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"VIRIBUS UNITIS 2007"

Österreichs erste Katastrophenschutzübung am Gefechtssimulationssystem

Das Führungssimulatorsystem des Österreichischen Bundesheeres dient primär der Ausbildung von Stäben unter realistischen Zeitabläufen (gleichsam in "Echtzeit") auf Basis des zu erwartenden Gefechtsbildes. Erstmals übten damit nun auch Führungskräfte und Spezialisten niederösterreichischer Behörden und Einsatzorganisationen im Bezirk Tulln gemeinsam mit dem Bundesheer den Einsatz in verschiedenen Katastrophenszenarien.

Eine Katastrophenhilfe mit vereinten Kräften ist effizienter als unabgestimmte Einzelanstrengungen. Doch wie kann man diese Zusammenarbeit möglichst wirkungsvoll üben? Das Militärkommando Niederösterreich und die Landesverteidigungsakademie präsentierten am 18. und 19. September 2007 das Führungssimulatorsystem des Österreichischen Bundesheeres den für Katastrophenschutz in Niederösterreich zuständigen Behördenvertretern und Einsatzorganisationen - und zwar als Mittel zur Vertiefung der behördlichen Führungsausbildung. Geübt wurde die Zusammenarbeit der zivilen Einsatzorganisationen und der Behördenvertreter mit Kräften des Österreichischen Bundesheeres sowie um Erkenntnisse über die Zweckmäßigkeit, die Anwendbarkeit und zur Weiterentwicklung des militärischen Führungssimulatorsystems im Bereich Katastrophenmanagement zu erhalten. (Eine Katastrophe ist definiert als außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen durch ein unmittelbar bevorstehendes oder eingetretenes Naturereignis oder sonstiges Ereignis, der Katastrophenschutz: umfasst sämtliche präventiven und anlassbezogenen Maßnahmen, die die Bewältigung einer Katastrophe ermöglichen sollen.) Auf militärischer Seite oblagen die Vorbereitung, die Koordinierung und die Durchführung der "VIRIBUS UNITIS 2007" dem Militärkommando Niederösterreich (u. a. dem Verfasser dieses Beitrages; Anm.) in Verbindung mit dem Personal des Führungssimulators des Österreichischen Bundesheeres in Neulengbach. Auf ziviler Seite bereitete das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, insbesondere DI Stefan Kreuzer von der Abteilung Feuerwehr und Zivilschutz, die Übung vor. (Diese Abteilung mit Sitz in Tulln nimmt die Agenden des Katastrophenschutzes für das Bundesland Niederösterreich wahr; Anm.) Insgesamt übten dabei rund 170 Führungskräfte bzw. Experten

  • der niederösterreichischen Landesregierung,
  • der Bezirkshauptmannschaft Tulln,
  • mehrerer Gemeinden,
  • des Österreichischen Roten Kreuzes,
  • der Leitstellen-, Entwicklungs-, Betriebs- und Integrations GmbH (LEBIG), das ist eine Organisation des Landes Niederösterreich und de facto die Leitstelle nahezu aller Einsätze/Einsatzmittel der Rettungsdienste wie Rotes Kreuz, Samariterbund und Notarzthubschrauber im Bundesland,
  • der Polizei,
  • der Freiwilligen Feuerwehr,
  • der Schifffahrtsaufsicht (Bundesministerium für Verkehr, Industrie und Technik/Via Donau - das ist die Wasserstraßenbetriebsgesellschaft; Anm.);
  • des Niederösterreichischen Straßendienstes,
  • der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG),
  • des Jägerbataillons Niederösterreich (Bataillonsstab),
  • des Industrieparks Pischelsdorf (Donau Chemie) sowie dessen Betriebsfeuerwehr.

Viele Mitglieder der freiwilligen Einsatzorganisationen nahmen dabei in ihrer Freizeit mit höchstem Engagement an den intensiven Vorbereitungen sowie an der zweitägigen Übung teil. Die Deutsche Bundeswehr und die Schweizer Armee entsandten Beobachter.

Die Bewältigung der eingespielten Szenarien oblag dem behördlichen Bezirksführungsstab der Bezirkshauptmannschaft Tulln, denn nach dem niederösterreichischen Katastrophenhilfegesetz (Landesgesetzblatt 4450) obliegt die Führung aller Einsatzorganisationen - einschließlich der militärischen Einheiten im Falle eines Assistenzeinsatzes gemäß § 2 Abs. 2 Wehrgesetz 1990 lit. c (dieser berechtigt Behörden und Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden, unter bestimmten Voraussetzungen die Mitwirkung des Bundesheeres in Anspruch zu nehmen) - dem behördlichen Einsatzleiter, in diesem Fall dem Bezirkshauptmann von Tulln.

Als weitere Führungsstäbe wirkten der Bezirksführungsstab des Bezirksfeuerwehrkommandos Tulln in dessen Einsatzzentrale in Tulln einschließlich eines mobilen Einsatzleitfahrzeuges in Neulengbach und der Stab des Jägerbataillons Niederösterreich (Milizbataillon) an der Übung mit. Weitere Stäbe bzw. Bezirkszentralen (Rettungsdienste, LEBIG, Polizei, …) wurden durch Vertreter der jeweiligen Einsatzorganisation in der Übungsleitung sowie an den taktischen Simulatorarbeitsplätzen (taktische Arbeitsplätze) dargestellt. Die Übungsteilnehmer und die Organisation zeigt auch die Grafik oben.

Was war bzw. ist realisierbar?

Die Software des Gefechtssimulationssystems der Landesverteidigungsakademie in Neulengbach wurde primär für die militärische Verwendung entwickelt und ausgelegt. Die Grundvoraussetzung für eine virtuelle Katastrophenschutzübung am Gefechtssimulator war die Erweiterung dieser Software um "zivile Funktionalitäten".

Schon aufgrund der Änderung des Aufgabenspektrums für die zu beübenden Verbände (Stichwort Petersberg-Aufgaben) hatte man bereits zuvor die Software den neuen Anforderungen angepasst und neue Funktionalitäten entwickelt. Die Landesverteidigungsakademie arbeitete - gemeinsam mit Fachkräften verschiedener Organisationen - schon seit Jahren daran, das zivile Umfeld in die Simulation konstruktiv einzubinden. Das Personal des Führungssimulators in Neulengbach leistet bei der Weiterentwicklung der Software für Gefechtssimulationssysteme (GESI, Hersteller CAE-Stolberg, eingesetzt in Österreich, Deutschland, Italien und Norwegen) in Verbindung mit anderen europäischen Nutzern jedenfalls Pionierarbeit.

Im Zuge der bisherigen Erweiterungen der militärischen Führungssimulator-Software war u. a. die "Mehrparteienfähigkeit" realisiert worden. Bei der Weiterentwicklung der Software für den Bereich Katastrophenschutz ging es nun vorrangig

  • um die realistische Darstellung von Katastrophenszenarien sowie
  • um die Abbildung der intervenierenden Einsatzorganisationen hinsichtlich der Parameter verfügbarer ziviler Ressourcen (Organisationselemente, Einsatzfahrzeuge, Hubschrauber, Boote usw.) im System.

Die ebenfalls bereits erweiterte Farbpalette war eine weitere Voraussetzung, um die unterschiedlichen Übungsteilnehmer (Behörden, Einsatzorganisationen, Militär, …) getrennt darstellen zu können.

Vor allem von ziviler Seite wurde angeregt, die Software zu erweitern, um das Bedrohungs- und Einsatzspektrum von Organisationen mit Sicherheitsaufgaben optimal darstellen zu können. Dies konnte bisher allerdings nur teilweise erfüllt werden.

Für den Bereich Katastrophenschutz ist es u. a. notwendig, nachstehende Bereiche realistisch darstellen zu können (einiges davon ist in der aktuellen Softwareversion des Führungssimulators bereits möglich):

  • Massenbewegungen wie Muren, Lawinen und Bergstürze, in Verbindung mit Verschütteten, Aufstau von Wasser usw.;
  • Hochwasser und dabei
    • das Setzen mobiler Dämme (Schüttungen, Sandsäcke und Sandsackersatz mit unterschiedlichem Personalbedarf und Aufbauzeiten),
    • das Öffnen und Schließen von Dämmen (Sprengung, maschinell),
    • die Dammverteidigung (Verstärken von Dämmen durch Einbringen von Zusatzmaterialien wie Vlies, Schotter, Sand),
    • Pumparbeiten (in Stellung bringen von Großpumpen),
    • das Verlegen von großvolumigen Schlauchleitungen,
    • die Verunreinigung, Verseuchung und Kontamination von Flächen und Objekten,
    • eingeschlossene Personen (in und auf Objekten, Bäumen usw.),
    • die Personenrettung aus der Luft und mittels Booten sowie
    • das Setzen und Beseitigen von Verklausungen;
  • Brände (inkl. Brand- und Rauchausbreitung), damit verbunden
    • Objektbrände, Waldbrände und Flächenbrände (z. B. Moorbrand), Letztere auch in Verbindung mit Sprengmitteln (Minenproblematik),
    • der Einsatz verschiedener Löschmittel (Wasser, Schaum, Chemikalien),
    • die Brandbekämpfung am Boden und aus der Luft auch durch das Setzen und Schlagen von Schneisen (Schubraupen) sowie
    • der Einsatz von Speziallöschmannschaften und -geräten (einschließlich neuer Löschmethoden z. B. mit Sprengschläuchen);
  • Straßensperren (Checkpoints), insbesondere das Passieren von Sperren durch (u. a. nichtmilitärische) Einsatzkräfte;
  • Evakuierungen (Stichwort: Verbündete), dabei müssen z. B. Militärfahrzeuge Zivilpersonen aufnehmen können bzw. Rettungsfahrzeuge Verletzte usw.; das gilt auch für die Rettung und Bergung aus dem Wasser mittels Booten bzw. aus der Luft mittels Rettungsnetzen und für Tau- oder Windenbergung;
  • Taktische Zeichen (Stichwort: Zeicheneditor für Einsatzorganisationen) zur Identifizierung der (auch nichtmilitärischen) Fahrzeuge und Organisationseinheiten.

Der Vorbereitungsaufwand

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Vorbereitung war, den Einsatzbereich, in diesem Fall den Bezirk Tulln, hinsichtlich der dislozierten Einsatzorganisationen und Behörden im System "eins zu eins" abzubilden.

Im Vergleich zu rein militärischen Übungen kann die Eingabe des Bereiches vier- bis fünfmal so lange dauern. So waren im Zuge der Vorbereitung Erkundungen vor Ort (z. B. im Industriepark Pischelsdorf) notwendig, um die Szenarien für alle Beteiligten realistisch zu gestalten. Auch zahlreiche Ansprechpersonen und Experten der Einsatzorganisationen wurden kontaktiert, um die organisationsspezifischen Parameter entsprechend berücksichtigen zu können.

Auf vorhandene Organisationspläne kann im Katastrophenschutz nicht zugegriffen werden, da die Zusammensetzung der Kräfte sich nach der Eigenart des Einsatzes (Assistenzeinsatz) richtet, und somit die Truppeneinteilung anlassbezogen durch das Militärkommando befohlen wird (z. B. Gliederung von Assistenzzügen). Rettungsdienste und freiwillige Feuerwehren sind ebenfalls territorial/regional gegliedert und von Ort zu Ort sehr unterschiedlich ausgestattet. Dies bewirkt vor allem im Hinblick auf die Eingabemaske Übungsgliederung, die auf militärische Strukturen ausgerichtet ist, einen enormen Mehraufwand.

Konkret kam es deshalb zu einer Eingabedauer von etwa 15 Arbeitstagen für ca. 1 800 verschiedene Einzelfahrzeuge der Feuerwehren, Rettungsdienste und Sicherheitskräfte inklusive der erforderlichen Eingaben für das Drehbuch und für den Einlagenkatalog zur Darstellung von Ereignissen. (Zum Vergleich: Für eine rein militärische Brigadeübung mit bis zu 6 000 Fahrzeugen sind zur Eingabe lediglich drei bis vier Arbeitstage erforderlich.) Das Bundesland Niederösterreich war - mit Ausnahme des nordöstlichen Landesteiles - bereits als dynamische Simulationskarte aufbereitet. Eine Erweiterung auf andere geografische Bereiche, z. B. auf West-Österreich, bedarf erst einer Erweiterung des Kartenmaterials. Entsprechende Kartendaten für mögliche zu beübende Bezirke anderer Bundesländer müssten also erst beschafft werden!

Der Ablauf

Die Katastrophenschutzübung sah zwei Übungsphasen vor; als Phase 1 (erster Tag) das Bewältigen von Katastrophenszenarien und Einlagen relativ geringer Intensität und als Phase 2 (zweiter Tag) das Bewältigen eines großen Industrieunfalls in einem Chemiepark.

Phase 1 (erster Tag)

Nach dem Herstellen der Arbeitsbereitschaft der übenden Stäbe wurden Ereignisse mit geringer Intensität eingespielt. Simuliert wurden dabei sowohl Naturgewalten (Überschwemmungen, Murenabgänge, …) als auch Schadensereignisse mit technischem Hintergrund (Flugzeugabsturz, Zugunglück, Unfälle, Brände, …). Der Zweck der Phase 1 war es,

  • Erkenntnisse hinsichtlich der Anwendbarkeit des Gesamtsystems (Softwareentwicklungsstand) zu erhalten bzw. für die Weiterentwicklung zu gewinnen und
  • die Führungskräfte mit noch relativ einfach zu bewältigenden Szenarien/Einspielungen überhaupt an die Simulation (Darstellung am taktischen Arbeitsplatz, Kommunikation, …) heranzuführen.

Das mitübende, für den Katastrophenschutz in Niederösterreich vorgesehene Jägerbataillon Niederösterreich, wurde im Großraum St. Pölten für den Objektschutzeinsatz (Übungsannahme: BWÜ) in Normgliederung und Normausstattung bereitgehalten und hatte in der Phase 1 das Führungsverfahren für den Objektschutzeinsatz im Großraum Tulln abzuwickeln. Auf Anordnung des Militärkommandos Niederösterreich mussten die Kräfte in den Objektschutzeinsatz übergeführt werden (Schutzobjekte Industriepark Pischelsdorf, Kraftwerk Altenwörth, …). Diese Annahme erfolgte u. a. auch, um in der Phase 2 dem behördlichen Einsatzleiter unmittelbar verfügbare Assistenzkräfte für die Bewältigung des Szenariums "Industrieunfall" anbieten zu können.

Phase 2 (zweiter Tag)

In dieser Phase wurde ein komplexer Gefahrengutunfall im Industriepark Pischelsdorf simuliert. Dazu war der Kommandant der Betriebsfeuerwehr, Ing. Karl Hofbauer, seitens der Werksleitung der Donau Chemie zur Planung und Vorbereitung der Übung abgestellt worden. Die Donau Chemie hatte auch die entsprechenden Grundlagen (unter anderem die Genehmigung für Fotoaufnahmen zum Einspielen der Szenarien) zur Verfügung gestellt.

Für die Übung wurde angenommen, dass infolge unbefugt durchgeführter Schweißarbeiten auf dem Betriebsgelände der Donau Chemie ein nicht vollständig entleerter Butadien-Tank explodiert und dadurch ein benachbarter voll befüllter Ammoniaktank schwer beschädigt wird und infolgedessen unkontrolliert Ammoniak austritt. (Butadien, auch Vinylethylen bezeichnet, ist ein farbloses Gas mit mildem, aromatischem Geruch, krebserregend, hochentzündlich und giftig. Bei einem Anteil von 1,4 bis 16,3 Prozent am Luftvolumen entsteht ein explosives Gemisch. Ammoniak - eine chemische Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff mit der Formel NH3 - ist ein stark stechend riechendes, farbloses und giftiges Gas, das zu Tränen reizt und erstickend wirkt.) Die Behörde verfügt - neben dem internen betrieblichen Notfallplan des Industrieparks - für Fälle wie diesen über einen externen Notfallplan (dient nach den Bestimmungen der Seveso II-Richtlinie 96/82/EG zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen und gilt für Betriebe, in denen bestimmte Mengen dieser Stoffe vorhanden sind bzw. überschritten werden. Für diese Betriebe gelten besondere Anforderungen an die Anlagensicherheit.), der abgesehen von vielen anderen Maßnahmen wie Warnung, Alarmierung und Absperrung auch die Evakuierung einer unmittelbar angrenzenden Ortschaft vorsieht.

Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik bzw. die ABC-Abwehrschule und das Militärkommando Niederösterreich berechneten nach Modellen die Ausbreitung des "zivilen" Gefahrenstoffs Ammoniak und spielten diese in das militärische Führungssimulatorsystem ein.

Ziele der Übung

Ein Ziel der Übung "VIRIBUS UNITIS 2007" war, die Zusammenarbeit der Organisationen und Behörden mit Sicherheitsaufgaben im Katastrophenschutz zu verbessern bzw. die Kommunikation und die Koordination von Stäben (Behörde - Einsatzorganisationen - Assistenzkräfte) bezüglich Kraft, Raum und Zeit bei der Bewältigung von Katastrophen zu trainieren.

Fachlich wurde schon aufgrund der intensiven Vorbereitungen für die Übung das Wissen über die Berechnung von Ausbreitungsmodellen maßgeblich erweitert. Die Berechnungen erfolgten durch

  • die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Simulation der Ausbreitung der Abgasfahne durch Dr. August Kaiser und Gabriele Rau mit Hilfe von LASAT, der Lagrange Simulation von Aerosol-Transport, eines Partikeldiffusionsmodells),
  • die ABC-Abwehrschule (Oberstleutnant Dr. Harald Marhold) und
  • das Militärkommando Niederösterreich (Verfasser dieses Beitrages).

Ein weiteres Ziel - vor allem des zweiten Übungstages - war es, den externen Notfallplan der Bezirkshauptmannschaft Tulln, der gemeinsam mit sämtlichen Behörden, Einsatzorganisationen und dem Militärkommando Niederösterreich erstellt wurde, auf seine Wirksamkeit (hinsichtlich der Warnung und der Alarmierung, aber auch hinsichtlich der Abläufe und der Einsatztaktik) zu prüfen.

Erkenntnisse

Die Erkenntnisse betreffen vor allem vier Bereiche:

  • militärische Erkenntnisse in technischer Hinsicht für die Landesverteidigungsakademie zur Weiterentwicklung des Gesamtsystems "Führungssimulation Katastrophenschutz" (z. B. Erkenntnisse für den Betrieb von abgesetzten Führungssimulator-Paketen und Erfordernisse für die realistische Darstellung von Einlagen);
  • Erkenntnisse für das Militärkommando Niederösterreich im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit beim Katastrophenschutz und bei der militärischen Assistenzleistung;
  • Rückschlüsse für die Überarbeitung und Verbesserung des externen Notfallplanes "Industriepark Pischelsdorf" (z. B. Erweiterung der Absperrmaßnahmen, Erfordernis der Installation automatisierter Warneinrichtungen in Ortschaften, Rückschlüsse für die Evakuierung von Ortschaften);
  • zahlreiche Erkenntnisse für die Organisation der Führungs- und Stabsarbeit im Bereich der zuständigen Behörden und Einsatzorganisationen (z. B. Kommunikationserfordernisse, Raumordnung des Lagezentrums in der Bezirkshauptmannschaft Tulln).

Eine neue Qualität der Zusammenarbeit

Die Öffnung und die erweiterte Anwendung des Führungssimulators für den zivilen Bereich ist ein wichtiger Schritt zu einer neuen Qualität der Zusammenarbeit des Militärkommandos Niederösterreich mit zivilen Behörden und Einsatzorganisationen im Katastrophenfall. Das eröffnet neue Möglichkeiten in der Führungskräfteausbildung, vor allem auch im Hinblick auf das Zusammenwirken (Zeit - Raum - Interaktion) aller Einsatzorganisationen bei Großschadensereignissen, die nur mittels Zusammenarbeit aller Einsatzorganisationen bewältigbar sind. "Unsere Mitarbeiter konnten wertvolle Erfahrungen sammeln, die für künftige Großschadensereignisse sicher von Nutzen sein werden", brachte dies Bezirkshauptmann Mag. Andreas Riemer auf den Punkt. Mit vereinten Kräften (lateinisch: viribus unitis) geht es eben besser!

Der Vorteil derartiger Simulationsübungen liegt für die zivilen Organisationen auch im finanziellen Bereich: So müssen keine realistischen Aufbauarbeiten erfolgen, Verletzungen im Übungseinsatz sind ausgeschlossen und alle erdenklichen Szenarien können risikolos durchgespielt werden.

Die Auswertung erfolgt mit Hilfe der technischen Unterstützung des Systems sehr rasch, transparent und nachvollziehbar. "Die virtuelle Übung ermöglichte den Führungsstäben der Einsatzkräfte erstmals ein optimales Miteinander im Katastropheneinsatz zu simulieren, ohne dazu Hundertschaften an Einsatzkräften und Fahrzeugen in Bewegung setzen zu müssen", betonte auch der für den Katastrophenschutz zuständige Landesrat DI Josef Plank.

Die so genannte konstruktive Simulation mittels Abbildung von Szenarien aller Art hat vermutlich nicht nur in Österreich Zukunft. Ihre Rolle wird auch international zusehends wichtiger. Deswegen sollte die Software - abgestützt auf die nationalen Simulationseinrichtungen der jeweiligen Nutzernation - in und für Europa entsprechend weiterentwickelt werden.

Am Ende könnte ein System stehen, das z. B. die Grundlagen für einen effizienten internationalen Einsatz bei Natur- und technischen Katastrophen bietet. Zahlreiche Fachkräfte aus dem In- und Ausland haben auch deshalb die Übung beobachtet. Dennoch gilt: Keine noch so guten Simulationen können Realübungen ersetzen!

Auf einen Blick

Alle beteiligten Organisationen haben den hohen Ausbildungswert und den Nutzen des militärischen Führungssimulators für den Bereich Katastrophenschutz hervorgehoben. Obwohl einige weitere Optimierungsmöglichkeiten des Gesamtsystems aufgezeigt werden konnten, hat sich dieses um "zivile Funktionalitäten" erweiterte Führungssimulationssystem hervorragend bewährt, um Katastrophenschutzplanungen auf ihre Wirksamkeit zu prüfen und die integrierte Ausbildung von Führungskräften sinnvoll zu ergänzen. (Nach dem niederösterreichischen Modell der integrierten Stabs- und Einsatzführungsausbildung erfolgt die Ausbildung der Führungskräfte sowie der Verbindungsoffiziere von Einsatzorganisationen und Militär gemeinsam mit den behördlichen Führungskräften; federführend ist die Landesbehörde.) Das Militärkommando Niederösterreich, das in diesem Bereich des Katastrophenschutzes gemeinsam mit der Landesverteidigungsakademie eine Vorreiterrolle einnimmt, plant daher, gemeinsam mit dem Bundesland Niederösterreich auch 2008 die Bewältigung von Katastrophen am Führungssimulator zu üben und die Weiterentwicklung des Gesamtsystems zu unterstützen.


Autor: Major Gerald Führer, MBA, MSc, Jahrgang 1966. Nach Absolvierung der Militärakademie ab 1988 im Pionierbataillon 3 als Zugs- und Kompaniekommandant eingesetzt, ab 1998 als Kommandant der Panzerpionierkompanie und im Stab der 3. Panzergrenadierbrigade. Seit 2003 ABC-Abwehroffizer und Katastrophenschutzoffizier im Militärkommando Niederösterreich. Mehrere Hochwassereinsätze sowie Einsatz nach dem Grubenunglück in Lassing. Auslandseinsätze u. a. im CIMIC-Bereich bei KFOR und EUFOR sowie in Thailand (Tsunamihilfe). Studium Umweltgefahren & Katastrophenmanagement (MBA, Universität Wien und ABC-Abwehrschule, Wien) sowie Wirtschaftswissenschaften/Sicherheitsökonomie (MSc, Corvinus-Universität, Budapest).

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