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Militärpolitik: Chance und Herausforderung

Diesen abschließenden Beitrag in meiner Funktion als Militärvertreter in Brüssel widme ich eher einer Vorschau, als einem Rückblick. Das Jahr 2013 bietet Chancen, die genutzt werden sollten, vor allem für die Entwicklung der Handlungsmöglichkeiten der EU. In den vergangenen Monaten wurde häufig von einem Stagnieren der GSVP (Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik) gesprochen. Was in Wahrheit stagniert, ist die Bereitschaft der Mitgliedstaaten, sich für Europa einzusetzen. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Prioritäten verändert, und in den Mitgliedstaaten ist mit einem Ruf nach "mehr Europa" kein politischer Vorteil zu erreichen. In dieser Situation wird allerdings immer deutlicher, dass die tragfähigen Wege aus der Krise zu einem stärker integrierten Europa führen, dem die Mitgliedstaaten größere Bereiche von Souveränität zu übertragen bereit sind. Dieser Weg wird immer klarer beschrieben - es bleibt noch, ihn auch real zu gehen. Sollte dieser Weg beschritten werden, ist es vorsichtiger, sich davon keine revolutionierende Neugründung der EU zu erwarten, sondern ein höheres Maß an Bereitschaft gemeinsam zu handeln.

Das klingt nach Wunschdenken, doch immerhin, die kürzlich gehaltene Rede des Kommissionspräsidenten Barroso zur Lage der Union oder der Bericht einer Zukunftsgruppe von elf Außenministern von Mitte September 2012 zeigen eine dichtere politische Substanz, als viele der bisherigen Beschwörungen einer stärkeren politischen Integration. Barroso fordert ein Europa, das in der Lage sei, mit militärischen Missionen zur Stabilisierung der Lage in Krisengebieten beizutragen. Er verlangt eine "echte Verteidigungsplanung" und eine "gemeinsame Verteidigungsstrategie". Manche meinen, Barroso hätte außerhalb seiner Kompetenz gesprochen, da militärische Aspekte die Kommission ausschließen. Ich glaube aber, dass nun die Kommission erkannt hat, dass die militärische Dimension eine Bedeutung für die Außenwirkung der EU hat. Diese Erkenntnis sollte noch tiefer in die Kommission eindringen.

Die Zukunftsgruppe der Außenminister strebt nach einer wesentlichen Stärkung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und einem verstärkten Zusammenwirken der Rüstungsindustrie in Europa. Es besteht die Absicht, das Thema der GSVP im Jahr 2013 auf die Tagesordnung der Staats- und Regierungschefs zu heben. Besonders das Zusammenwirken von Mitgliedstaaten zur Entwicklung von Fähigkeiten soll dadurch eine neue Qualität erhalten.

Auch die besten militärischen Fähigkeiten - über die wir nur zum Teil verfügen - würden alleine nicht dazu führen, dass sie im Sinne der europäischen Interessen eingesetzt werden können. Dazu müssen diese Interessen definiert werden, was uns zur Verteidigungsstrategie führt. Auch diese Diskussion ist im Gange (in "Think Tanks"), ob nämlich die vorhandene Europäische Sicherheitsstrategie eine ausreichende Grundlage ist oder ob ein Text gebraucht wird, der die konkreten Instrumente des außenpolitischen Handelns deutlicher anspricht.

Eine Strategie, die deutlicher auf Interessen eingeht und daraus auch die für die EU zweckmäßigen militärischen Handlungsmöglichkeiten ableitet, wäre Voraussetzung für die von Barroso geforderte Verteidigungsplanung. Dabei handelt es sich wohl nicht um eine Verteidigungsplanung im Sinne der NATO, sondern um die Darstellung der militärischen Instrumente, die im Rahmen des breiten sicherheitspolitischen Spektrums der EU benötigt werden.

Erst auf der Grundlage einer solchen Planung können die Staaten konkret zum Zusammenwirken gebracht werden. Das wäre genau der Impuls, welcher der EU bei ihrem aktuellen "pooling und sharing" fehlt. Hier arbeiten vollkommen unterschiedliche Gruppen von Staaten in ebenso unterschiedlichen technischen Feldern zusammen, um generell Einsparungen zu erzielen und gleichzeitig die militärischen Fähigkeiten zu verbessern. Das ist verdienstvoll, militärpolitisch sinnvoll und wird in Einzelbereichen auch gelingen. In den Zusammenarbeitsfeldern von "pooling und sharing" selbst wird mehr Bereitschaft benötigt, Fähigkeitsbereiche anderen zu überlassen oder für andere völlig zu übernehmen. Das erfordert ein neues politisches Denken, dessen Entwicklung durch die Wege aus der Wirtschafts- und Finanzkrise beschleunigt werden kann.

Am Ende eines langen Weges, der über raschere Entscheidungsprozesse über die Definition von Interessen, einer besser detaillierten Gesamtstrategie und einer wirklichen Koordination nationaler Streitkräfteplanungen führt, mag so etwas Ähnliches stehen wie eine "Europaarmee". Es wäre ein enormer Fortschritt, wenn die EU über bestimmte eigene Fähigkeiten (Führung, Transport, Aufklärung etc.) und um ein Vielfaches erhöhte Möglichkeiten verfügen könnte, militärische Operationen zu finanzieren. Der Weg dorthin ist lang, steinig und ungewiss. Es ist aber der einzige, der beschritten werden kann, soll die Vorstellung von einer autonom handlungsfähigen Union nicht nur eine Idee bleiben. Das Jahr 2013 sollte in diesem Sinne genutzt werden.

Generalmajor Wolfgang Wosolsobe

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