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Der Nutzen neuer Technologien im Einsatz

Neue Technologien, unter anderem im EU-FP7 Space-Projekt implementiert, sollten helfen, bei Notfällen und Katastrophen den Austausch von Informationen in Echtzeit effizienter und nutzbringender zu gestalten. Ihre erfolgreiche Anwendung fanden sie bei der Flutkatastrophe in Pakistan 2011, nach einer Explosion auf Zypern 2011 und bei der Jugendolympiade 2012 in Innsbruck.

Im Sommer 2010 wurde der Leiter des United Nations Disaster Assessment and Coordination-(UNDAC-)Teams (Brigadier Dr. Alois Hirschmugl) beauftragt, das UN-Büro für die Koordinierung Humanitärer Angelegenheiten (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs - OCHA) in Pakistan zu unterstützen. Während dieser Mission wurden verschiedene neue technische Geräte und Technologien eingesetzt und getestet, um den UN-Einsatz in Pakistan zu unterstützen. Das Team konnte u. a. Satellitenbilder, den so genannten Multi Cluster Assessment Mechanism (McRAM), das Assessment Capacities Project (ACAPS), unterschiedliche Bewertungsmethoden und Homepages sowie ein neues EU-FP7 Space-Projekt für die Zwecke des Informationsaustauschs nutzen. Neue Technologien wurden auch in Zypern 2011 und bei der Jugendolympiade 2012 in Innsbruck verwendet.

EU-FP7 Space-Projekt

Bei dem oben erwähnten EU-FP7 Space-Projekt handelt es sich um eine Satelliten- & Raumfahrt-Initiative, die durch eine schnelle und robuste Integration visueller In-situ-(Vor-Ort-) und Satellitenbeobachtungen Leben, Umwelt und Infrastrukturen bei Notfällen und Katastrophen rettet.

Nutzen derartiger Technologien

Während der drei Einsätze wurden Bilder vor Ort aufgenommen und automatisch innerhalb weniger Sekunden geo-referenziert zurück auf einen Server übertragen, sodass die Informationsmanager in der Lage waren, sie sofort auszuwerten.

Das UNDAC-Team versuchte, alle verfügbaren Quellen und/oder Organisationen bzw. Koordinationsmeetings etc. zu nutzen. Damit sollten so viele Daten wie möglich gesammelt und analysiert werden, um Lücken festzustellen und sachgerechte Entscheidungen treffen zu können. Der Einsatz dieser neuen Technologien zeigte einen wesentlichen Unterschied zu früheren Missionen: Der Austausch von Informationen war beinahe zeitgleich, viel effizienter und nutzbringender als bisher, und man hatte ebenso zeitgleich die entsprechenden Daten auf einer elektronischen Lagekarte verfügbar.

Während der Flut in Pakistan kam es zwischen dem 22. August und 11. September 2010 zu einem zweiten UNDAC-Einsatz, um das UN-OCHA in Islamabad zu unterstützen. Laut UN-Generalversammlungsresolution, (UN-Res 46/182, Dezember 1991 - "Stärkung der Koordinierung der humanitären Nothilfe der Vereinten Nationen") hat UN-OCHA weltweit das Mandat, betroffene Länder zu unterstützen und/oder Erleichterung der internationalen Hilfsaktionen herbeizuführen. In den "Terms of Reference" wurde für diesen konkreten Einsatz festgelegt, dass das UNDAC-Team (unter anderem) folgende Aufgaben zu erfüllen hat:

  • Unterstützung und Erleichterung der Arbeit der "Humanitärian Coordinators (HC)", des UN-OCHA in Pakistan sowie des "Humanitären Country-Teams (HCT)";
  • Unterstützung der HC und HCT bei der Durchführung erster Erkundungen und Bewertungen;
  • Koordinierung der Infrastruktur und Logistik;
  • Bereitstellung und Verbreitung erster Informationen über die betroffene Bevölkerung und benötigter Hilfsgüter.

In der Vorbereitung auf diese Mission war das UNDAC-Team bereits in der Lage, Satellitenbilder von United Nations Operational Satellite Applications Programme (UNOSAT) und der britischen Organisation "MapAction" zu erhalten und zur Informationsgewinnung zu nutzen.

UNOSAT ist ein technologieintensives Programm und liefert die Auswertung von Satellitenbildern und Satellitenlösungen für Hilfs- und Entwicklungsorganisationen innerhalb und außerhalb des UN-Systems, um die Unterstützungstätigkeiten in kritischen Bereichen wie humanitärer Hilfe, Sicherheit, strategische territoriale Unterstützung und Entwicklungsplanung zu stärken. UNOSAT veröffentlicht anerkannte Forschungsergebnisse, die immer die Bedürfnisse des Empfängers am Ende des Prozesses im Auge behalten.

"MapAction" ist die einzige Nichtregierungsorganisation (NGO) mit einer entsprechenden unmittelbaren Aufzeichnungsfähigkeit während einer Großkatastrophe zum Zwecke der Kartenerstellung vor Ort. Ein derartiges MapAction-Team war in Pakistan mit dem UNDAC-Team im Einsatz. Es stellte Situationskarten mit den laufenden Hilfsmaßnahmen für die UN, die pakistanische Regierung, internationale Organisationen, NGOs etc. zur Verfügung. Durch den Einsatz der Produkte von UNOSAT und MapAction war es möglich, das Ausmaß der Überschwemmungen schnell herauszufinden und diese Informationen auf Karten zu visualisieren.

Diese vor Ort erstellten Karten waren ein gutes Informationswerkzeug für die Unterstützung des UNDAC-Einsatzes. So konnte das UNDAC-Team alle relevanten Informationen auf einer einzigen Karte zusammenfassen und der neuen Unter-Generalsekretärin von UN-OCHA, Frau Valerie Amos, bei ihrem ersten Besuch in Pakistan die Lage auf einfache Art und Weise präsentieren.

Anhand der Karte erhielt sie mit den vielfältigen und komplexen Daten Informationen über

  • Entwicklung und aktuelle Situation der Überschwemmungen in Pakistan,
  • Standorte von OCHA-Koordinierungszentren,
  • betroffenes Ackerland,
  • Zahl der Toten oder Verletzten, zerstörte Häuser, Dörfer und Bevölkerung in den verschiedenen betroffenen Provinzen Pakistans,
  • verschiedene Nationen, Anzahl und Typen von Hubschraubern/Flugzeugen an den verschiedenen Orten,
  • Bewertung der Verwüstung,
  • zivile und/oder militärischen Kräfte,
  • Krankenhäuser, medizinische Teams und Rettungsboot-Teams etc.

Um Pakistan zu unterstützen, aktivierten die Vereinten Nationen das UN-Cluster-System. Damit wurden 13 verschiedene Unterstützungs-Cluster in ganz Pakistan eingesetzt, wie die Cluster für Gesundheit, Ernährungssicherheit, Landwirtschaft, Logistik etc.

Multi Cluster Assessment Mechanism

Um die richtigen Zahlen der betroffenen Bevölkerung und ihre Bedürfnisse herauszufinden, wurde ein weiteres Projekt eingesetzt: Der Multi Cluster Assessment Mechanismus (McRAM). Er ist ein Erkundungsinstrumentarium, womit Fragen der Cluster mittels Personal Digital Assistant (PDA) von einem gut ausgebildetem Team vor Ort in den Familien beantwortet werden, und so eine rasche Rückmeldung über Notsituationen erfolgen kann.

Am Ende dieser Mission waren 3 000 Haushalte geprüft. Man konnte auf diese Daten zurückgreifen und sie bei der Analyse der Bedürfnisse nutzen.

Global Disaster Alert und Coordination System

Neben McRAM stand dem UNDAC-Team ein weiteres Instrument zur Verfügung, um ein besseres Bild von der Situation zu erhalten und an andere weiterzugeben: Das Global Disaster Alert und Coordination System (GDACS), das nahezu Echtzeit-Warnungen im Falle von Naturkatastrophen auf der ganzen Welt vorsieht, dient als Werkzeug zur Koordinierung, einschließlich der Beobachtung von Medien, Kartenkatalogen, Karten. Eingebunden war auch das Virtual On-Site Operations Coordination Center (Virtual OSOCC), http://vosocc.unocha.org/). Über das Virtual OSOCC war es möglich, nicht nur intern, sondern auch die externe Kommunikation mit allen relevanten Hilfsorganisationen in dieser Situation in Pakistan zu realisieren. Daneben wurde auch eine eigene Homepage für diese Mission geschaffen, die so genannte "One Response" (http://oneresponse.info/Countries/Pakistan/Pages/Pakistan.aspx), die inzwischen in "Pak Response" umbenannt wurde (http://pakresponse.info/). Auf dieser Homepage war es möglich, die neuesten Informationen zu den Berichten und Bewertungen und zur Finanzierung, zur Öffentlichkeitsarbeit, und zur Koordination aller relevanten Terminpläne, Karten, Cluster etc. zu erhalten. Dies war auch ein hervorragendes Werkzeug, um allen interessierten Organisationen/Menschen aktualisierte Informationen zu bieten.

Innerhalb des UNDAC-Teams wurde MS Groove verwendet. Das ist ein Programm für die Zusammenarbeit mehrerer gleichzeitig an einem Projekt arbeitenden Menschen, um die Arbeit zu erleichtern. Diesem System war ein bestimmtes UNDAC-G-Mail-Konto übergeordnet, worin alle Akteure auf einer Verteilerliste verbunden waren. Auf diese Weise wurden die Daten durch die "Teams" nach dem "3WS"-Prinzip - Wer macht Was und Wo? - gesammelt und einmal pro Tag an OCHA in Islamabad übertragen. Nach der Zusammenfassung aller Daten der technisch unterstützten Informationsquellen, war es möglich, eine so genannte "Gap"-Analyse der verschiedenen Cluster durchzuführen.

Der Informations-Manager analysierte die Daten und gab die Information an "MapAction" weiter, um eine Karte zu produzieren und diese Informationen zu visualisieren. Das dargestellte Bild zeigte sehr deutlich, dass z. B. im nördlichen Teil Pakistans genügend Unterkünfte verfügbar waren, während in den südlichen Provinzen Sindh und Punjab nur rund fünf Prozent vorhanden waren. Diese Tatsache zeigte die Notwendigkeit auf, den Süden zu unterstützen und die Hilfsflüsse zu reorganisieren. Das gleiche geschah mit den anderen Clustern.

Broadband Global Area Network

Für die Kommunikation waren alle Teammitglieder mit dem Broadband Global Area Network (BGAN), einer Einrichtung, die gleichzeitig Sprach-und Datentransfer bietet und weltweit für Menschen in Gebieten, die wenige oder gar keine terrestrischen Verbindungen haben, genutzt wird, ausgestattet. Damit hatten sie mit den üblichen Funkgeräten und Mobiltelefonen über Wireless Local Area Network (WLAN) Zugang zum Internet.

Während der Vorbereitung und der Hilfsphase konnte das Team auch auf ein anderes Werkzeug, nämlich auf das Assessment Capabilities Projekt (ACAPS - ein Bewertungs- und Kapazitäten-Projekt) zurückgreifen, das die voraussichtliche Bewertung des Bedarfes während komplexer Notsituationen, plötzlicher Katastrophen und lang anhaltender Krisen ermöglicht. Die gut vorbereitete Zusammenfassung der Daten gab dem Team einen ausgezeichneten ersten Überblick und eine genaue, auch wissenschaftlich unterstützte Einschätzung der Situation vor Ort.

Last but not least wurde noch ein anderes Instrument (ein "All in One Device" - ein handelsübliches Android-Handy mit spezieller Software) während des Hochwassers getestet, um herauszufinden, ob dessen Nutzung zur Unterstützung der Koordination und somit zur Linderung des Leides bei solchen Katastrophen sinnvoll ist oder nicht.

Geo-Pictures

Geo-Pictures (GMES and Earth Observation combined with Position based Image and Sensor Communications Technology for Universal Rescue, Emergency and Surveillance) ist ein bahnbrechendes EU-FP7 Space-Projekt. Ziel der Satelliten- & Raumfahrt-Initiative ist es, durch eine schnelle und robuste Integration visueller In-situ- und Raumfahrt/Satellitenbeobachtungen Leben zu retten, sowie Umwelt und Infrastruktur in Notfällen und Katastrophen zu schützen.

Während dieser Mission wurden Bilder vor Ort aufgenommen und automatisch (geo-referenziert) innerhalb von Sekunden auf einen Server übertragen. Dadurch war der Informations-Manager in der Lage, die Lage vor Ort sofort zu analysieren.

Mit dieser Software wird es in Zukunft möglich sein, geo-referenzierte Fotos zu machen, sie zurück an den Server als "Vorschaubild" (20 bis 30 KB Webquality!) zu senden, wobei immer die Möglichkeit besteht, Bilder auf Anfrage schnell und mit hoher bis höchster Auflösung zu erhalten. Der Vorteil dabei liegt in der wesentlichen Ersparnis an Übertragungszeit und Kosten(20 bis 30 KB anstatt von zwei bis zehn MB!), nachdem ja nur "Vorschau"-Bilder übertragen werden. Weiters können geo-referenzierte Kurzmitteilungen, Beurteilungschecklisten, Videoaufnahmen, Satellitenbilder, Aufnahmen aus Drohnen und Crowd Sourcing verwendet werden. Dies macht es möglich, Erstbewertungen aus dem Feld unmittelbar (fast zeitgleich) in der Koordinierungsstelle zu haben, um rasche Lagebeurteilungen und Entscheidungen fällen zu können.

Das Geo-Pictures-Tool war ein Gewinn für die Mission in Pakistan, obwohl es sich nur um eine Testversion gehandelt hatte, wobei in Zukunft die Arbeit der Katastrophenmanager in schweren Notfällen damit sicher viel einfacher wird.

Seit dem Pakistaneinsatz wurde dieses Werkzeug auch bei den EU Assessment Mission-Kursen auf Zypern und während der EU Civil Protection-Mission nach einer Explosion auf einem Marinestützpunkt auf Zypern 2011, die auch das nahe gelegene Elektrizitätswerk zerstört hatte, genutzt. Weiters wurde dieses Werkzeug auch bei der Jugendoplympiade im Jänner 2012 in Innsbruck (YOG2012) verwendet. Erstmals waren die Smartphones in Zypern direkt mit einer von UNOSAT entwickelten elektronischen Lagekarte verbunden, wodurch man beinahe zeitgleich sämtliche Informationen auf der Karte verfügbar hatte. Das Instrumentarium wurde auch in Ispra/Italien am Joint Research Center der EU getestet. Die Asign/Geo-Pictures-Applikation "Crowd Sourcing" wurde 2012 seitens der Europäischen Weltraumagentur ESA im Rahmen des GMES Masters-Wettkampfes als Gewinner der ESA App Challenge ausgewählt. Indonesien (mit einer Fläche von 1 904 569 km² und über 242 Millionen Menschen) hat sich mittlerweile diese kosten- und zeitsparende Applikation für den Katastrophendienst beschafft, nachdem dort fast täglich Naturkatastrophen stattfinden und dringender Informationsbedarf in Jakarta gegeben ist.

Obwohl jeder Katastrophenmanager und jede Organisation auch weiterhin in der Lage sein muss, ohne jede technische Unterstützung auszukommen, können neue Technologien jedenfalls eine merkliche Unterstützung zum sonst üblichen Katastrophenmanagement sein.


Autor: Brigadier Mag. Dr. Alois Hirschmugl, Jahrgang 1960, Ausmusterungs-Jahrgang Laudon, ausgemustert zum I/Heeresfernmelderegiment (HFMR) als Fernmeldeoffizier, danach JaPzB 4 (FzO/S4), MilKdo ST (IntAbt), diverse Verwendungen/Dienstzuteilungen zum KpsKdoI, LVAk, HBVA/MIMZ und Disz Abt und PersAbt/BMLVS sowie Personalchef (G1) des Kommandos Internationale Einsätze (KdoIE). Studium der Rechtswissenschaften in WIEN und GRAZ. Derzeit Berater des österreichischen Generalstabschefs im Bereich humanitäre Angelegenheiten und Rechtsberater MilKdoST sowie international anerkannter Katastrophen- und CIMIC-Experte. Humanitäres Engagement auf freiwilliger Basis über zehn Jahre im (Jugend) Roten Kreuz, seit 1999 Mitglied des Disaster Assessment and Coordination Team der Vereinten Nationen und Experte für Katastrophenschutz der Europäischen Kommission. 1986 Peacekeeping-Einsatz in Zypern, zahlreiche UN- und EU-Missionen, z. B. 2000 Flut-Katastrophen in Mosambik, 2004 in Bangladesch und 2010 in Pakistan, 2003 Erdbeben-Katastrophen in Algerien, 2004 in Iran und 2006 in Indonesien, 2005 Tsunami in Südostasien, Explosionen eines Munitionsdepots 2008 in Albanien und auf einer Naval Base auf Zypern, die 2011 das nahegelegene Elektrizitätswerk zerstört hat. Weiters externer Rechtsberater des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag, Teilzeitinspektor für Verifikation von Waffenkontrollabkommen, Mitglied des österreichischen Normungsinstitutes für Krisen- und Katstrophenmanagement, unabhängiger Berater für Katastrophenmanagement, Beratung und Training sowie Trainer/Vortragender für verschiedene Institutionen und Projekte (EU-Katastrophenschutz-Projekte wie EUTAC, EURETS, EURAMET und Geo-Pictures). Autor des TRUPPENDIENST-Handbuches "Einsatzrecht für Friedensunterstützende-, Humanitäre- und Katastrophenhilfeeinsätze (ISBN 3-901183-52-3). Jahrelang Stiftungsrat des Global Humanitarian Forum unter dem Vorsitz des ehemaligen UN-Generalsekretärs, Kofi A. Annan.

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