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… aus Brüssel: Das Krisenbewältigungsverfahren der Europäischen Union

Der Einsatz von Truppen aus EU-Ländern im Tschad zeigt: Die Europäische Union sieht in der Krisenbewältigung - in und außerhalb Europas - eine wichtige Aufgabe. Wie aber werden derartige Einsätze in den EU-Gremien beschlossen, geplant und vorbereitet?

Die Krisenbewältigung zählt - so beschloss es der Europäische Rat im Juni 1999 in Köln - zu den wesentlichen Elementen zur Stärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Die Krisenbewältigungsaufgaben der EU wurden auch unter dem Namen Petersberg-Aufgaben bekannt, benannt nach dem Ort, an dem sie der Ministerrat der Westeuropäischen Union (WEU) im Juni 1992 festgelegt hat. Dabei handelt es sich um

  • humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze,
  • friedenserhaltende Aufgaben,
  • Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung, einschließlich friedenschaffender Maßnahmen,
  • Konfliktverhütung (Frühwarnung, vertrauensbildende und sicherheitsverstärkende Maßnahmen usw.),
  • gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen (z. B. Programme zur Waffenzerstörung und Rüstungskontrolle),
  • militärische Beratung und Unterstützung (Zusammenarbeit mit den Streitkräften eines Drittlandes oder einer regionalen/subregionalen Organisation zwecks Aufbaus demokratischer Streitkräfte durch den Austausch vorbildlicher Praktiken, z. B. durch Ausbildungsmaßnahmen),
  • Stabilisierungsmaßnahmen nach Konflikten sowie
  • Unterstützung bei der Terrorismusbekämpfung auf Ersuchen eines Drittlandes.

Mit dem - von den österreichischen Vertretern mit unterzeichneten - Vertrag von Nizza hat die Europäische Union auch ein Instrument einer gemeinsamen Sicherheitspolitik geschaffen, das sämtliche Fragen der Sicherheit der EU umfasst: die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) als Teil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

Der Europäische Rat (nicht zu verwechseln mit dem Rat der Europäischen Union) hat in Nizza weiters beschlossen, die zuvor beim Europäischen Rat in Helsinki vorgeschlagenen ständigen politischen und militärischen Strukturen für die politische Kontrolle sowie die strategische Leitung bei Krisen einzurichten:

  • das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (Political and Security Committee - PSC) und
  • den EU-Militärausschuss (European Union Military Committee - EUMC).

Darüber hinaus wurde im Sekretariat des Rates ein EU-Militärstab aus Militärexperten geschaffen, die von den Mitgliedstaaten entsandt werden. Dieser Militärstab untersteht dem Militärausschuss und unterstützt diesen.

Nach dem in der Folge entwickelten Konzept ist das Politische und Sicherheitspolitische Komitee gleichsam ein "Motor" der ESVP und der GASP:

  • "Das PSC wird sich (...) mit allen Aspekten der GASP einschließlich der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GESVP) befassen. (…) Dem PSC kommt unbeschadet des Artikels 207 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (in der Folge als EG-Vertrag bezeichnet; Anm.) eine zentrale Rolle bei der Festlegung der Reaktion der Europäischen Union auf eine Krise und deren Umsetzung zu."
  • Im Rahmen des Titels V (des EU-Vertrages; Anm.) nimmt das PSC unter der Verantwortung des Rates die politische Kontrolle und die strategische Leitung von Krisenbewältigungsoperationen wahr.

Das PSC spielt während einer Krise eine zentrale Rolle - dies ist ein Grundsatz des gesamten Krisenbewältigungsverfahrens der EU. Der Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) nimmt - vom PSC rechtzeitig unterrichtet - die ihm gemäß des EG-Vertrages und der Geschäftsordnung des Rates zugewiesenen Aufgaben wahr.

Zur Umsetzung dienen "Vorschläge für Verfahren zur kohärenten, umfassenden Krisenbewältigung durch die EU" (mit diesen befasst sich auch dieser Beitrag). Die Vorschläge basieren auf den Bestimmungen des derzeitigen EU-Vertrages und berücksichtigen die Berlin-Plus-Vereinbarungen zwischen NATO und EU (die der EU den Zugriff auf logistische sowie Planungskapazitäten der NATO ermöglichen). Weiters wurden Polizeiaspekte (aus dem Aktionsplan für die Polizei, angenommen vom Europäischen Rat in Göteborg im Jahre 2001) berücksichtigt. Eine umfassende Übungspolitik erlaubt darüber hinaus das Testen dieser Krisenbewältigungsverfahren und unterstützt damit deren kontinuierliche Weiterentwicklung. An diesen Krisenbewältigungsübungen nehmen alle wesentlichen Dienste des Ratssekretariats, das EU-Satellitenzentrum, die EU-Kommission, die EU-Mitgliedstaaten sowie, je nach Bedarf, entsprechende externe Akteure (z. B. UNO und NATO) teil.

Die Akteure

Die Sicherheitsforscher Alexander Siedschlag und Franz Eder [vgl. Siedschlag, Alexander und Eder, Franz (2006) Akteure und Zusammenspiel im EU-Krisenmanagement. In: Feichtinger, Walter und Gebhard, Carmen (Hg.) EU als Krisenmanager. Herausforderungen - Akteure - Instrumente. Wien, Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie 9/2006, S. 61 - 89.] - beschreiben die EU-Akteure im Krisenbewältigungsverfahren etwa wie folgt:

Der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen

Der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen (RAA/AB, in der Folge Rat genannt) ist für ein einheitliches, kohärentes und wirksames Vorgehen der Union in allen Belangen der GASP verantwortlich und trifft dafür die notwendigen Entscheidungen. Die wesentliche Rolle spielt dabei der Generalsekretär des Rates, gleichzeitig der so genannte Hohe Beauftragte für die GASP. Obwohl der EU-Vertrag seine Funktion auf die Unterstützung des Rates und der jeweiligen Präsidentschaft beschränkt, ist er dennoch eine Art zentraler Krisenmanager.

Der Rat setzt sich aus den Ministern der Mitgliedstaaten zusammen. Grundsätzlich gibt es nur einen Rat der Europäischen Union (Kurzbezeichnung Rat), dieser kann aber in neun verschiedenen Formationen zusammentreten, eine davon ist der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen, der sich aus den Außenministern, fallweise gemeinsam mit den Verteidigungsministern, zusammensetzt. In dieser Formation werden primär Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bzw. der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beschlossen.

Grundsätzlich kann aber jede der neun Ratsformationen Beschlüsse zu allen Themenbereichen fassen. So wurde z. B. die EU-Militäroperation "ARTEMIS" (Mission in der Demokratischen Republik Kongo 2003) nicht durch die Außen- oder Verteidigungsminister beschlossen, sondern in der Formation Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres.

Die Strategieplanungs- und Frühwarneinheit

Den Rat unterstützt dabei die Strategieplanungs- und Frühwarneinheit (Policy Planning and Early Warning Unit, kurz Policy Unit), die folgende Aufgaben hat:

  • die Beobachtung von Entwicklungen im Bereich der GASP;
  • die Beurteilung der EU-Interessen;
  • die Schwerpunktsetzung gemeinsamer Interessen für die GASP;
  • die kurzfristige Einschätzung von Ereignissen und Situationen sowie die diesbezügliche Frühwarnung;
  • die Erstellung von Handlungsoptionen und das Verfassen von Dokumenten ("Papers").

Diese Policy Unit besteht aus rund 40 Personen (EU-Beamte), die über das ebenfalls beim Ratssekretariat angesiedelte gemeinsame Lagezentrum (Joint Situation Centre - SITCEN) eng mit dem EU-Militärstab zusammenarbeiten. Dadurch erhält der Hohe Beauftragte die für die Lagebeurteilung relevanten Informationen nicht erst über das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSC), sondern direkt von dieser ihm direkt unterstellten Einheit.

Der Militärstab der Europäischen Union

Der Militärstab der Europäischen Union (European Union Military Staff - EUMS, in der Folge EU-Militärstab genannt) ist mitsamt einer zivil-militärischen Planungszelle im Generalsekretariat des Rates angesiedelt. Er hat seinen Sitz in Brüssel, besteht aus ca. 190 von den Mitgliedstaaten entsandten Offizieren und Unteroffizieren und ist für die Frühwarnung, die Lageeinschätzung und die strategische Planung im Bereich der Petersberg-Aufgaben zuständig.

Der Militärausschuss der Europäischen Union

Die Expertisen des EU-Militärstabes dienen in erster Linie dem Militärausschuss der Europäischen Union (European Union Military Committee - EUMC; in der Folge EU-Militärausschuss genannt). Dieser gehört - anders als der EU-Militärstab - nicht zum Ratssekretariat, sondern ist ein Organ des Rates. Der EU-Militärausschuss besteht aus den Generalstabschefs der Mitgliedstaaten bzw. deren permanenten Vertretern. Der Vorsitzende des EU-Militärausschusses berät den Hohen Beauftragten und nimmt an Sitzungen des PSC teil sowie in Ausnahmefällen auch an Sitzungen des Rates. Der EU-Militärausschuss ist das zentrale Forum zur militärischen Konsultation und Kooperation der Mitgliedstaaten. Er hält Kontakt zu Nicht-EU-Mitgliedern, berät das PSC in allen militärischen Fragen und formuliert die Leitlinien für die Arbeit des Militärstabes. Während einer militärischen Operation ist der EU-Militärausschuss der primäre "Point of Contact" für den Operationskommandanten.

Das Politische und Sicherheitspolitische Komitee

Das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (Political and Security Committee - PSC) in Brüssel ist der Dreh- und Angelpunkt der Entscheidungsprozesse innerhalb der GASP und somit auch der ESVP. Es besteht aus ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten - Beamte der Mitgliedstaaten im Rang von Botschaftern sowie Botschaftssekretären - sowie einem EU-Kommissionsvertreter und arbeitet, ebenso wie der EU-Militärausschuss, auf Konsensbasis.

Das Komitee tritt generell zwei- bis dreimal pro Woche im EU-Ratsgebäude (dem Justus Lipsius-Gebäude) zur Erledigung der Tagesgeschäfte der GASP zusammen. Den Vorsitz führt im Normalfall der Ständige Vertreter jenes Staates, der gerade die EU-Präsidentschaft innehat. Der Rat kann jedoch in einer Krise dem Hohen Beauftragten den Vorsitz übertragen.

Anders als beim EU-Militärstab und beim EU-Militärausschuss, die durch Ratsbeschluss geschaffen wurden, sind die Aufgaben des PSC im EU-Vertrag (Artikel 25) beschrieben: Es verfolgt "die internationale Lage in den Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und trägt auf Ersuchen des Rates oder von sich aus durch an den Rat gerichtete Stellungnahmen zur Festlegung der Politiken bei. Ferner überwacht es die Durchführung vereinbarter Politiken; dies gilt unbeschadet der Zuständigkeiten des Vorsitzes und der EU-Kommission".

Das PSC führt außerdem Konsultationen mit der NATO durch, formuliert einerseits Richtlinien für die Arbeit des Militärausschusses oder im Bereich des zivilen Krisenmanagements für die Arbeit des Ausschusses für zivile Aspekte des Krisenmanagements (Committee for Civilian Aspects of Crisis Management - CIVCOM), erstellt andererseits für den Rat Analysen der internationalen Lage und gibt Entscheidungsempfehlungen. Darüber hinaus obliegen dem PSC die Federführung bei der Entwicklung der militärischen und zivilen Fähigkeiten der ESVP sowie die Überwachung der gemeinsamen und nationalen Implementierung der beschlossenen Politik.

Der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bei der EU

Eine wichtige Rolle spielt allerdings der aus den nationalen Botschaftern bestehende Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bei der EU (AStV), an dessen Sitzungen auch der Hohe Beauftragte teilnimmt. Die Aufgabe dieses Ausschusses ist laut Artikel 207 des EG-Vertrages die Vorbereitung der Arbeiten des Rates und die Ausführung der ihm vom Rat übertragenen Aufgaben.

Der Ausschuss der Ständigen Vertreter steht somit bei Empfehlungen an den Rat unter Umständen in einer Art Rivalität zum PSC (dem ja ebenfalls Ständige Vertreter mit Botschafterstatus angehören). Die Kontrolle, ob die gefassten Beschlüsse auch "greifen", liegt allerdings beim PSC. Diesem obliegen auch - unter Verantwortung des Rates - die politische Kontrolle und die Entscheidung über die strategische Ausrichtung von Krisenoperationen. In einer Krisensituation soll das PSC außerdem ein kohärentes, bereichsübergreifendes Handeln sicherstellen.

Die politische Entscheidungsinstanz ist aber der bereits oben genannte Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen, der seine Beschlüsse im Rahmen der vom Europäischen Rat verabschiedeten allgemeinen Richtlinien nach dem Konsensprinzip fasst. Um eine Blockade zu verhindern, besteht die Möglichkeit einer "konstruktiven Enthaltung" in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Dabei erklären Mitgliedstaaten, nicht an Abstimmungen teilzunehmen, akzeptieren jedoch, dass die Union eine Entscheidung trifft, ohne dass sie selbst daran gebunden sind. So können kurzfristig zu beschließende Operationen trotz der Bedenken einiger Mitglieder (nicht mehr als ein Drittel) durchgeführt werden, während sich Unschlüssige noch im Nachhinein daran beteiligen können.

Das Ad-hoc-Krisenreaktions-Koordinierungsteam

Vor allem zur Erstellung des Krisenmanagementkonzeptes (Crisis Management Concept - CMC) aber auch für Planungs- und Unterstützungsaufgaben während der laufenden Operation wird ein Ad-hoc-Krisenreaktions-Koordinierungsteam (Crisis Response Co-ordination Team - CRCT) gebildet.

Dieses tritt nur im Krisenfall zusammen, dient der EU-internen Koordination und besteht aus Beamten relevanter Dienste des Ratssekretariats sowie der EU-Kommission. (Das Team kann z. B. auf der Arbeitsebene sicherstellen, dass der Rat und die EU-Kommission extern handlungsfähig sind.) Die Koordination erfolgt zwischen den jeweiligen Diensten und greift nicht in die Rechte und Pflichten der Institutionen ein.

Das Koordinierungsteam hilft so, eine enge zivil-militärische Koordination sicherzustellen. Es ist selbst keine Ratsarbeitsgruppe und trifft daher auch keine Entscheidungen. Der Generalsekretär/Hohe Vertreter kann aber auf die Arbeit des Teams zurückgreifen, damit z. B. ein Entwurf des Krisenmanagementkonzeptes schlüssig und umfassend ist und alle relevanten zivilen und militärischen Instrumente umfasst. Außerdem kann die EU-Kommission bei Initiativen die Arbeit des Teams als Bezug verwenden.

Ein Informationsstrategieteam, gebildet aus Sekretariats- und EU-Kommissionsbeamten mit nahem Kontakt zur Präsidentschaft, unterstützt das Krisenreaktions-Koordinierungsteam.

Weiters existieren eine zivile Planungs- und Führungskapazität (Civilian Planning and Command Capacity - CPCC) und eine zivil-militärische Zelle im EU-Militärstab für konkrete Planungs-, Unterstützungs- und Führungsfunktionen ziviler bzw. zivil-militärischer Operationen.

Das Verfahren

Im Dokument Vorschläge für Verfahren zur kohärenten, umfassenden Krisenbewältigung durch die EU ist der EU-interne Entscheidungsprozess dargestellt. Das Verfahren zur Krisenbewältigung umfasst demnach sechs Phasen:

  • Phase 1 - Routine, Überwachung und Frühwarnung;
  • Phase 2 - Entstehung der Krise, Entwicklung des Krisenmanagementkonzeptes;
  • Phase 3 -Annahme des Krisenmanagementkonzeptes, Entwicklung strategischer Optionen;
  • Phase 4 - Formeller Beschluss, tätig zu werden, Entwicklung der Planungsdokumente;
  • Phase 5 - Durchführung;
  • Phase 6 - Neuausrichtung des Handelns.

Phase 1 - Routine, Überwachung und Frühwarnung

Diese Phase beinhaltet die Überwachung und die Analyse der Situation, Maßnahmen zur Frühwarnung, die Vorausplanung und Vorbereitungsmaßnahmen, einschließlich der zivilen Aspekte und der zivil-militärischen Koordination, sowie eine entsprechende Informationspolitik.

Dabei führen die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission im PSC sowie in den entsprechenden geografischen und thematischen Arbeitsgruppen des Rates eine Routineüberwachung durch und tauschen Informationen aus. Eine Unterstützung erfolgt insbesondere durch das Ratssekretariat, den EU-Militärausschuss und das CIVCOM. Darüber hinaus finden Konsultationen mit der NATO, den europäischen nicht der EU angehörenden NATO-Mitgliedern, den EU-Beitrittskandidaten sowie den Vereinten Nationen statt, ebenso mit Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen. Österreich wird darin durch Fachkräfte des Bundesministeriums für Europäische und internationale Angelegenheiten, des Bundesministeriums für Landesverteidigung und - für polizeiliche Angelegenheiten - des Bundesministeriums für Inneres vertreten.

Eine koordinierte Vorausplanung für militärische Aspekte erfolgt durch den EU-Militärstab (einschließlich der Überprüfung bestehender Pläne), für polizeiliche Aspekte durch den Polizeistab sowie für andere zivile Aspekte durch die Planungsstäbe des Ratssekretariats und der EU-Kommission.

Phase 2 - Entstehung der Krise, Entwicklung des Krisenmanagementkonzeptes

In dieser Phase erfolgt die Feststellung der Krise, deren Analyse sowie die Ermittlung von Handlungsoptionen und das Setzen erster Maßnahmen. Es wird überlegt, ob ein Tätigwerden der EU angezeigt ist. Im Zusammenhang damit erfolgt eine Ermittlung der verfügbaren Instrumente, Fähigkeiten und Mittel im Hinblick auf ein Gesamtkonzept - das Krisenmanagementkonzept.

Richtet sich die Aufmerksamkeit des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees (PSC) auf eine entstehende Krise, wird das Zur-Verfügung-Stellen von Informationen, inklusive solcher nachrichtendienstlicher Art, durch die Mitgliedstaaten, die EU-Kommission und durch das Ratssekretariat (insbesondere durch das Lagezentrum und den EU-Militärstab) intensiviert. Das PSC tritt zusammen und beurteilt die Ursachen und Auswirkungen der Krise. Dabei stützt es sich auf vorliegende Informationen, Handlungsoptionen, Ratschläge und Berichte, um zu einer gemeinsamen politischen Einschätzung der Krise zu gelangen.

Die EU-Kommission, die sich in vollem Umfang an der Arbeit des PSC beteiligt, unterrichtet dieses von den getroffenen bzw. vorbereiteten Maßnahmen und überlegt den Einsatz weiterer Instrumente. Die Mitgliedstaaten gehen ebenso vor und unterrichten das PSC über ihre innerstaatlichen Maßnahmen.

Das Ratssekretariat und die EU-Kommission setzen ihre koordinierte Planung fort, richten bei Bedarf gemeinsame Planungsteams ein und intensivieren die Kontakte, Konsultationen und Treffen mit anderen Akteuren, insbesondere der NATO.

Das PSC analysiert - gegebenenfalls anhand von Vorgaben des Rates - die Lage. Die Feststellung des Komitees, dass die EU tätig werden sollte, ist der Auslöser für die Entwicklung eines Krisenmanagementkonzeptes. Für dieses kann das PSC die Richtung vorgeben. Ein Ad-hoc-Krisenreaktions-Koordinierungsteam aus Beamten des Ratssekretariats und der EU-Kommission entwirft daraufhin das Krisenmanagementkonzept.

Der Generalsekretär/Hohe Vertreter legt diesen Entwurf dem PSC vor, ebenso die EU-Kommission die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Elemente. Das PSC gibt nun die Richtung zur weiteren Ausarbeitung des Konzeptes vor und nimmt für dessen militärische Aspekte die Beratung des Militärausschusses in Anspruch.

Der Militärausschuss sorgt für die militärische Beratung des PSC bezüglich der militärischen Dimension der Krise und der möglichen militärstrategischen Ziele einschließlich einer Beurteilung der potenziellen Verfügbarkeit militärischer Fähigkeiten und Kapazitäten (auch zur Unterstützung ziviler Instrumente).

Das PSC prüft nun - unbeschadet der Beschlussfassungs- und Durchführungsverfahren - alle Optionen, die als mögliche EU-Reaktionen innerhalb des institutionellen Rahmens in Frage kommen. Hiezu

  • nimmt das PSC die allgemeine politische Beurteilung vor, wobei es die Gesamtheit der anwendbaren Maßnahmen im Auge behält, und
  • erstellt nach weiteren Beratungen das endgültige Krisenmanagementkonzept und arbeitet eine Stellungnahme für den Rat aus, in der es die von der EU zu verfolgenden politischen Ziele feststellt sowie Optionen vorschlägt, die zur Beilegung der Krise beitragen sollen.

Innerstaatlich müssen deshalb insbesondere das Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten sowie das Bundesministerium für Landesverteidigung in Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt eine nationale Position erarbeiten, die sich auf die österreichische Haltung zur Krise an sich sowie auf die österreichische Beteiligung an einer allfälligen Operation bezieht.

Phase 3 - Annahme des Krisenmanagementkonzeptes, Entwicklung strategischer Optionen

Der Rat billigt auf Basis einer Stellungnahme des PSC das Krisenmanagementkonzept, das eine allgemeine politische Beurteilung und eine Darstellung der Optionen umfasst. Darüber hinaus kann der Rat die EU-Kommission um Vorschläge bzw. Maßnahmen ersuchen, die mit dem Krisenmanagementkonzept im Einklang stehen. Der Rat ersucht auch die Mitgliedstaaten, sich bei ihren Maßnahmen an diesem Konzept zu orientieren. Bei Bedarf ernennt er einen Sonderbeauftragten und nimmt gegebenenfalls die Verfügbarkeit eines Führungskommandos zur Planung und Leitung einer militärischen Operation zur Kenntnis.

Auf Basis des Krisenmanagementkonzeptes ersucht das PSC den Militärausschuss um eine Weisung für militärstrategische Optionen (Military Strategic Options Directive - MSOD). Anhand dieser Weisung arbeitet der EU-Militärstab eine oder mehrere mit Prioritäten versehene militärstrategische Optionen (MSO) aus und legt diese vor. Im Zusammenhang damit erfolgt die Identifizierung möglicher Operationskommandanten.

Die MSO sollten eine Beurteilung der Durchführbarkeit, eine Risikobeurteilung und eine Command and Control-Struktur umfassen u. a. mit der Empfehlung

  • eines Operationskommandanten (Operation Commander - OpCdr),
  • eines Operationshauptquartiers,
  • eines Streitkräftekommandanten (Force Commander),
  • eines Streitkräftekommandos (Force Headquarters) und
  • der erforderlichen Kräfte und Fähigkeiten.

Dazu kommen Angaben zu den Kräften, die seitens der beitragenden Staaten zur Verfügung gestellt werden könnten. Für die Durchführung der Planung sucht der EU-Militärstab nach Möglichkeit und Angemessenheit die Unterstützung des potenziellen Operationshauptquartiers.

Ein entsprechender Vorgang erfolgt auch bei zivilen bzw. zivil-militärischen Operationen zur Erstellung polizeilicher (Police Strategic Options - PSO) bzw. sonstiger ziviler strategischer Optionen (Civilian Strategic Options - CSO).

Der EU-Militärausschuss bzw. das CIVCOM evaluiert die militärstrategischen bzw. die polizeilichen oder zivilen strategischen Optionen nach Prioritäten und übermittelt das Ergebnis mit entsprechenden Empfehlungen an das PSC. Dieses bewertet auf der Grundlage der Empfehlungen die jeweilige(n) strategische(n) Option(en) und bereitet eine Stellungnahme an den Rat vor, in der es die bevorzugte(n) Option(en) empfiehlt.

Phase 4 - Formeller Beschluss, tätig zu werden, Entwicklung der Planungsdokumente

Nachdem der Rat beschlossen hat, zur Bewältigung der Krise tätig zu werden, verfährt er wie folgt:

  • Er legt die politischen Rahmenbedingungen der gemeinsamen Aktion fest.
  • Er kann das PSC autorisieren, die notwenigen Maßnahmen zur politischen Kontrolle und zur strategischen Leitung der Operation zu treffen. Dies umfasst bei Bedarf auch die Einrichtung eines Ausschusses der Beitragenden (Committee of Contributors - CoC).
  • Er entscheidet über die militärstrategischen bzw. die polizeilichen oder zivilen strategischen Optionen, einschließlich der vorgeschlagenen Befehlskette und ersucht die Mitgliedstaaten - vorbehaltlich ihrer innerstaatlichen Verfahren - um die Bestätigung ihrer Bereitschaft zur Unterstützung der gewählten Option.
  • Er ersucht die EU-Kommission, gegebenenfalls durch Gemeinschaftsmaßnahmen, auf die Erreichung der Ziele und die Einhaltung der Prioritäten der gemeinsamen Aktion hinzuwirken, oder stellt fest, dass die EU-Kommission dies zu tun beabsichtigt.
  • Er ersucht die Mitgliedstaaten, die gemeinsame Aktion zu unterstützen.
  • Er entscheidet, ob Drittländer um Beiträge ersucht werden.
  • Er legt die Rolle des Generalsekretärs/Hohen Vertreters hinsichtlich der politischen Kontrolle und der strategischen Leitung der Krisenbewältigungsoperation fest. Dabei wird der Generalsekretär/Hohe Vertreter nach Zustimmung des PSC tätig.

Die vom Rat ausgewählte militärstrategische Option ist entweder eine militärische Operation der EU ohne Einsatz von Mitteln und Fähigkeiten der NATO oder eine militärische Operation der EU mit Rückgriff auf Mittel und Fähigkeiten der NATO:

  • Im Fall einer militärischen Operation der EU ohne Einsatz von Mitteln und Fähigkeiten der NATO ernennt der Rat den Operationskommandanten, bestimmt das Operationshauptquartier, den Streitkräftekommandanten und gegebenenfalls das Streitkräftekommando sowie die Component Commands.

    Nicht der EU angehörende europäische NATO-Mitglieder und andere, sich um den EU-Beitritt bewerbende Staaten, die ihre Beteiligungsabsicht (auf Einladung) zum Ausdruck gebracht haben, können Verbindungsoffiziere in das europäische Operationshauptquartier entsenden, damit Informationen über die Einsatzplanung und den vorgesehenen Beitrag ausgetauscht werden können.

    Die EU hält die NATO über den allgemeinen Fortgang der Vorbereitungsarbeiten auf dem Laufenden.

  • Im Fall einer militärischen Operation der EU mit Rückgriff auf Mittel und Fähigkeiten der NATO treten die Stäbe der beiden Organisationen, die mit dem Stellvertretenden Obersten Alliierten Befehlshaber Europa (Deputy Supreme Allied Commander Europe - DSACEUR) als strategischem Koordinator in engem Kontakt stehen, zusammen und legen die für diese Option in Erwägung gezogenen Mittel und Fähigkeiten der NATO genau fest.

    Die EU beantragt formell die Nutzung der NATO-Mittel und Fähigkeiten. Diese Mittel und Fähigkeiten sowie die Modalitäten für ihre Bereitstellung, einschließlich der möglichen Voraussetzungen für ihren Rückruf, werden auf einer Tagung des PSC und des Nordatlantikrates festgelegt.

    Der Rat ernennt nun in Berücksichtigung der Reaktionen der NATO und der Mitgliedstaaten den Operationskommandanten, bestimmt das Operationshauptquartier, den Streitkräftekommandanten und gegebenenfalls das Streitkräftekommando sowie die Component Commands.

    Der Rat billigt auf der Grundlage der Berlin-Plus-Vereinbarungen die Regelungen für die Übergabe und die Voraussetzungen für einen Rückruf der Kräfte. Die nicht der EU angehörenden europäischen Bündnispartner werden nach den gültigen NATO-Verfahren an der Planung beteiligt.

In beiden Fällen übermittelt das PSC, auf Grundlage der vom Rat ausgewählten militärstrategischen Option, dem EU-Militärausschuss Leitlinien. Dieser kann so den EU-Militärstab anweisen, erste militärische Richtlinien (Initial Military Directives - IMD) auszuarbeiten. Diese umfassen die vom Operationskommandanten benötigten Weisungen, aufgrund derer er die notwendigen Planungsdokumente erstellen kann, z. B. das Operationskonzept (Concept of Operations - CONOPS), die Feststellung des Bedarfs (Statement of Requirements - SOR) und den Operationsplan (Operation Plan - OPLAN). Bevor grundsätzliche militärische Weisungen durch den EU-Militärausschuss genehmigt werden, muss sie das PSC billigen.

Der Militärausschuss beauftragt nun auf Ersuchen des PSC den Operationskommandanten, dem der Militärstab zuarbeitet, technische Fragen abzuklären. Dies soll den nicht der EU angehörenden europäischen NATO-Mitgliedern und anderen EU-Beitrittswerbern (die vom Rat eingeladen wurden, sich an der Operation zu beteiligen und die ihre Absicht dazu bekundet haben) ermöglichen, Art und Umfang ihrer Beiträge zu bestimmen. Diese Länder und die Drittländer, die Teilnahmeabsichten bekundet haben, liefern dem Operationskommandanten danach erste Angaben über ihren möglichen Beitrag.

Das PSC unterbreitet dem Rat unter Berücksichtigung der Ratschläge und Empfehlungen des EU-Militärausschusses seine Stellungnahme zum Operationskonzept. Der Rat billigt das Operationskonzept einschließlich der Leitlinien für den Einsatz der Kräfte und lädt die Drittländer formell ein, an der Operation teilzunehmen. Auf Ersuchen des PSC beauftragt der Militärausschuss den Operationskommandanten, in Abstimmung mit dem Militärstab den Kräfteaufwuchsprozess (Force Generation Prozess) zu leiten. Die Mitgliedstaaten, gegebenenfalls die NATO und andere Truppen stellende Länder, bestätigen den Umfang und die Beschaffenheit ihrer Beiträge in den Streitkräfteplanungskonferenzen.

Auf einer gemeinsamen Tagung des PSC und des Nordatlantikrates (North Atlantic Council - NAC) werden gegebenenfalls die Verfügbarkeit der vorab identifizierten Mittel und Fähigkeiten und alle praktischen Regelungen einschließlich Übergabe und Rückruf bestätigt.

Falls erforderlich, bereitet das Ratssekretariat ein Truppenstatut (Status of Force Agreement - SOFA) vor und führt darüber mit dem Aufnahmestaat bzw. den Aufnahmestaaten Verhandlungen. Das Truppenstatut wird dem Rat über den Militärausschuss (nach Anhörung des Operationskommandanten) und das PSC zugeleitet.

Anschließend erstellt der Operationskommandant einen Operationsplan zusammen mit Leitlinien für den Einsatz der Kräfte, die auch Einsatzregeln (Rules of Engagement - ROE) enthalten. Das PSC unterbreitet dem Rat seine Stellungnahme zum Operationsplan mit den Ratschlägen und Empfehlungen des EU-Militärausschusses, die aufgrund einer Beurteilung durch den EU-Militärstab erfolgen.

Im Anschluss an die Streitkräfteplanungskonferenzen verfährt der Rat wie folgt:

  • Er billigt den Operationsplan einschließlich der Leitlinien für den Einsatz der Kräfte, welche die Einsatzregeln enthalten.
  • Er beschließt, die Operation einzuleiten, sobald alle Vorbedingungen, wie etwa der Streitkräfteaufwuchs, erfüllt sind.
  • Er billigt gegebenenfalls das Truppenstatut.

Der Vorsitzende des Militärausschusses, unterstützt durch den Operationskommandanten, nimmt dabei als Sprecher des Militärausschusses an der Tagung des Rates teil.

Sinngemäß wird hinsichtlich polizeilicher und sonstiger ziviler Aspekte verfahren. Alle Gemeinschaftsmaßnahmen werden von der EU-Kommission vorgeschlagen und gemäß den einschlägigen Verfahren angenommen und durchgeführt.

In den Phasen 3 und 4 besteht - insbesondere wenn sich Österreich mit einzelnen Soldaten oder Truppenkontingenten an der Operation beteiligt - die Notwendigkeit, dass bei der Bearbeitung der jeweiligen Planungsdokumente entsprechende österreichische Meinungen und Vorschläge eingebracht werden. Diese werden in enger Abstimmung zwischen dem Bundesministerium für Landesverteidigung sowie dem Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten erstellt und beinhalten auch allfällige nationale Einschränkungen bzw. Vorgaben.

Wie lange dauert nun so ein Entscheidungsprozess? Dafür gibt es keine Norm, auch erfolgen nicht immer alle oben dargestellten Schritte. Bei der Operation "ALTHEA" in Bosnien-Herzegowina wurden sämtliche vorgesehenen Dokumente erstellt und der Prozess dauerte von April 2004 (Genehmigung des Krisenmanagementkonzeptes) bis zum Oktober 2004 (Zustimmung zum Operationsplan). Der Planungsprozess für die Operation "ARTEMIS" im Kongo dauerte hingegen nur zehn Tage, dabei wurden z. B. nur das Krisenmanagementkonzept für diese Operation und der OPLAN erstellt. Im Fall Tschad (siehe Kasten oben) dauerte der Prozess (aufgrund der Probleme bei der Truppengestellung) mehr als vier Monate.

Phase 5 - Durchführung

Das PSC nimmt unter Aufsicht des Rates die politische Kontrolle und die strategische Leitung der Krisenmanagement-Operation wahr. Unbeschadet der Rolle der EU-Kommission überwacht das PSC die Durchführung aller getroffenen Maßnahmen, bewertet ihre Auswirkungen und empfiehlt erforderlichenfalls Korrekturen.

Der Ratsvorsitz (d. h. die EU-Präsidentschaft) ist für die Gesamtumsetzung des Ratsbeschlusses verantwortlich, unternimmt die dazu notwendigen Maßnahmen und berichtet darüber dem PSC.

Der Generalsekretär/Hohe Vertreter setzt die Folgemaßnahmen, mit denen er vom Rat nach dem Beschluss der gemeinsamen Aktion beauftragt wurde und berichtet darüber ebenfalls dem PSC. Weiters erhält das PSC Berichte der EU-Kommission über die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Maßnahmen und Berichte der Mitgliedstaaten über deren nationale Maßnahmen.

Der EU-Militärausschuss mit Unterstützung des EU-Militärstabes

  • überwacht die ordnungsgemäße Durchführung der militärischen Operationen,
  • erstattet dem PSC regelmäßig Bericht über die Durchführung der militärischen Operationen (zu diesem Zweck nimmt der Vorsitzende des EU-Militärausschusses an der Arbeit des PSC teil) und
  • stellt in Abstimmung mit dem Operationskommandanten Informationen und Beurteilungen für das PSC bereit.

Der Vorsitzende des EU-Militärausschusses vertritt den Operationskommandanten gegebenenfalls bei Tagungen des Rates und dient während der gesamten Operation dem Operationskommandanten als vorrangige Kontaktstelle.

Der Operationskommandant ist für die Durchführung der militärischen Operation verantwortlich und berichtet dem EU-Militärausschuss über den Verlauf der Operation.

Das CIVCOM stellt Informationen, Empfehlungen und Ratschläge zu allen zivilen Aspekten der Krisenmanagementoperation für das PSC bereit.

Der Ausschuss der beitragenden Länder befasst sich mit verschiedenen Problemen der Durchführung der militärischen Operation, dem Einsatz der Kräfte und mit Fragen des laufenden Managements, die nicht (ausschließlich) unter die Verantwortung des Operationskommandanten fallen. Das PSC berücksichtigt die vom Ausschuss der beitragenden Länder geäußerten Auffassungen.

Phase 6 - Neuausrichtung des Handelns

Das PSC wägt im Zuge seiner ständigen politischen Beurteilung der Lage ab, ob es ratsam ist, das Handeln der EU neu auszurichten (darunter fällt auch die etwaige Einstellung einiger oder aller Elemente davon).

Die Neuausrichtung des Handelns der EU kann zu einer Überprüfung des Krisenbewältigungskonzeptes führen. Dieses würde dann wiederum nach den oben skizzierten Verfahren bearbeitet werden. Der Generalsekretär/Hohe Vertreter leistet dazu Beiträge hinsichtlich der Beratungen des PSC über Maßnahmen zur Neuausrichtung des Handelns der EU. Die EU-Kommission unterbreitet dem PSC eine Verfahrensanalyse sowie Handlungsoptionen für die Maßnahmen in ihrem Zuständigkeitsbereich. Sie unterrichtet über die Art und die Einzelheiten dieser Pläne in Hinblick auf eventuelle Gemeinschaftsmaßnahmen.

Der EU-Militärausschuss und das CIVCOM beraten das PSC über die jeweiligen militärischen und zivilen Konsequenzen bei der Fortsetzung, Abänderung oder Beendigung von Elementen der Operation.

Der Ausschuss der beitragenden Länder äußert seine Auffassung und gibt Empfehlungen ab, z. B. über eine etwaige Abänderung der operativen Planung, einschließlich einer allfälligen Anpassung der Zielsetzungen bzw. Auswirkungen auf die Situation der Kräfte.

Werden bei der Operation Mittel und Fähigkeiten der NATO eingesetzt, unterrichtet das PSC den Nordatlantikrat von den Plänen zur Beendigung der Operation.

Einen allenfalls notwendigen Entschluss zur Neuausrichtung des Handelns, einschließlich einer etwaigen Beendigung von einigen oder allen Elementen davon, fasst der Rat. Er entscheidet auch, ob andere Maßnahmen eingeleitet werden, ersucht die EU-Kommission, ihre Maßnahmen zu überprüfen oder Vorschläge vorzulegen und ersucht die Mitgliedstaaten, nationale Maßnahmen zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen.

Nach der Beendigung der militärischen Operation und/oder des Polizeieinsatzes und nach der Abwicklung der anderen zivilen Aspekte der Operation verfährt das PSC wie folgt:

  • Es bittet den EU-Militärausschuss, die gemachten Erfahrungen auf Grundlage der Berichte des Operationskommandanten und des EU-Militärstabes zu beurteilen.
  • Es bittet das CIVCOM, die gemachten Erfahrungen anhand der Berichte des Polizeistabes, des Polizeichefs sowie der anderen Leiter ziviler Operationen zu beurteilen.
  • Es kann den Ausschuss der beitragenden Länder bitten, die in der Operation gemachten Erfahrungen zu beurteilen.

Auch die EU-Kommission informiert das PSC über die in ihrem Zuständigkeitsbereich gemachten Erfahrungen. Das PSC nimmt daraufhin eine Gesamtbeurteilung vor.

Am Beispiel Tschad:

Mitte 2007 - Erkennen der Krise, Frankreich schlägt eine Operation vor; Ende August 2007 - Entschluss, tätig zu werden; Ende August 2007 - erste (informelle) Anfrage an die Mitgliedstaaten; 10. September 2007 - Erstellung des Krisenmanagementkonzeptes; Ende September 2007 - UN-Sicherheitsratsresolution; 15. Oktober 2007 - rechtliche Grundlage (gemeinsame Aktion); 5. November 2007 - Genehmigung des Operationskonzeptes; Anfang November 2007 - Beginn des offiziellen Truppengestellungsprozesses; Jänner 2008 (?) - Genehmigung des Operationsplans (bei Redaktions schluss noch nicht erfolgt; Anm.), danach erste Einsatzbereitschaft der Kräfte vor Ort .

Eine Basis für die Praxis

Das beschriebene Verfahren stellt den idealtypischen Ablauf des (militär)strategischen Entscheidungsfindungs- und Planungsprozesses in der EU dar. Nach diesem Verfahren wurde, wenn auch in leicht abgewandelter Form, bei allen bisherigen ESVP-Operationen vorgegangen.

Da es sich dabei um ein Hilfsmittel für die mit der Entscheidungsfindung und Planung von Krisenbewältigungsoperationen befassten Personen der EU und der Mitgliedstaaten handelt, ist ein Abweichen von vorgesehenen Sequenzen gerechtfertigt. Die EU muss sich daher im Krisenfall nicht zwangsläufig an den in diesem Beitrag beschriebenen Ablauf halten. Es können z. B. viele der genannten Teilbereiche in mehreren oder sogar allen Phasen einer Krise wichtig sein, während auf einige vielleicht gänzlich verzichtet werden kann.

Somit ist dieses Verfahren ein Vorschlag und eine tragfähige Basis für ein mögliches Vorgehen, das auch in den nächsten Jahren seine Existenzberechtigung haben wird. Es ist daher derzeit auch nicht beabsichtigt, das Krisenbewältigungsverfahren der EU grundlegend zu verändern.


Autor: Oberstleutnant Thomas Pillmeier, Jahrgang 1962. 1980 zur Stabskompanie der Panzergrenadierdivision eingerückt. 1983 bis 1986 Bundesrealgymnasium für Berufstätige, danach Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie. 1989 Ausmusterung zum Panzergrenadierbataillon 35, Verwendung als Zugs- und Kompaniekommandant einer Jagdpanzerkompanie. Ab 1996 Hauptlehroffizier Panzerabwehr an der Panzertruppenschule; ab 2002 ESVP-Referent in der Abteilung Militärpolitik. Seit 2006 in der EU-Abteilung der Militärvertretung Brüssel. Auslandsverwendungen in Zypern als Zugs- und Kompaniekommandant und als Verbindungsoffizier im britischen Verteidigungsministerium während des britischen EU-Ratsvorsitzes.

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