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Militärpolitik: Europäische Sicherheit "neu"?

Die Entwicklungen ab Mitte 2010 werden wahrscheinlich für die künftige Sicherheit Europas ausschlaggebend sein. Die sicherheitspolitischen Herausforderungen betreffen nicht nur einzelne Organisationen sondern sind "vernetzt", greifen meist über Europa hinaus und sind aus Brüsseler Sicht nur in einer engen Verknüpfung von Vorgängen in der EU und der NATO zu erfassen.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise führt zur weiteren Verringerung der Verteidigungshaushalte. Überall werden die strategischen Zielsetzungen geändert, um die Wirksamkeit der Streitkräfte als Instrument der Sicherheit zu erhalten.

Vielfach läuft bereits der nächste Durchgang zur Auslöschung von Fähigkeiten, die ausschließlich der nationalen Verteidigung dienen. Viele Bedrohungsszenarien sind so unwahrscheinlich geworden, dass selbst im Fall ihres sehr späten Eintretens mit den derzeit vorhandenen Waffensystemen kaum noch etwas anzufangen wäre.

Die budgetären Einschränkungen bedeuten auch, dass die für gemeinsame Projekte verfügbaren Mittel geringer werden, ebenso die Mittel für militärische Beiträge zum internationalen Krisenmanagement. Daraus folgende Einschränkungen der Bereitschaft von Staaten, militärische Beiträge zu Operationen zu leisten, wirken sich auch auf die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU aus. In ihrem Leitartikel vom 3. Juli 2010 tritt die französische Tageszeitung "Le Monde" für ein "Europa der Verteidigung" ein und befürchtet, angesichts der Budgetkürzungen, ein "Hinausgleiten Europas aus der Geschichte".

Diese Warnung ist nicht zu weit hergeholt. Es ist sehr schwierig geworden, EU-Truppensteller für Operationen zu finden. Was für internationale Aufträge verfügbar gemacht werden kann, geht mit höchster Priorität nach Afghanistan. Bei der Beschickung von Operationen auf dem Westlichen Balkan wird hingegen gezögert. Während auf dem Westlichen Balkan nach manchen Auffassungen das Restrisiko zu gering geworden ist, um es noch sinnvoll mit Militär zu bewältigen, werden in Afghanistan die Erfolgsaussichten des Einsatzes militärischer Kräfte zunehmend kritisch beurteilt. In beiden Operationsräumen wird die Zurückhaltung der beitragenden Staaten durch die wachsenden finanziellen Schwierigkeiten verstärkt. Auf dem Westlichen Balkan kann das - bei ungünstiger Entwicklung - den Prozess der Heranführung der Staaten dieser Region an die EU stören und damit die regionale Stabilität beeinträchtigen. Die Glaubwürdigkeit der EU als Garant von Sicherheit und Stabilität in ihrem unmittelbaren Umfeld würde dadurch untergraben.

Österreich hält hier konsequent an einer langfristigen Strategie regionaler Sicherheit fest. Daraus folgt logisch eine im Verhältnis zu anderen Staaten immer stärkere militärische Präsenz des Bundesheeres in den Operationen EUFOR "Althea" in Bosnien und KFOR im Kosovo. Dieser weit über den militärischen Aspekt hinaus sichtbare Beitrag zur Sicherheit in der Region wird international anerkannt.

Die NATO befindet sich, parallel zur schwierigen Lage in Afghanistan, in einem Prozess der Neuorientierung. Der Bericht der durch Madeleine Albright geführten Expertengruppe "NATO 2020" ist ein erster Schritt zu einer strategischen Ausrichtung für die kommenden zehn Jahre. Bis zum Gipfel von Lissabon im November 2010 muss allerdings noch umfangreiche politische Arbeit geleistet werden, um aus einer guten Analyse eine tragfähige politische Richtlinie zu machen.

Wollen die Mitgliedsstaaten von NATO und EU weiterhin, ihre Streitkräfte für die tatsächlichen Herausforderungen für die Sicherheit Europas einsetzbar halten, müssen sie neue Wege beschreiten, um die geringeren Mittel wirksamer zu verwenden. Dieses Credo war schon vor sechs Jahren der Ausgangspunkt bei der Einrichtung der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) und bestimmte schon bisher ein breites Spektrum an Kooperationen zwischen Staaten. Der Unterschied zur derzeitigen Situation ist allerdings, dass jetzt ein Quantensprung gelingen muss, um durch Kooperation wieder frei verfügbare Ressourcen zu schaffen. Darin liegt die Herausforderung dieses und der kommenden Jahre. Sie gilt für alle, auch für die Neutralen. Österreich muss hier seinen Gestaltungsspielraum definieren und nutzen, um das Bundesheer als wirksames Instrument der Sicherheitspolitik der Bundesregierung zu erhalten. Für die EU, für die NATO und für die Einzelstaaten ist es daher wichtig, zu definieren, in welche Richtung sie sich mit welchen Kooperationen entwickelten wollen. Nur wenn die Ambitionen der EU, der NATO und der an beiden beteiligten europäischen Mitgliedsstaaten ein konsistentes Ganzes ergibt, werden solche Kooperationen zu sinnvollen Ergebnissen führen. In der EU werden die neuen Möglichkeiten auf Basis des Vertrages von Lissabon dafür zusätzliche Möglichkeiten eröffnen.

Autor: Generalmajor Wolfgang Wosolsobe

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