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An der Informationsfront

von Wolfgang Schober

Kurzfassung

◄ Jamie Shea, der Leiter der Medienarbeit des Office of Information and Press (OIP) zieht sechs Lehren aus der Öffentlichkeitsarbeit der NATO während des Kosovo-Konflikts: In Krisenzeiten ist Perfektion im Umgang mit den Medien unrealistisch. Konfusion und Verunsicherung seien herausragende Wesensmerkmale einer Krise bzw. kriegerischen Auseinandersetzung, weswegen die allianzinternen Schwierigkeiten bei der Bereitstellung aktueller Informationen verständlich würden. Zudem sei die NATO-Medienarbeit auf Rezipienten gestoßen, für die subjektiv die Operation Allied Force mit einer Gesamtdauer von 78 Tagen schon als langer Konflikt empfunden worden sei. NATO und Medien hätten nun einmal unterschiedliche Interessen; das Bündnis wolle generelle, leicht verständliche Botschaften an die Öffentlichkeiten tragen, während die Journalisten an Details, Hintergrundinformationen und "Inside"-Berichten interessiert seien.

Die NATO muss ihre Presse- und Medienorganisation verstärken, sobald ein aktives Eingreifen in einen Konflikt absehbar ist. Die Personalstärke des OIP sei für Medienarbeit in Friedenszeiten ausgelegt und es habe rund ein Monat gedauert, bis ein Media Operation Center eingerichtet worden sei.

Die Weitergabe militärischer Informationen in der Krise durch SHAPE muss verbessert werden. Die geringe Geschwindigkeit des militärischen Informationsflusses zum OIP habe heftige Kritik seitens mancher Pressevertreter ausgelöst und zu einer Verringerung der Glaubwürdigkeit der NATO geführt.

Das Wissen über den Gegner in einer Krise oder einem Konflikt muss verbessert werden. Das Fehlen einer fundierten Lagebeurteilung auf der politischdiplomatischen Ebene sei ein entscheidendes Manko der NATO gewesen, das schnellere Gegenmaßnahmen zur Abschwächung der Wirkung jugoslawischer Propaganda in den westlichen Medien verhindert habe. Ein weiteres Dilemma habe darin bestanden, dass der Gegner freien und ungehinderten Zugang zu den westlichen Medien gehabt habe, was umgekehrt für die NATO nicht gegolten habe.

Im Fernsehzeitalter sind Bilder in der Berichterstattung entscheidend. Der Mangel an aktuellem Bildmaterial habe die Rechtfertigungssituation des Bündnisses erschwert, während die jugoslawische Seite ihr genehmes Filmmaterial propagandistisch geschickt einsetzte.

Die Medien müssen permanent mit aktueller Information versorgt werden. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Medienvertreter ans hauseigene Pressezentrum gebunden würden und es unterließen, anderenorts nach anderen, möglicherweise kritischen Stellungnahmen zu suchen. Allerdings hätte die NATO die in manchen Mitgliedsländern vorherrschende skeptische Grundeinstellung der Öffentlichkeit nicht rechtzeitig erkannt und zu spät mit aktiven PR-Maßnahmen begonnen.

Zusammenfassend konstatiert Shea, dass es dem Bündnis trotz der aufgezeigten Schwierigkeiten gelungen sei, seine Botschaft, die Wiederherstellung der Menschenrechte, die Beendigung der Vertreibungen und die Friedensschaffung an den "kleinen Mann" zu transportieren. Die Informationsarbeit der NATO habe auch den Gegner überzeugt und ihn schließlich zum Einlenken gebracht und ist schlussendlich auch bei den Opfern des Konflikts glaubwürdig gewesen.

Das Äquivalent zum OIP auf Seiten des militärischen Hauptquartiers SHAPE war das Public Information Office (PIO), das zu einer kritischeren Betrachtung seiner Rolle im Kosovo-Konflikt kommt als das OIP. Schon die Verfügbarkeit für die Presse und der Zugang zum Kommandanten (SACEUR) erhielten keine Bestnoten, ebenso wurde das Versäumnis kritisiert, den genehmigten PR-Plan einzuhalten. Massiv kritisierte das PIO die Einrichtung eines Information Operations Center (IOC), das zu einer Vermischung von Propaganda und öffentlicher Information geführt habe. Die Reduzierung der Gruppenbesuche bei SHAPE und im NATO-Hauptquartier während des Luftkriegs habe das Bündnis der Gelegenheit beraubt, direkt zu hochgrädigen Besuchern zu sprechen.

Uneingeschränktes Lob spricht das PIO dem Briefing-Team aus, das sich wegen der faktischen Zwänge der Krisen-PR formiert habe und eine exzellente Vorbereitung des Militärsprechers sicherstellte. Allerdings sei es gänzlich unverständlich, warum dieses Team in späterer Folge dem IOC unterstellt worden sei. Das IOC als zusätzliche Hierarchieebene habe eine verzögerte Information des PIO bewirkt und das Konzept einer offenen Medienpolitik konterkariert. Außerdem sei durch das IOC der Zugang zum Kommandanten unnötig erschwert worden.

Medienarbeit und Information Operation müssen getrennt werden. Journalisten akzeptieren, dass Abteilungen für Medienarbeit pro domo zu argumentieren haben, goutieren aber keinesfalls, mit einer PR-Abteilung konfrontiert zu werden, die auf Grund ihrer Struktur Manipulationsabsichten erkennen lässt. Eine solche Abteilung würde sich selbst und damit die gesamte Institution ihrer Glaubwürdigkeit berauben.

An Schlussfolgerungen für die Zukunft stimmen OIP und PIO überein, dass zuerst die unbefriedigende Personalsituation gelöst werden muss, wobei Kenner des Mediensystems wichtiger sind als Personen mit militärischer Fachkenntnis. Des Weiteren muss der allianzinterne Informationsfluss beschleunigt und durch die Einführung verschlüsselter Verbindungen sicherer werden. Die Klassifizierung von nachrichtendienstlichem Material sollte überdacht und die unterschiedlichen "Copyright"-Bestimmungen, die für enorme Zeitverluste, beispielsweise bei Bildveröffentlichungen, verantwortlich zeichneten, überarbeitet werden. Schlussendlich sollte noch sichergestellt werden, dass die Personalfluktuation in der Medienarbeit minimiert wird. ►


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Erfahrungen der NATO aus ihrer Medienarbeit während des Kosovo-Einsatzes

Lessons Learned

Während die militärischen Einsätze bei der Operation Allied Force der NATO im Kosovo relativ problemlos verliefen, eröffnete sich in ihrem Hauptquartier und bei SHAPE die "Vierte Front", die Informationsfront. Rund um die Uhr standen Öffentlichkeitsarbeiter der Allianz im Einsatz, um via Medien einer breiten Öffentlichkeit die Intention und Erklärungen dieses ersten "humanitarian conflict", wie ihn der britische Premier Tony Blair etwas pathetisch bezeichnet hatte, darzulegen. An dieser Front ging es um das Elementare der "air campaign", nämlich die Erhaltung der Unterstützung eines Großteils der Bevölkerungen in NATO-Mitgliedsländern für diesen Waffengang zur Beendigung der systematischen Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo.

Dieser Beitrag beleuchtet nun in Fortsetzung des Artikels "An der Informationsfront: Die Medienarbeit der NATO im Kosovoeinsatz" (ÖMZ 4/2001), die NATO-interne Beurteilung der Ergebnisse ihrer Medienarbeit. Die Zitate stützen sich, soweit nicht anders angegeben, auf persönliche Gespräche des Autors mit Dr. Jamie Shea, Direktor des Office of Information and Press (OIP), und Oberst Konrad Freytag, Direktor des Public Information Office (PIO) von SHAPE im Dezember 2000, sowie auf bisher unveröffentlichte NATO-interne Berichte dieser beiden Abteilungen, in denen beide Leiter die während der Krise gesammelten Erkenntnisse an interessierte "Opinion Leaders" bzw. deren Vorgesetzte weitergeben und Verbesserungsvorschläge für zukünftige Krisen unterbreiten. Sie geben Einblick hinter die Kulissen und in die zum Teil durchaus selbstkritische Beurteilung der Leistungsfähigkeit der allianzinternen Medienarbeit. Allerdings sind deutliche Unterschiede zwischen der Sicht der politischdiplomatischen Ebene und jener der Streitkräfte erkennbar. Inwieweit hier der interessierte Leser Abweichungen von offiziellen Stellungnahmen zu demselben Themenkreis erkennt, bleibt bewusst der individuellen Interpretation überlassen.

Die Analyse der politischdiplomatischen Ebene (OIP)

Aus den Erfahrungen der Medienarbeit des OIP während der Operation Allied Force zieht Jamie Shea sechs "key lessons". Er analysiert darin grundsätzliche Problematiken wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen für militärische Interventionen der Gegenwart oder verweist auf organisatorische Bedingungen, die Medienarbeit von Institutionen benötigen, um überhaupt erfolgversprechend zu werden. Durchaus selbstkritisch stellt er die Bedeutung eines funktionierenden, raschen Informationsflusses innerhalb der Allianz dar und streicht die unverzichtbare Verfügbarkeit authentischen Bildmaterials als Beweis für die eigenen Aussagen hervor. Überdies kritisiert er das Informationsmaterial über Rest-Jugoslawien, das dem OIP offenbar nur lückenhaft seitens der eigenen Aufklärung zu Verfügung gestellt wurde. Das hätte es ihm und seinen Mitarbeitern erschwert, die Medienvertreter im Hauptquartier (HQ) zu halten. Zum Teil geht er in seinen Ausführungen mit den gezeigten Leistungen der NATO scharf ins Gericht, was allerdings als konstruktive Kritik eines PR-Experten zu verstehen ist, der um die enorme Bedeutung systematisierter Public Relations zur Stärkung der Akzeptanz und Legitimität militärischer Gewaltanwendung bei großen Teilen der Bevölkerungen genauestens Bescheid weiß. Da der ehemalige Lehrer an verschiedenen Universitäten Europas und in den USA nach seinen Leistungen während der Kosovo-Krise zum Leiter des OIP bestellt wurde, steht zu erwarten, dass er auch versuchen wird, seine Erkenntnisse in den kommenden Jahren in die Realität umzusetzen. Seine Kernpunkte lauten im Einzelnen: 1. Erwarte in Krisenzeiten keine Perfektion im Umgang mit den Medien ("Do not expect perfection in dealing with the press in a crisis or conflict"): Mit dieser realistischen Aufforderung an die Adresse der 19 NATO-Mitgliedstaaten analysiert er einleitend die Eigenart kriegerischer Auseinandersetzungen, in denen das Aufeinanderprallen stark polarisierender, völlig konträrer Positionen die Normalität darstelle. Militärische Konfrontationen seien nie populär, selbst unter den günstigsten Voraussetzungen nicht. Auch sei es in einem aus 19 Demokratien bestehenden Bündnis durchaus normal, dass die in den verschiedenen Mitgliedstaaten vorherrschenden öffentlichen Meinungen voneinander abweichen würden. Damit appelliert er an die "Nervenstärke" der Mitglieder und erinnert sie daran, dass kritische mediale Berichterstattung nicht gleichzeitig bedeuten müsse, dass das Bündnis seine Botschaften nicht verbreiten könne. In Erinnerung an die mediale Kritik der allianzinternen Schwierigkeiten bei der Bereitstellung aktueller Informationen stellt er klar, dass Konfusion und Verunsicherung herausragende Wesensmerkmale von Krisenzeiten und insbesondere kriegerischen Auseinandersetzungen seien. Er verweist darauf, dass außergewöhnliche Vorfälle und unvorhersehbare Zwischenfälle zwar den gewünschten Erfolg der eigenen Medienarbeit schmälern würden, weil die mediale Berichterstattung gerade derartige Missgeschicke überdimensional behandle und somit von der eigentlichen Motivation für den Einsatz ablenke. Er beurteilt derartige Schwierigkeiten jedoch als den Normalzustand in Krisenzeiten. Die NATO werde immer Gegner haben, die ihrerseits Interesse daran hätten, mittels Propaganda, Desinformation oder durch bloße Gegenargumentation das durchaus positive Image des Bündnisses in ihren Öffentlichkeiten zu untergraben. Darüber hinaus werden Außenstehende wie pensionierte Generäle, Politologen oder Akademiker anderer Fachbereiche immer wieder von den Medien zu ihrer Meinung über die Entwicklungen befragt werden und damit eine mediale Bühne erhalten, auf der sie die eigene, natürlich überlegene Strategie präsentieren könnten, deren tatsächliche Qualität sie in der Realität allerdings nie beweisen müssten. Auch verweist er auf die Tatsache, dass Rezipienten die Operation Allied Force, welche realiter nur 78 Tage gedauert hat, für einen langen Konflikt hielten. Er führt dies auf die Auswirkungen der Sendemethoden moderner Massenmedien zurück, die 24 Stunden am Tag hauptsächlich über die Auseinandersetzung in allen möglichen Details berichtet hätten. Die auf eine rasche Entscheidung hoffenden Rezipienten wären in ihrer Erwartungshaltung enttäuscht worden und hätten daher die an sich nur etwas mehr als zwei Monate dauernde Auseinandersetzung als langwierig empfunden. Überdies rechnet er für zukünftige Auseinandersetzungen mit einem ähnlich kritischen Verhalten der Medien, denn die NATO sei eine offene Institution, über die Journalisten kritisch berichten können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Daher würden NATO-Aktivitäten genauer hinterfragt als jene des Gegners, zumal die Allianz im Kosovo-Einsatz einem diktatorisch regierenden Kontrahenten gegenübergestanden war, der die Pressefreiheit auf seinem Staatsgebiet drastisch beschränkt hatte.

Shea beendet seine einleitende Standortanalyse des Bündnisses im Verhältnis zur westlichen Medienlandschaft, indem er auf grundsätzlich gegensätzliche Interessen zwischen der NATO und den Medien hinweist: Seine Aufgabe sei es, generelle, leicht verständliche Botschaften an die Öffentlichkeit zu transportieren, während die Medien an Details, an Hintergrundinformationen und "inside stories" interessiert seien. Als die zukünftige Herausforderung für sein Aufgabengebiet nennt er: "Therefore NATO’s press strategy has to be geared towards the optimal selling of the Alliance’s basic arguments and objectives and the optimal down playing of the manifold criticisms from the media that the resort to arms and the always less than ideal conduct of military operations are bound to endanger.” 2. Ab dem Zeitpunkt, ab dem ein aktives Eingreifen der NATO in eine Konfrontation unvermeidbar erscheint, muss sie ihre Presse- und Medienorganisation verstärken ("We need to strengthen our press and media organisation from the moment NATO‘s involvement in a conflict or major crisis appears inevitable"): Mit dieser Erkenntnis reagiert Shea darauf, dass die Personalstärken des OIP und des PIO ausschließlich für die Medienarbeit in Friedenszeiten ausreichten. Für tatsächliche Krisen-PR seien beide Dienststellen personell eindeutig unterbesetzt, zumal der menschlichen Arbeitsleistung natürliche Grenzen gesetzt sind, besonders dann, wenn sie für einen längeren Zeitraum unter höchstem Druck benötigt werden. Einsätze der NATO hätten immer globale Bedeutung und daher sei eine Aufstockung des Fachpersonals für Öffentlichkeitsarbeit (ÖA) in Krisensituationen unausweichlich. Selbstkritisch merkt er an, dass die Installierung des Media Operation Center (MOC) erst rund ein Monat nach Beginn der Operation Allied Force zwar weit vom Idealzustand entfernt gewesen sei, aber immerhin habe die NATO Mut bewiesen, indem sie die eigenen PR-Schwachstellen analysierte und darauf mit der Schaffung einer allianzintern bis zu diesem Zeitpunkt nicht angewendeten ÖA-Koordinierungsstelle reagiert habe. Für die weitere Zukunft plane er eine ÖA-Zelle, deren Mitarbeiter bereits im Frieden wüssten, dass sie in einem Einsatzfall zur Krisen-PR herangezogen werden würden: "First of all do not wait until your first disaster. We obviously need a proper MOC from the very beginning. If you don’t need the people you can send them home, but it is easier to send them home than to try to find them in the middle of a campaign. So as soon as it is clear that you are going to have a crisis, even if it doesn’t mean military action, set up your MOC 24 hours a day. So that you can get people into the crisis management mode.” Die Aufgabenzuordnung sei dieselbe wie für das MOC während der Kosovo-Krise, also Planung, Recherche, Koordination, Medienanalyse, Verfassen von Gegendarstellung und das Halten der Verbindung mit den Streitkräften.

3. Die Weitergabe militärischer Informationen von SHAPE während der Krise muss verbessert werden ("During the crisis period the provision of military information from SHAPE must be improved”): Mit dieser Forderung spricht Shea die geringe Geschwindigkeit des militärischen Informationsflusses zum OIP an, die heftige Kritik seitens mancher Medienvertreter auslöste und insgesamt zu einer Verringerung der Glaubwürdigkeit der NATO führte: "We were criticised by the press not so much for the fact of causing collateral damage but for the confusion and delay in explaining exactly what had happened.” Zur Vermeidung derartiger Probleme bei SHAPE schlägt er bei den Streitkräften die Institutionalisierung eines nicht näher erläuterten PR-Informationsnetzwerkes vor. Gleichzeitig gibt er aber auch selbstkritisch Versäumnisse des OIP aus Friedenszeiten zu, denn es sei während der Operation viel zu sehr von den persönlichen Kontakten einiger seiner Mitarbeiter mit den Regierungen der Mitgliedsländer abhängig gewesen, anstatt auf systematisierte Informationskanäle zurückgreifen zu können. Die dortigen Ansprechpartner hätten zwar über gute Kontakte zu jenen Truppen ihrer Länder verfügt, die unter dem Kommando von SHAPE standen, allerdings habe das OIP von diesen erst nach entsprechender Verbindungsaufnahme die benötigten Informationen erhalten. Nur über diesen Umweg war es dem OIP anfänglich möglich gewesen, relativ rasch zu Informationen zu gelangen. Trotzdem war unnötiger Zeitverzug die Folge, der die o.a. Kritik seitens der Medien auslöste. Um in Zukunft derartige Umwege vermeiden zu können, schlägt Shea den Aufbau einer Recherche-Zelle bei SHAPE/PIO vor, die rasche Auskunftsleistung ermöglichen solle, denn: "We found out during Allied Force that when we were unable to explain an incident because of a lack of information the story would play for days in the media. When towards the end we were able to give information quickly, the story disappeared almost immediately.” 4. Wir benötigen in der Krise oder der Auseinandersetzung ein viel besseres Wissen über unseren Gegner ("We need to know much more about our opponent in a crisis or conflict"): Mit dieser Forderung bestätigt Shea indirekt das Fehlen einer gediegenen Beurteilung der Lage auf der politischdiplomatischen Ebene der NATO: "During Operation Allied Force it was several weeks before we had people knowledgeable about Yugoslavia in the MOC or started to monitor the Yugoslav press or TV closely. Milosevic’s propaganda caught us by surprise.” Shea vertritt die Ansicht, dass die NATO bei Anwendung intensiverer Analysemethoden viele Schritte Milosevics besser antizipieren hätte können, was schnellere Gegenmaßnahmen zur Abschwächung der Wirkung jugoslawischer Propaganda in den westlichen Medien ermöglicht hätte. Überdies beklagt er den geringen Umfang medial verwertbarer nachrichtendienstlicher Informationen über die Aktivitäten des Gegners: "Far too often when I came across interesting information I was told that it was classified and therefore could not be used publicly. This did not mean that it did not emerge an hour or so later in the Pentagon briefing.” Operation Allied Force stellt für ihn auch ein typisches Beispiel der ungleichen Ausgangssituation für die Krisen-PR von Demokratien und diktatorisch regierten Staaten dar: Während der Gegner freien und ungehinderten Zugang zu den westlichen Medien gehabt habe, sei es der NATO nur unter Aufbietung größter technischer und organisatorischer Anstrengungen möglich gewesen, diesen Vorteil des Gegners zu egalisieren. Die NATO habe versucht, die eigenen Botschaften auch an die jugoslawische Bevölkerung zu bringen. Dies sei ihr auf Grund der Kontrolle des Regimes über die jugoslawischen Medien nicht gelungen. Shea verweist auf Planungen des Bündnisses, dieses Manko zu beseitigen: " … we had ideas to set up a radio station to broadcast into Yugoslavia, to use aircraft to beam in radio programmes or to help existing radio and TV stations to widen their spectrum into Yugoslavia.” Allerdings konnte keines dieser Projekte vor Beendigung der Operation realisiert werden. Seine Intention für zukünftige Unternehmungen ist aber klar, wenn er meint: "We need to have media planning for such a proactive approach better prepared next time round.” 5. Im Fernseh-Zeitalter sind Bilder entscheidend ("In the TV age pictures are crucial”): Damit spricht er das Ungleichgewicht zwischen der Glaubwürdigkeit von Worten gegenüber Bildern in unserer heutigen TV-informierten Gesellschaft an. Zwar seien seine Aussagen von jenen Redakteuren bestätigt worden, die nach Beendigung der Kampfhandlungen mit den einmarschierenden Truppen in das Kosovo kamen, während der Operation sei jedoch den Bildern Milosevics mehr Glauben geschenkt worden als Sheas Worten, was die Rechtfertigungssituation der Allianz noch zusätzlich erschwert habe. Allerdings kann auch er zum Zeitpunkt des Gespräches keine Lösung des Problems der fehlenden Bilder während einer Krise nennen, deutet allerdings an, dass darüber im NATO-HQ intensiv nachgedacht werde.

6. Es ist absolut notwendig, die Medien mittels aktueller Information dauernd zu beschäftigen ("It is essential to keep the media permanently occupied and supplied with fresh information to report on"): Shea beurteilt in seinen "Lessons Learned" die mediale Präsenz der NATO während der Operation Allied Force als zufriedenstellend. Sie habe es nach der Implementierung des MOC fertiggebracht, die Botschaften der jugoslawischen Regierung medial in den Hintergrund zu drängen. Die zeitliche Abfolge der Medieninformation der NATO und ihre koordinierte Weiterverbreitung in den verschiedenen westlichen Staaten habe eine Situation geschaffen, " ... in which nobody in the world who was a regular TV watcher could escape the NATO message.” Voraussetzung dafür sei jedoch gewesen, die Medienvertreter durch neue und interessante Informationen im NATO-Pressezentrum zu binden und sie dadurch davon abzuhalten, nach anderen, vielleicht kritischen Stellungnahmen an anderen Orten zu recherchieren.

Weniger zufrieden ist Shea mit der Tatsache, dass die Allianz in manchen Mitgliedsländern die dort vorherrschende skeptische Grundhaltung nicht rechtzeitig erkannt hat und daher erst relativ spät mit aktiven PR-Maßnahmen die dortigen Medien erreichen konnte. Weiter führt er aus, dass in wichtigen Nachbarstaaten zu Rest-Jugoslawien wie Rumänien, Bulgarien und Mazedonien mit Fortdauer der Operation das Entstehen einer ähnlich kritischen Haltung festgestellt wurde, die sich bei längerer Dauer der Operation negativ auf die Solidarität mit der NATO auswirken hätte können. Um bei vergleichbaren zukünftigen Szenarien auf derartige Entwicklungen rascher reagieren zu können, verweist er auf die Notwendigkeit der Gründung einer Stelle zur Medienbeobachtung und -analyse von Staaten mit derartig sensibler Stimmungslage. Eine solche Dienststelle hätte Erkenntnisse über die jeweiligen Informationsbedürfnisse des Landes zu gewinnen, die danach mittels speziell konzipierter PR-Kampagnen in Kooperation mit der dortigen Regierung befriedigt werden sollten. Er sieht darin eine Hauptaufgabe für Bündnisse wie der NATO, denn: "If you are running a coalition military campaign, if one country has a problem it soon becomes your problem. By having an organisation in which you are in close coordination with capitals you can work out what kind of message can help a particular government through a difficult period.” Sheas Analyse von den Schwierigkeiten des OIP bei der Umsetzung der Krisen-PR im Kosovo-Konflikt lassen ein grundsätzlich rezipientenorientiertes Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit im Bündnis erkennen. Dieses erhöht bei entsprechend professioneller Umsetzung die Chancen auf mediale Präsenz und damit auch das Potenzial zur Einflussnahme auf öffentliche Meinungen. Er zeigt aber auch, dass die Allianz den heutigen gesellschaftlichen Entwicklungen mittels moderner Arbeitsmethoden ihrer PR Rechnung trägt und auf folgende Phänomene heutiger Gesellschaften eingeht: Definierten sich Institutionen in vergangenen Jahren hauptsächlich in der bloßen Darstellung des Produktes - im Fall der NATO wäre dies beispielsweise die Aufrechterhaltung des Friedens durch Abschreckung gewesen - so beurteilen Außenstehende heute derartige Organisationen wesentlich komplexer im Sinne des gesamtheitlichen Verhaltens von Institutionen in Beziehung zu ihrer Umwelt. Dies bedeutet beispielsweise für die NATO, dass die bloße Darstellung ihrer Militärpotenziale und die Tatsache, dass sie das einzige sicherheitspolitische Bündnis von weltweiter Relevanz ist, heute nicht mehr ausreicht, um als erfolgreiche Organisation wahrgenommen zu werden. Kriterien wie Zukunftsorientierung, Transparenz, politische Aktivitäten, Umgang der einzelnen Mitgliedsländer miteinander oder der Umgang des Bündnisses mit Nichtmitgliedern haben Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung. Die mediale Vermittlung derartiger Kriterien fällt in den Tätigkeitsbereich der Öffentlichkeitsarbeit des Bündnisses.

Die Selbstevaluierung des OIP

Anschließend stellt Shea jene drei Fragen, die bei positiver Beantwortung der Effizienz der Medienarbeit im Kosovo-Einsatz ein positives Zeugnis ausstellen würden: 1. Konnten wir unsere eigenen Bevölkerungen überzeugen? ("Have we convinced our own public opinion?”): Während der Operation Allied Force wären die Bevölkerungen der Mitgliedsländer keineswegs enthusiastische Befürworter der Operation gewesen. Trotzdem hätten sie im Endeffekt die eigentliche Begründung des Einsatzes - die Wiederherstellung der Menschenrechte, die Beendigung der Vertreibungen und die Friedensschaffung - darin bestärkt, dass die NATO gerechtfertigt handle. Auch wenn Massenmedien manche Aktionen der Gesamtoperation heftig kritisiert hätten, so wäre doch die Botschaft des Bündnisses an den "Kleinen Mann" transportiert worden. Gerade der "Mann von der Straße" sei für die allgemeine Stimmungsbildung jedoch von entscheidender Bedeutung, denn: "He is the person who counts in these types of operations through his support in opinion polls.” 2. Konnten wir unseren Gegner überzeugen? ("Did we convince our adversary?”): Shea bezieht sich hier auf die ihm vorliegenden Fakten und die würden eindeutig für seine Argumentation sprechen, denn immerhin habe Milosevic während der dritten Phase der Angriffe eingelenkt, und durchaus selbstbewusst erläutert er die Rolle seines OIP, wenn er meint: " ... and clearly I would like to think that our media operations had a minor role in bringing him to that." 3. Konnten wir die Opfer überzeugen? ("Did we convince the victims?”): Er meint damit jene Kosovo-Albaner, die sich vor den Säuberungsaktionen der Serben versteckt hielten. Shea berichtet über seinen Besuch in Pristina, bei dem ihm Menschen dieser ethnischen Minderheit versichert hätten, dass sie täglich über die noch intakten Satelliten-Programme seine Pressekonferenzen verfolgt hätten und er für sie ihre "lifeline to optimism” bedeutet hätte und dass " ... the briefings ... had all convinced them that they should not despair, they should hold on, that NATO was going to come and help them.” Er selbst beantwortet alle drei Fragen mit einem klaren "Ja" und bewertet somit die (sicherheits)politische Medienarbeit der NATO während des Kosovo-Einsatzes als einen Erfolg.

Für ihn habe die Operation Allied Force bewiesen, dass "… the allintrusive nature of press relations to an Alliance in conflict is still underplayed and underexploited in NATO’s crisis management exercises.” Deshalb fordert er ein neues allianzinternes Problembewusstsein in Bezug auf die Medienarbeit und die Bereinigung der erkannten Ausbildungsdefizite durch intensiviertes Medientraining.

Darauf angesprochen, ob der humanitäre Zweck der Operation Allied Force die Medienarbeit erleichtert habe, antwortet er indifferent: "Yes and No. The problem of humanitarian operations is that they do appeal to the emotions ... not national interests” und spricht damit jene starken und teilweise rasch wechselnden Stimmungen in den Bevölkerungen westlicher Demokratien an, die derart emotionsgeleitete Begründungen militärischer Einsätze kennzeichnen würden. Diese Schwankungen registrierten neben der NATO natürlich auch Medienvertreter und seien diesen als Mitglieder der jeweiligen Gesellschaften auch unterworfen. Aus seiner Sicht sind die Massenmedien insofern ein gewichtiger Faktor, weil sie mittels intensiver Berichterstattung über erkannte Missstände in einem Land die politische Grundsatzentscheidung für oder gegen einen Streitkräfteeinsatz nachhaltig beeinflussen können: "It’s the media that drive you in - by pictures of starving children e.g. in Ethiopia - but it’s the media that drive you out.” Er ist skeptisch, dass zukünftige militärische Interventionen im Sinne eines "humanitarian conflict", mediale Unterstützung beim Erreichen ihrer Ziele zu erwarten hätten, was wiederum eine breite gesellschaftliche Anerkennung solcher Einsätze erschweren würde. Er begründet dies mit der zu erwartenden langen Dauer, bis eindeutige Fortschritte der sozialen oder (menschen)rechtlichen Situation des betroffenen Landes erkennbar seien. Es sei überaus schwierig, die erzielten Fortschritte einer Operation wie jener im Kosovo medial präsentieren zu können, denn mit Beendigung der Luftangriffe habe sich auch das intensive Medieninteresse auf andere Krisengebiete verlagert. Deswegen fänden die erreichten Entwicklungen kaum noch Erwähnung in den Medien. Den Menschen wären aber die angefallenen enormen Kosten vergangener Militäroperationen noch in Erinnerung, was er als einen wesentlichen Grund für skeptische Grundhaltungen in weiten Teilen westlicher Demokratien beurteilt.

Die Selbstevaluierung des PIO

Die Probleme des PIO finden ihren klaren Niederschlag in dessen Erfahrungsbericht über die eigenen Arbeits- und Rahmenbedingungen während der Operation Allied Force. Im Gegensatz zu Jamie Sheas eindeutig positiver Beurteilung der Ergebnisse des OIP ist das PIO selbstkritischer. Es werden darin grundsätzliche Probleme der praktischen Umsetzung der militärischen PR beleuchtet wie die personelle Stärke, Arbeitsabläufe, aber auch die zur Verfügung stehende Infrastruktur und die kommandointerne Zusammenarbeit. Die vorliegenden Bewertungen reichen durchwegs von "marginal" bis bestenfalls "satisfactory", was als deutlicher Ausdruck bestehender Unzufriedenheit verstanden werden kann. Die einzige Ausnahme bildet die Beurteilung des "Briefing Team", das die Note "excellent" erhielt. Die Beurteilungen lauten im Einzelnen: 1. Plan

1.1 Verfügbarkeit für die Presse und Zugang zu Kommandanten ("Media Availability and Access To Commanders”): "Outcome: satisfactory to marginal” Es wird die Vorgangsweise des SACEUR im Umgang mit Journalisten - häufige Absage von Interviewterminen, Bevorzugung der US-amerikanischen Presse gegenüber der europäischen - kritisch festgestellt. Für zukünftige vergleichbare Krisensituationen schlägt PIO vor, bereits vor einem eventuellen Einsatz eine speziell auf die Person des jeweiligen SACEUR maßgeschneiderte "SACEUR Media Policy" zu entwickeln und diese auch bestmöglich beizubehalten. Überdies wird vorgeschlagen, dass: "Rather than an everyday slot, we suggest two to three times a week that SACEUR talk to media.” Darüber hinaus sollten sämtliche Kommandanten nachgeordneter Truppenkörper zu Pressestellungnahmen berechtigt sein. Dies solle "in their lane only" geschehen, also zu Aussagen berechtigen, die ausschließlich ihren eigenen Führungsbereich betreffen. Damit könnte einerseits eine gewisse "mediale Abwechslung" geboten und andererseits verhindert werden, dass bei eventueller Unabkömmlichkeit des SACEUR keine Botschaft des Militärs für die Medien zur Verfügung stünde.

1.2 Versäumnis, den genehmigten PR-Plan einzuhalten ("Failure to follow the approved Public Information Concept”): "Outcome: marginal" Der Leiter des PIO findet deutliche Worte der internen Kritik am unverzüglichen Abgehen vom gültigen Befehl für die Medienarbeit ab dem Beginn der Operation Allied Force. Dies hätte zu einem "ad hoc approach" anstelle einer geordneten, systematischen PR geführt, was insgesamt zum Schaden der medialen Präsenz der Streitkräfte geführt hätte. Für vergleichbare zukünftige Einsätze schlägt der Chief of the Public Information Office (CPIO) vor: "In the future, we should implement the approved plan and adjust and/or update the base plan as necessary to meet changing requirements.” 1.3 Ausführung der Presse-Briefings ("Conduct of press briefings”): "Outcome: satisfactory to marginal” In diesem Punkt äußert PIO massive Kritik an der Installierung des Information Operations Center (IOC), also jenen Information Operations-Militärexperten, die etwa ein Monat nach Anlaufen der "air campaign" für die Medieninformation verantwortlich zeichneten. "Additionally, the blurring of what constitutes propaganda and public information caused several blunders with respect to public announcements.” PIO erkennt die Trennung der Verantwortlichkeiten in der Vorbereitung und Durchführung der Pressekonferenzen als den grundlegenden Fehler, der zu massiven internen Schwierigkeiten geführt und seine Konsequenz in besonders kritischen Medienberichten gefunden habe. Daher schlägt CPIO vor, dass "press briefings should remain the responsibility of Public Information.” 1.4 Reduzierung der Gruppenbesuche bei SHAPE und dem NATO-Hauptquartier ("Reduction in Group Visits to SHAPE and NATO”): "Outcome: satisfactory" Dabei hinterfrägt CPIO, warum das NATO-HQ während der Krise weniger Genehmigungen für Besuche von interessierten Zivilisten bei SHAPE erteilte als unter normalen Umständen. Trotz des überaus intensiven Arbeitsanfalles in der Krise sei es nach Ansicht des PIO von Bedeutung, dieselbe Besucherfrequenz aufrechtzuerhalten wie im Frieden, denn gerade dann sei diese Kommunikationsmöglichkeit mit externen Öffentlichkeiten zur Darstellung der eigenen Positionen und Handlungsmotivationen von besonderer Bedeutung. Trotz der erkannten Personalknappheit im NATO-HQ hätte PIO eine Beibehaltung der üblichen Frequenz von täglich sechs Besuchergruppen begrüßt, denn: "It’s imperative that we continue to talk directly to high level visitors´ groups about the ongoing campaign." 2. Organisation

2.1 "Briefing-Team”: "Outcome: excellent” PIO spricht sich in diesem Punkt ausdrücklich positiv über die Zusammenarbeit mit den Operateuren sämtlicher Abteilungen aus. Erst diese enge Zusammenarbeit verschiedener militärischer Fachbereiche habe die Personalknappheit im PIO zumindest zum Teil egalisieren können, die Informationseinholung bzw. -analyse erleichtert und damit einen wertvollen Beitrag zur rechtzeitigen und umfassenden Vorbereitung des Militärsprechers geleistet. Das "Briefing-Team", bestehend aus Experten verschiedener Spezialgebiete, habe sich aber erst wegen der faktischen Zwänge der Krisen-PR während der Operation Allied Force gebildet und sei dann unverständlicherweise dem IOC unterstellt worden. Für die Zukunft empfiehlt PIO: "For any similar mission, set up a briefing team before the mission starts. Make these positions part of the PI Crisis Establishment (CE) and identify the faces to fill the spaces. This team must work exclusively for the PIO during a crisis as it is a public information function and not an IO (IO=Information Operations; Anm. d. Autors) function.” 2.2 Zugang zur Information ("Access to Information"): "Outcome: marginal” In diesem Punkt kritisiert PIO scharf die Schaffung der zusätzlichen Hierarchieebene durch das IOC, wodurch sich die Information des PIO unnötig verzögert und verringert habe bzw. Filterungsprozesse ausgelöst worden seien, die den im Einsatzbefehl formulierten Grundgedanken einer offenen Medienpolitik konterkariert hätten: "This is detrimental to information management. PIO needs all facts to manage how, how much if any and in what way a story is presented. Limited sharing of information only serves to undermine the Commander’s spokesman by leaving him uninformed and unprepared to the more informed press.” Im Sinne der gemeinsamen Interessen in zukünftigen Krisen verlangt PIO den raschest möglichen Erhalt vollständiger Berichte und die Erlaubnis "... to draft responses that can be coordinated up and down the chain of command." 2.3 Das Media Operation Center in Brüssel ("Media Operation Center at Brussels”): "Outcome: satisfactory” PIO begrüßt die Schaffung des MOC zur Koordinierung und Effizienzsteigerung der Medienarbeit innerhalb der NATO: "It facilitated close coordination with key capitals and helped inform and integrate the overall message.” Allerdings vermisste PIO die Existenz so genannter "Terms of Reference (TOR)", also klarer Richtlinien, die Zweigleisigkeiten wie die Medienanalyse und die Weitergabe von Befehlen an nachgeordnete Dienststellen und die Überwachung ihrer Einhaltung, wie sie sowohl das NATO-HQ und SHAPE weiterhin durchführten, von vornherein verhindert hätten.

2.4 Schwachstellen in der friedensmäßigen Organisation des PIO von SHAPE ("Weaknesses in SHAPE PIO Peacetime Structures"): "Outcome: marginal" In diesem Punkt analysiert PIO seine organisatorischen Personalschwächen und infrastrukturellen Defizite: - PIO verfügte nicht über jene PC-Ausstattung, die den Anforderungen einer gediegenen Krisen-PR entsprochen hätte; - die Referate Media, Plans und Analysis verfügten nicht über die genügende Anzahl an Internetzugängen, um entsprechende Recherchen im Netz durchführen zu können. Überdies hätte die damals bestehende "Firewall" effiziente Internet-Recherchen verhindert; - als besonders nachteilig habe sich der Personalmangel auf dem Fremdsprachensektor herausgestellt. Dies habe nicht nur die Analyse von Medienberichten in NATO-Nationen negativ beeinflusst und zeitlich verzögert, sondern insbesondere jene der Krisenregion; - PIO verfügte nicht über jene modernen elektronischen Kommunikationsmittel (Handies, Fax, Aufnahmegeräte, Scanner...) in der ausreichenden Stückzahl, um eine effiziente Informationskampagne mittels elektronischer Medien durchführen zu können.

SHAPE habe diese Mängel zwar während der Operation erkannt und durch Ankauf oder Leasing der entsprechenden Geräte und Software zum Großteil behoben, dennoch würde PIO einen detaillierten Vorschlag für eine Geräteausstattung und einen Personalplan vorlegen, der sowohl die Notwendigkeiten des Friedensbetriebes als auch der Krisen-PR berücksichtige.

2.5 Unterordnung der Öffentlichkeitsarbeit unter "Information Operations" ("Subordination of Public Information under Information Operations”): "Outcome: marginal" PIO spricht sich klar gegen die erwähnte adhoc-Unterstellung des PIO unter die Führung des IOC aus und beruft sich bei seiner Argumentation auf bestehende NATO-Bestimmungen (MC 422). Die gewählte Vorgangsweise hätte klar gegen diese "Terms of Reference" verstoßen und sei ein Hauptgrund für die Verzögerungen und teilweise Ineffizienz der Medienkampagne gewesen.

3. "Ressourcen”

3.1 Personal und Verstärkung für das SHAPE/PIO ("Manning/Augmentation for SHAPE/PIO"): "Outcome: marginal to failure” PIO stellt darin seine Personalknappheit für die Krisen-PR dar und führt diese auf eine Personalorganisation zurück, die keine Unterschiede zwischen den Aufgaben im Frieden und Einsatz mache. Zusätzlich habe PIO ausgebildete Presseoffiziere fallweise nach Albanien und Mazedonien zur dortigen fachlichen Unterstützung abstellen müssen. Daraus habe sich ergeben, dass der ohnedies in Krisenzeiten erhöhte Arbeitsanfall mit reduzierter Personalstärke zu erledigen war. Dies habe zu einer durchschnittlichen Arbeitsbelastung der PIO-Mitarbeiter von 16 bis 18 Stunden täglich geführt. Zwar wären zur Unterstützung zwei Übersetzer zur Medienanalyse abgestellt worden, diese wären allerdings ausschließlich für diesen Zweck verwendbar gewesen, womit die im Befehl gegebene Ankündigung einer personellen Verstärkung für PIO weder quantitativ noch qualitativ eingelöst worden wäre.

Daher schlägt PIO für die Zukunft ein "Crisis Establishment" für sämtliche Kommanden seines Befehlsbereiches vor, das eine unverzügliche Aufstockung der dortigen PI-Friedensorganisation mit Beginn der Krise erlaubt.

3.2 Pressesprecher von SHAPE ("SHAPE Spokesperson”): "Outcome: marginal” PIO bezieht sich hier auf den ursprünglichen PI-Befehl, der ein gemeinsames Auftreten des NATO-Sprechers mit dem Leiter von PIO als SHAPE-Spokesman bei den täglichen Pressebriefings vorgesehen hatte. Das Abgehen von diesem Plan und die adhoc-Entscheidung, einen Operateur in Generalsrang einzusetzen, habe nachhaltige Probleme verursacht " ... in identifying and preparing the briefer". Zusätzlich habe keiner der insgesamt drei Sprecher im Generalsrang genug Zeit gehabt, ein Vertrauensverhältnis zu den Medienvertretern aufzubauen. Den Redakteuren wiederum waren die neuen Sprecher unbekannt, weswegen sie sich daher auch nicht veranlasst sahen, ihnen Vertrauen entgegenzubringen. In Krisenzeiten sei es aber für Pressesprecher von unabdingbarer Bedeutung, Kontinuität zu signalisieren, professionell vorbereitet zu sein und ein bereits etabliertes Element des sensiblen Beziehungsgeflechtes zwischen Medien und Militär darzustellen. Reporter verschiedener Leitmedien, u.a. BBC, CNN und Le Monde, hätten zum Ausdruck gebracht, dass sie auch in der Krise den Leiter von PIO als Militärsprecher bevorzugt hätten. Daher schlägt das PIO vor: "In future conflicts, the SHAPE spokesperson should continue in his role with special briefers (subject matter experts) added periodically to provide perspectives, context and proximity to the conflict. These special briefers should be identified ahead of time and practiced during exercises.” Insgesamt ist die wesentlichste Erkenntnis der angeführten Selbstevaluierung das Einfordern einer klaren Trennung zwischen "Medienarbeit" und "Information Operations". Grundsätzlich kann dies folgendermaßen begründet werden: Journalisten akzeptieren, dass Abteilungen für Medienarbeit pro domo zu argumentieren haben. Was sie allerdings keinesfalls goutieren, ist eine Abteilung für PR, die auf Grund ihrer Struktur eindeutige Manipulationsabsichten erkennen lässt, denn Medienvertreter wollen sich verständlicherweise nicht erkennbar instrumentalisieren lassen. Für Streitkräfte ist es klar, dass Nachrichtendienst bzw. Aufklärung und Medienarbeit auf höchster Ebene, und fallweise auch darunter, eng zusammenarbeiten. Es ist allerdings einer der größten Fehler, den eine Institution im Umgang mit den Öffentlichkeiten begehen kann, wenn sie derartige Elemente in einer Abteilung für Medienarbeit organisatorisch zu integrieren versucht. Damit würde sich die Abteilung, und somit auch die Institution, für die sie arbeitet, selbst ihres höchsten Gutes im Umgang mit den Öffentlichkeiten berauben: ihrer Glaubwürdigkeit. Ein weiterer grundsätzlicher Fehler in der PR-Kampagne war die Schaffung einer zusätzlichen Hierarchieebene, indem man das PIO dem IOC unterstellte. Dadurch wurde der Zugang zum SACEUR erschwert, was eine Verzögerung der Informationsleistung an die Medien bewirkte.

Genau das Gegenteil hätte den Bedürfnissen heutiger Medienarbeit entsprochen, denn je rascher der Zugang der Presseoffiziere zu ihrem Kommandanten ist, desto schneller funktioniert die Informationsleistung an die Medien, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Stimme des Militärs auch medial präsent ist. Der österreichische Kommunikationswissenschaftler und Universitätsprofessor Wolfgang R. Langenbucher führt zu dieser Grundsatzproblematik aus: "Wo der Öffentlichkeitsarbeit diese Kompetenzen und dieses Rollenverständnis von ‚oben‘ verweigert und verunmöglicht wird, werden fahrlässig Kommunikationsrisiken produziert, die unabsehbare und unkontrollierbare Ausmaße annehmen können. Wer derart sich den Gesetzen der Kommunikationsgesellschaft verweigert, provoziert wissentlich Gewalt, Boykotte, Demonstrationen, Besetzungen und am Ende blutige Terroraktionen. Mit der Öffentlichkeitsarbeit entscheidet sich das Überleben von Betrieben, Parteien, Verbänden. Sie ist Teil der innersten Schaltzentralen aller gesellschaftlichen Institutionen."

Schlussfolgerungen und Auswirkungen

All die dargestellten Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Kosovo-Einsatz des OIP und PIO werden in weiterer Folge sowohl strukturelle und organisatorische Auswirkungen auf beide Büros haben und somit auf die zukünftige Medienarbeit des Bündnisses. Aber auch Rechtsbestimmungen innerhalb des Bündnisses werden davon betroffen sein.

Grundsätzlich ergibt ein Vergleich der Erkenntnisse beider Büros den Schluss, dass eine detaillierte Kenntnis des Mediensystems und seiner Arbeitsroutinen von höherer Bedeutung für das Gelingen einer PR-Kampagne sind als die bloße militärische Fachkenntnis. Es steht zu erwarten, dass diese Erkenntnis in weiterer Folge Auswirkungen auf die personelle Zusammensetzung der Pressebüros der NATO, aber auch die Ausbildung der Streitkräfte haben werden. Jamie Shea deutete dies bereits im Sommer 1999 an, indem er ausführte: "In the future there has to be a unit at SHAPE which is responsible for investigations and rapidly answering requests for information from NATO.” Seitens des Leiters des PIO wurde dieses Vorhaben bestätigt und präzisiert: Für Einsatzfälle sieht der zukünftige Organisationsplan von SHAPE/PIO eine Erhöhung seines Personalstandes um zehn PR-Experten vor. Diese Fachleute werden einen Bereitstellungsschein erhalten und im Anlassfall ihre Verwendung im PIO antreten. Zur Verbesserung der fachlichen Zusammenarbeit ist es vorgesehen, diese Personen in regelmäßigen Abständen zu Übungen und Stabsspielen einzuziehen, um damit die Erfolgswahrscheinlichkeit einer koordinierten Medienarbeit innerhalb der NATO-Streitkräfte zu erhöhen.

Überdies werde in den kommenden Jahren der Umgang mit Medienvertretern und die Beschleunigung des allianzinternen Informationsflusses vermehrt in die Ausbildung von NATO-Streitkräften einfließen. Konkret bedeutet dies, dass bei Übungsvorhaben Berufssoldaten mit Erfahrung im PR-Bereich und Milizsoldaten, die im Zivilberuf im Journalismus und der PR tätig sind, vermehrt Kamerateams und recherchierende Journalisten darstellen. Der Zweck dieser Maßnahme ist es, einerseits die Truppen an die häufige Präsenz von Medienvertretern zu gewöhnen und andererseits den richtigen Umgang mit diesen zu üben.

Infolge von Allied Force war die mediale Berichterstattung für das Gelingen der gesamten Operation als derart wichtig beurteilt worden, dass dadurch sogar militärische Beschaffungsvorgänge der nächsten Jahre beeinflusst werden. Dazu ein Beispiel: Sämtliche NATO-Kampfflugzeuge, bis auf jene der USA, hatten während der "air campaign" keine technischen Möglichkeiten zur verschlüsselten Kommunikation mit ihren Fliegerleitstellen in den Startflughäfen, woraus sich Zeitverzögerungen in der Weitergabe der Ergebnisse in den Zielen ergaben. In der Zwischenzeit hatte die serbische PR bereits ihrerseits der Weltöffentlichkeit ihre Sicht der Dinge über den jeweiligen Einsatz dargelegt, was bei PIO unverzügliche Journalistenanfragen zur Folge hatte. PIO konnte jedoch auf Grund der mangelnden Information stundenlang, manchmal sogar tagelang, keine gesicherte Gegendarstellung liefern. Das erweckte einerseits den Eindruck, dass die NATO Informationen zurückhalte, was insgesamt zu einer Verringerung ihrer Glaubwürdigkeit führte, und andererseits kam es dadurch zu einer überaus hohen Präsenz der Position Jugoslawiens in den diversen Medien. Das PIO und OIP schlugen daher nach der Operation Allied Force in den entsprechenden Gremien des Bündnisses gemeinsam vor, dass in Zukunft jegliche Kommunikation innerhalb der Allianz über technisch verschlüsselte Verbindungen abzulaufen habe. Der Beschaffung solcher Kommunikationsmittel für NATO-Jets ist laut dem Leiter des PIO zukünftig eine Priorität in der Beschaffung der Streitkräfte der Allianz eingeräumt worden. Es ist dies als eine Reaktion auf die festgestellte Tatsache zu sehen, dass das Bündnis seitens der Journalisten z.T. weniger für angerichtete Schäden kritisiert worden war als vielmehr für die häufig lange Dauer der Bereitstellung eingeforderter Informationen.

Weitere Überlegungen betreffen die allianzinterne Klassifizierung von nachrichtendienstlichem Material, und beide Leiter fordern ein Neuüberdenken der bestehenden Geheimhaltungsbestimmungen und deren Gewichtung.

Zusätzlich gibt es allianzinterne Bemühungen, unterschiedliche juridische Bestimmungen einzelner Mitgliedsländer zur Freigabe von Luftbildaufnahmen an die erkannten Bedürfnisse anzupassen. Oberst Freytag führt dazu aus: "Die unterschiedlichen Copyright-Bestimmungen in den einzelnen Mitgliedsländern, die nach den jeweils dort gültigen Bestimmungen gehandhabt werden, bedeuteten für uns einen enormen Zeitverlust, bis wir die Bilder veröffentlichen konnten. Daher arbeiten wir daran, diese Bestimmungen verändern und vereinheitlichen zu lassen, um damit eine Beschleunigung in deren Deklassifizierung zu erreichen." Beim OIP ist die Installierung eines MOC für Krisenzeiten vorgesehen. Die personelle Stärke von rund zwei Dutzend Mitarbeitern wird genauso beibehalten wie die Kriterien der Personalauswahl und die geforderte Fachkenntnis.

Mit den dargestellten Maßnahmen hofft die NATO in ihrer Medienarbeit für zukünftige Krisenzeiten gut vorbereitet zu sein. Beide "Offices" nutzten das gestiegene Ansehen der PI nach Allied Force, weswegen sie auch die o.a. Maßnahmen durchsetzen konnten. Trotz der strukturellen Verbesserungen sieht Jamie Shea dennoch Schwierigkeiten bei der Bewältigung anfallender Herausforderungen in der Medienarbeit zukünftiger Krisen und begründet sie mit der üblichen raschen Personalfluktuation innerhalb des Bündnisses: "At the moment PR is very accepted. But it all depends on the next crisis. If the next crisis starts tomorrow, I am here and many people are still here who were connected with Kosovo. But General Clark has retired, Javier Solana is with the EU, every week somebody leaves. So 50 people who know are now 5 people and in a year there will be 0 people. So if a crisis occurs in 2 years’ time, NATO will start with a completely new team. And they will quite possibly make the same mistakes again because that is human. So that is the problem. It is almost easy to learn lessons, but it is difficult to implement it.” Mag. Dr. Wolfgang Schober

Geb. 1959; Oberst des höheren militärfachlichen Dienstes; 1980-1983 Theresianische Militärakademie; Ausmusterung zum LWSR 33; Ausbildungsoffizier und Kompaniekommandant; 1988-1998 Militärkommando NÖ; diverse Funktionen im Ausbildungsbereich und als Presseoffizier; Verwendungen bei NATO/PfP-Übungen als Presseoffizier u.a. in den USA und als Leiter der Plans and Briefing Section eines Presse & Information Centers in Island; 1996-1999 Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien; derzeit Hauptlehroffizier und Forscher an der Landesverteidigungsakademie.



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