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Konfliktlösung

Die Konfliktlösung und die Folgen für die Streitkräfte.

Einleitung

Wenn über Krieg und Frieden nachgedacht wird, kann sich kaum jemand von persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen freimachen. Ebenso wirken auf uns historische Bilder der letzten großen Kriege mit ihren schrecklichen sozialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Auswirkungen auf unsere Vorfahren und den Folgen, die bis heute auch auf uns nachwirken.

Klarstellung

Vorweg wird klargestellt, dass unter dem Begriff "Krieg" eine gewaltsame Lösung eines Konfliktes zu verstehen ist, es im Endeffekt immer um die Durchsetzung einer "Vormachtstellung" mit all ihren Folgewirkungen geht und dadurch neue und noch viel größere Konflikte ausgelöst werden, die, wie die Geschichte uns lehrt, Jahrhunderte lang nachwirken können.

Ablehnung

Politisch ist jeder Krieg, der durch einen Angriff ausgelöst wird, daher völlig abzulehnen. Aus diesem Grunde kommt auch der Beschränkung von Kriegsmittel, zu denen auch Armeen mit ihren Soldaten gehören, weltweit wesentliche Bedeutung zu, da ohne diese Kriegsmittel ein Krieg erst gar nicht möglich ist und wird.

Auslöser

Eines muss auch noch klar hervorgehoben werden, nicht die Soldaten beginnen oder führen einen Krieg, sondern die "Machthaber" oder solche, die dahin aufsteigen wollen, oder jene, die sich selbst zum "Ordnungsmacher" ernennen, um ihre Machtposition verbessern zu können.

Merkmale

Wir gehen davon aus, dass Krieg ein "gewaltsamer Massenkonflikt" mit folgenden Merkmalen ist:
* An den Kämpfen sind zwei oder mehrere bewaffnete Streitkräfte beteiligt, bei denen es sich mindestens auf einer Seite um reguläre Streitkräfte (Militär, paramilitärische Verbände, Polizeieinheiten) einer Regierung handelt.
* Auf beiden Seiten muss ein Mindestmaß an zentral gelenkter Organisation der Kriegführenden und des Kampfes gegeben sein und die bewaffneten Operationen ereignen sich mit einer gewissen Kontinuität und nicht nur als gelegentliche spontane Zusammenstöße; das heißt beide Seiten operieren nach einer planmäßigen Strategie.
* Kriege werden als beendet angesehen, wenn die Kriegshandlungen im Verlaufe eines Jahres nicht mehr auftreten.

Kriegsgeschehen

seit dem Jahr 1945 bis zum Jahr 2000
Dabei handelt es sich um
Antiregime-Kriegein denen es um den Sturz von Regierungen oder um die Veränderung oder den Erhalt von politischen Systemen oder der Gesellschaftsordnung geht.35%
Autonomie- und Sezessionskriegein denen um größere regionale Autonomie innerhalb eines Staatenverbandes oder um Sezession vom Staatenverband gekämpft wird.26%
Zwischenstaatliche Kriegein denen sich Streitkräfte etablierter Regierungen mindestens zweier staatlich verfasster Territorien gegenüberstehen.17%
Interne/externe Kriegeals Mischformen09%
Dekolonisationskriege,in denen um die Befreiung von Kolonialherrschaft gekämpft wird06%
Interne Mischkriege,die nicht genau den oben definierten Bedingungen entsprechen07%

In diesen Zeitraum wurden insgesamt zweihundertachtzehn Kriege gezählt.
Davon entfallen
* 27 % auf Afrika und Asien,
* 25 % auf den Vorderen und Mittleren Orient,
* 14 % auf Lateinamerika und
* 7 % auf Europa.

Veränderungen

Anlässlich dieser globalen Untersuchung lassen sich folgende Veränderungen feststellen:
* Es wird eine markante Abnahme zwischenstaatlicher Kriege konstatiert;
* Der "typische" Krieg in der zweiten Hälfte des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist demnach der innerstaatliche Krieg und nicht der klassische zwischenstaatliche Krieg.

Zukünftige Erwartungen

Es ist mithin ein massiertes Auftreten eines Typus organisierter Gewalt und Gewaltanwendung in Zukunft zu erwarten, der nicht den gängigen Vorstellungen entspricht, auf den wir folglich vor allem intellektuell nicht vorbereitet sein werden.

"low intensity war"

Weiters ist zu erwarten, dass ein "low intensity war", den zwischenstaatlichen Krieg in Zukunft ablöst, dass gerade durch den technologischen Fortschritt zwischenstaatliche Kriege immer unwahrscheinlicher werden und dass daher mächtige nationale Streitkräfte für die neuen Konfliktformen und Konfliktarten schon heute weitgehend bedeutungslos sind; In Wirklichkeit sind sie für einen zukünftigen low intensity war in wachsendem Maße disfunktional.

Neue Gegner

Zukünftig kann von einer Entstaatlichung des Krieges gesprochen werden, gleichzeitig aber auch von der Tatsache, dass unter den neuen Gegnern in Kriegen immer zahlreichere nichtstaatliche Akteure zu finden sein werden.
Der Staat hat nun nicht mehr ein Monopol auf den Krieg, und die Gegner im Krieg, denen die Staaten gegenüber stehen, sind selten gleichwertig, also symmetrisch strukturiert und ausgerüstet, sondern solche, die über unterschiedliche meist unterlegene, deshalb asymmetrische logistische, militärische Ressourcen und Fähigkeiten verfügen.
So greifen die neuen Gegner, da sie meist schwächer als reguläre staatliche Streitkräfte sind, zu Guerilla- und Partisanenpraktiken und verwischen dazu noch absichtlich die Grenze zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten.
Dies führt gerade in modernen High-Tech-(staatlichen)Streitkräften zur physischen und psychischen kollektiven Ermattung.
Dazu kommt noch, dass irreguläre Akteure schon durch das bloße Nicht-Verlieren in der kriegerischen Auseinandersetzung profitieren und punkten können, während staatliche Kriegsparteien auf einen eindeutigen Sieg angewiesen sind. Dafür gibt es eine treffliche Formulierung: "Der Partisan gewinnt, wenn er nicht verliert und der Soldat verliert, wenn er nicht gewinnt."
Spätestens nach dem 11. September 2001, als den Vereinigten Staaten ihre eigene Verwundbarkeit trotz absoluter militärischer Überlegenheit tragisch vor Augen geführt wurde, war auch klar, dass weltpolitische strukturelle Asymmetrien ebensolche asymmetrische Formen des Gewalthandelns hervorbringen können.

Autonomisierung der Gewalt

Ein weiteres Merkmal der neuen Kriegsbilder ist die Autonomisierung der Gewalt.
Der zwischenstaatliche Krieg war und ist eher ein geregelter Krieg, das Kriegsvölkerrecht übte eine die Gewalt beschränkende und regelnde Kraft aus. Dieser Beschränkung fühlen sich im Falle des "low intensity war" die nichtstaatlichen Akteure nicht unterworfen, was zu einer enormen Brutalisierung führt.
Dieser Regelbruch ist in der asymmetrischen Kriegsführung typisch, es kommt zum Einsatz "schmutziger" Waffen, zu Sabotageakten und zu terroristischen Methoden.

Weiteres Phänomen

In diesem Zusammenhang muss noch auf ein weiteres Phänomen der Gewaltentwicklung eingegangen werden: Streitkräfte, die längere Zeit gegen Terroristen oder Partisanen eingesetzt werden, antworten selbst zunehmend mit Methoden und Einsatzformen, die sich an die Kampfweise der irregulären Streitkräfte angleichen.
Diese Neigung nimmt mit der Dauer des Konflikts noch zu. Dieser Umstand trifft in besonderem Maße die Zivilbevölkerung in der umkämpften Region, da es ja, wie vorhin ausgeführt wurde, während asymmetrischer Kampfhandlungen zur Methode gehört, die Grenze zwischen Kombattanten und nicht Kombattanten zu verwischen.

Konfliktlösung

Die moderne Kriegsführung und die Diplomatie kennen heute viele Möglichkeiten, wie Nationen ihre Konflikte lösen können - die folgende Übersicht zeigt die Möglichkeiten auf.
Das Spektrum der Konfliktlösung ist gleichzeitig in die Bereiche
* Frieden,
* Konflikt und
* Krieg
unterteilt.
Dies scheint aber heute nur noch bei zwischenstaatlichen Konflikten bzw. Kriegen eine Rolle zu spielen, denn auch Weltmächte versuchen vermehrt Lösungen in einer Grauzone "nicht Frieden und nicht Krieg" zu suchen.
Die Vorstellung ist, dass grundsätzlich alle Maßnahmen auf der diplomatischen wie auch auf der ökonomischen Ebene der eigentlichen Konfliktaustragung, eben der kriegerischen Auseinadersetzung, einander ergänzen.
Auf diese Weise entwickeln sich kriegerische Auseinandersetzungen vor allem im Vorfeld zum Informationskrieg ("infowar"). Dieser verstärkt die Komplexität der Lösungen, die gefunden werden müssen.
Ein Kompromiss ist - wie viele bekennen - die Form der Konfliktlösung, in der jeder Konfliktpartner den Eindruck hat, den besseren Teil bekommen zu haben.
Aber auch in der Konfliktnachbereitung, also nach der kriegerischen Auseinandersetzung spielt der "infowar" immer noch eine überragende Rolle.
Dabei wird versucht, auf die gegnerische Information einzuwirken, ablaufende Informationsprozesse und Netzwerke bei gleichzeitigem Schutz der eigenen Informationssysteme zu beeinflussen, um die eigene Informationshoheit zu verbessern.
Die Informationskriegsführung spannt sich über das gesamte Konfliktspektrum zwischen Frieden und Krieg, sie wird mit allen diplomatischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln geführt.

Konfliktspektrum

MaßnahmenPhase des relativen FriedensKonfliktphasePhase der kriegerischen Konfliktaustragung
diplomatischVerhandlungenVerträgeAllianzenSanktionenKriegserklärungEroberung
wirtschaftlichFreihandelszoneVerträgeHilfeleistungenHandelsbarrierenBlockadenWiederaufbau
militärischHumanitäre HilfeMilit. PräsenzPartnershipPeacekeepingPeace EnforcementKriegshandlungen
"infowar"Maßnahmen des "infowar" mit dem Ziel der Informationshoheit, der Beeinflussung des Gegners und zum Schutze der eigenen Netze

Das umfassende Spektrum zeigt, dass Maßnahmen der Beeinflussung schon zu einer Zeit einsetzen können, in der von einem offenen Konflikt noch gar nicht gesprochen werden kann, und dass die Konfliktnachbearbeitung noch immer dem angestrebten "Kriegsziel" dient.
Aus der Übersicht ist auch zu entnehmen, dass zu gleicher Zeit militärische, diplomatische und ökonomische Maßnahmen laufen, die alle der Verwirklichung der strategischen bzw. politischen Ziele dienen.

Der "infowar"

Auf der strategischen Ebene ist es das Ziel, den Gegner in seinem Entscheidungszyklus -Beobachten, Orientieren, Entscheiden und Handeln - zu "paralysieren".
Die Fähigkeiten der "Beobachtung" werden entweder überflutet oder "unterschwellig" durch Gegeninformation ausgeschaltet. Darüber hinaus werden, was noch wichtiger ist, die "Orientierungshilfen" des Gegners durch ein falsches oder besser fiktives "Informationsumfeld" ersetzt, so dass die auf seinen Entscheidungen basierenden militärischen Aktionen den gegnerischen Entscheidungsträgern selbst unlogisch erscheinen müssen.
Seine Entscheidungen und Handlungen beruhen nunmehr auf einer "Realität", die virtuell "zugespielt" wurde. Der Gegner wird folglich daran gehindert, eine kohärente Strategie zu entwickeln. Das ist "infowar", der Krieg der Zukunft und vielleicht auch schon der Gegenwart.

Dr. Hermann Jung, Gastautor

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