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Kommentar: Die Stunde der Wahrheit

In der vorherigen Ausgabe der Zeitschrift TRUPPENDIENST habe ich Klage über den unhaltbaren Schwebezustand unser Bundesheer betreffend geführt. Es sei nicht länger akzeptabel, jahrelang eine Diskussion über die Frage der Wehrform der Armee zu führen, ohne eine Entscheidung zu treffen - so die Forderung. Dass innenpolitische Wunder geschehen, ist relativ selten. Aber diesmal scheinen auch die verantwortlichen Politiker Kenntnis von der Sorge um das und von den Zuständen im Bundesheer genommen und sich zu ihrer eigentlich verantwortlichen Tätigkeit, nämlich dem entschlossenen Regieren, entschieden zu haben.

War es Zufall oder eben nur ein letzter Hilferuf? Egal, wie auch immer, die Entscheidung ist da. Am 20. Jänner 2013 also soll die Bevölkerung darüber entscheiden, ob es in Zukunft ein Berufsheer oder weiterhin die allgemeine Wehrpflicht mit einem Bundesheer "neu" geben soll. Auf den ersten Blick scheint dieser Schritt einen Ausweg aus der gegenwärtigen Situation darzustellen und soll letzten Endes dem Bundesheer den Weg in die Zukunft weisen. Dieses Bundesheer, das in den letzten Jahrzehnten viele schwierige Phasen durchschreiten musste, hat jetzt mit der Volksbefragung Gewissheit, wohin die sicherheitspolitische Reise in den nächsten Jahren gehen soll. Natürlich gäbe es auch Einwände gegen die Vorgangsweise der Regierungsparteien. Wie wir wissen, sind die Aufgaben des Bundesheeres derart mannigfach und unterschiedlich, dass in vielen Bereichen nur Experten zur Beurteilung der Fragen in der Lage sind. Jetzt sollte man nicht ins Detail gehen, aber die Frage nach dem Umfang bestimmter Milizeinheiten, nach der Ausrüstung der Luftstreitkräfte oder den Einsatzmöglichkeiten im Ausland sind alles Themenbereiche, wo nur kompetente Fachleute in der Lage sind, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und sonderbar mutet es außerdem an, dass diese Volksbefragung im Jänner 2013 letztendlich eine Auseinandersetzung zwischen Regierungspartei A und Regierungspartei B darstellt. Oder glaubt man wirklich, dass der Bauer im Waldviertel oder der Industriearbeiter in der Steiermark eine richtige Entscheidung in der Sache Struktur eines neuen Bundesheeres treffen kann? Da kommen vielen Beobachtern Zweifel, ob das wirklich der richtige Weg ist. Aber immerhin, es gibt einen Termin für eine Entscheidung, die schon dringend nötig scheint, und die endlose Diskussion über untergeordnete Sach- und entscheidende Personalfragen hat zum Glück ein Ende.

Im Interesse der Staatsbürger und aller, die noch ein sicherheitspolitisches Gewissen haben, sei eine Bitte gerichtet: Bis zum 13. Jänner 2013 sollte kein stellvertretender Wahlkampf auf dem Rücken der Soldaten geführt werden. In diesen verbleibenden dreieinhalb Monaten darf nicht zerstört werden, was jahrzehntelang mühsam aufgebaut und verantwortet wurde. Schlimm wäre es, wenn nach einem möglichen - und zu befürchtenden - Ersatzwahlkampf um das Bundesheer zum Schluss nur die vielzitierte "verbrannte Erde" übrig bleiben würde. Der Blick muss in die Zukunft gerichtet sein, und wir müssen für unser Österreich den besten Weg finden. Das Ergebnis der Volksbefragung müsste dann von allen rückhaltlos unterstützt werden. Und - was nicht ausgeschlossen ist - die Soldaten dürfen nach einer zu erwartenden Informationsoffensive beider Regierungsparteien nicht als Prügelknaben der Nation übrig bleiben.

Andererseits ist eines ebenfalls klar: Das dauernde Gerede, das Bundesheer nicht in die innenpolitische Auseinandersetzung hineinzuziehen, ist sicherlich auch grundfalsch. Natürlich ist das Heer und seine Organisation eine höchst politische, nicht aber eine parteipolitische Aufgabe. Nehmen wir das Ereignis der Volksbefragung zum Anlass, um im gesamtstaatlichen Bereich einen endgültigen politischen Konsens über die Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu suchen - so, wie es in anderen Ländern, zum Beispiel in Großbritannien, Frankreich, Spanien oder Italien, eine Selbstverständlichkeit ist. Nehmen wir uns an diesen Staaten ein Vorbild, und hören wir mit der nicht hilfreichen Auseinandersetzung um das Bundesheer und seinen Weg endlich auf. Machen wir uns nicht kleiner, als wir sind. Seit 1956 hat das Heer rund zwei Millionen Soldaten ausgebildet, 100 000 davon haben in internationalen Einsätzen ebenfalls ihren Dienst absolviert. Diese Zahlen zeigen, welchen bedeutenden Stellenwert das Bundesheer in der Gesellschaft innehat - abgesehen davon, dass unsere Soldaten im Inland bei Katastrophen oder im Ausland im Rahmen internationaler Missionen einen hervorragenden Ruf besitzen. Die Politik ist es unseren Soldaten schuldig, endgültige und umfassende Entscheidungen über die Zukunft des Heeres zu treffen.

Nochmals, bitte nur keine Schlamm­schlacht im Hinblick auf die Vertretung der eigenen Meinung. Konsens heißt das Zauberwort in der Demokratie, und der soll möglichst nach dem 20. Jänner die Geschicke unseres Heeres leiten, zum Wohle Österreichs.

Professor Walter Seledec

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