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"COOPERATIVE LONGBOW" und "COOPERATIVE LANCER" 2007

Bewährungsprobe für die 4. Panzergrenadierbrigade

Die NATO führt seit geraumer Zeit multinationale Übungen zur Steigerung der Interoperabilität zwischen NATO und NATO-PfP-Staaten durch. 2006 wurde eine neue, aus zwei Teilen bestehende Übungsserie ins Leben gerufen: "COOPERATIVE LONGBOW" (COLW) und "COOPERATIVE LANCER" (COLR). COLW ist eine Command Post Exercise (CPX), also eine Stabsübung im Brigaderahmen. COLR wiederum ist eine Live Exercise (LIVEX) bzw. Field Training Exercise (FTX), eine Gefechtsübung im Bataillonsrahmen. 2007 wurden die Übungsserien in der albanischen Hauptstadt Tirana mit österreichischer Beteiligung abgehalten.

Insgesamt waren 23 Nationen an den Übungen beteiligt: Sieben NATO-Mitgliedsländer (Griechenland, Großbritannien, Kanada, Polen, die Türkei, Ungarn und die USA), 12 dem NATO-PfP-Programm angehörende Nationen (Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Österreich, die Schweiz, die Ukraine und Weißrussland) sowie Israel im Rahmen des Mittelmeer-Dialoges. Zusätzlich schickten Katar, Marokko und die Vereinigten Arabischen Emirate Übungsbeobachter.

Seitens des Österreichischen Bundesheeres war die 4. Panzergrenadierbrigade für die Brigadeübung im Zeitraum vom 5. Oktober bis zum 17. Oktober 2007 federführend. Die österreichischen Übungsteilnehmer kamen aus dem Brigadekommando und aus den Bataillonen der 4. Panzergrenadierbrigade, unterstützt durch Teilnehmer aus der Zentralstelle, nachgeordneten Dienststellen und dem Kommando Einsatzunterstützung. Ort der Übung war das Training and Doctrine Center (TRADOC), eine Kaserne nahe dem Zentrum von Tirana, in dem auch die Offiziers- und die Unteroffiziersakademie der albanischen Streitkräfte untergebracht sind.

Die Übungsorganisation

Die Übungsorganisation war so aufgebaut, dass ein Brigadekommando einer Multinationalen Brigade das Primary Training Audience darstellte. In dieses Brigadekommando wurden auch die österreichischen Teilnehmer entsandt. Der Kommandant der 4. Panzergrenadierbrigade, Brigadier Mag. Robert Prader, führte diese Multinationale Brigade auf dem virtuellen Gefechtsfeld an. Hinzu kamen aus Österreich

  • der Military Assistant,
  • der Rechtsberater,
  • ein Kommandounteroffizier,
  • der G2 und weitere zwei Mann im G2-Bereich,
  • sechs Mann in der G3-Zelle (darunter der G3 Plans und der Director des Tactical Operations Center),
  • ein Offizier und ein Unteroffizier im Bereich Logistik sowie
  • ein Offizier in der G6-Zelle.

Insgesamt waren im Brigadekommando 13 Nationen vertreten; die Gesamtstärke betrug 70 Soldaten. Außerhalb dieses Brigadekommandos stellte das Bundesheer bei dieser Übung noch einen Offizier in der Übungsleitung, einen Arzt als Medical Chief, einen Head Production im NATO Media and Information Center sowie einen Presseunteroffizier und einen Dienstführenden Unteroffizier.

Rund um das Brigadekommando wurde eine Übungsstruktur aufgebaut, die darauf abzielte, möglichst realistische Rahmenbedingungen zu schaffen:

  • Als HICON (High Control) wurde vom Rapid Reaction Corps France ein LCC (Land Component Command) dargestellt, welchem die Multinationale Brigade direkt unterstellt war. Von dort kamen alle Befehle bzw. wurden dorthin Meldungen und Rückfragen gerichtet.
  • Als LOCON (Low Control) dienten so genannte "Response Cells", gestellt von verschiedenen Nationen, welche die Task Forces (also die Bataillone) der Multinationalen Brigade darstellten. An diese wurden die Befehle gerichtet bzw. kamen von dort Meldungen und Rückfragen an die Brigade./li

Um das Gesamtbild für das Brigadekommando abzurunden, wurden von der so genannten White Cell (Übungseinlagen-Zentrale für Themen abseits HICON und LOCON) verschiedeneandere Organisationen bzw. Einzelpersonen dargestellt. Dabei spannte sich der Bogen von internationalen Organisationen wie dem Internationalen Roten Kreuz oder den Vereinten Nationen über lokale Verwaltungselemente und Polizeistationen bis hin zum General einer Kriegspartei. Die Übungsleitung selbst, gestellt vom CC Land HD (Component Command Land Heidelberg), sowie diverse Trainer-, Beobachter- und Übungsorganisationselemente ergänzten die "Übungsorganisation der Hunderten Computer".

Der Real Life Support (die Übungsverwaltung vor Ort) wurde ebenfalls vom CC Land HD wahrgenommen. Er umfasste sowohl die logistische Unterstützung vom Transport bis zur Verpflegung als auch die Bereitstellung des Arbeitsumfeldes in Form von Aufbau und Betrieb der realen territorialen Führungsunterstützungseinrichtungen (Computernetzwerk, Telefone etc.).

Die Vorbereitungen

Neben den vorbereitenden Konferenzen (Initial Planning Conference - IPC, Main Planning Conference - MPC, Final Planning Conference - FPC) war ein Hauptpunkt der Vorbereitung das so genannte Key Leader Training, welches vor Ort - quasi als Vorstaffelung, vergleichbar mit einer österreichischen Einberufung des Schlüsselpersonals - in Albanien stattfand. Dabei wurden vor allem der Kommandant und die Leiter der Stabsabteilungen auf ihre Aufgaben vorbereitet.

Die Erkenntnisse aus dem vorgestaffelten Key Leader Training wurden von den Mitarbeitern des Kommandos der 4. Panzergrenadierbrigade im Rahmen eines taktischen Englischkurses an die österreichischen Übungsteilnehmer weitergegeben. Unterlagen zum Vorbereiten und für das Einlesen in die Übungslage wurden ebenfalls verteilt, was Maßnahmen wie das Erfassen des Auftrages im Übungsraum selbst erleichterte.

Dementsprechend gut vorbereitet verlegten die österreichischen Übungsteilnehmer am 5. Oktober 2007 mit einer Transportmaschine C-130 "Hercules" des Bundesheeres nach Tirana.

Pre-Exercise Training

Von 6. bis zum 10. Oktober stand das so genannte pre-exercise training auf dem Programm. Frontalunterrichte von NATO-Offizieren und von Vertretern internationaler Organisationen (UNO und Internationales Rotes Kreuz) führten zu einem einheitlichen Wissenstand des Auditoriums. Die übrige Zeit des Trainings wurde dafür genutzt, am Brigadegefechtsstand die Arbeitsbereitschaft herzustellen und vor allem, um einander kennen zu lernen und aufeinander abzustimmen. Es galt,

  • die Vorgaben des Brigadekommandanten umzusetzen,
  • sich in die Abläufe einzuarbeiten und
  • sich mit der fiktiven Ausgangssituation vertraut zu machen, um "in der Lage zu leben".

Gerade das unterschiedliche Niveau in der Arbeitssprache Englisch und die verschiedenen Standards der multinationalen Teilnehmer machten diesen Abschnitt der Übung zwingend erforderlich.

Leider war der Beginn dieser Vorbereitung gekennzeichnet von "Powerpoint Warfare". Die Übungsteilnehmer, die teilweise noch nicht einmal ihre konkrete Übungseinteilung wussten, wurden durch dicht gedrängte allgemein gehaltene Vorträge in englischer Sprache teilweise total überfordert.

Für das Einleben in die eigene Tätigkeit sowie für die Identifizierung mit den damit verbundenen gestellten Aufgaben war wenig Zeit. Hier bestätigte sich abermals der Grundsatz der Vierten "Handeln mit Weitblick", denn die Teilnehmer des von der 4. Panzergrenadierbrigade gediegen vorbereiteten österreichischen Kontingentes hatten diesbezüglich keine Probleme. Ausgesprochene Kritik an Ort und Stelle jedoch wurde von der Übungsleitung unmittelbar und positiv aufgenommen, der Ablauf teilweise abgeändert und manche Vorträge wurden gänzlich storniert.

Danach war der Weg frei, um an der geforderten Interoperabilität zu arbeiten und sich in die Detailvorbereitungen zu stürzen. Denn auch wenn die Verantwortlichen der Übungsleitung immer wieder darauf hinwiesen, dass diese Übung nicht dazu diene, die Teilnehmer zu evaluieren, sondern dazu, Verfahren, Abläufe und Formate der NATO kennenzulernen, wollte sich niemand eine Blöße geben. An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass die NATO bei Übungen kein Wochenende kennt; die Zeit im Übungsland wurde vollends der Sache Interoperabilität untergeordnet - Samstag und Sonntag war Dienst.

Am 9. Oktober war die offizielle Eröffnungsfeier der "COOPERATIVE LONGBOW". Die Soldaten der insgesamt 23 teilnehmenden Nationen traten unter dem Kommando des stellvertretenden Übungsleiters zur Opening Ceremony an. Sowohl der Kommandant des Allied Land Component Command Heidelberg in seiner Funktion als Übungsleiter als auch der albanische Verteidigungsminister hoben in ihren Ansprachen die Bedeutung dieser multinationalen Übung als wesentliches Element der gemeinsamen Arbeit an einer friedlichen Umwelt hervor.

Mini Exercise

Am 11. Oktober stand die multinationale Brigade erstmals auf dem Prüfstand. Die so genannte Mini Exercise diente dazu, die Abläufe und vor allem den Informationsfluss innerhalb der Brigade sowie zum vorgesetzten Kommando und den unterstellten Task Forces zu überprüfen. Dazu wurden anhand der allgemeinen Ausgangslage Befehle und Meldungen durch die Übungsleitung eingespielt. Als Basis diente das auf ein fiktives UN-Mandat zurückzuführende Crises Response Scenario.

Praktisch wurde diese virtuelle Übung am vorhandenen Computernetzwerk bzw. aufgrund telefonischer Übungseinlagen abgehalten. Die Übungsleitung setzte die neu formierte Brigade bei dieser ersten Probe gehörig unter Druck und überschwemmte sie mit Einlagen, auf die meist unmittelbar zu reagieren war. Besonders im TOC, dem Tactical Operations Center, in dem alle Meldungen einlaufen und weiterverteilt werden und auch die laufenden Operationen geführt werden, gerieten die Mitarbeiter in Stress.

Aufgrund der noch nicht eingespielten Abläufe in der 23 Mann starken Gefechtszentrale der Brigade war nach einigen Stunden ein Zustand des Information Overflow, also die Überschreitung der Grenze der verarbeitbaren Aufgaben, erreicht. Dabei handelt es sich um eine bewusste Reizüberflutung des gesamten Brigadekommandos durch die Übungsleitung mit dem Ziel, einerseits die Übungsteilnehmer für mögliche Problemstellungen zu sensibilisieren und andererseits die Machbarkeit der Übungsanlage zu überprüfen.

Im Nachhinein betrachtet war dies ein wichtiger Schritt in der Vorbereitung für die eigentliche Übung, denn durch die Mini Exercise konnten in der anschließenden Nachbesprechung mit der effizienten Unterstützung durch die Stabstrainer der NATO und dem Know-how der Österreicher Fehlentwicklungen in der Zusammenarbeit und im Informationsfluss im Brigadekommando analysiert werden. Auf der Basis dieser Auswertung wurden dann in den einzelnen Bereichen Abläufe nachjustiert. Erweiterte Vorgaben durch den Brigadekommandanten bzw. durch dessen schweizerischen Chef des Stabes sowie Umstrukturierungen der Abläufe ermöglichten der Brigade einen erfolgreichen Übungsablauf. Diese Maßnahmen wurden am Vormittag des 12. Oktobers 2007 als letzter Vorbereitungsschritt für die eigentliche Übung umgesetzt.

Cultural Day

Der Nachmittag des 12. Oktober diente - nach mittlerweile einer Woche Übungsvorbereitung - der geistigen Ablenkung der Teilnehmer. Im Rahmen des von den albanischen Streitkräften organisierten Cultural Day stand ein Museumsbesuch mit Einweisung in die albanische Geschichte auf dem Programm. Aber auch ein Stadtbummel durch Tirana und das Sammeln von authentischen Eindrücken sorgten dafür, den Kopf für die nächsten vier anstrengenden Tage frei zu bekommen.

Command Post Exercise

Die von 13. bis zum 16. Oktober dauernde Stabsübung startete aufbauend auf dem in der Mini Exercise erreichten Status der Übungslage. Die wesentliche Herausforderung zu Beginn der Übung war es, den Battle Rhythm der Brigade zu optimieren. Was ist darunter zu verstehen? Für eine Multinationale Brigade in einem friedenserhaltenden Einsatz setzt sich der "Alltag" aus einer Vielzahl von zu koordinierenden Tätigkeiten zusammen. Einerseits galt es, die Grundaufträge der Bataillone wie Patrouillen, Kontrollpunkte usw. zu managen, andererseits müssen parallel dazu Planungsaufgaben für die Aktionen nach den Vorgaben des vorgesetzten Kommandos umgesetzt werden. Dazu kommen noch die täglichen genormten Tätigkeiten wie die Bearbeitungen von Lagemeldungen, Versorgungsmeldungen, das Erstellen von Befehlen, Befehlsausgaben, Besprechungen als Basis für weitere Beurteilungen (z. B. das Targeting Meeting), Lagevorträge usw.

Erst wenn diese Tätigkeiten zu einem klar strukturierten Ablauf führen, hat die Brigade den nötigen Handlungsspielraum für überraschend auftretende Lageentwicklungen. Vereinfacht könnte der Battle Rhythm als Dienstplan der Brigade bezeichnet werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, befahl der Brigadekommandant folgende Vorgangsweise: Der TOC-Director trug die Verantwortung über den Informationsfluss innerhalb der Brigade. Dafür bediente er sich seiner Watchkeeper, die als Einlauf- und Ausgangsstelle der Brigade agierten. Hier wurden die Meldungen triagiert, also themengerecht zeitlich eingeordnet und an die Mitarbeiter in der Brigade verteilt. Normmeldungen wurden unmittelbar weitergegeben, alle anderen Eingänge wurden dem TOC-Director zur Beurteilung vorgelegt.

Anhand einer vom Brigadekommandanten festgelegten Prioritätenliste konnte der TOC-Director nun festlegen, ob Meldungen oder Vorfälle durch die in der TOC verfügbaren Stabsoffiziere unmittelbar oder durch Stabsarbeit zu erledigen waren. Das Zeitfenster für diese (vor allem laufende Operationen oder Routineangelegenheiten betreffenden) Entscheidungen betrug maximal zwölf Stunden.

Prioritätsangelegenheiten oder über den vorgegebenen Zeitrahmen hinausgehende Angelegenheiten wurden dem Chef des Stabes oder direkt dem Kommandanten zur Entscheidung vorgelegt. Danach wurde die entsprechende Stabsarbeit ausgelöst.

Zur gediegenen Vorbereitung von Planungsaufgaben legte der Kommandant die Bildung von zwei Operations Planning Groups (OPG) fest. Diese wurden vom G3 Plans bzw. seinen Offizieren aus der Stabsabteilung 3 geleitet, und setzten sich aus Mitgliedern aller Führungsgrundgebiete zusammen. Somit war gewährleistet, dass die Brigade zwei Planungsaufgaben parallel bearbeiten konnte, ohne wesentliche Verzögerungen in der Bearbeitung des laufenden Gefechtes hinnehmen zu müssen. Im weiteren Übungsverlauf bestätigte sich diese Gliederung als entscheidend für den Erhalt des Handlungsspielraumes der Brigade.

Zusätzlich wurde noch eine Targeting Group gebildet. Diese hatte den Auftrag, anhand der Lageentwicklungen Prioritätsziele für die Brigade festzulegen. Und zwar nicht nur für den Bereich Waffenwirkung, sondern auch für psychologische Operationen oder für den Bereich CIMIC (Civil Military Cooperation - zivil-militärische Zusammenarbeit). Durch diese klaren Strukturen war das Brigadekommando für die weitere Lageentwicklung gewappnet.

Die Lage spitzt sich zu

Es ließ nicht lange auf sich warten, und die Lage verschärfte sich. So war die erste Planungsaufgabe eine Non-Combatant Evacuation Operation. Aufgrund der sich zuspitzenden fiktiven Lage galt es plötzlich, Arbeiter einer ausländischen Firma sowie deren Angehörige zu evakuieren und unter dem Schutz der Brigade zum Flugplatz zu eskortieren, um ein sicheres Verlassen der Krisenregion zu gewährleisten.

Kurz darauf war ein Joint Military Commission Meeting zu planen. Dabei handelt es sich um ein Treffen der Kommandanten ehemaliger Kriegsparteien, unter dem Vorsitz des Kommandanten der Multinationalen Brigade, um die Details der Umsetzung des generellen Friedensabkommens zu besprechen und Fortschritte in der Stabilisierung der Region zu erzielen.

Auch eine Counter Terrorism Operation musste organisiert werden. Hier galt es, den Angriff auf ein aufgeklärtes Ausbildungslager einer Terrororganisation zu planen.

Schwierige Entscheidungen

Zwischenzeitlich wurde die Brigade mit einer Vielzahl sich unmittelbar auswirkender Übungseinlagen konfrontiert. Granatwerferüberfälle, illegale Checkpoints, illegales Eindringen von Kräften in die entmilitarisierte Zone, Waffendiebstähle und so weiter. Beübt wurde dabei die Machbarkeit der Prioritätenfestlegung in der Brigade: Was ist noise, also viel Lärm um nichts, und soll die Brigade von ihrer eigentlichen Aufgabe ablenken und sie dadurch schwächen? Und was ist tatsächlich eine Prioritätenaufgabe bzw. kann sie Auswirkungen auf die weitere Einsatzführung nach sich ziehen?

Dabei waren das Beurteilungsvermögen des Brigadekommandos und ein klarer Lageüberblick im Zusammenspiel aller Elemente gefragt, denn die Ressourcen waren begrenzt. Die vier zur Brigade gehörenden Task Forces wären bei falscher Beurteilung schnell ausgespielt gewesen.

Ein weiteres Schwergewicht bildeten Einlagen, die vor allem die CIMIC-Elemente betrafen. Die enge Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie dem Internationalen Roten Kreuz und der UNO stellten die Brigade vor große Herausforderungen. Flüchtlingstrecks, Angriffe auf Flüchtlingslager und der Ausbruch einer Choleraepidemie sowie die geforderte Zusammenarbeit mit der lokalen Verwaltung zeigten, dass diese nicht ursächlich militärischen Aufgaben einen wesentlichen Teil der Kapazitäten einer Brigade binden. Vor allem zur Wahrung der Akzeptanz einer Friedenstruppe im Einsatzraum müssen die Bevölkerung, ihre vielfältigen Probleme und auch die für sie relevanten Bedrohungen in die Beurteilungen miteinbezogen werden.

In diesem Zusammenhang waren auch Planungen zum Consequence Management gefordert. Dies bedeutet das Festlegen einer Alarmierungskette bei großflächigen Bedrohungen. So war ein Szenario die Möglichkeit eines terroristischen Anschlages mit einer Dirty Bomb, also einer mit radioaktivem Material verseuchten Bombe. Gerade in so einem Fall muss in Zusammenarbeit mit allen im Raum befindlichen Organisationen, lokalen Behörden und mit den Exekutivkräften unverzüglich gehandelt werden. Dies bedarf jedoch einer entsprechenden Vorbereitung von zivil-militärisch übergreifenden Alarmplänen und Ablaufregelungen. Eine Reaktion, die lediglich dem militärischen Eigenschutz dienen sollte, würde den Auftrag der Brigade aufgrund der zu erwartenden Kollateralschäden unweigerlich zum Scheitern bringen und somit den Zweck der terroristischen Aktion erfüllen.

Davon abgeleitet war auch die Pressearbeit der Brigade ein Übungsthema. Denn schlechte Presse kann jede noch so gute militärische Arbeit scheitern lassen.

In Summe betrachtet gab es eine Vielzahl an Aufgaben, die in diesen vier Tagen an die Brigade herangetragen wurden. Wie die täglichen Nachbesprechungen bewiesen, konnte die Brigade nicht nur gut in die Übung starten, sondern erkannte auch während der Übungsphasen ihre Fehler und erreichte im Laufe ihres Handelns am virtuellen Gefechtsfeld immer wieder Qualitätssteigerungen.

Closing Ceremony

Am Mittag des 16. Oktober 2007 endete die Command Post Exercise. Mit einer würdigen Abschlusszeremonie fand die NATO-PfP-Übung "COOPERATIVE LONGBOW 2007" ihren Ausklang. Vor angetretener Truppe wurden nochmals die Leistungen der letzten Tage hervorgehoben. Der stellvertretende Kommandant des CC Land HD, der italienische Brigadegeneral Vitucci, bedankte sich im Namen der Übungsleitung nochmals persönlich bei der österreichischen Delegation für die gezeigte Leistung. Er unterstrich den wesentlichen Anteil der Österreicher am Erfolg dieser Übung.

Lessons Learned

Die konsequenten Vorgaben des Brigadekommandanten und die gelungene Umsetzung durch seine Stabsoffiziere brachten ein ausgezeichnetes Ergebnis für die gesamte Brigade und großes Lob seitens der Übungsleitung. Wesentliche Kriterien für den Entschluss eines Brigadekommandos in einem PSO-Szenario sind:

  • das Beherrschen der geforderten Verfahren;
  • ein durchdachter Battle Rhythm zum Erhalt des Handlungsspielraumes;
  • die klare Festlegung von Prioritäten;
  • ein funktionierender Informationsfluss in alle Richtungen;
  • die Einbindung des gesamten Stabes bei Prioritätenaufgaben;
  • durch geeignete Maßnahmen immer den Überblick über die Lage zu haben (Tasking);
  • bei allen Vorgängen nie das Schwergewicht aus den Augen zu verlieren (be focused).

Die Zusammenführung eines multinationalen Stabes braucht ihre Zeit. Sprachliche Qualifikation, das Erkennen der verschiedenen Mentalitäten und die Abstimmung der Verfahren können ad hoc funktionieren. Aber es zeigte sich auch, dass die österreichischen Soldaten auf dem internationalen Parkett sehr gut mithalten können. Dies wurde auch von der NATO honoriert. Bei den im Laufe der Übung vergebenen Auszeichnungen für exzellente Leistungen einzelner Übungsteilnehmer (die Beurteilung hiefür erfolgte durch die Stabstrainer der NATO) ging ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz dieser Auszeichnungen an Offiziere und Unteroffiziere des Österreichischen Bundesheeres.

Ausblick

Für Brigadier Robert Prader und die 4. Panzergrenadierbrigade war diese Übung die Generalprobe für den Einsatz im Kosovo 2008. Sie können nun mit einer Menge an Erfahrungen und mit der Gewissheit des Erfolges dieser Generalprobe ihre Vorbereitungen für den Einsatz als führendes Kommando der Multinational Task Force South weiterführen.South weiterführen.

(wird fortgesetzt)


Autor: Major Rudolf Halbartschlager, Jahrgang 1969. Ausgemustert 1991 als Fliegerabwehroffizier zum Fliegerabwehrbataillon 11, dort Zugskommandant und stellvertretender Batteriekommandant. Ab 1995 Kommandant einer Fliegerabwehrlenkwaffenbatterie MISTRAL im Fliegerabwehrregiment 1. Im Jahr 2000 Versetzung zum Jägerbataillon 12 als S1 & S5. Von September 2006 bis Jänner 2007 mit der Führung des JgB12 betraut. Auslandsübungsverwendungen in Griechenland, Frankreich und der Slowakei (Boden-Luftschießen). Tactical Operations Center Director der NATO-PfP-Übung "COOPERATIVE LONGBOW 2007" in Albanien.

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