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Profilschärfung der spezialisierten Infanterie

Im Zuge der Strukturreform des Österreichischen Bundesheeres ist eine Schwergewichtsbildung bei den Verbänden vorgesehen, die über einen hohen Einsatzwert sowohl im In- wie auch im Ausland verfügen. Im Bereich der Gebirgstruppe betrifft das vor allem die 6. Jägerbrigade (6.JgBrig). Zur Sicherstellung beziehungsweise zum Ausbau der besonderen Fähigkeiten zur Aufgabenerfüllung im Gebirge ist eine Profilschärfung in Ausbildung und Einsatzvorbereitung notwendig.

Grundsätzliche Überlegungen

Zahlreiche Konfliktzonen erstrecken sich auf gebirgige Regionen. Das gegenwärtige Konflikt- und Gefechtsbild wird zunehmend von asymmetrischen Formen der Konfliktaustragung (z. B. Terroranschläge) bestimmt. Alpines Gelände bietet ebenso wie urbane Regionen irregulären Kräften weiterhin die Möglichkeit, die technologische Überlegenheit moderner Streitkräfte zu unterlaufen. Einsätze werden daher überwiegend unter diesen schwierigen Umfeldbedingungen stattfinden, was wiederum eine gesteigerte Bedeutung von Spezialinfanterie zulässt.

Ihre Wirkung im Einsatz entfalten Gebirgstruppen aufgrund ihrer überlegenen taktischen Mobilität und ihrer hohen Durchhaltefähigkeit in dem ihnen zugedachten Gelände. Die Eigenart des Einsatzraumes "Gebirge" erfordert den Einsatz von Gebirgstruppen innerhalb weitgefasster Aufträge. Der Wirkverbund bereits auf gefechtstechnischer Ebene, die selbstständige Auftragserfüllung in häufig isolierten Einsatzräumen und die dadurch notwendige initiative Einsatzführung befähigen Gebirgstruppen besonders zum Kampf gegen irreguläre Kräfte. Die Anforderungen des Gebirges erzwingen bereits im Frieden ein vorausschauendes Führungsverhalten und die Fürsorge der Kommandanten. Ein starker Zusammenhalt und ein lebendiger Korpsgeist verleihen dem einzelnen Soldaten die psychische Belastbarkeit zur Auftragserfüllung unter oftmals extremen Rahmenbedingungen. Aufgrund dieser besonderen Eigenschaften werden Gebirgstruppen international zu den Eliteverbänden gerechnet. Ebenso wie Fallschirmjäger, Luftlandetruppen und Marineinfanterie gehören sie als Spezialinfanterie zum Kern zukünftiger Streitkräfte.

Um Gebirgstruppen in modernen Streitkräften konsequent integrieren zu können, müssen ihre Verbände für Einsätze unter den Rahmenbedingungen der Gebirgslage spezialisiert, im urbanen Gelände einsatzfähig und zur Erfüllung allgemeiner infanteristischer Aufgaben fähig sein. Bestehende Vorzüge müssen mit exakter Aufklärung und präziser Waffenwirkung (mit Priorität gegen infanteristische Gegner) kombiniert werden.

Gebirgstruppe in Österreich

Durch Konzentration der Masse der Spezialinfanterie im Führungsbereich der 6. Jägerbrigade entsteht eine gute Ausgangsposition für eine weitere Profilschärfung dieser Truppengattung. Die Zusammenfassung in einem Großverband sorgt für eine entsprechende Homogenität und erlaubt eine einheitliche Ausbildung.

Die Organisationspläne der Jägerbataillone wurden auf die Erfordernisse des Einsatzes im Gebirge abgestimmt. Alle Jägerbataillone verfügen dazu über Sondertransportgruppen mit geländegängigen Sonder- bzw. Mehrzweckfahrzeugen. Dadurch wird die taktische Mobilität der Truppe erhöht, die Versorgung unter extremen Bedingungen wesentlich erleichtert und auch der Einsatzwert in der Katastrophenhilfe deutlich gesteigert. Diese Organisationselemente sind allerdings bis dato materiell nicht befüllt.

Zur Erhöhung der Mobilität bekamen die Jägerkompanien Gebirgserkundungstrupps. Die Elemente der Führungs-, Einsatz-, und Kampfunterstützung müssen der Kampftruppe in schwierige Geländeteile folgen können und die spezifischen Einsatzgrundsätze beherrschen. Alle hochgebirgsbeweglichen Jägerbataillone verfügen daher über eigene Kampfunterstützungskompanien. Das erlaubt auch eine konsequente Trennung von Kampf- und Einsatzunterstützung und damit eine Konzentration des jeweiligen Bereiches auf die Auftragserfüllung im Gebirge. Dieser Forderung wird letztendlich auch durch die Gliederungen des Stabsbataillons 6 sowie des Pionierbataillons 2 entsprochen.

Die Mannesausrüstung des einzelnen Gebirgssoldaten befindet sich im internationalen Vergleich auf hohem Niveau. Die körperliche Leistungsfähigkeit der Gebirgssoldaten ist überdurchschnittlich. Die notwendigen Gebirgsqualifikationen der Verbände wurden in jahrelanger Aufbauarbeit erworben. Im Westen Österreichs befindet sich in der Nähe jeder Garnison optimales Trainingsgelände für die Soldaten. Zusätzlich stehen für die Ausbildung der Brigade Übungsplätze (Hochfilzen, Lizum - Walchen) zur Verfügung. Sowohl der laufende Betrieb als auch die erforderliche Weiterentwicklung der Gebirgstruppe sind vergleichsweise kostengünstig durchführbar.

Unter Berücksichtigung der Kostenfaktoren Kadergehälter, Ausbildung der Grundwehrdiener, Mehrdienstleitungen, Journaldienste, Reisekosten, Treibstoff, Munition, Energie und Telefon beanspruchte die 6.JgBrig im Jahr 2009 rund 2,6 Prozent des Ressortbudgets! (Die Recherche erfolgte federführend durch den Leiter der Abteilung Controlling und Inspizierung des Streitkräfteführungskommandos).

Das potenzielle Einsatzspektrum der Hochgebirgsverbände ist breit gefächert: Katastrophenhilfe, Rettungseinsätze und Unterstützungsleistungen können ebenso sichergestellt werden, wie Schutz- und Sicherungsaufgaben bis hin zum Kampf gegen irreguläre oder konventionelle Gegner. Die spezialisierte Infanterie bildet deshalb den Kern von EU Battle Groups. Die Kombination von Spezialinfanterie und Spezialeinsatzkräften wie dem Jagdkommando steigert die Erfolgsaussichten bei Einsätzen.

Möglichkeiten und Absichten der Profilschärfung

Einerseits ist die Berücksichtigung der Gebirgsverbände bei der Aufstellung von Kaderpräsenzeinheiten von besonderer Bedeutung. Anderseits sollten die materielle Befüllung der Sondertransportgruppen sowie die Sicherstellung präziser Aufklärung und Waffenwirkung die Eckpunkte eines mittel- bis langfristig angelegten "Infanteriepaketes" bilden. Wesentlich für eine Weiterentwicklung wird aber auch der Eigenbeitrag der 6.JgBrig für die Ausbildung und die Übungen sein.

Ausbildungsleitlinien - praktische Umsetzung

Die Ausbildung und die Übungen des österreichischen Bundesheeres richteten sich im vergangenen Jahrzehnt auf gegenwärtige Einsätze aus. Diese waren stark auf Basistechniken der Einsatzart Schutz fokussiert, und die Fähigkeiten im Einsatz der verbundenen Kräfte wurden wesentlich erweitert. Die Herausforderung der kommenden Jahre wird neben dem Erhalt dieser Kenntnisse, vor allem darin bestehen, der Kernkompetenz von Streitkräften - die Führung des Kampfes der verbundenen Waffen - vermehrtes Augenmerk zuzuwenden. Die Integration von Erfahrungen aus Einsätzen hoher Intensität einerseits sowie der Ressourcendruck andererseits bestimmen das Spannungsfeld, worin die Weiterentwicklung erfolgen muss. In der 6.JgBrig soll das durch die nachfolgend dargestellte spezielle Übungssystematik erreicht werden.

"Highland" Schulung von Führungs- und Stabspersonal

Um allgemeine Kenntnisse mit der notwendigen Fachexpertise verknüpfen zu können, wurde der Rahmen der bekannten Übungsserie "Mainland" in das gebirgige Gelände Westösterreichs transferiert. Aufgewertet wurden und werden diese Bemühungen durch die Unterstützung des Betriebspersonals des Führungssimulators (FüSim). Mit der Übung "Highland" III von 6. bis 10. Juni 2011 wird dieses Ausbildungsinstrument bereits zum dritten Mal innerhalb eines Jahres genutzt. Im Zuge dieser computergestützten Übungen hat sich rasch herausgestellt, dass die Einsatzführung im Gebirge die Komplexität standardisierter Verfahren vielfach potenziert. Umfangreiche, geländebedingte Einschränkungen zwingen zu kreativer Auslegung feststehender Führungs- und Einsatzgrundsätze. Gebirgslagen sind zwar wenig geeignet zum Erlernen von taktischen Grundlagen, sind jedoch ein wichtiger Aspekt der Kaderfortbildung. "Blinde Flecken" der militärischen Führungsleistung sind so zu vermeiden. Die Integration von Experten der Heerestruppenschule in den Brigadestab erzeugt dabei einen gewinnbringenden Austausch zwischen Lehre und Praxis: Standardisierte Verfahren werden gefestigt und deren Anwendung im schwierigen Gelände erprobt. Gewonnene Erkenntnisse werden durch Geländebesprechungen verdichtet und dienen als Grundlage für Übungen mit der Volltruppe.

"Capricorn" Handwerkliches Können im leistbaren Rahmen

"Capricorn" (Steinbock) 2011

Die Verbandsausbildung soll zur Festigung des Handwerks und, aufgrund des Ressourcendrucks, auf die Führungsebenen der Kompanie und des Zuges konzentriert werden. Die Verfahren der konventionellen Einsatzarten Angriff, Verteidigung und Verzögerung werden um die Elemente des Jagdkampfes (Hinterhalt, Überfall und Handstreich) sowie die Gegenjagd ergänzt. Diese Kombination dient in idealer Weise dem Wirkungsspektrum von Gebirgstruppen und erscheint besonders zur Einsatzführung gegen irreguläre Gegner im Gebirge und in urbanen Regionen geeignet.

In Fortführung der dargestellten grundsätzlichen Überlegungen werden dabei auch die Abbildung des Kampfes der verbundenen Waffen auf die unteren Führungsebenen und das Zusammenwirken mit den Unterstützungselementen der Brigade, vor allem aber auch mit den Luftfahrzeugen weiter forciert.

Vom 21. bis 25. März 2011 leitete das gebirgsbewegliche Jägerbataillon 23 (Hochgebirge) die Übung "Capricorn" 2011 im Raum Hochfilzen. Gemeinsam mit dem Jägerbataillon 12 (JgB12) und Soldaten des Gebirgskampfzentrums wurden dabei die verstärkten Jägerkompanien in drei verschiedenen Angriffsaufgaben beübt. Basis hiezu bildete die Rahmenlage "Highland".

Die Kompanien wurden je nach Lage mit Transporthubschraubern, Sondertransportfahrzeugen, Tragtieren, Pionieren, Elementen für psychologische oder elektronische Kampfführung sowie punktuell auch mit Kampfpanzern verstärkt. Während die Soldaten des JgB12 ihre Expertise in der Zusammenarbeit mit Kampffahrzeugen einbrachten, steuerten die Soldaten der 6.JgBrig unter anderem ihre Gebirgsexpertise bei.

Gebirgswettkampf "Edelweiss Raid" - Auftragserfüllung am Limit

Das erklärte Ziel der 6. Jägerbrigade ist es, den Sport in den Verbänden sowohl in der "Breite" als auch im Leistungsbereich konsequent weiter zu fördern. Körperliche Leistungsfähigkeit schafft die nötige Grundlage für eine sinnvolle Gebirgsausbildung. Neben alpintechnischen Fertigkeiten muss ebenso konsequent die Durchhaltefähigkeit ("Leidensfähigkeit") der Soldaten unter extremen Bedingungen vermittelt werden. Letztendlich entsteht nur aus der praktischen Tätigkeit bei der taktischen und gefechtstechnischen Ausbildung im schwierigen Gelände und unter extremen Wetterbedingungen die erforderliche Gebirgskompetenz.

Der Gebirgsleistungsmarsch "Edelweiss Raid" kann als "Leuchtturmprojekt" mit hoher internationaler Sichtbarkeit bezeichnet werden. Das Vorhaben findet im zweijährigen Rhythmus statt, zuletzt im März 2011, unter dem Kommando der 6.JgBrig durchgeführt. Die an zwei Marschtagen zu absolvierenden militärischen Aufgaben sind gebirgsspezifisch und körperlich anspruchsvoll und erlauben Rückschlüsse auf die Einsatzorientierung von Ausbildung und Ausrüstung mit internationaler Vergleichsmöglichkeit. Zusätzlich zur so hinterlegten Qualitätssicherung wird eine entsprechende Positionierung des Bundesheeres im Marktsegment "Gebirgstruppen" erreicht.

Zusammenfassung

Die spezialisierten Verbände der 6. Jägerbrigade sind im Inland wie im Ausland vielfältig einsetzbar. Gleichzeitig decken sie mit ihrer Gebirgsspezifizierung einen europäischen Nischenbereich ab. Eine weitere Profilschärfung kann kostengünstig erreicht werden. Der Beitrag der Brigade wird durch die dargestellte Übungssystematik im Dreiklang "Körperliche Leistungsfähigkeit - militärisches Können - gebirgsspezifische Expertise" nachhaltig und umfassend verfolgt. Damit leisten die Gebirgstruppen einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Qualitätsmarke "Österreichisches Bundesheer".

Alpinpersonal der 6. Jägerbrigade

  • 48 Heeresbergführer
  • 81 Heeresbergführergehilfen
  • 213 Heereshochalpinisten
  • 85 Heeresflugretter
  • 31 Heeresschiausbilder
  • 38 Heeresschilehrer

Stand 8. März 2011


Autor: Brigadier Mag. Peter Grünwald; Einjährig-Freiwilliger im Landwehrstammregiment 34; 1986 Theresianische Militärakademie, 1989 stellvertretender Kommandant der Wirtschaftsversorgungsstelle 32; 1991 Kommandant einer Jägerkompanie im Landwehrstammregiment 32 bzw. im Jägerregiment 3; 1994 14. Generalstabskurs; 1997 G3/Chef des Stabes im Militärkommando Salzburg; 2000 Lehrgang für Generalstabs- und Admiralstabsdienst an der Führungsakademie der Bundeswehr; ab 2002 Leiter Führung und stellvertretender G3 im Kommando Landstreitkräfte; ab 2004 Kommandant Aufklärungsbataillon 2; ab 2005 Leitender Planungsoffizier im Einsatzführungskommando der Deutschen Bundeswehr; ab 2009 Leiter Referat 2 und stellvertretender Abteilungsleiter der Ausbildung A im Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport; seit 2010 Kommandant 6. Jägerbrigade.

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