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Psychologie: Psychologie und Ausbildung der Spezialeinsatzkräfte

Im Zuge der Aufstellung des Kommandos Spezialeinsatzkräfte (Kdo SEK) wurde erstmals ein Truppenpsychologe in einen Einsatzverband integriert. Der Psychologe des Kdo SEK wurde anlässlich der jüngsten Umgliederung in den OrgPlan des Jagdkommandos übergeführt. Seine Aufgaben erstrecken sich auf die Bereiche Auswahl, Ausbildung, Betreuung und Einsatzbegleitung.

Im Zusammenhang mit Ausbildung wird oft das Pareto-Prinzip zitiert, das eine Unausgewogenheit zwischen Anstrengung und Ergebnis im Verhältnis 20 zu 80 beschreibt. Das bedeutet, dass mit 20 Prozent Aufwand eine Erfolgsquote von 80 Prozent erzielt wird. Ein solcher Anspruch genügt z. B. im Bereich der Schießfertigkeit eines Soldaten, der die Pistole nur als Zweitbewaffnung führt. Ein eventueller Fehlschuss erfolgt sehr wahrscheinlich auf dem Gefechtsfeld, wo sich nur Kombattanten bewegen, und ist eher tolerierbar. Soldaten des SEK sind oft in Krisengebieten im Einsatz, wo ein Fehlschuss wesentlich problematischere Auswirkungen hätte. Sie müssen also einen höheren Erfolgsanspruch fordern als 80 Prozent. Um dies zu erreichen, werden in der Schießausbildung auch psychologische Erkenntnisse angewendet.

Ein Soldat schießt so wie er schießt nicht unbedingt als Ausdruck seiner tatsächlichen Fähigkeiten, sondern eher als Resultat seiner subjektiven Interpretation dieser Fähigkeiten und vergangener Erfahrungen. Der Nichtglaube an das eigene Können bewirkt auch, dass Soldaten im Training nur das üben, was sie ohnehin gut können, um sich nicht der Gefahr eines Misserfolgs auszusetzen. Es gibt außerdem Soldaten, die in Ruhe eine hohe Trefferquote aufweisen, bei Stress aber versagen. Häufig sind dafür innere Prozesse verantwortlich. Ihr Selbstbild ist negativ gefärbt, sie trauen sich die Aufgabe nicht zu und führen einen innerer Dialog im Sinne von "Das schaffe ich nie!" und "Bis jetzt habe ich immer versagt!", was zu einer "Übererregtheit" führt. Ein Zustand erhöhter Erregung führt zu höherer Muskelanspannung. Ein exakter Schuss erfordert aber ein sauberes Abziehen. Der Abzugswiderstand der Waffe ist als Kraftsollwert der Zeigefingerbeugemuskeln im Gehirn gespeichert. Während einer "Übererregtheit" ist aber auch die Anspannung der antagonistischen Zeigefingerstreckermuskeln erhöht, was den gespeicherten Kraftsollwert ungenügend werden lässt. Als Folge muss der Abzugsfinger willkürlich stärker angespannt werden, was zu einem Verreißen des Schusses führt. Um diesen negativen inneren Dialog zu verhindern, wird die Methode des Reframings angewendet. Diese Technik erlaubt eine Umdeutung und Neubewertung von Erfahrungen und verhindert Misserfolgserwartungen.

Unser Gehirn kann nur ungenügend zwischen realen und fiktiven Bildern unterscheiden. Diese Tatsache lässt sich in der Schießausbildung anwenden, indem man mit Visualisierungen arbeitet. Die beste Möglichkeit, sein volles Schießpotenzial zu entfalten besteht darin, so viele positive Erfahrungen und innere Repräsentationen wie möglich zu sammeln, indem man dem Gehirn optimistische Bilder bietet. In der allgemeinen Ausbildung der Speziaeinsatzkräfte werden auch Entspannungstechniken vermittelt. Die Fähigkeit zur Entspannung unterstützt im Trockentraining der Schießausbildung die Visualisierung künftiger Anforderungen auf der Schießbahn nach dem VAKOG-Prinzip des Neurolinguistischen Programmierens (visuell - akustisch - kinästhetisch, das Körpergefühl betreffend - olfaktorisch - gustatorisch: mit diesen Sinnen nehmen wir unsere Umwelt wahr). Vor ihrem geistigen Auge sehen die Soldaten Täter und Geiseln simulierende Zielscheiben, sie hören gedanklich die akustischen Lageinformationen und die taktischen Kommandos, spüren mental die Unebenheit des Geländes und das Gewicht der Waffe in der Hand, und sehen sich selbst in Aktion. Der Zustand der Entspannung unterstützt diesen Trainingseffekt durch Fernhalten ablenkender Reize und tiefe Konzentration.

Eine weitere hilfreiche Technik aus dem Neurolinguistischen Programmieren ist das "Ankern". Durch oft wiederholte Kombination von motorischer Tätigkeit und Reizwort wird eine kybernetische Schleife erzeugt und gespeichert. Künftig sind alle Tätigkeiten nach Ertönen des Reizwortes präsent. Alle Fallschirmspringer erkennen diesen Effekt wenn sie die Worte "In die Tür!" hören.

Diese Art des mentalen Trainings ist wichtig, weil die "Rechenleistung" unseres Gehirns bei Stress nur die bewusste Wahrnehmung und Bewertung von wenigen Informationen pro Sekunde erlaubt. Strömen mehr Reize auf den Soldaten ein, kommt es zum Übersehen/Überhören von Informationen und damit zu Einsatzfehlern. Auch negative Gedanken und Erwartungen können Informationskanäle unzweckmäßig belegen. Einsatznotwendige Führungszeichen oder Zurufe werden dann zwar gesehen/gehört, aber nicht bewusst wahrgenommen.

Psychologie bei den Spezialeinsatzkräften ist also eine handfeste Tätigkeit mit unmittelbar spürbaren Auswirkungen auf jeden einzelnen Menschen/Soldaten, der im Mittelpunkt aller Bemühungen des Jagdkommandos steht.

Autor: Oberrat Major dhmfD Mag. R. Garger

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