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High Tech Soldat - Internationale Trends

Das Anforderungsprofil an den modernen Soldaten steigt mit der zunehmenden Beteiligung an multinationalen Einsätzen. Für diese Einsätze werden vorwiegend Infanteriekräfte benötigt. Technische Innovationen erhöhen die Kampfkraft der meist zu geringen infanteristischen Kräfte. Energiebedarf und Gewicht der Produkte begrenzen jedoch die breite Anwendung im Einsatz.

Die Veränderung der Bedrohungsszenarien vom Kalten Krieg hin zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung außerhalb des eigenen Staatsgebietes stellen moderne westliche Armeen und deren Soldaten vor neue Herausforderungen. Vor allem im urbanen oder schwierigen Gelände ist die Infanterie der Hauptträger des Einsatzes. Der Erfolg hängt hauptsächlich von der Durchsetzungsfähigkeit dieser Kräfte ab.

Daher finden international bei zahlreichen Soldatenmodernisierungsprojekten in den Fähigkeiten - Schutz, - Durchhaltefähigkeit, - Wirkung, - Aufklärung, - Führung und Kommunikation Erneuerungen und Verbesserungen statt.

Um in multinationalen Einsätzen gemeinsam die Aufgaben bewältigen zu können, ist es notwendig, die eigenen Kräfte zu modernisieren, damit die geforderte Interoperabilität (Zusammenarbeitsfähigkeit) weiterhin gewährleistet werden kann. Die Modernisierung des österreichischen Soldaten zum Schließen von Fähigkeitslücken im Bereich der abgesessenen Einsatzführung findet auf Basis der beiden Vorhaben "Soldat 2015" und "Soldat der Zukunft" (SdZ) statt. Zur Sicherstellung der Interoperabilität erfolgt eine Einbindung in internationale Prozesse und Arbeitsgruppen sowie ein ständiger Informations- und Erfahrungsaustausch mit befreundeten Streitkräften und Nachbarn, die bereits über derartige Systeme und Erfahrungen verfügen.

Schutz

Im Bereich der Fähigkeit "Schutz" wird durch den Einsatz von modernen Werkstoffen und durch neue Verarbeitungsmethoden der Hersteller vor allem das Gewicht bei gleichbleibender Schutzqualität und Verbesserung des Tragekomforts für den einzelnen Soldaten gesenkt. Dies betrifft hauptsächlich die ballistische Schutzweste und den Kampfhelm.

Durch den Einsatz von schwarzer Keramik (Borcarbid) in der Verarbeitung von hartballistischen Schutzplatten ist es der Industrie gelungen, das Gewicht in den letzten zehn Jahren um 25 Prozent zu reduzieren, und zwar von 42 kg/m2; auf 31 kg/m2;.

Eine moderne ballistische Schutzweste zeichnet sich durch einen hohen Tragekomfort und durch Modularität aus. Die Soldaten und die Kommandanten haben so die Möglichkeit, auf verschiedene Bedrohungsszenarien durch Anpassung der Schutzqualität reagieren zu können. Der ballistische Schutz reicht hiebei von einer Weichballistik (Schutz gegen 9-mm-Pistolenmunition sowie Stichschutz) bis zum hartballistischen Schutz (Schutz gegen 7,62-mm-Sturmgewehrmunition).

Bei der Erzeugung von Kampfhelmen wird durch den Einsatz von Polyethylen (Dyneema) anstatt Aramid (Kevlar) oder einer Mischform auch eine Gewichtsreduktion bei gleichbleibendem ballistischem Schutz erreicht. Ein moderner Kampfhelm kann mit dieser Verarbeitungsmethode ein Gewicht von ca. einem Kilogramm im Gegensatz zum eingeführten Kampfhelm des ÖBH (1,6 Kilogramm bei Größe Large) bei gleicher Schutzqualität aufweisen. Zusätzlich sollte ein moderner Kampfhelm über Anbringungsmöglichkeiten (z. B. Schienen) für Zusatzausrüstungsgegenstände (taktisches Licht, Nachtsichtbrille, Schutzbrille, Kamera, Freund/Feindkennung etc.) verfügen.

Eine weitere Herausforderung ist der Schutz der Augen vor Sonnenlicht, ballistischer Bedrohung und Laserstrahlen. Hiebei muss genau definiert werden, gegen welche Laser die Schutzbrille schützen soll. Eine Schutzbrille, die gegen das gesamte Spektrum schützt, ist, ohne die Sicht stark zu beeinträchtigen, technisch schwer realisierbar.

Der ballistische Schutz bewegt sich etwa bei einer V50 von +/- 220 m/s, je nach Model und Firma. Hierbei handelt es sich um die Geschoßgeschwindigkeit, bei der die Wahrscheinlichkeit 50 Prozent beträgt, dass ein definiertes Geschoß das Prüfmuster durchdringt (ÖNORM S 1310).

Dieser Schutzwert kann durch den Einsatz einer Bügelbrille, einer Korbbrille oder eines ballistischen Visiers als Zubehör des Kampfhelms erreicht werden. Eine Kombination dieser drei Ausrüstungsgegenstände wäre auf jeden Fall wünschenswert, um flexibel auf diverse Bedrohungsszenarien reagieren zu können.

Durchhaltefähigkeit

Grundsätzlich soll jeder Soldat die Möglichkeit haben, zwei Liter Wasser mit sich zu führen. Eine Variante hiefür wäre ein Trinksystem (Typ Camelbak), das aus ABC-sicherem Material gefertigt ist und in Kombination mit einem Trinksystem für die ABC-Schutzmaske verwendbar ist. Als Nahrung dient dem Soldaten eine standardisierte Tagesportion (Combat-Ration), die für eine Einsatzdauer von mindestens 24 Stunden vorgesehen ist.

Zur Verbesserung der Sanitätsversorgung auf unterster Ebene sollte jeder Soldat über einen Erste-Hilfe-Satz verfügen, um die entsprechenden Maßnahmen, auch für den Fall einer Kontamination durch ABC-Kampfstoffe, setzen zu können.

In einem Projekt der Europäischen Union (Bio-Sensor-Studie) wird an einem Health Monitoring System (HMS) gearbeitet. Dieses System soll im Einsatz lebenswichtige Körperfunktionen überwachen und dem Soldaten, den Kommandanten und dem sanitätsdienstlichen Personal eine Rückmeldung über den Zustand der Soldaten geben. Folgende Grunddaten werden durch das HMS überwacht bzw. übertragen:

  • Puls;
  • Atmungsaktivität;
  • Körperkerntemperatur;
  • Hauttemperatur;
  • Stoffwechselaktivität;
  • Körperaktivität;
  • Haltung des Körpers.

Es können bei Bedarf zusätzliche Daten, wie die Sauerstoffsättigung und der Schlaf-/Wachstatus, übertragen werden. Die Übermittlung der Daten erfolgt drahtlos über die jeweilige C4I - (Command, Control, Communications, Computers, and Intelligence-)Ausstattung des Soldatenmodernisierungssystems.

Die Daten werden für den Soldaten und den Gruppenkommandanten nicht sichtbar sein (kein Bedarf), sondern an den Zugskommandanten bzw. einen Mediziner/Sanitäter übertragen. Dabei unterscheidet man zwei grundsätzliche Bereiche: den aktuellen Gesundheitszustand und den Gesundheitsalarm. Der Zugskommandant bekommt nur im Falle eines Gesundheitsalarms bei einem seiner Soldaten diese Informationen. Den aktuellen "normalen" Gesundheitszustand kann er bei Bedarf abrufen. Der Mediziner/Sanitäter bekommt beide Bereiche laufend übermittelt. Für die Darstellung der Daten verfügen der Zugskommandant über ein Notebook und der Mediziner/Sanitäter über einen PC.

Da neue moderne Ausrüstungsgegenstände meistens in irgendeiner Form Energie benötigen, stellt für viele Soldatenmodernisierungsprogramme die Integration des Soldaten mit seiner Ausrüstung in ein passendes Gefechtsfahrzeug ein Kernproblem dar. Hiebei sind die Faktoren Ausrüstung (Volumen) und die Energieversorgung des Gesamtsystems entscheidende Herausforderungen. Es werden verschiedene Energieformen wie Batterien, Akkus, Brennstoffzellen und Sonnenenergie genutzt. Diese Energieressourcen müssen entweder logistisch nachgeführt bzw. mitgeführt oder vor Ort aufgeladen werden. Diese Faktoren ergeben ein zusätzliches Gewicht und Volumen, das den Soldaten belastet. Hiezu ist ein Gefechtsfahrzeug notwendig, das dem Soldaten erlaubt, seine benötigte Ausrüstung mitzuführen und neben allen anderen Funktionen auch ein leistungsfähiges Energiemanagement sicherstellt.

Aufklärung und Wirkung

In der Fähigkeit "Wirkung" ist es international ein Ziel, bei allen Tages- und Witterungsverhältnissen eine Zielerkennung und Zielbekämpfung durchführen zu können. Der Einsatz verschiedener Systeme und die Kombination dieser verbessert die Nachtkampffähigkeit und stellt den Einsatz auf größere Entfernungen sicher. Durch den Einsatz von tragbaren Wärmebildgeräten und Restlichtverstärkern soll das Ziel bereits in großer Entfernung erkannt werden. Anschließend muss der Soldat in der Lage sein, durch verbesserte Zielmittel ein Ziel eindeutig zu identifizieren, um es präzise bekämpfen zu können.

Führung und Kommunikation

Der Einsatz von moderner Computertechnologie in allen Soldatenmodernisierungsprogrammen erlaubt es, eine Vielzahl an Daten sowohl zu übertragen als auch zu verarbeiten. Dabei stellt der Kernrechner des Systems die Zentrale der Mannesausrüstung dar. Mit dem Kernrechner werden sämtliche technischen Komponenten eines Systems wie zum Beispiel Sprech- und Datenfunk, Helmdisplay, tragbarer Führungsrechner, GPS-Gerät und Stromversorgung gesteuert. Die Übertragung der Daten erfolgt mittels eines Funkgerätes, wobei dessen Anforderungen stetig steigen. Es besteht der Bedarf, Sprache und Daten innerhalb eines Netzwerkes zu übertragen.

Um Daten in ein System eingeben zu können, wird meist ein Touchscreen verwendet. Es besteht damit die Möglichkeit, Einsätze vorzubereiten und die Planungsgrundlagen in das Soldatenmodernisierungssystem einzuspielen.

Schlussfolgerung

Durch die Industrie und die technische Weiterentwicklung im Bereich aller Fähigkeiten wird dem modernen Infanteristen die Möglichkeit gegeben, effizienter auf die aktuellen Bedrohungen zu reagieren. In allen Fähigkeitsbereichen gibt es international die Bestrebungen, den modernen Infanteristen als Hauptträger des Einsatzes stetig weiterzuentwickeln. Um die Interoperabilität in multinationalen Einsätzen sicherzustellen, ist es notwendig, diese Entwicklungen zu verfolgen bzw. den eigenen Soldaten die Möglichkeit zu geben, durch kompatible Ausrüstung aktiv an solchen Einsätzen teilzunehmen. Trotz der zahlreichen internationalen Soldatenmodernisierungsprojekte und der daraus gewonnenen Informationen ist es notwendig, Erprobungen von modernen zukunftsorientierten Ausrüstungsgegenständen national vorzunehmen, um eigene Erkenntnisse zu gewinnen und diese vergleichen zu können.

Durch diese Modernisierung treten zwei Problemfelder auf, an deren Lösung in fast allen internationalen Streitkräften gearbeitet wird. Einerseits stellt das Zusatzgewicht (ca. 45 bis 65 kg pro Mann je nach Funktion und System) für den Infanteristen eine große Belastung dar, andererseits zeigt sich die Versorgung der modernen Ausrüstungsgegenstände mit Energie als äußerst komplex. Aus diesen Gründen benötigt der High Tech-Soldat im 21. Jahrhundert ein "Mutterschiff", um den effizienten Einsatz des Systems "Infanterist" gewährleisten zu können.

Auf einen Blick

Die Industrie stellt dem modernen Soldaten immer mehr Technik zur Verfügung, um die Aufgaben im Einsatz effizienter bewältigen zu können. In zahlreichen Modernisierungsprogrammen werden zukunftsorientierte Gesamtsysteme betrieben und stetig weiterentwickelt. Jedoch stößt man im Bereich des Gewichts- und Energiemanagementes zurzeit an die Grenzen des Machbaren. Auch in Bezug der Interoperabilität ist es schwieriger, ein komplexes System einzubinden als einfachere Lösungen zu finden.

Es gibt bereits Ansätze (z. B. das Sys­tem "Normann" von der Firma Thales), die Gesamtsysteme wieder "abzuspecken" und dem Soldaten je nach Funktion & Auftrag nur die notwendigste Ausrüstung mitzugeben, um dadurch die Effizienz im Einsatz zu erhöhen und nicht durch eine Übermodernisierung (Gewicht & Energieproblematik etc.) den gegenteiligen Effekt zu erzielen. Sowohl die modernen Gesamtsysteme als auch der Ansatz der "abgespeckten" Variante haben ihre Berechtigung. Beide Varianten versuchen der Infanterie die bestmögliche Ausrüstung zur Verfügung zu stellen, um die Aufgaben im Einsatz optimal bewältigen zu können. Welcher der beiden Ansätze sich durchsetzen wird, werden künftige Einsätze zeigen.


Autor: Major Mag.(FH) Michael Magnet, Jahrgang 1975. 1996 bis 2000 Offiziersausbildung an der Theresianischen Mili­tärakademie zum mechanisierten Aufklärer, 2000 bis 2005 Zugs- und Kompaniekommandant beim Aufklärungsbataillon 3, 2005 bis 2008 Lehroffizier Jäger&Ortskampf an der Jägerschule/Lehrabteilung 2, 2008 bis 2013 Fachoffizier für Durchhaltefähigkeit&Schutz in der Projektgruppe Soldatenmodernisierung und Referent im Referat Aufklärung/Grundlagenabteilung an der Heerestruppenschule, Internationale Einsätze als Zugskommandant AUCON 7/KFOR und Kompaniekommandant AUCON 17/KFOR.

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