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Die europäische Rüstungsindustrie

Vom Weltmarktführer zum nachhinkenden Konkurrenten

Seit dem Dreißigjährigen Krieg entstand in Europa eine Rüstungsindustrie, die sich bis zum Ersten Weltkrieg zum Weltmarktführer entwickelte. In der Zwischenkriegszeit wurde der Rüstungsmarkt noch von den europäischen Mächten dominiert, während der zweiten Hälfte des Zweiten Weltkrieges übernahmen jedoch die USA bei den kriegsentscheidenden Rüstungssystemen die Vorreiterrolle. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte die europäische Rüstungsindustrie endgültig an Bedeutung verloren und sich bis heute nicht mehr erholt.

Kriege und Konflikte sind ein Faktum der Menschheitsgeschichte. Die Waffen und Waffensysteme, mit denen diese Kriege und Konflikte ausgefochten wurden, sind bis zur industriellen Revolution von geschickten Handwerkern in ihren Werkstätten hergestellt worden. Erst die industrielle Revolution und das damit beginnende Industriezeitalter eröffneten der Kriegsführung neue Möglichkeiten, weil der Einsatz von Maschinen die Massenfertigung von Rüstungsgütern ermöglichte. Spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Rüstungsindustrie zu einer Quelle des technischen Fortschritts schlechthin, und es entstanden aus Rüstungsprodukten oft auch zivile Spin-off-Produkte. (Ein Spin-off-Produkt ist ein Gut, das als Nebenprodukt eines militärischen oder staatlichen Forschungsergebnisses produziert wird. Bekannte Beispiele hierzu sind das Internet oder zivile Güter, die aus Forschungen der Raumfahrt entstanden sind.) Mit der fortschreitenden Technisierung des Krieges kam auch dem technischen Vorsprung von Rüstungsgütern immer mehr Bedeutung zu. Die Unternehmen der Rüstungsindustrie bemühten sich, technisch innovative Rüstungsgüter zu entwickeln, um den Streitkräften qualitativ hochwertiges Material anbieten zu können und um damit auch am schnelllebigen, äußerst lukrativen Rüstungsmarkt bestehen zu können. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Rüstungsindustrie nach wie vor ein Produktionszweig der Industrie, in dem hochbegabte Techniker sowie Vertreter vieler anderer Wissenschaftszweige technisch hochwertige Waffensysteme bis zur Serienreife entwickeln können und wo die von den Streitkräften gewünschten Waffen und Waffensysteme hergestellt werden.

Rüstungsgeschichte Europas

Von der Antike bis zur Industriellen Revolution:

Für den Zeitraum der Antike (rund 1200 v. Chr. bis 600 n. Chr.) gibt es kaum exakte Angaben über die Heeresstärken und über die Produktion von Rüstungsgütern. Nach der OECD-Studie von Angus Maddison "The World Economy - A Millenial Perspective" aus dem Jahre 2001 lebten um Christi Geburt rund 230 Millionen Menschen auf der Welt, der Großteil davon, rund 175 Millionen, in Asien. In Europa, einschließlich Russland lebten rund 30 Millionen Menschen. Am stärksten besiedelt waren in Europa Italien mit sieben Millionen, Frankreich mit fünf, Spanien mit viereinhalb sowie Deutschland und Russland mit je drei Millionen Menschen. In den übrigen Ländern lebten jeweils 100 000 bis 800 000 Menschen. Bedingt durch die niedrigen Bevölkerungszahlen waren auch die Personalstärken der Streitkräfte gering und ebenso die Nachfrage nach Rüstungsgütern.

Nach dem Sieg der Griechen über die Perser um 480 v. Chr. und mit den Feldzügen Alexanders des Großen (336 v. Chr. bis 323 v. Chr.) rückte erstmals Europa in der Kriegs- und Rüstungsgeschichte in den Vordergrund. Alexander der Große verfügte zu Beginn seines Kriegszuges in Kleinasien über rund 30 000 Mann Fußvolk und 5 000 Reiter. Im Laufe der Kämpfe vergrößerte sich seine Armee auf bis zu 120 000 Mann.

Die wohl bedeutendste Periode der antiken europäischen Militärgeschichte ist der Aufstieg und Fall des Römischen Reiches (ca. 750 v. Chr. bis 476 n. Chr.). Gesamtwirtschaftlich spielte der finanzielle Aufwand für die Streitkräfte und die Rüstungsindustrie im Römischen Reich keine nennenswerte Rolle, da die personelle Stärke der Streitkräfte im Verhältnis zur Bevölkerungszahl klein war. Zu Beginn des ersten Jahrtausends standen 25 Legionen an den Grenzen; das waren ohne Auxiliartruppen (Hilfstruppen, die aus verbündeten Völkern oder aus der Bevölkerung der Provinzen rekrutiert wurden) rund 125 000 Mann.

Die jährliche Gesamtbelastung des Staatshaushaltes für die Besoldung betrug mit etwa 25 Millionen Denaren (200 Denare pro Kopf) nur ein Zehntel der Summe, die Kaiser Augustus als Spenden unter die Bevölkerung Roms verteilte. Jede Legion hatte den Waffen- und Werkzeugbedarf sowie den Bedarf an täglichen Gebrauchsgegenständen selbst zu decken und musste die dafür erforderlichen Betriebe einrichten. Der Waffen- und Ausrüstungsbedarf einer Legion war aber so groß, dass neben den Heereswerkstätten, den so genannten armatoriae, auch zivile Unternehmer derartige fabricae armorum (Rüstungswerkstätten) errichteten. Die Fabriken und Werkstätten der Legion befanden sich in den canabae legionis (lat. Bezeichnung für die Verkaufsbuden der Krämer) außerhalb des Lagers. So befanden sich beispielsweise die canabae legionis der Stadt Vindobona, des heutigen Wien, im Bereich des Michaelerplatzes. Nach dem Zerfall des Römischen Reiches kam es zu einer Stagnation sowohl der Wirtschaft als auch der technologischen Rüstungsentwicklung.

Das Mittelalter (ca. 600 bis 1492 n. Chr.) war eine Epoche vieler kleiner und großer Kriege. Die wohl größten Kriegshandlungen in Europa und in den angrenzenden Kontinenten waren die Eroberungsfeldzüge der Araber zur Ausbreitung des Islam und die Kreuzzüge der europäischen Staaten zur Rückgewinnung des Heiligen Landes. Innerhalb von 200 Jahren fanden zahlreiche Kreuzzüge statt. Sie beanspruchten große personelle und materielle Ressourcen und trugen so zur Stagnation der Wirtschaft in Europa bei. Nach neueren Schätzungen geht man davon aus, dass am Ersten Kreuzzug (1096 bis 1099) rund 60 000 Menschen beteiligt waren. Zu den wichtigsten Waffen der damaligen Zeit gehörten Pfeil und Bogen, Lanzen, Streitäxte, Schwerter und ab dem 11. Jahrhundert die Armbrust. Die Waffen wurden von Handwerkern hergestellt, die Bögen von Bognern und die Pfeile von Pfeilschnitzern. Die Bogner und Pfeilschnitzer wurden neben ihrer Hauptaufgabe, der Handwerkstätigkeit, auch zum Waffendienst auf den Ringmauern der Städte eingesetzt. Die Schwerter wurden von Messer- und Klingenschmieden hergestellt. Zur Produktion der Schwert- und Säbelklingen diente u. a. eine aus dem Orient (Damaskus - daher der Name) stammende komplizierte Technik, die Damaszierung (ein Werkstoffverbund aus mehreren Eisen- bzw. Stahlsorten). Ferner kam im Mittelalter der Herstellung von Rüstungen große Bedeutung zu. Waren die Produktionsstätten für Rüstungen zu Beginn des 12. Jahrhunderts noch kleine Manufakturen, entstanden ab dem 15. Jahrhundert regelrechte Produktionszentren für Harnische.

Wohl kaum eine Erfindung beeinflusste das Kriegswesen mehr als die Erfindung des Schießpulvers. Für dessen Gebrauch konnte man Waffen entwickeln, deren Zerstörungskraft jedes bis dahin bekannte Waffensystem in den Schatten stellte. Die Verbreitung des Wissens um die Existenz des Schießpulvers war daher während des Mittelalters sowohl aus weltlicher als auch aus geistlicher Sicht gefährlich. Der Franziskanermönch Roger Bacon aus Somerset beschreibt in "Epistola de Secretis Operibus Artis et Naturae" ("Brief über die geheimen Werke der Kunst [Technik] und Natur") um 1249 die Herstellung von Schießpulver. Um 1259 soll auch in Deutschland der Franziskanermönch Berthold Schwarz (sein bürgerlicher Name war angeblich Konstantin Anklitzen) die explosive Wirkung von Schwarzpulver entdeckt haben. Über die ersten Einsätze von Feuerwaffen in Europa wissen wir zum Beispiel, dass bei der Belagerung Trients durch die Veroneser im Jahre 1278 Geräte mit Bedienungsspezialisten zum Werfen von Eisen und Feuer eingesetzt wurden, die der Graf von Tirol an Verona verlieh. Diese neuartigen Geschütze, so genannte "bombarda", sind wohl in Österreich oder Italien hergestellt worden. Von Anbeginn zeigte die Feuerwaffe bei ihrer Anwendung doppelte Wirkung: eine technische und eine psychologische. Feldkanonen wurden erstmals in der Schlacht von Crécy 1346 im Departement Somme (Frankreich) eingesetzt, waren aber nicht schlachtentscheidend. Die Kanonen barsten oft, was auf die falsche Ladung zurückzuführen war. Mit der Zeit lernte man jedoch, die Qualität des Pulvers zu verbessern und die Ladungen richtig zu bemessen. Die ersten Handbüchsen traten Mitte des 14. Jahrhunderts auf und läuteten das Ende des Rittertums ein. Ihre Verbesserung erfolgte allerdings sehr langsam. Bis zum endgültigen Hinscheiden der Panzerreiter als schlachtentscheidende Waffe vergingen noch Jahrhunderte. Mit der Entwicklung der Handfeuerwaffen kam auch der Beruf des Büchsenmachers auf.

Der größte frühneuzeitliche Waffenherstellungskomplex befand sich im südniederländisch-niederrheinischen Raum. In Süddeutschland verfügte Nürnberg über große Produktionskapazitäten, das sich bereits frühzeitig auf die Massenproduktion von Feuerwaffen spezialisiert hatte und außerdem das führende deutsche Zentrum des Geschützgusses und der Rollmessingherstellung geworden war. Daneben stieg Suhl in Thüringen im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts durch Spezialisierung auf billige Massenware für den einfachen Soldaten und durch die kommerzielle Bindung an Nürnberg zu einem wichtigen Produktionszentrum für Militärgüter auf. Im Norden Europas, in Schweden, forcierte König Gustav II. Adolf die Einrichtung einer Rüstungsindustrie durch das Anwerben von Experten aus Holland. Mit der Zuwanderung des holländischen Rüstungsexperten Louis de Geer entstanden in Schweden ab 1627 zahlreiche Produktionsstätten für Waffen und Munition.

Die kontinuierlich steigende Nachfrage nach Militärgütern war die Voraussetzung für die Gründung, die Expansion und die Spezialisierung der europäischen Rüstungszentren. Sie erreichten mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) ihren ersten konjunkturellen Höhepunkt. Das Europa der Neuzeit hatte die Institutionalisierung des Krieges erlebt. Damit war der Krieg zur komplexen und umfassenden Auseinandersetzung geworden. Dies beeinflusste auch die Produktion von Rüstungsgütern, insbesondere die Herstellung von Gewehren und Schießpulver. In allen größeren Staaten Europas entwickelten sich Zentren der Rüstungs- und Schießpulverproduktion. Die Erzeugung von Schießpulver erfolgte in so genannten Pulvermühlen, in denen die zur Herstellung des Schießpulvers notwendigen Zutaten Holzkohle, Schwefel und Salpeter zerkleinert und zusammengemischt wurden. Da ein Großteil der Pulvermühlen mit Wasserkraft angetrieben wurde, lagen die meisten Mühlen in den Tälern an fließenden Gewässern.

Die 1780 beginnende industrielle Revolution veränderte und intensivierte auch die Kriegführung. Dies zeigte sich in den Napoleonischen Kriegen, einem Konflikt um die Vorherrschaft nicht nur in Europa (vgl. dazu TD 2/2009: "Ein Weltkrieg zwischen Walcheren, Aspern und Cayenne"). Der Artillerieoffizier Napoleon Bonaparte setzte auf seinen Feldzügen als erster in größerem Umfang Artillerie ein. Diese ersten von Massenarmeen ausgetragenen Kriege brachten eine starke Erhöhung der Zahl der Bewaffneten. Die Napoleonischen Kriege hatten enorme Auswirkungen auf die Wirtschaft. Die Kriege boten manchen Beschäftigung sowie ein höheres Einkommen. Die Notwendigkeit, viele Tausende Soldaten einzukleiden, zu verpflegen und zu bewaffnen, schuf eine ungeheure Nachfrage nach bestimmten Gütern.

Nach der Niederlage Napoleons 1815 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erfreute sich Europa friedlicher Zustände, und die Militärausgaben gingen zurück. Erst ab 1848/49 wurde auf dem Kontinent wieder eine Reihe von Kriegen ausgefochten, die die Entwicklung der Waffen vorantrieben und den Bedarf rasch ansteigen ließen. Auf diese Nachfragesteigerung reagierte die Industrie mit neuen Fertigungstechniken. Die Herstellung der Handfeuerwaffen war zuvor eine handwerkliche Tätigkeit, aufgeteilt auf zahlreiche Spezialisten. Die erste neue Fertigungstechnik, die auch bei der Produktion von Handfeuerwaffen angewendet wurde, war die Massenfertigung. In Europa nannte man das neue Verfahren das "amerikanische" Herstellungssystem, weil es zwischen 1820 und 1850 im Arsenal von Springfield in Massachusetts entwickelt wurde. Man bediente sich halbautomatischer Fräsmaschinen, die einzelne Komponenten in vorgeschriebene Formen ausfrästen. Diese Maschinen produzierten genormte, austauschbare Teile, so dass ein Gewehr ohne das aufwändige Fräsen und Anpassen, das die minder präzise Herstellung erfordert hatte, zusammengesetzt werden konnte. Die rasante technische Entwicklung der Gewehre beeinflusste auch die Munitionsindustrie. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurden Papierpatronen eingeführt. Diese bestanden aus einer Papierhülse mit der Ladung und dem Geschoss. Eine weitere Neuerung brachten die 1817 erfundenen Zündhütchen aus Kupfer. Die wohl größten waffentechnischen Revolutionen waren die Einführung des Hinterladers und der Metallpatrone. Die Einführung der Metallpatrone führte zum Entstehen eines neuen Industriezweiges in der Rüstungsindustrie, nämlich zu eigenen Produktionsstätten für die Fertigung von Patronenhülsen.

Im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts erlebte Europa einen wirtschaftlichen Aufschwung, der durch mehrere Faktoren ausgelöst wurde, insbesondere durch den technischen Fortschritt, die zunehmende Industrialisierung, die Kolonialisierung und die rasche weltweite Ausbreitung der Waren- und Finanzmärkte. Die Schaffung und Erhaltung neuer Kolonien sowie die Absicherung von Interessenssphären erforderte militärische Macht und diese galt es aufzubauen und zu erhalten. Das Ende des 19. Jahrhunderts und der Beginn des 20. Jahrhunderts brachte eine Fülle technischer Neuerungen mit sich, die auch für die Rüstungsplaner von großem Interesse waren. Luftfahrzeuge, Automobile, gepanzerte Fahrzeuge und Unterseeboote erhielten Serienreife und für Kampfschiffe gab es neue Antriebstechnologien.

Aber auch die technische Entwicklung der Handfeuer- und Maschinenwaffen machte entscheidende Fortschritte. Um im Konzert der mächtigen Staaten mitspielen zu können, mussten die damals führenden Mächte sich auch auf dem Rüstungssektor der rasanten technologischen Entwicklung stellen und eigenständige nationale Rüstungsindustrien mit Forschungs- und Entwicklungsstätten errichten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden in jedem großen Staat Rüstungsunternehmen, die von innovativen "Gründervätern" errichtet wurden.

Im Vorfeld des Ersten Weltkrieges erzielte auch die Handfeuer-, Maschinenwaffen- und Geschützentwicklung große Fortschritte. Grundlage für die rasante Entwicklung der Handfeuer- und Maschinenwaffen war die Erfindung des Nitropulvers, auch "rauchloses Pulver" genannt. Dieses ermöglichte eine entscheidende Verbesserung der ballistischen Leistungen und hatte so gut wie keine festen Verbrennungsrückstände mehr.

Weltpolitischer Bedeutungsverlust Europas:

Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917 auf Seiten der Entente bildete den Anfang des weltpolitischen Bedeutungsverlustes von Europa. Die Rüstungsindustrie der Zwischenkriegszeit wurde noch von den europäischen Mächten beherrscht. Aber in der zweiten Hälfte des Zweiten Weltkrieges übernahmen die USA bei den kriegsentscheidenden Rüstungssystemen die Vorreiterrolle. Ihren technologischen Vorsprung dokumentierten die USA u. a. mit den Abwürfen der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat Europa endgültig an weltpolitischer Bedeutung verloren und sich davon bis heute nicht mehr erholt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erschien eine Rückkehr zu den Verhältnissen von vor 1939 nicht zielführend. In Europa bewirkten die Zerstörungen noch lange nach dem Krieg Not und Elend. Auch auf Seiten der Sieger hatte die Kriegsmobilisierung ein derartiges Ausmaß erreicht, das eine spontane Rückkehr zur Normalität undenkbar machte. Es war daher eine planmäßige Demobilisierung erforderlich, die auch die Rüstungsindustrie einschließen musste. Nach dem Krieg lautete die Parole: "Nie wieder Panzer und Kanonen". Jegliche Rüstungsproduktion in Deutschland sollte von nun an verboten sein.

Bis Oktober 1945 wurden in der amerikanischen und britischen Zone insgesamt 29 Industriebetriebe demontiert, vor allem Rüstungsbetriebe. Beim Internationalen Militärtribunal in Nürnberg waren nicht nur die führenden Persönlichkeiten des Staates und des Militärs als Kriegsverbrecher angeklagt, sondern auch Vertreter der Rüstungsindustrie. Doch da diese Machtelite von den U.S.-Besatzern bald für den Kalten Krieg gebraucht wurde, ließ man Krupp, Flick und andere bald wieder frei und setzte sie in Führungspositionen ein. Spätestens seit 1950 - vor dem Hintergrund der Bemühungen Adenauers, die Bundesrepublik Deutschland ins westliche Verteidigungsbündnis zu integrieren - wurde klar, dass es zur Wiederaufrüstung kommen würde und lukrative Rüstungsaufträge zu erwarten waren. Viele der traditionsreichen Waffenschmieden, die zwar auf Anordnung der Westalliierten demontiert, aber nicht enteignet wurden, nahmen erst im Ausland und später dann offiziell auch in der Bundesrepublik Deutschland die Rüstungsproduktion wieder auf.

Politische Gründe führten nach 1945 zur Wiederaufrüstung der USA, Frankreichs, Großbritanniens und der Sowjetunion. Im Vordergrund stand dabei die machtpolitische Auseinandersetzung mit dem jeweils anderen Block. Die USA forcierten zunächst die Rüstungsbestrebungen der europäischen NATO-Mitglieder. Sie forderten von den europäischen NATO-Partnern einen angemessenen Teil der Verteidigungslasten zu übernehmen. Zugleich rüsteten Frankreich und Großbritannien auch aus Interesse an der Erhaltung einiger letzter Kolonialpositionen auf. Eine ähnliche Denkweise bestimmte die Aufrüstung des Ostblocks. Es kam zu einem noch nie da gewesenen Wettrüsten in Friedenszeiten. Der Preiskampf unter den einzelnen Rüstungsproduzenten führte bald zu Fusionen. Im Zuge dieser Fusionen und des Konzentrationsprozesses reduzierte sich die Zahl von 142 großen europäischen Rüstungsunternehmen auf 64.

Bis zum Ende des Kalten Krieges in den späten 1980er Jahren lieferten die Hauptbedrohungsszenarien "konventioneller Krieg" und "atomarer Krieg" ein eindeutiges Nachfragespektrum für die Rüstungsindustrie. Vorherrschend war in Ost und West die Produktion schwerer Waffensysteme für Landstreitkräfte, die Luftwaffe und Marine.

Mit dem Fall des Eisernen Vorhanges und dem Wegfall eines großräumigen konventionellen Krieges in Europa kam es zu einem stetigen Rückgang der Verteidigungsbudgets in den meisten europäischen Staaten. Dies wiederum hatte zur Folge, dass die Nachfrage nach schweren Waffensystemen seit Beginn der 1990er Jahre bis heute rapide zurückgegangen ist und in der Rüstungsindustrie ein Strukturwandel einsetzte, der zum Niedergang vieler nationalstaatlicher Rüstungsindustrien geführt hat. (Stark betroffen vom Ende des bipolaren Systems während des Kalten Krieges waren die Rüstungsindustrien in allen ehemaligen Ostblockstaaten. Aber auch in Westeuropa kam es zu Umstrukturierungen innerhalb der Rüstungsindustrie.) Im Zuge dieses Niederganges der europäischen Rüstungsindustrie verlor der Industriezweig zwischen 1990 und 2004 schätzungsweise 600 000 Arbeitsplätze.

Im selben Zeitraum brachte die technische Qualitätssteigerung der neuen Waffensysteme einen exponentiellen Anstieg der Kosten bei der Entwicklung der Rüstungsgüter. Diese wirkten sich ebenfalls auf die Konkurrenzfähigkeit der einzelnen staatlichen und privaten Rüstungskonzerne aus.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts unterhalten in Europa nur Russland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Italien Rüstungsindustrien in nennenswertem Umfang, die auch die nationalen Volkswirtschaften signifikant beeinflussen. Die übrigen Staaten Europas haben zwar Kapazitäten zur Rüstungsproduktion, jedoch ohne größere Auswirkungen auf die jeweilige Volkswirtschaft. Den weitaus größten Anteil am Weltmarkt für Rüstungsgüter halten die USA. Bei den übrigen Staaten lukrieren Großbritannien, Frankreich, Russland, Deutschland, die Volksrepublik China und Israel einen größeren Prozentanteil. Des Weiteren verzeichneten in den letzten Jahren Indien, Südkorea und Brasilien Geschäfte in nennenswertem Umfang.

Rüstungsgüter der Zukunft

Wie bisherige Kriege innerhalb des letzten Jahrzehnts klar gezeigt haben, ist die Bedeutung der schweren Waffensysteme der Landstreitkräfte stark zurückgegangen. Konventionelle Kriege haben im Bedrohungsbild von heute an Bedeutung verloren. Anstelle des klassischen konventionellen Krieges sind so genannte asymmetrische Bedrohungen getreten, die vielfältiger Ausprägung sein können. Beispielsweise kämpfen Befreiungsbewegungen gegen reguläre Streitkräfte. Der letzte große Kampf von Panzerverbänden fand während des dritten Golfkrieges 2003 im Irak statt. Seitdem schwand die Bedeutung des Kampfpanzers, des Schützenpanzers und der Artilleriewaffensysteme. Die Folge davon war eine Reduktion der Bestände in nahezu jeder Armee. Schenkt man den Experten, die sich mit der Erforschung zukünftiger Kriegsbilder befassen Glauben, so wird die Bedeutung der schweren Landsysteme noch weiter schrumpfen (vgl. u. a. Dohmen, Axel: Sicherheitskonzept im gesellschaftlichen Wandel, Diss. Uni Bundeswehr München 2006)..Der folgende Abschnitt befasst sich im Überblick mit den Waffensystemen und der Ausrüstung, die in zukünftigen Kriegen zum Einsatz kommen könnten.

Landsysteme:

Schwere Waffensysteme werden zwar weiterhin vorhanden sein, aber in wesentlich geringerer Stückzahl als während des Kalten Krieges. Schwere Waffensysteme müssen zu intelligenten Waffensystemen mutieren, die weitgehend ohne Bedienungspersonal an der Waffe selbst eingesetzt werden können. Robotertechnologie und Fernsteuerungssysteme werden zunehmend Fahrer, Richtschützen und Ladeschützen ablösen. Bei den Landsystemen werden leicht gepanzerte Fahrzeuge an Bedeutung gewinnen, die über einen hochwertigen Minenschutz gegen jede Art von Landminen verfügen, beispielsweise gegen so genannte Road-side Bombs (improvisierte Sprengkörper, die beim Passieren eines Fahrzeuges gezündet werden). Diese Fahrzeuge werden als Waffenplattformen und als Aufklärungs- und Kommunikationssysteme Verwendung finden. Zudem sind sie auch leicht transportierbar und damit rasch verlegungsfähig.

Weiters wird die Bedeutung von Aufklärungs- und Kommunikationssystemen sowie Robotersystemen für Streitkräfte zunehmen. Das Gefechtsfeld von Morgen wird in einem hohen Maß durch unklare Lageentwicklungen bestimmt, hervorgerufen durch einen Gegner, der den Einsatz seiner Kräfte unkonventionell plant und der seine Kräfte überraschend zur Wirkung bringt. Die rasche Verfügbarkeit von Drohnen und UAVs (z. B. "Camcopter") verschiedener Reichweite und mit verschiedenen Zulademöglichkeiten sowie nicht störbare Kommunikationssysteme sind für den Erfolg in diesem neuen Gefechtsbild unerlässlich. Zur Vermeidung unnötiger Risiken in einer unklaren Gefechtssituation werden zunehmend Kampfroboter das Gefechtsfeld beherrschen.

Militärluft- und Raumfahrtsysteme:

Erste Erfahrungen mit den neuen Bedrohungen haben gezeigt, dass dem raschen Transport von regulären Streitkräften in die Einsatzräume große Bedeutung zukommt. Strategische, operative und taktische Lufttransportmittel und die Sicherstellung der Luftbetankung im Anlassfall werden daher in den Rüstungsprogrammen Priorität erhalten. Neben der Sicherstellung der Lufthoheit wird im neuen Bedrohungsbild der Luftunterstützung der kämpfenden Truppe besondere Bedeutung zukommen. Technisch hochwertige Flugzeuge und Hubschrauber werden in künftigen Bedrohungsszenarien weiterhin eine Rolle spielen.

Im letzten Jahrzehnt haben einige Schwellenländer, wie beispielsweise der Iran, Indien und Pakistan, technische Kapazitäten aufgebaut. Damit werden sie in die Lage versetzet, im nächsten Jahrzehnt Langstreckenraketen und atomare Kampfmittel bis zur Einsatzreife zu entwickeln und danach auch herzustellen. Mit diesen Waffensystemen könnten damit vor allem jene Länder unter den Schwellenländern, die als instabil im Inneren oder als unberechenbarer Faktor in der Weltpolitik gelten, eine Katastrophe auslösen. Die Raumfahrtindustrie wird sich daher vermehrt der Entwicklung leistungsfähiger Spionagesatelliten und von Raketenabwehrsystemen zu widmen haben. Gerade die Forschung und Entwicklung in der Raumfahrttechnologie hat sich seit dem Start der ersten V2-Rakete in Peenemünde 1942 als Motor des Fortschrittes für viele andere Technologiebereiche erwiesen.

Marinesysteme:

Die Seestreitkräfte werden bereits in Friedenszeiten als Mittel der Politik genutzt, um den Willen von Staaten zu dokumentieren oder durchzusetzen. Die Piraterie auf hoher See - etwa die Entführungen von Handelsschiffen - hat in den letzten Jahren gezeigt, dass die Bedeutung der Seestreitkräfte und Marinekampfmittel steigt. Der Schutz der klassischen Handelsrouten auf See ist wichtiger geworden. Die regulären Streitkräfte der Zukunft werden somit auch weiterhin über Marinesysteme verfügen. Je nach Größe des Landes oder einer Allianz werden diese Marinesysteme aus Überwasserkampfschiffen und Unterseebooten bestehen. In den nächsten Jahrzehnten werden Flugzeugträger und Docklandungsschiffe daher weiterhin, allerdings abnehmende, Bedeutung haben. Zunehmend wichtiger werden schnelle, wendige und kampfstarke Überwasserkampfschiffe (Korvetten und Fregatten) mit Stealth-Eigenschaften (radarabsorbierende Strukturen) und einer Wasserverdrängung von etwa 650 ("Visby"-Klasse) bis 4 000 Bruttoregistertonnen, die gemeinsam mit schnellen Unterseebooten zur Sicherung der wichtigsten Handelsrouten im Patrouillendienst eingesetzt werden können.

Querschnittssysteme:

In den Bereich der Querschnittssysteme wurden jene Rüstungssysteme eingeordnet, die für alle Teilstreitkräfte von gleichwertiger Bedeutung sind sowie die soldatenbezogene Bewaffnung und Ausrüstung.

Das wohl umstrittenste Projekt in der Rüstungsindustrie wurde in den 1990er Jahren von den USA und Israel gemeinsam betrieben und auf den Codenamen "Nautilus" getauft. Das Projekt hatte die Entwicklung eines Lasers zum Abschuss feindlicher Raketen zum Ziel. Bereits 1996 wurde ein erfolgreicher Test absolviert. Der taktische Hochenergie-Laser ist damit als Waffensystem salonfähig geworden und wird im Laufe der nächsten Jahre in die Arsenale der reichsten Streitkräfte Einzug halten. Damit wird die Kluft zwischen den Staaten, die für ihre Rüstung viel Geld aufwenden gegenüber den "armen" Staaten, die ihren Streitkräften nur wenig Bedeutung beimessen, noch mehr anwachsen. An der Entwicklung führend beteiligt ist der Rüstungskonzern Northrop Grumman. Man kann aber davon ausgehen, dass bald auch andere Rüstungskonzerne folgen werden. Auch eine Standardbewaffnung des Soldaten mit Laserwaffen scheint nicht mehr zur Sciencefiction zu gehören, sondern ist nur mehr eine Frage des Geldes.

Die Möglichkeiten und Grenzen der Technologieunterstützung zur Führung von Streitkräften im Frieden und Einsatz unterliegen aufgrund der rasanten Entwicklung der Informationstechnologie, insbesondere bei Führungsunterstützungssystemen, etwa auf Satelliten gestützte Aufklärung und Informationsübertragung, einem enormen Wandel. Ein eindeutiger Entwicklungstrend der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien ist nicht absehbar. Die Herausforderung für die Rüstungsindustrie wird jedoch sein, alle Neuerungen auf diesem Gebiet möglichst rasch auch für den Einsatz in Streitkräften nutzbar zu machen.

Glaubt man den Experten, so gehört die Schlacht großer mechanisierter Verbände der Geschichte an. Dies bedeutet, dass ein großräumiger Krieg zwar weiterhin möglich ist, aber die einzelnen Gefechte sich auf kleinere Räume verteilen werden. In diesen Räumen werden Verbände, Einheiten oder Teileinheiten regulärer Streitkräfte, zumeist auf sich allein gestellt, die bestimmende Kraft sein. Umso wichtiger ist es daher, den einzelnen Kommandanten die bestmöglichen Führungsmittel und den einzelnen Soldaten den bestmöglichen Schutz zu bieten. Die Bewaffnung und Ausrüstung, insbesondere die Schutzausrüstung der einfachen Soldaten, wird in Zukunft besondere Bedeutung haben.

Ein besonders wichtiger Bereich, der in Zukunft mehr und mehr auch für Streitkräfte an Bedeutung gewinnen wird, ist der Bereich der Robotertechnologie. Der Einsatz von einfachen Robotern geht auf den Zweiten Weltkrieg zurück. Einer davon war der ferngesteuerte deutsche Sprengpanzer "Goliath". Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Roboter zunehmend von der Filmindustrie entdeckt und fand damit Eingang in die Begierden der Menschen, im Alltag durch Roboter Erleichterung bei der Bewältigung von einfachen und oftmals auch gefährlichen Aufgaben erfahren zu können. Vor allem die Industrie erkannte sehr früh die Vorteile des Einsatzes von Robotern im Produktionsprozess. Blickt man auf jüngste Statistiken, die zur Produktion und Nutzung von Robotern Aussagen treffen, kann man unschwer erkennen, dass Japan heute unumstritten die Nummer Eins bei der Erforschung, Entwicklung und Produktion von Robotern für vielfältige Einsatzmöglichkeiten ist. In der Literatur und auch im Internet ist jedoch wenig darüber zu finden, welche Bedeutung in der japanischen Roboterindustrie die Erforschung, Entwicklung und Produktion von militärisch nutzbaren Robotern hat. Europa spielt bei der Erforschung und Entwicklung beziehungsweise der Produktion von Robotern nicht jene Rolle, die einem hoch entwickelten Kontinent zustehen sollte. Lediglich Deutschland und Frankreich widmen sich seit Jahrzehnten verstärkt der Entwicklung und Produktion von Industrierobotern. Kampfroboter sind zwar noch Zukunftsmusik, aber zur Unterstützung von Kampfaufgaben oder zur Verbesserung der Beweglichkeit von Soldaten werden Roboter bereits verwendet und ihr Einsatz nimmt zu. Die Rüstungsindustrie von Morgen wird daher der Erforschung, Entwicklung und Produktion von Robotern zur militärischen Verwendung besondere Bedeutung zuzumessen haben. Neben unmittelbaren Kampfaufgaben kommen Roboter immer mehr für Führungsunterstützung und Unterstützungsaufgaben besonderer Art zum Einsatz. Wichtig wurden Roboter als Kampfmittelbeseitiger. Derartige Roboter befinden sich auf dem Balkan, im Irak und in Afghanistan im Einsatz. Diese komplexen Systeme bestehen aus dem Manipulatorfahrzeug und der Bedieneinheit mit Monitor und Bedienpult. So gilt der TEODOR (Telerob Explosive Ordnance Disposal and Observation Robot), ein in Deutschland entwickelter Roboter zur Kampfmittelbeseitigung, in Fachkreisen als ausgereiftes und kompaktes Fahrzeug mit Fernhantierungstechnik.

Die Manipulatoren wurden konzipiert, um Menschen in besonders gefährlichen Situationen zu ersetzen und deren gefahrvolle Aufgabe zu übernehmen. Der Manipulator ist durch seinen beweglichen Manipulatorarm und seine hoch entwickelte elektronische Ausstattung in der Lage, eine Vielzahl an Aufgaben ferngesteuert zu bewältigen, z. B.:

  • Verschaffen eines Zuganges (z. B. Türen öffnen, Hindernisse beseitigen);
  • Erkundung und Überwachung von Räumen und Gebäuden mit eingebauten Spezialkameras;
  • Suche nach Sprengfallen und versteckten Ladungen;
  • Einsatz von diversen elektrischen und mechanischen Werkzeugen;
  • Einsatz von verschiedenen Schuss-Systemen wie z. B. dem Schießbolzengerät;
  • Verbringen von Gegenständen in Schutzbehälter;
  • Positionieren von Röntgensystemen sowie Herstellen von Röntgenaufnahmen in Echtzeit.

Durch die äußerst robuste Konstruktion kann das Gerät auch leichtere Explosionen ohne nennenswerte Schäden überstehen.

Eine besondere Art der Führungsunterstützung ist die Aufklärung. Dabei kommen Roboter als unbemannte Luftfahrzeuge zum Einsatz. Diese als unmanned aerial vehicles (UAV) bezeichneten Waffensysteme gibt es bereits für den Einsatz in verschiedenen Höhen und mit unterschiedlicher Reichweite, beispielsweise die Langstreckenaufklärungsdrohne "Global Hawk" von Northrop Grumman oder den "Predator" von General Atomics Aeronautical Systems, eine Drohne zur taktischen Luftaufklärung. Beide genannten Systeme sind Starrflügler. Eine besonders interessante Konstruktion ist der von der österreichischen Firma Schiebel auf den Markt gebrachte "Camcopter" S-100. Dieser unbemannte Hubschrauber kann eine Videokamera oder eine Wärmebildkamera mitführen. Ferner besteht die Möglichkeit, den "Camcopter" zu bewaffnen, beispielsweise mit Lenkwaffen. Er wird damit zu einem Waffensystem, das zielgenau bei jedem Wetter gegen feindliche Widerstandsnester eingesetzt werden kann. Die Entwicklung der UAV steht erst am Anfang und wird in den nächsten Jahren mit dem raschen Fortschreiten der Elektronik einen weiteren Technologiesprung erleben.

Ausrüstung und Ausstattung des Soldaten der Zukunft:

Trotz aller Spekulationen über die Leere auf dem Gefechtsfeld zukünftiger kriegerischer Auseinandersetzungen, wird der Soldat an vorderster Front keinen wesentlichen Bedeutungsverlust erleben. Der Soldat der Zukunft hat daher in Bezug auf Bewaffnung, Schutz und Kommunikation die bestmögliche Ausrüstung zu erhalten. Blickt man in die einschlägige Militärliteratur in aller Welt, kann man nur unschwer erkennen, dass nahezu alle Länder sich mit den Fragen der Bewaffnung und Ausrüstung ihrer Soldaten für das Bedrohungs- und Einsatzszenario im 21. Jahrhundert auseinandersetzen. Die wichtigsten Teilprojekte im Großprojekt "Soldat der Zukunft" sind die Bewaffnung, die Kommunikation, die Bekleidung und der Helm.

Was die Bewaffnung angeht, werden die Handfeuerwaffe, das automatische Gewehr und Maschinenwaffen auch weiterhin jene Bedeutung für den einzelnen Soldaten haben, die sie bereits im Laufe der letzten 100 Jahre gehabt haben. Technische Neuerungen werden den Waffen lediglich höhere Zielgenauigkeit, eine höhere Feuerkraft und eine geringere Wartungsintensität verleihen. Konkret angesprochen sei der Laserentfernungsmesser als Standardgerät zur horizontalen Zielerfassung. Ein Laserentfernungsmesser in Verbindung mit einem Kompass zur genauen Zielerfassung sowie einem Freund-Feind-Kennungssystem ermöglicht dem Soldaten der Zukunft, rasch und ohne Gefährdung eigener Truppen ("friendly fire") seine Waffe einzusetzen. Eine weitere technische Neuerung könnte in der Einführung der hülsenlosen Munition liegen. Der Vorteil dieser Munition liegt bei der Vereinfachung des Munitionsnachschubes.

Der wohl größte Ausrüstungssprung wird durch die Einführung von C4I (Command and Control, Communication, Computers and Intelligence) beim Kommandanten einer Gruppe mit sechs bis acht Soldaten erfolgen. Durch die immer kleiner werdenden Computer wird zumindest der Gruppenkommandant über einen Computer verfügen, der eine Daten- und Sprachkommunikation ermöglicht.

Bei der Entwicklung der Bekleidung und Ausrüstung der Soldaten der Zukunft wird größte Aufmerksamkeit auf deren geringes Gewicht bei hohem Schutzfaktor gelegt. Der Kampfanzug soll durch ballistische Einschübe genügend Schutz gegen die Wirkung von Flach- und Steilfeuer bieten. Weitere Schutzbekleidungen, insbesondere Schutzmasken und ein Augenschutz, sollen vor der Wirkung bestimmter Massenvernichtungswaffen (Weapons of Mass Destruction - WMD) sowie gegen Laser und Radar Schutz bieten. Ein besonderer Schwerpunkt der Forschung liegt auf der Ausgestaltung des Helmes eines Soldaten der Zukunft.

Der Helm soll künftig nicht nur Schutz bieten, sondern auch als eine Plattform für mannesbezogene Unterstützungssysteme dienen, etwa Nachtsichtgeräte, Digitalkameras Displays zur Darstellung von Karten mit Einzeichnung von relevanten Daten oder zum Abspielen von einsatzrelevantem Filmmaterial.

Quo vadis "Europäische Rüstungsindustrie"?

Es bleibt noch die Frage zu beantworten, welchen Stellenwert der europäischen Rüstungsindustrie international, aber auch als Ausrüster der europäischen Streitkräfte in der rüstungstechnischen Bewältigung der neuen Bedrohungsszenarien (Terrorismus, asymmetrische Kampfführung, …) zukommen wird.

Die Rüstungsindustrie der USA scheint auf die Herausforderungen des neuen Bedrohungsbildes durch die bereits jetzt bestehenden Unternehmen bestens vorbereitet zu sein. Auch andere Länder, insbesondere Russland und die Volksrepublik China, holen den Vorsprung, den die USA bei bestimmten, vor allem intelligenten Waffensystemen besitzen (Marine, aber auch Militärluftfahrt und Raumfahrt), langsam auf. Die Volksrepublik China versucht z. B. für alle Teilstreitkräfte und Waffengattungen ihre technologische Lücke zu schließen. Dies zeigt sich beispielsweise beim Erwerb von Technologie für die Entwicklung und den Bau von Flugzeugträgern. Die Volksrepublik China hat das nicht fertig gestellte Schwesterschiff des russischen Flugzeugträgers "Admiral Kuznetsov" erworben und unmittelbar danach umgebaut. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieses Schiff nach Abschluss der Ausrüstungsarbeiten als erster einsatzbereiter Flugzeugträger der Volksrepublik China den Kampfwert der Hochseeflotte entscheidend verstärken wird. Ähnliches gilt für den Luftfahrtbereich. In diesem Produktionsbereich hat China modernste Kampfflugzeuge aus russischer Produktion erworben und entwickelt darauf aufbauend eigene Kampfflugzeuge.

Währenddessen bemüht sich in Europa die European Defence Agency (EDA) um eine Vereinheitlichung der Rüstung der nationalen Streitkräfte.

Die EDA kann zwar auf einige beachtliche Erfolge verweisen, der große Wurf, die Verschmelzung aller europäischen nationalstaatlichen Rüstungsindustrien zu einer schlagkräftigen europäischen Rüstungsindustrie, ist ihr aber bislang noch nicht gelungen. Solange dies nicht zumindest im Ansatz erfolgt ist, werden von den nationalen Rüstungsindustrien zwar weiterhin einige exzellente Produkte auf dem Markt angeboten werden, der weltweite Rüstungsmarkt wird damit aber kaum zu beeinflussen sein.

Die nationalstaatlich ausgerichteten Rüstungsindustrien der Mitgliedstaaten der EU entwickeln als Motor des technologischen Fortschritts in den einzelnen Ländern oftmals Produkte, deren technologische Basis auch zur Produktion von zivilen Produkten Verwendung findet. Die nationalstaatlichen Rüstungsindustrien sind damit ein wichtiger Motor der technologischen Entwicklung. Da die Entwicklung von technologischen Neuerungen einer der wichtigsten Faktoren zur Förderung des Wachstums einer Volkswirtschaft ist, sind und werden die einzelnen Mitgliedsländer der EU nicht bereit sein, die Resultate ihrer wehrtechnischen Forschung ohne weiteres auszutauschen. Dennoch gibt es einige erfolgreiche Rüstungskooperationen in Europa, wie beispielsweise die Entwicklung des Kampfflugzeuges Eurofighter "Typhoon", das von Deutschland, Italien, Großbritannien und Spanien gemeinsam entwickelt wurde.

Trotz dieses Erfolges darf aber nicht übersehen werden, dass die Entwicklung des Eurofighters mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch genommen hat, gegenüber der Entwicklung des F-22 "Raptor" in den USA mit nur einigen Jahren.

In den Staaten Europas, die noch über eine nennenswerte Rüstungsindustrie verfügen, wird es ferner darauf ankommen, dass es zu einer noch stärkeren Vernetzung des Bedarfsträgers Streitkräfte mit der Rüstungsindustrie kommt. Nur so erfährt die Rüstungsindustrie möglichst frühzeitig den konkreten Bedarf an Rüstungsgütern, die für den Kampf gegen alle Formen und Ausprägungen der asymmetrischen Bedrohung benötigt werden. Dies ermöglicht es der Rüstungsindustrie, ihre Forschungskapazitäten frühzeitig auf die neuen Herausforderungen einstellen zu können. Die Politik bzw. die politisch Verantwortlichen müssen dabei für den notwendigen Finanzrahmen sorgen, der den Unternehmen der Rüstungsindustrie eine gewisse Sicherheit für die Abnahme bestimmter Mengen des von den Streitkräften geforderten Rüstungsgutes signalisiert. Bei dieser Art von Partnerschaft entsteht für beide Partner eine Art win-win-Situation, da die Streitkräfte das bestmögliche Gerät erhalten und die Unternehmen eine gesicherte Zukunft mit gefüllten Auftragsbüchern für zumindest mehrere Jahre bis Jahrzehnte haben. Die Rüstungsbetriebe sichern damit Arbeitsplätze, erwerben Know-how und leisten einen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt, der, wie das Beispiel der USA eindrucksvoll zeigt, nicht vernachlässigt werden sollte.

Europa als ehemaliger Beherrscher der Welt hinkt den Errungenschaften der Rüstungsindustrie der USA hinterher und kann nur dann wieder an die führende Stelle der USA aufschließen, wenn die einzelnen Nationalstaaten bereit sind, all ihre technologischen Entwicklungen im Rüstungsbereich zu teilen und ohne Rücksicht auf eigene Vorteile den europäischen Rüstungsmarkt ohne Wenn und Aber einzurichten.


Autor: Brigadier Mag. DDr. Harald Pöcher, Jahrgang 1956. Ab 1975 Theresianische Militärakademie; ab 1978 Ausbildungsoffizier und Lehrzugskommandant an der Militärakademie; ab 1982 Sanitätsschule; 1982 bis 1990 Studium der Volkswirtschaft, anschließend Dienst im Militärkommando Burgenland; seit 1996 im Bundesministerium für Landesverteidigung (und Sport), derzeit Leiter der Revisionsabteilung B. Leiter des Sachgebietes Wirtschaft der Bundesheerreformkommission 2010. 2008 Habilitation an der Zrinyi Miklós Universität in Budapest.

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