politischen Zielvorgaben für alle Sicherheitskräfte gemeinsam zu definieren und dabei insbesondere internationale Vorgaben konsequent zu berücksichtigen. Dadurch erhält die Diskussion über ESVP-Konvergenzkriterien(FN32) eine neue Bedeutung, denn diese sind das Bindeglied zur Synchronisierung der internationalen und der nationalen Planungsbemühungen. Erst wenn solche Kriterien jedoch in die Jahreszielplanung der Ministerien einfließen, ist sichergestellt, dass sie im Verwaltungsalltag Wirkung entfalten können, weil sie in die Zielbildung der nachgelagerten Bearbeitungsstufen eingehen.

In diesem Zusammenhang spielt die Übereinstimmung zwischen den politischen und den verwaltungsinternen Entscheidungsprozessen der beteiligten Länder eine wichtige, jedoch bisher vernachlässigte Rolle. Vor allem die Entsendung militärischer Einheiten ist in den EU-Ländern an unterschiedliche Kriterien und Zuständigkeiten gebunden. Diese Unterschiede können gerade in einem Krisenfall, der schnelles Handeln erfordert, zu Verzögerungen führen, die die erfolgreiche Operationsführung gefährden.(FN33) Kommen daneben auch noch Polizei- und andere Sicherheitskräfte ins Spiel, deren Einsatz beispielsweise in föderal verfassten EU-Staaten in der Regel den Ländern obliegt, dann steigt die Komplexität der Entscheidungsfindung drastisch an. Diese Feststellung trifft in ähnlicher Weise auch für die Budgetierungsprozesse zu. Die traditionelle Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Budgetpositionen für verschiedene Sicherheitskräfte kann angesichts des Trends zur vernetzten Sicherheitspolitik nur noch mit Mühe aufrechterhalten werden.(FN34) Abweichende Budgetzyklen, die auf die nationalen, bisher weitgehend unsynchronisierten Regierungszyklen abgestimmt sind, können die internationale Kooperation behindern, wenn erforderliche Mittel nicht rechtzeitig bereitgestellt werden.(FN35) Diese Beispiele machen deutlich, dass der multinationale Ansatz, obwohl souveränitätsschonend, langfristig an die Grenzen seiner Praktikabilität stoßen wird bzw. verstärkt supranationalen Verfahren Platz machen muss.

Diese Veränderungen berühren in grundlegender Weise die Wirkungsüberprüfung der Sicherheitspolitik. Die Überprüfung der Effektivität und der Effizienz, die bereits im kameralistischen System und im Rahmen des New Public Management schwierig ist, wird vor dem Hintergrund der skizzierten Vernetzung vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Dabei geht es einerseits darum, neue Bewertungsmaßstäbe zur Beurteilung der Beiträge und der Leistungsfähigkeit der einzelnen Sicherheitskräfte im nationalen und im europäischen Verbund zu entwickeln. Andererseits muss die Fähigkeit zur Zusammenarbeit wesentlich breiter verstanden werden, als dies z.B. bisher im Rahmen der NATO-Interoperabilitätsbemühungen der Fall ist. Die Zusammenarbeitsfähigkeit wird mehr Akteure umfassen als heute. Sie beginnt, wie dargestellt, bei der Übereinstimmung der strategischen Lagebeurteilung und endet mit dem Einkauf des gleichen Materials oder der Anwendung gemeinsamer Ausbildungsprinzipien. Neben primär haushaltspolitischen Überlegungen muss die Wirkungsüberprüfung vermehrt sicherheitspolitische (z.B. unterschiedliche politische Ambitionen), technologisch-wirtschaftliche (z.B. unterschiedliche Lebenswegkosten der eingesetzten Systeme) und auch kulturelle (z.B. Entscheidungsfindung in verschiedenen politischen Systemen) Aspekte berücksichtigen.(FN36)

Fähigkeitsorientierung

In Europa hat sich die Fähigkeitsorientierung in den letzten Jahren als planerischer Schlüsselansatz durchgesetzt. Die obigen Ausführungen legen nahe, dass die Fähigkeitsorientierung nicht auf das Einsatzspektrum militärischer Streitkräfte beschränkt wird, sondern alle sicherheitspolitisch relevanten Aufgaben und Akteure umfassen sollte. Diese Forderung kann auch aus neuesten EU-Dokumenten (ESS, Verfassungsvertrag) abgeleitet werden. Demzufolge setzt die EU im Rahmen der ESVP zivile und militärische Mittel für folgende Aufgaben ein:(FN37) - gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen; - humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze; - Aufgaben der militärischen Beratung und Unterstützung; - Aufgaben der Konfliktverhütung und Friedenserhaltung; - Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten.

Mit dem Hinweis, dass diese Maßnahmen auch zur Bekämpfung des Terrorismus beitragen werden, dehnt die EU das Spektrum der relevanten Fähigkeiten indirekt auch auf jene Bereiche aus, die im Rahmen des Heimatschutzes von spezieller Bedeutung sind (z.B. Grenzkontrolle). Diese Aufstellung fördert nicht nur das Verständnis für die erforderlichen Fähigkeiten, sondern richtet zusätzlich den Blick auf den Umstand, dass es gemeinsame Fähigkeiten gibt, die für verschiedene Einsatzoptionen und alle Sicherheitskräfte von Bedeutung sind.

Diese gemeinsamen Fähigkeiten sollten künftig stärker beachtet werden. Zentral sollten dabei jene gemeinsamen Fähigkeiten sein, die die Vernetzungsfähigkeit der Sicherheitskräfte verbessern. Dazu zählen beispielsweise: - Führung (Command, Control, Communications, Computers, C4) als Kernvoraussetzung erfolgreicher Operationen; - Nachrichtengewinnung, Überwachung und Aufklärung (Intelligence, Surveillance, Reconnaissance, ISR), um ein gemeinsames Lagebild herzustellen; - luft-, land- und seegestützte Verlegefähigkeit zur Verbesserung der Mobilität der Sicherheitskräfte; - Überlebensfähigkeit und Schutz der Sicherheitskräfte z.B. durch ABC-Abwehr, SAR oder den Einsatz nicht-letaler Wirkmittel; - Schutz der informationskritischen Infrastruktur zur Gewährleistung der Führung im militärischen, zivil-militärischen und zivilen Umfeld (inkl. Fähigkeiten zur elektronischen Kriegführung und für Informationsoperationen).

Angesichts knapper öffentlicher Haushalte wird es darum gehen, die in der EU (und der NATO) begonnene Diskussion über die Rollenspezialisierung bzw. die Zusammenlegung von Ressourcen im militärischen Bereich auf alle Sicherheitskräfte auszudehnen und diese Konzepte im nationalen wie im internationalen Rahmen weiterzuentwickeln. So wäre es beispielsweise denkbar, dass Staaten mit langjährigen Erfahrungen in Stabilisierungsoperationen (z.B. Skandinavier , Österreicher) ihr diesbezügliches Engagement auf die Polizeikräfte und paramilitärischen Kräfte ausdehnen und unter Einschluss der Carabinieri bzw. der Gendarmerie aus Italien und Frankreich weiterentwickeln. Ebenso erscheint es sinnvoll, die Ressourcen zur Kontrolle der EU-Außengrenze entsprechend zu bündeln bzw. gemeinsame Fähigkeiten zur Aus- und Weiterbildung im Bereich der Grenzkontrolle aufzubauen.(FN38) In vergleichbarer Weise sollten auch die wichtigen zivilen und militärischen Fähigkeiten im Fall des ABC-Schutzes und der ABC-Abwehr weiterentwickelt werden,(FN39) wobei hier neben den Sicherheitskräften auch das Gesundheitswesen - man denke an die Rolle der Ärzte in Krankenhäusern - sowie, in spezifischen Fällen, die Privatindustrie und die NGOs einzubeziehen sind. Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig es künftig sein wird, spezifische Prozesse für die Identifizierung, die Bereitstellung und die Weiterentwicklung der individuellen und der vernetzten Fähigkeiten zu entwickeln.

Zusammenarbeitsfähigkeit

Die Fähigkeit zur Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Teilstreitkräften (Joint) aus unterschiedlichen Ländern (Combined) ist im militärischen Bereich erfolgsentscheidend. Gleiches gilt mit Blick auf das neue Operationsbild auch für die Zusammenarbeit zwischen allen Sicherheitskräften sowie zwischen diesen und zivilen Akteuren (z.B. NGOs sowie der Privatindustrie). Diese umfassende Form der Interoperabilität des gesamten Sicherheitssektors ist allerdings noch anspruchsvoller als die bereits heute teilweise nur mit Mühe erreichte militärische Zusammenarbeitsfähigkeit und wird daher ohne eine Reihe zentraler Reformmaßnahmen nicht zu erreichen sein. Dazu zählen neben den bereits genannten Bereichen der vernetzungsorientierten Reorganisation und der gemeinsamen Fähigkeitsorientierung vor allem die Risikobeurteilung, die Nachrichtenbeschaffung und -auswertung sowie die Erarbeitung gemeinsamer Standards. Es handelt sich hier um Bereiche der Zusammenarbeit, die schon für die Schnittstelle Militär/Polizei anspruchsvoll sind, ihre volle Komplexität aber dann erreichen, wenn auch NGOs in den Einsatz einbezogen werden müssen.

Risikobeurteilung Die erfolgreiche Zusammenarbeit auf der operativen Stufe setzt ähnliche oder im besten Fall gleiche Lagebeurteilungen auf der strategischen Stufe voraus. Das bedingt den Übergang vom Konzept der nationalen zu dem der "europäischen Interessen" und die damit verbundene Angleichung der sicherheitspolitischen Chancen- und Risikobewertung. Im Hinblick darauf ist die ESS als viel versprechender Anfang zu begrüßen. Die Feststellung, dass die EU eine globale Rolle spielt, und die Anerkennung von fünf strategischen Gefahrenbereichen - Terrorismus, unerlaubte Weitergabe von Massenvernichtungswaffen, regionale Konflikte, Staatenzerfall und die Organisierte Kriminalität - sind als Fortschritt in der innereuropäischen Diskussion (und im transatlantischen Verhältnis) zu betrachten.(FN40) Zu den praktischen Fragen der ESS, die noch nicht abschließend beantwortet sind, zählt, wo, wie und in welcher Weise die EU ihr umfassendes Sicherheitsinstrumentarium einzusetzen gedenkt. Noch sind die Handlungsbereitschaft und die Reichweite europäischer Sicherheitspolitik nicht kalkulierbar.

Nachrichtendienste Die Diskussion über die Risikobeurteilung geht einher mit der Diskussion über eine den europäischen Interessen dienende nachrichtendienstliche Gesamtarchitektur. Schon jetzt lässt sich feststellen, dass der Nachrichtenbedarf der EU im Rahmen einer korrekterweise umfassend definierten EU-Sicherheitsstrategie deutlich zunehmen wird. Vor diesem Hintergrund werden aktuell zwei unterschiedliche Modelle diskutiert. Auf der einen Seite wird in Analogie zum britischen Modell des Joint Intelligence Committee für den Aufbau neuer Institutionen plädiert, um die EU-Fähigkeiten zur Nachrichtenbeschaffung und -auswertung zu stärken.(FN41) Dem steht das Argument gegenüber, dass keine neuen Institutionen benötigt werden, sondern die vorhandenen gestärkt sowie die Zusammenarbeit zwischen diesen und den nationalen Behörden im Rahmen eines Verbunds ausgebaut werden sollen.(FN42) Standards Die Zusammenarbeitsfähigkeit der Sicherheitskräfte erfordert entsprechende Standards vor allem für die Doktrin, die Planung, die Beschaffung, den Einsatz und die Ausbildung. In dieser Hinsicht kann auf die Erfahrung der NATO zurückgegriffen werden, um bestehende Standards weiterzuentwickeln bzw. neue zu erarbeiten. Diese Arbeit sollten die Europäer jedoch nicht an die NATO delegieren, sondern in Kooperation auch im Rahmen der EU entwickeln. Das gilt insbesondere für jene Sicherheitskräfte, die für polizeiliche Aufgaben oder zur Grenzkontrolle eingesetzt werden, im Rahmen der NATO bisher erst am Rande erfasst werden, jedoch in der EU-Innen- und -Justizpolitik eine prominente Rolle spielen. In diesem Sinne dürfte die Arbeit an gemeinsamen Standards für alle Sicherheitskräfte zwei positive Nebeneffekte zur Folge haben: Erstens kann sie zumindest in Teilen zur Überwindung der Trennung zwischen ESVP und gemeinsamer Innen- und Justizpolitik beitragen. Zweitens ist es denkbar, dass als Pendant zur jüngsten NATO-Reform im Rahmen der EU ein zweiter Transformationsprozess lanciert wird, der vor allem die zivilen ESVP-Bereiche umfassen könnte. Um auch hier die transatlantische Beziehung sicherzustellen, wäre die Verknüpfung mit dem US-amerikanischen Department for Homeland Security ins Auge zu fassen. Langfristig könnten beide Prozesse schließlich zu einem integrierten Prozess verschmolzen werden, um die geforderte Neuorientierung der Sicherheitspolitik zu unterstützen.

Wichtig sind neben der Erarbeitung und der Weiterentwicklung dieser Standards auch die gemeinsame Ausbildung und das Training der Sicherheitskräfte. Im Hinblick darauf ist vor allem über die verstärkte Anpassung der Lerninhalte der bestehenden nationalen und internationalen Militär- und Polizeiakademien sowie der Ausbildungsstätten für andere Sicherheitskräfte nachzudenken, wobei sich die Kooperation mit NGOs in diesem Fall als besonders wertvoll erweisen dürfte.(FN43) Zudem sind diese Bemühungen inhaltlich mit den Ideen zum Aufbau einer Akademie zur Ausbildung des europäischen Diplomatenkorps abzustimmen.(FN44) Schließlich sind die Prozesse und die Instrumente zu stärken, mit deren Hilfe die Einhaltung der Standards überprüft werden kann. Die bisherigen Erfahrungen der NATO zeigen, dass die Überprüfungs- und Zertifizierungsmechanismen im militärischen Bereich eher zu schwach sind bzw. der Wille der Staaten zur Anpassung - und damit zum kontrollierten Souveränitätsverzicht - nur mangelhaft ausgeprägt ist. Im Hinblick auf die Erweiterung der Standardisierungsbemühungen auf den gesamten Sicherheitssektor ist dies ein besonders kritischer Erfolgsfaktor. Neben der stärkeren Betonung von Mechanismen, die Transparenz hinsichtlich des Erreichens der definierten Standards schaffen, dem Ausbau der Kompetenzen internationaler Einrichtungen wie dem EU-Militärstab oder dem künftigen Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten sollte deshalb auch über die Einführung von Anreizmechanismen nachgedacht werden, mit deren Hilfe der Übergang zur Reform der Sicherheitssektoren einschließlich der Polizeikräfte sowie der relevanten Wirtschaftssektoren unterstützt werden kann.(FN45) Zusammenarbeit mit der Wirtschaft Die Kooperation zwischen dem staatlichen Sicherheitssektor und der Privatwirtschaft wird mit Blick auf die vernetzte Sicherheitspolitik immer wichtiger.(FN46) Einerseits ist es in vielen Fällen die Industrie, die die erforderlichen Fähigkeiten für den Sicherheitssektor zur Verfügung stellt und daher reibungslos in dessen Prozesse eingebunden werden muss. Das gilt nicht nur für die Rüstungsindustrie, sondern in verstärktem Maße auch für strategische Industrien aus den Bereichen der Bio-, der Gen-, der Nanotechnologie sowie der Lebenswissenschaften (Life Sciences), die bisher erst in Ansätzen unter dem Gesichtspunkt der nationalen bzw. europäischen Sicherheit betrachtet werden. Andererseits erfordert die Abwehr neuer Risiken von der Industrie die Übernahme einer größeren Verantwortung. Geht es beispielsweise um den Schutz der kritischen Infrastruktur im Energie-, Informations- und Kommunikationssektor oder die Abwehr bioterroristischer Risiken, können weder der Staat noch die Wirtschaft alleine sinnvolle und tragfähige Lösungen finden. Hier ist vielmehr der enge Schulterschluss gefordert, und zwar nicht nur mit Blick auf die Definition gemeinsamer Standards, sondern auch zur Einrichtung gemeinsamer Gremien für den Normal- und den Krisenfall.

Die Privatwirtschaft ist auch gefordert, die eigene Krisenvorsorge und das Risikomanagement an die neuen Herausforderungen anzupassen. Je komplexer die Wertschöpfungsketten werden, desto mehr steigt die Risikoanfälligkeit. Damit wird die Krisenvorsorge immer mehr zu einem strategischen Erfolgsfaktor.(FN47) Gerade wegen der hohen wirtschaftlichen Verflechtung in Europa erscheint es daher sinnvoll, dass die Europäische Kommission diese sicherheitspolitischen Überlegungen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Kompetenzen stärker zur Geltung bringt, indem zusammen mit der Privatwirtschaft gemeinsame Standards ausgearbeitet und nationale Ansätze auf europäischer Ebene kompatibel werden.

Ausblick

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die beschriebenen Entwicklungen einen Sicherheitsansatz erfordern, der über die harte Unterscheidung zwischen der militärischen, der polizeilichen oder der zivilen Einsatzoption hinausgeht und ein neues Einsatzspektrum mit fließenden Übergängen zwischen der Verwendung der einzelnen Sicherheitskräfte ermöglicht. Trotz bestehender Schwächen stellt die ESVP im Kern die richtige Antwort auf diese Herausforderung dar, weil sie unterschiedliche sicherheitspolitische Instrumente zur Bekämpfung der Ursachen der neuen sicherheitspolitischen Risiken und ihrer Folgen miteinander kombinieren kann. Damit leistet sie einen entscheidenden Beitrag zur Vernetzung der sicherheitsrelevanten Politiken und Akteure auf der nationalen bzw. der internationalen Ebene.

Neben zahlreichen anderen Aspekten, die bei der Weiterentwicklung der ESVP und ihrer Grundlagen zu beachten sind, sollten drei Überlegungen besonderes berücksichtigt werden: Erstens verlangt der Übergang zur vernetzten Sicherheitspolitik die Überarbeitung des konzeptionellen Sicherheitsansatzes der EU. Der Verfassungsentwurf spricht mit dem Übergang zur eigenen Rechtspersönlichkeit der EU und der Auflockerung der bisherigen Säulenstruktur eine wesentliche Umorientierung an. Die ESS greift diese Überlegungen auf, indem sie feststellt, dass die EU ihre Anstrengungen zur verbesserten konzeptionellen Kohärenz vor allem zwischen der Außenhandels- und der Entwicklungspolitik sowie der Außen- und Sicherheitspolitik verbessern muss.(FN48) Diese Einsicht ist um die Forderung zu ergänzen, dass auch die relevanten Bereiche der Innen- und Justizpolitik Teil der vernetzten Sicherheitspolitik werden müssen. Die Polizeikräfte spielen eine Schlüsselrolle, um die Konvergenz zwischen diesen Politikbereichen herzustellen, weil sie gleichzeitig zum Zweck der externen Stabilisierung und der inneren Sicherheit - direkt in den Krisenregionen und indirekt in der erweiterten EU durch die Eingrenzung transnationaler Risiken - eingesetzt werden.(FN49) Das bedingt institutionelle Reformen auf der europäischen Ebene (z.B. Zusammenlegung von Gremien, Angleichung von Entscheidungsverfahren). Auf der nationalen Ebene ist die Diskussion um die Ressourcenausstattung und den Einsatz der Polizei verstärkt mit Blick auf ihren außen- und sicherheitspolitischen Beitrag im europäischen Verbund zu führen.

Zweitens liegt die skizzierte Reform des Sicherheitssektors im Interesse der EU-25, weil sie substanzielle Beiträge zur Umsetzung der strategischen Ziele der ESS leistet:(FN50) Einerseits profitiert die Ausdehnung der europäischen Stabilitätszone von der mit der Reform verbundenen Harmonisierung und Synchronisierung der sicherheitsrelevanten Prozesse und der Strukturen, die positive Abhängigkeiten schaffen und damit das "Ausbrechen" in abweichende nationale Lösungsansätze verhindern. Andererseits kann die internationale Ordnung gestärkt werden, weil schwache staatliche Institutionen im Sicherheitsbereich unterstützt und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit den nicht-staatlichen Akteuren verbessert werden. Schließlich wird auch die Gefahren- und Bedrohungsabwehr gestärkt, weil durch die Vernetzung der Sicherheitskräfte die Abstimmung zwischen verschiedenen, sicherheitsrelevanten Politiken verbessert wird. Aus diesem Grund sollten die Bemühungen zur Umsetzung der vernetzten Sicherheitspolitik bei der Weiterentwicklung der EU-Sicherheitsstrategie stärker berücksichtigt werden.

Drittens zeichnet sich ab, dass der europäische Ansatz der Vernetzung der militärischen mit den nicht-militärischen Fähigkeiten gerade im Bereich der Stabilisierungsaufgaben eine transatlantische Annäherung ermöglicht, die jenseits der bisher diskutierten Form der Arbeitsteilung - die USA kämpfen, die Europäer räumen auf - verläuft. Im November 2003 haben Wissenschaftler der National Defense University eine Studie veröffentlicht, die nicht nur die US-amerikanischen Schwächen in diesem Bereich aufzeigt, sondern auch skizziert, was getan werden muss, um diese zu beheben.(FN51) Dieser Ansatz zielt in die gleiche Richtung wie der von drei US-Senatoren vorgebrachte "Winning the Peace Act", der die US-amerikanischen Fähigkeiten im Bereich des Friedensaufbaus stärken will, indem er Aspekte wie öffentliche Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Regierungsreform und ökonomische bzw. soziale Wohlfahrt thematisiert. Damit werden genau jene Fähigkeiten angesprochen, die für den zivilen Bereich der ESVP kennzeichnend sind.(FN52) Während die Streitkräftetransformation nach der Idee der netzwerkzentrierten Kriegführung aus den USA nach Europa getragen wurde, eröffnet sich im Hinblick auf die Vernetzung militärischer und ziviler Fähigkeiten möglicherweise eine umgekehrte Entwicklungsperspektive. Richtig genutzt, kann sie dazu beitragen, dass beide Fähigkeitsbereiche auf beiden Seiten des Atlantiks sowie gemeinsam in abgestimmter Weise weiterentwickelt werden können.(FN53) ANMERKUNGEN: (Fußnote 1/FN1) Hagman, Hans-Christian: European Crisis Management and Defence: The Search for Capabilities. Oxford 2002, S.46-49.

(FN2) Rummel, Reinhardt: Wie zivil ist die ESVP? Berlin 2003.

(FN3) So auch: Ehrhart, Hans-Georg: What role for CFSP? Paris 2003.

(FN4) Improving the Coherence and Effectiveness of the European Union Action in the Field of Conflict Prevention. Report presented to the Nice European Council by the Secretary General/High Representative and the Commission, Nice, 8 December 2000, Para. 5 ff. Abgedruckt in: Rutten, Maartje: From St. Malo to Nice. European defence: core documents. Paris 2001, S.212-221.

(FN5) Rummel, Reinhardt: Konfliktprävention. Etikett oder Markenzeichen europäischer Interventionspolitik? Berlin 2003; Rummel: Wie zivil ist die ESVP?

(FN6) Mair, Stefan: Die Globalisierung privater Gewalt. Kriegsherren, Rebellen, Terroristen und organisierte Kriminalität. Berlin 2002, S.31.

(FN7) Rotberg, Robert I. (Hrsg.), When States Fail. Causes and Consequences. Princeton, Oxford 2004; Mair: Die Globalisierung privater Gewalt, S.29-43; Rotberg Robert I.: The New Nature of Nation-State Failure. In: The Washington Quarterly, 3/2002,S.29-43;S.85-96.

(FN8) Siehe zum Phänomen der Ethnisierung der Kriege vor allem Kaldor, Mary: New and Old Wars. Organized Violence in a Global Era. Stanford 1999, S.69-89.

(FN9) Singer, Peter W.: Corporate Warriors. The Rise of the Privatized Military Industry. Ithaca, London 2003; Weingartner, Georg: Krieg als Geschäftszweig. Private Sicherheitsdienstleister und Söldner im Lichte des Kriegsvölkerrechts. In: ÖMZ 2/2004, S.149-156.

(FN10) Hierzu weiterführend: Jean, François/Rufin, Jean-Christophe (Hrsg.): Ökonomie der Bürgerkriege, Hamburg 1999.

(FN11) Kaldor, New and Old Wars, S.90-111; Lock, Peter: Sicherheit à la carte? Entstaatlichung, Gewaltmärkte und die Privatisierung des staatlichen Gewaltmonopols. In: Brühl, Tanja et. al. (Hrsg.), Die Privatisierung der Weltpolitik. Entstaatlichung und Kommerzialisierung im Globalisierungsprozess, Bonn 2001, S.200-231; Münkler, Herfried: Die privatisierten Kriege des 21. Jahrhunderts. In: Merkur 3/2001, S.222-234, hier S.234.

(FN12) Daase, Christopher: Kleine Kriege - Große Wirkung. Wie unkonventionelle Kriegführung die internationale Politik verändert. Baden-Baden 1999, S.91-105.

(FN13) Ehrhart, Hans-Georg: Die Europäische Union, die ESVP und das neue Sicherheitsdilemma. In: WeltTrends 38/2003, S.135-144; ders.: Militärische Macht als außenpolitisches Instrument im 21. Jahrhundert. In: ÖMZ 6/2002, S.683-690. Siehe auch: Vetschera, Heinz: Die militärische Dimension im "Neuen Terrorismus". "Terrorismus" als sicherheitspolitische Herausforderung. In: ÖMZ 2/2002, S.141-152; Weisswange, Jan-Philipp: Innere Sicherheit als Aspekt des erweiterten Sicherheitsbegriffs. Ein neues Aufgabenfeld für Streitkräfte?. In: ÖMZ 2/2002, S.153-162.

(FN14) Däniker, Gustav: Wende Golfkrieg. Vom Wesen und Gebrauch künftiger Streitkräfte. Frauenfeld 1992, S.185-188.

(FN15) Haltiner, Karl W.: Polizisten oder Soldaten? Organisatorische Dilemmata bei der Konstabulisierung des Militärs. In: ÖMZ 3/2001, S.291-298.

(FN16) Finnemore, Martha: The Purpose of Intervention. Changing Beliefs in the Use of Force. Ithaca, London 2003, S.22. Hervorhebungen nur hier.

(FN17) Draft Treaty establishing a Constitution for Europe, CONV 850/03, Brussels, 18 July 2003, (Zugriff: 16. Dezember 2003).

(FN18) A Secure Europe in a Better World, 15895/03 Brussels, 8 December 2003, S. 6 (Zugriff: 16.12.2003). Siehe auch Rummel, Reinhardt: "The EU25’s Foreign and Security Policy in a Globalised World." In: Papanikos, Gregory T./Tsardanidis, Charalambos (eds.): The Future of Europe: The Challenges of Enlargement and Globalization. Athens 2003, S.9-26; EU operational planning. The politics of defence. In: IISS Strategic Comments, 10/2003; Pinzler, Petra: Alles in einer Hand. In: Die Zeit, 13. November 2003, S.8.

(FN19) Exemplarisch dafür die Analyse von Kagan, Robert: Power and Weakness. In: Foreign Policy, Nr. 113/2002, S.3-28, (Zugriff: 16. Dezember 2003).

(FN20) Andréani, Gilles: Why institutions matter. In: Survival 2/2000, S.81-95.

(FN21) Ähnlich auch der Hinweis von Ottfried Nassauer, der die dreifache Integration der nationalen Politik, der vergemeinschafteten und intergouvernementalen Aspekte sowie der Gestaltungsmittel zu einer europäischen Sicherheitspolitik fordert. Nassauer, Ottfried: Aktive Asymmetrie. Neubestimmung der Sicherheitspolitik im euro-atlantischen Kontext. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 8/2003, S. 946-954, hier S.954.

(FN22) Jachtenfuchs, Markus und Kohler-Koch, Beate: Regieren im dynamischen Mehrebenensystem. In: dies. (Hrsg.), Europäische Integration, Opladen 1996, S.15-44; Krahmann, Elke: Multilevel Networks in European Foreign Policy, Aldershot 2003, S.17-42; Powell, Walter W.: Weder Markt noch Hierarchie: Netzwerkartige Organisationsformen. In: Kenis, P. und Schneider, V. (Hrsg.), Organisation und Netzwerk. Institutionelle Steuerung in Wirtschaft und Politik, Frankfurt 1996, S. 213-272; Fritz Scharpf, Notes Toward a Theory of Multilevel Governing in Europe, MPIfG Working Paper 00/5, Köln 2000.

(FN23) Für Ansätze in dieser Richtung siehe: Borchert, Heiko (Hrsg.), Vernetzte Sicherheit. Leitidee der Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert, Hamburg 2004; Mey, Holger H. und Krüger, Michael K.-D.: Vernetzt zum Erfolg? "Network-Centric Warfare" - zur Bedeutung für die Bundeswehr, Frankfurt 2003.

(FN24) Joint Vision 2020, Washington, D.C. 2000, S.8.

(FN25) Alberts, David S.; Garstka, John J.; Stein, Frederick P.: Network Centric Warfare. Developing and Leveraging Information Superiority, 2nd ed., Washington, D.C. 2000, S.2. Siehe hierzu auch Eitelhuber, Norbert: Europäische Streitkräfte unter dem Zwang der Bescheidung. Partner der USA nur bei friedenssichernden Einsätzen, Berlin 2003, S.17-22.

(FN26) Dieses Verständnis basiert auf der adaptierten Definition von "force transformation" des United States Joint Forces Command. Siehe: "What is transformation?", (Zugriff: 16. Dezember 2003).

(FN27) Schlussbericht der Gruppe VII "Verteidigung", CONV 461/02, Brussels, 16 December 2002, Para. 57, (Zugriff: 16. Dezember 2003).

(FN28) Artikel III-213, zit gemäß: Draft Treaty establishing a Constitution for Europe.

(FN29) Die folgenden Ausführungen basieren auf Borchert, Heiko: "Security Sector Reform Initiative (SSRI). How to advance security sector reforms with the help of a new assessment and development framework", Paper prepared for the Annual Conference of the Working Group Security Sector Reform of the Partnership for Peace Consortium of Defence Academies and Security Studies Institutes, Berlin, 15-17 June 2003.

(FN30) Siehe hierzu auch Carter, Ashton B.: The Architecture of Government in the Face of Terrorism. In: International Security 3/2001/02, S.5-23.

(FN31) Meier-Koldt, Cord: Einsatzbereit in der Krise? Entscheidungsstrukturen der deutschen Sicherheitspolitik auf dem Prüfstand. Berlin 2002; Deutch, John; Kanter, Arnold; Scowcroft, Brent mit Hornbarger, Christopher: Strengthening the National Security Interagency Process. In: Carter, Ashton B./White, John P. (Hg.): Keeping the Edge. Managing Defense for the Future. Cambridge/London 2000, S.265-284.

(FN32) Heisbourg, François (Hg.): European Defence: Making it Work. Paris 2000; S.97-101; de Wijk, Rob: Convergence Criteria: Measuring Input or Output?. In: European Foreign Affairs Review 3/2000, S.397-417; Missiroli, Antonio: European Security and Defence: The Case for Setting ‘Convergence Criteria’. European Foreign Affairs Review 4/1999, S.485-500; Huber, Reiner K.: Standards und Konvergenzkriterien für die Weiterentwicklung der europäischen Streitkräfte, Europäische Sicherheit 4/2002, S.45-50.

(FN33) Houben, Marc/Peters, Dirk: The Deployment of Multinational Military Formations: Taking Political Institutions into Account, Brussels 2003; Siedschlag, Alexander: Nationale Entscheidungsprozesse bei Streitkräfteeinsätzen im Rahmen der Petersberg-Aufgaben der EU - Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Schweden. In: Reiter/Rummel/Schmidt, Europas ferne Streitmacht, S.222-232.

(FN34) Diese Feststellung gilt in analoger Weise auch für die EU. Siehe hierzu Missiroli, Antonio: Euros for ESDP: Financing EU Operations. Paris 2003.

(FN35) Ein typisches Beispiel dafür ist die Verzögerung der Beschaffung des Transportflugzeugs A400M durch Budgetstreitigkeiten zwischen dem deutschen Bundestag und dem Bundesverteidigungsministerium.

(FN36) Borchert, Heiko und Eggenberger, René: Selbstblockade oder Aufbruch? Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU als Herausforderung für die Schweizer Armee. In: ÖMZ 1/2002, S.27-36, hier S.32.

(FN37) Artikel III-210:1, zit. gemäß: Draft Treaty establishing a Constitution for Europe.

(FN38) Siehe hierzu auch: Feasibility Study for the Setting Up of a European Border Police, S.67-69, (Zugriff: 16. Dezember 2003).

(FN39) Die EU baut eine Datenbank auf, um darin die militärischen ABC-Fähigkeiten zu erfassen, die zum Schutz der Zivilbevölkerung insbesondere im Fall terroristischer Angriffe eingesetzt werden können. Siehe: Presidency Conclusions, Thessaloniki European Council, 19 and 20 June 2003, S. 35, (Zugriff: 16. Dezember 2003). Einen vergleichbaren Vorschlag hat auch die NATO im Rahmen ihres Maßnahmenplans zur Terrorismusbekämpfung verabschiedet. Siehe: Partnership Action Plan Against Terrorism, 21 November 2002, Para. 16.4.3, (Zugriff: 16. Dezember 2003).

(FN40) A Secure Europe in a Better World, S.4-7.

(FN41) Townsend, Adam: Guarding Europe, London 2003, 23-27; Grant, Charles: Intimate relations. Can Britain play a leading role in European defence - and keep its special links to US intelligence?, London 2000, S.17.

(FN42) Müller Wille, Björn: For your Eyes only? Shaping an Intelligence Community within the EU. Paris 2004.

(FN43) Transformationsrelevante Einrichtungen wie beispielsweise das NATO Joint Warfighting Centre in Norwegen sollten dabei unbedingt ebenfalls berücksichtigt werden.

(FN44) Final Report of Working Group VII on External Action, CONV 459/02, Brüssel, 16. Dezember 2002, S.6, (Zugriff: 16. Dezember 2003).

(FN45) Im radikalsten Fall könnten EU-Fördergelder, so wie das heute schon in anderen Bereichen der Fall ist, an das Erreichen bestimmter Standards geknüpft werden, um Reformfortschritte im Sicherheitssektor zu begünstigen. Ein ähnlicher Ansatz ist auch denkbar mit Blick auf Forschungsgelder, die einer sicherheitspolitisch relevanten Verwendung dienen.

(FN46) Zu diesem Zusammenhang grundlegend Strunz, Herbert und Dorsch, Monique: Sicherheitspolitik und Wirtschaft. In: ÖMZ 4/2003, S.429-442.

(FN47) Behrendt, Sven und Khanna, Parag: Geopolitics and the Global Corporation. In: strategy + business 32/2003, S. 69-75; Starr, Randy; Newfrock, Jim; Delurey, Michael: Enterprise Resilience. Managing Risk in the Networked Economy. In: strategy + business 30/2003, S. 70-79; Business Continuity Institute, Expecting the Unexpected. Business continuity in an uncertain world, London 2003.

(FN48) A secure Europe in a better world, S.15.

(FN49) Poincignon, Yann: EU Civilian Policing: Foreign Policy Action or Internal Security Tool? Paper presented to the Geneva Centre for Security Policy, 17th International Training Course, June 2003.

(FN50) Die ESS weist in Ansätzen bereits darauf hin. Siehe: A secure Europe in a better world, S.14.

(FN51) Binnendijk, Hans und Johnson, Stuart: Transforming for Stabilization and Reconstruction Operations, Washington, DC 2003.

(FN52) Edwards, John: Winning the Peace. In: In the National Interest 25 June 2003, (Zugriff: 30. Dezember 2003).

(FN53) Sloan, Stanley R. und Borchert, Heiko: Europe, U.S. Must Rebalance Soft, Hard Power. Defense News, 8.-15. September 2003, S.59.

Dr. rer. publ. Heiko Borchert Geb. 1970; Inhaber eines Politik- und Unternehmensberatungsbüros; Direktor für Sicherheit und Verteidigung am Düsseldorfer Institut für Außen- und Sicherheitspolitik (DIAS); 2003 Lehrbeauftragter für Sicherheitspolitik an der Universität St. Gallen (HSG); 1999 Promotion an der Universität St. Gallen; 1996-1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Internationale Studien (CIS) der ETH bzw. der Universität Zürich und Ausarbeitung der Dissertation im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 42 (Grundlagen und Möglichkeiten der schweizerischen Außenpolitik). Zahlreiche Veröffentlichungen zur Sicherheitspolitik Europas und der Schweiz.

Dr. rer. pol. Reinhardt Rummel Geb. 1944, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe EU-Außenbeziehungen bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit , Berlin; Mitglied von Conflict Prevention Associates (CPA), Brüssel; 1997-2002 Leiter des Conflict Prevention Network (CPN), Berlin/Brüssel; davor längere Forschungsaufenthalte in den USA und Frankreich sowie Lehraufträge in Paris, München, Bologna und Madrid. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Fragen der europäischen Integration, EU-Außen- und Sicherheitspolitik, Konfliktprävention und Krisenmanagement.



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