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Die irakischen Schiiten nach dem Fall Saddam Husseins

von Walter Posch

Kurzfassung

◄ Zwei Wochen nach dem Ende Kampfhandlungen im Irak-Krieg wurden die Coalition Provisional Authority (CPA) und ein Regierungsrat (Governing Council) ins Leben gerufen, deren Aufgaben der Wiederaufbau des Landes und seiner Institutionen sowie die Schaffung von Bedingungen sind, unter denen das irakische Volk selbst über seine demokratische Zukunft entscheiden kann. Wesentlichen Anteil an der Schaffung dieser Interimsverwaltung hatte dabei der "Hohe Rat zur Islamischen Revolution im Irak" (SCIRI), der sich für eine Teilnahme am Regierungsrat aussprach. Als Folge davon sitzen nicht weniger als 13 Schiiten, allerdings verschiedenster Parteizugehörigkeit, in diesem Gremium und haben dort die Mehrheit.

Die Schiiten stellen die größte Bevölkerungsgruppe im Irak, wurden aber immer von der regierenden Baath-Partei wie eine entrechtete Minderheit behandelt. Da bei ihrem Aufstand 1991 gegen das Regime die erwartete amerikanische Hilfe ausblieb, präsentierte sich nach dem Ende des letzten Waffengangs ihr Verhältnis zur Besatzungsmacht ambivalent: Sie warfen den USA noch immer "Verrat" vor, mussten aber anerkennen, dass sie zu einer Form von Zusammenarbeit mit den US-Institutionen im Land finden mussten. Die Schiiten waren die einzige Gruppierung, deren Organisationsstrukturen in der Lage waren, das nach dem Ende der Baath-Partei entstandene Vakuum zu füllen.

Die wichtigsten Kristallisationspunkte waren der Großayatollah Sistani und die therologische Hochschule in Nadschaf (Najaf), der später einem Attentat zum Opfer gefallene Ayatollah Hakim, der SCIRI, Muqtada Sadr und seine Anhänger, die Dawa-Partei und die al-Khoei-Stiftung, deren Zusammensetzung, politische Ausrichtung und Zielsetzungen im Detail beschrieben werden. Diesen Gruppierungen ist gemein, dass sie sich bemühen, das Chaos durch die Gründung von Nachbarschaftskomitees und Milizen einzudämmen und soziale Hilfe zu leisten; als Folge davon ist ihre Verankerung in der Bevölkerung beträchtlich.

Die schiitischen Fraktionen sind untereinander zerstritten und weisen einen unterschiedlichen Grad an Kooperationsbereitschaft mit der Besatzungsmacht auf. Radikale Gruppen versuchen, die Frustrationen der Iraker über die prekäre Sicherheitslage gegen die USA zu instrumentalisieren; Anschläge wie der vermutlich von Saddam-Anhängern begangene Mord an Ayatollah Hakim könnten die Lage soweit destabilisieren, dass es zu einem Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Sunniten kommen könnte.

Der Iran hat ein vitales Interesse an der Entwicklung in seinem Nachbarstaat, hat aber die Kontrolle über den SCIRI weitgehend verloren; Muqtada Sadr und seine Anhänger scheinen in letzter Zeit nicht abgeneigt zu sein, diesen Platz einzunehmen. Im Großen und Ganzen dürfte Teheran aber eine vorsichtige Politik verfolgen, um nicht vollends ins Visier der USA zu geraten, die dem Iran ohnehin schon illegale Nuklearrüstung und die Beherbung von Al Qaida-Terroristen vorwerfen.

Die Chancen auf eine demokratische Entwicklung des Irak werden vorsichtig positiv beurteilt, weil sich im schiitischen Teil des Landes die Lage einigermaßen stabilisiert hat, die schiitische Lehre nicht von vornherein gegen die Demokratie gerichtet ist und eine Trennung von Kirche und Staat denkbar ist, weil die direkte Involvierung von Klerikern in die Politik der traditionellen schiitischen Lehre widerspricht. ►


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Die irakischen Schiiten nach dem Fall Saddam Husseins

Mit dem Einmarsch in Bagdad und der Okkupation des Irak setzten die USA einen Schlusspunkt unter die mehr als zehn Jahre dauernde Konfrontation mit Saddam Hussein. Von allem Anfang an hatte man die Befürchtung, dass nach einem Sturz Saddams das Land im Chaos versinken könnte, in dem sich die verschiedenen ethnischen und konfessionellen Gruppen bekämpften und für Einflüsse aus den Nachbarstaaten, v.a. der Türkei, dem Iran und Syrien, empfänglich wären. Daher setzte sich die Meinung durch, eine neue, berechenbare und prowestliche, aber nicht unbedingt demokratische Führerfigur aus den Reihen des Militärs oder der Baath-Partei könnte das Land nach Saddam stabilisieren.

Dennoch kam es in den letzten zehn Jahren zu mehreren Versuchen, einen Militärputsch zu inszenieren; man ging jedoch bald dazu über, mit irakischen Oppositionsgruppen zu kooperieren. Doch weder ein Putsch noch die irakische Opposition waren in der Lage, das Regime Saddams zu stürzen, weil die irakischen Nachrichten- und Sicherheitsdienste sich als zu effizient erwiesen. Nach dem Fiasko von 1996, als während eines Putschversuches die KDP (Kurdistan Democratic Party) sich mit den Irakern verbündete, um die PUK (Patriotic Union of Kurdistan), ihre kurdische Konkurrenzpartei, aus dem Feld zu schlagen,(Fußnote 1/FN 1) verringerten die USA ihre Kontakte zur irakischen Opposition. Zwei Jahre später, im Oktober 1998, unterzeichnete US-Präsident Bill Clinton den vom Kongress vorgelegten Iraq Liberation Act (ILA), in dem erstmals förderungswürdige Oppositionsgruppen genannt wurden(FN 2) und das Ziel, einen Regimewechsel im Irak herbeizuführen, noch einmal formuliert wurde.

Ein Regimewechsel im Irak war also schon vor dem Krieg etabliertes Ziel der US-Außenpolitik. Schließlich gaben der vermutete irakische Besitz von Massenvernichtungswaffen und deren mögliche Proliferation an Terrororganisationen wie Al Qaida vor dem Hintergrund des Anschlages vom 11. September 2001 den Ausschlag für die Intervention.

Das Ende des Regimes

Die Feindseligkeiten wurden am 19.3.2003 eröffnet; am 9.4. fiel Bagdad und am 13.4. kontrollierten die Alliierten den Großteil des Landes mit Ausnahme Tikrits, in das sie am 14.4. einrückten. Das Regime ist mit dem Fall Bagdads zusammengebrochen, seine wichtigsten Vertreter sind auf der Flucht und wurden zum Teil schon gefasst. Solange Saddam Hussein lebt, scheint von ihm noch eine gewisse Gefahr auszugehen, da man befürchtet, dass seine Anhänger daraus die Motivation schöpfen könnten weiterzukämpfen.

Die Schnelligkeit des alliierten Erfolges und die (relativ) geringen Verluste stehen in Kontrast zu den Befürchtungen, die vor und während des Krieges geäußert wurden. Weder in Bagdad noch in Tikrit kam es zur prophezeiten Entscheidungsschlacht oder zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Vielmehr scheinen Armee und Republikanische Garde den sinnlosen Kampf angesichts der amerikanischen Übermacht bald aufgegeben zu haben. So sollen irakische Offiziere im Vertrauen auf die USA die Waffen niedergelegt haben, und die türkische Tageszeitung "Hürriyet" berichtet gar von einer Verschwörung der Divisionskommandanten der Republikanischen Garde, an der nur der Kommandant der Medina-Division nicht teilgenommen habe.(FN 3) Die Reaktionen auf den Fall Saddam Husseins waren wie erwartet: offene Freude bei den Kurden, Sorge bei den Sunniten im Zentralirak und Zurückhaltung bei den Schiiten im Süden, die bei erstbester Gelegenheit anlässlich der schiitischen Feiertage nach Nadschaf und Kerbala pilgerten. Mit Plünderungen in Bagdad hatte man von vornherein gerechnet, aber die von vielen befürchtete "Nacht der langen Messer" hat (noch?) nicht stattgefunden: Die zunehmende Verschlechterung der Sicherheitslage war vermutlich auch der Grund für den Wechsel von Gen. Lt. Garner zum Antiterrorspezialisten L. Paul Bremer im Mai. Die militärische Verantwortung für den gesamten Irak liegt bei Gen. Lt. David McKiernan. Bremer leitete zunächst die höchste zivile Institution im Irak: das im Pentagon angesiedelte Office of Reconstruction and Humanitarian Assistance/ORHA, das im Jänner 2003 durch die Nationale Sicherheits-Direktive Nr.24 des Präsidenten gegründet und am 16.6.2003 aufgelöst wurde. Er ist Verteidigungsminister Rumsfeld und seinen Stellvertretern Wolfowitz und Feith direkt unterstellt und berichtspflichtig. Basierend auf UNO-Resolution 1483 wurde am 16.5.2003 die Coalition Provisional Authority/CPA gegründet, deren Ziel der Wiederaufbau des Landes und seiner Institutionen ist, um "Bedingungen zu schaffen, in denen das irakische Volk frei über seine eigene politische Zukunft entscheiden kann". (FN 4) Die CPA wird dabei vom US-CENTCOM unterstützt, das z.B. die territoriale Integrität des Landes garantiert. Der erste wichtige und symbolträchtige Schritt Bremers war das Verbot der Baath-Partei.

Vom ursprünglichen Plan, die irakischen Oppositionsparteien schon im Mai an der Macht zu beteiligen, ist man zu deren großem Ärger zunächst wieder abgegangen. Man hat ihnen sogar bedeutet, es würde vielleicht ein Jahr dauern, bis die Iraker die Macht endgültig übernehmen könnten, was zu scharfen Protesten führte.(FN 5) Letztendlich stimmte Bremer einem irakischen Regierungsrat (Governing Council) mit Exekutivgewalt zu, der mehr Kompetenzen als der ursprünglich geplante, nur konsultativ tätige hohe Rat haben soll.(FN 6) Dieser irakische Regierungsrat konnte schließlich in Übereinstimmung mit dem neuen Zeitplan am 13.7.2003 gebildet werden. CPA und Regierungsrat bildeten die Interimsverwaltung des Landes.

Die innere Sicherheit verbleibt freilich bei den Amerikanern, und Bremer hat den Rat hinter verschlossenen Türen auch schon vor jeglichen politischen Ambitionen in Richtung arabischer Politik, Erdöl und v.a. OPEC gewarnt. Der Rat enthält neben den Vertretern der etablierten Parteien auch neu kooptierte Mitglieder. Entsprechend der ethnischen Zusammensetzung des Landes stellen schiitische Abgeordnete die Mehrheit; diese gehören jedoch verschiedenen Parteien an. Neben den 13 Schiiten sitzen je fünf arabische und fünf kurdische Sunniten, eine Turkmenin und ein assyrischer Christ im Rat.(FN 7) Der Regierungsrat hat u.a. das Recht, Minister einzusetzen, eine neue Justiz aufzubauen, ein Gremium zur Ausarbeitung der neuen Verfassung zu ernennen und die Neugründung der Streitkräfte vorzunehmen. Angesprochen auf das Vetorecht Bremers meinte Jalal Talabani, der als Führer der PUK im Regierungsrat vertreten ist, dass von irakischer Seite keine Vetos erwartet werden.(FN 8) Ein klarer Zeitplan zur Ausarbeitung der Verfassung fehlt aber ebenso wie eine klare Führungsstruktur im Rat selbst. Berichte, wonach ein Triumvirat, bestehend aus Massud Barzani, Adnan Pachachi und Ahmed Chalabi, die Sitzungen auf rotierender Basis leiten würde, erwiesen sich als verfrüht. Ende Juli einigte man sich auf die etwas eigenartige Form eines monatlich wechselnden Vorsitzenden, der gleichzeitig irakischer Präsident sein soll. Dieses Amt wird unter neun Personen rotieren. Es sind dies Massud Barzani (KDP - Kurdistan Democratic Party), Jalal Talabani (PUK - Patriotic Union of Kurdistan), Abdulaziz Hakim (SCIRI - Supreme Council for the Islamic Revolution in Iraq), Ahmed Chalabi (INC - Iraqi National Congress), Iyad Allawi (INA - Iraqi National Accord), Muhsin Abdulhamid (Iraqi Islamic Party), Mohammed Bahrululoum, Adnan Pachachi, Ibrahim Jafari (Dawa), der für den August das Präsidentenamt übernahm.(FN 9) Am 1.9.2003 ernannte der Regierungsrat die neue irakische Regierung, die ebenfalls aus 25 Mitgliedern besteht und nach demselben ethnisch-konfessionellen Schlüssel gegliedert ist.(FN 10)

Widerstand der Baathis und Fundamentalisten

Solange die Situation noch so unsicher ist, akzeptiert die überwiegende Mehrheit der irakischen Bevölkerung die Präsenz der amerikanischen Truppen. Größte Sorgen bereitet den Amerikanern zur Zeit der Widerstand im irakischen Zentralraum, der trotz des am 1.5.2003 verkündeten offiziellen Kriegsendes zunimmt und mit dem Anschlag auf die jordanische Botschaft (7.8.), das UNO-Hauptquartier im Hotel Canal (19.8.) und dem Anschlag auf Ayatollah Mohammed Baqir Hakim (29.8.) seine bisherigen Höhepunkte erreichte.

In dieser sunnitisch geprägten Region war der Anteil jener, die vom Regime profitiert hatten, höher als in anderen Regionen. Längst kann nicht mehr von vereinzelten Vorfällen die Rede sein, vielmehr handelt es sich um relativ gut organisierte, wenn auch nicht zentral geführte Gruppen ehemaliger Baath-Mitglieder, Polizisten, Fedayin-Saddam und Teile der Republikanischen Garde. Sie werden "al-Auda" - die Rückkehr - genannt (wodurch der Eindruck erweckt werden soll, es handelte sich um eine einheitlich geführte Organisation)(FN 11) und verüben Anschläge auf amerikanische Soldaten, um diese zu Repressalien gegen die Zivilbevölkerung zu zwingen und so die Stimmung der Bevölkerung gegen die USA aufzuheizen.

Die Auswertung von Graffitis und Bekennerschreiben lässt auf die Aktivitäten anderer Gruppen schließen, über deren Stärke und mögliche internationale Verbindungen nur gerätselt werden kann. Die Amerikaner gehen von insgesamt 5.000 aktiven Widerständlern aus; unklar ist jedoch, wie sie auf diese Zahl kommen. Fest steht jedenfalls, dass islamische Extremisten aus den Nachbarstaaten einsickern, um am Kampf gegen die Besatzung teilzunehmen.(FN 12) Dem Vernehmen nach sollen sie von wohlhabenden sunnitischen Sponsoren unterstützt werden, die zwischen 1.000 und 3.000 USD für die Kämpfer bezahlen. Auch hetzen muslimische Geistliche gegen die USA: So soll der sunnitische Imam der Abu Hanifa-Moschee in Bagdad eine fatwa erlassen haben, in der er zum Dschihad gegen die Besatzer aufrief.(FN 13) Dazu kommt noch, dass Mamun al-Hudaybi, der Führer der global agierenden Moslembruderschaft, zum weltweiten Dschihad wegen der amerikanischen Besatzung des Iraks aufrief.(FN 14) Eine andere Gruppe, die sich Mujahid (FN 15) nennt, wurde am 28.7. im Fernsehsender "Al-Arabiyya" mit Racheschwüren gegen die USA zitiert. Sie würden solange kämpfen, bis die Amerikaner aus dem Irak vertrieben seien. In ideologischer Hinsicht sind sie Salafisten, d.h. radikale Sunniten, was in dieser Art für den Irak ungewöhnlich ist und eher auf Nordafrika und Kuwait tippen lässt. Offensichtlich bringen sie ihren Kampf mit der internationalen islamistischen Terrorszene in Verbindung, da sie von gefangenen Brüdern in Guantanamo, Marokko, auf den Philippinen, in Indien, der arabischen Halbinsel usw. sprechen.(FN 16) Das ist die Sprache international agierender Dschihadis(FN 17) und nicht einheimischer Iraker!

Daneben tauchte noch eine unbekannte Vereinte irakische Nationalbewegung auf, die sich als sunnitisch-islamische Bewegung versteht. Diese Bewegung stünde jedoch allen Irakern offen, die Widerstand gegen die Besatzung leisten wollten. Sie wird von Ahmed al-Kubaysi(FN 18) geleitet, der in einem Interview behauptete, dass der Widerstand viel größer als in den Medien berichtet sei und längst nicht nur von den Mitglieder der Baath-Partei, sondern von der Bevölkerung getragen werde.(FN 19) Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang ein Bericht der kurdischen Tageszeitung "Hawlati", wonach ehemalige Mitglieder der Baath-Partei mit Wahhabiten kooperierten.(FN 20) Das ist leicht möglich, da Saddam sich in den letzten Jahren seiner Herrschaft pro-islamischer gezeigt und sogar eine (Pseudo-) Islamisierung der Baath-Partei durchgeführt hatte.(FN 21) Dadurch war es den Wahhabiten in den letzten Jahren des Saddam Regimes als einziger fundamentalistischen Gruppe möglich, ihre Aktivitäten relativ ungehindert auszuüben. Baathisten und Wahhabiten trennen zwar ideologische Welten, in ihrer Ablehnung Amerikas und in ihrer antischiitischen Haltung sind sie sich aber einig. Eine Kooperation der Baathis mit den Wahhabiten und anderen sunnitischen Fundamentalisten macht zur Zeit also durchaus Sinn.

Irreguläre arabische Terroristen, die sich mit den Resten der Saddam-Anhänger verbünden, stellen zwar eine reale Bedrohung der inneren Sicherheit dar und gefährden den Wiederaufbau des Landes. Auf lange Sicht gesehen sind aber die Entwicklungen in den Kurdengebieten des Nordens und in den schiitischen Regionen des Südens für die Stabilität des Landes gefährlicher, da die Einbindung dieser beiden "Minderheiten" in den Gesamtstaat noch jede irakische Regierung vor schier unlösbare Probleme gestellt hat. Außerdem sind in beiden Fällen mächtige Nachbarstaaten auf Grund ihres jeweiligen ideologischen oder politischen Selbstverständnisses involviert und können so (vielleicht auch gegen den Willen der eigenen Regierungen) zur Eskalation im Irak beitragen. Das gilt für die Türkei im Hinblick auf die Frage nach einem eigenen Kurdenstaat und, was fast noch wichtiger ist, hinsichtlich der politischen Rolle der Turkmenen in Kirkuk und für den Iran hinsichtlich der theologisch-politischen Konstellation in den renommierten schiitischen Seminaren von Nadschaf und Kerbala, die in der so genannten Hawza Ilmiya zusammengefasst sind. Da über die Kurden bereits relativ viel publiziert wurde, über die innerschiitischen Verhältnisse hingegen nicht, sollen hier die wichtigsten politischen Akteure der irakischen Schiiten und ihr Verhältnis zum Iran behandelt werden.

Die irakischen Schiiten: eine funktionelle Minderheit

Nach Paul Wolfowitz wären die überwiegend säkularistisch eingestellten schiitischen Iraker die besseren Bündnispartner für die USA als die wahhabitischen Eiferer Saudi-Arabiens. Außerdem böte der Irak den Vorteil, keine religiös heiklen Stätten wie Saudi-Arabien zu besitzen.(FN 22) Diese Beurteilung hält einer näheren Betrachtung nicht stand. Zwar ist ein wichtiger Teil der schiitischen Mittelklasse säkularistisch eingestellt, aber die irakischen Schiiten haben eine Vielzahl fundamentalistischer, u.a. auch radikaler Parteien hervorgebracht, und in Nadschaf und Kerbala liegen die wichtigsten Heiligengräber der Schia. Auch die Erwartungen Dick Cheneys wurden enttäuscht;(FN 23) die schiitische Bevölkerung zeigte sich den Amerikanern gegenüber zwar nicht feindlich, doch deutlich reserviert. Im Allgemeinen werfen die Schiiten den USA Verrat nach dem großen Aufstand von 1991 vor, da sie ihrer Meinung nach von den amerikanischen Streitkräften gegen Saddam Husseins Schergen im Stich gelassen wurden. Nur im Bagdader Stadtteil al-Thauwra (Saddam City, jetzt Sadr City), einem von Schiiten bevölkerten Slum, kam es zu größeren Freudenkundgebungen, die jedoch gegen Saddam Hussein und weniger an die Adresse der amerikanischen Befreier gerichtet waren, wie aus den Spruchbändern und mitgeführten Bildern der Ayatollahs Mohammed Baqir und Mohammed Sadiq Sadr zu schließen ist.(FN 24) Schiitische Minderheiten gibt es in der gesamten Golfregion und darüber hinaus in Pakistan, Afghanistan, Indien und im Libanon. In manchen Ländern, v.a. in Saudi-Arabien und Pakistan, ist ihre Glaubensrichtung schweren Diskriminierungen ausgesetzt, die sich oft in gewalttätigen Übergriffen entladen. Im Irak, wo die Mehrheit der arabischen Bevölkerung seit dem 19. Jahrhundert aus Schiiten besteht, wurden sie von den Osmanen, Briten und letztlich vom irakischen Nationalstaat systematisch von der Macht ferngehalten. Ähnliches gilt auch für Bahrein, wo Schiiten ebenfalls die relative Mehrheit bilden, aber wie eine entrechtete Minderheit behandelt werden.(FN 25) Die Chance, diesen Status einer "funktionellen Minderheit" zu überwinden, d.h. einen dem Bevölkerungsanteil entsprechenden Anteil an der politischen Macht zu erwerben, ist mit dem Ende der Baath-Herrschaft und der Beteiligung schiitischer Gruppen am Regierungsrat erstmals gegeben. Mohammed Baqir Hakim forderte genau diese Überwindung des Status einer funktionellen Minderheit, wenn er für seine Glaubensgenossen politische, religiöse und kulturelle Freiheit einforderte.(FN 26) Die überwiegende Mehrheit der irakischen Schiiten sind Araber. Den Großteil stellen die Nachfahren ehemals nomadischer Beduinenstämme, die im Süden des Landes im Zuge ihrer Sesshaftwerdung von der sunnitischen zur schiitischen Richtung des Islam konvertierten.(FN 27) In den mittlerweile fast zur Gänze trocken gelegten ehedem ausgedehnten Sumpfgebieten leb(t)en die sog. Sumpfaraber (ma’dan oder al-ma’adi), die großteils in den Iran vertrieben worden sind.(FN 28) Es gibt aber auch schiitische Gruppen im Norden wie die Faili-Kurden oder Luren(FN 29) und die Turkmenen von Tuz Khurmato.(FN 30) Wie im Irak üblich, spielen auch bei den Schiiten alteingesessene einflussreiche Familien eine große Rolle, am wichtigsten sind dabei jene, die man getrost als Dynastien von Klerikern bezeichnen kann, wie die Sadr, Hakim, Bahrululoum, Mudarresi, Kamuna, Haeri u.v.a., die über weit verzweigte familiäre Bande v.a. in den Iran und Libanon verfügen. In Nadschaf und Kerbala ist außerdem der Jahrhunderte alte persische Einfluss spürbar.

Machtübernahme durch schiitische Gruppen

Das von der Baath hinterlassene Vakuum wurde sofort von schiitischen Parteien und Interessensgruppen gefüllt. Diesen Gruppen und Parteien gehören bei weitem nicht alle Schiiten des Landes an, viele sind nach wie vor eher nationalistisch oder links orientiert,(FN 31) sie sind aber die einzigen Organisationsstrukturen, welche die Herrschaft des Saddam Hussein in der einen oder der anderen Art überlebt haben. Die wichtigsten sind: Großayatollah Sistani und die Hawza Ilmiya (d.i. die theologische Hochschule) in Nadschaf, Ayatollah Hakim (mittlerweile ermordet) und die SCIRI, Muqtada Sadr und seine Anhänger, die Dawa-Partei und die al-Khoei-Stiftung.(FN 32) In Nadschaf haben sich Großayatollah Sistani und die Hawza, der er formell vorsteht, etabliert. Die Städte Baquba und Sadra wurden von Schiiten wahrscheinlich mit iranischer Unterstützung übernommen, in Kut dominiert die SCIRI, Nasirijah scheint unter Kontrolle der Dawa-Partei zu stehen, Sadr City wird von den Anhängern Sadrs, die auch in Kufa und Nadschaf stark sind, kontrolliert und eine Faili-Miliz soll sich in Badra etabliert haben.(FN 33) Nur in Basra herrschte der Stammesführer Scheich Muzahim Mustafa Kanan al-Tamimi für einige Zeit, der jedoch wegen seiner Baath-Mitgliedschaft von den Briten Ende Mai abgesetzt wurde.(FN 34) Ihre organisatorischen Fähigkeiten bewiesen die Schiiten unmittelbar nach dem Fall Saddams, als es ihnen gelang, die großen Pilgerströme nach Nadschaf und Kerbala zu bewältigen und in den beiden Städten die Versorgung der Pilger zu übernehmen. Ad hoc gebildete Komitees zur Nachbarschaftshilfe und Milizen waren mit dem Segen lokaler Scheichs in der Lage, in den meisten schiitischen Städten für die öffentliche Sicherheit zu sorgen. Schiitische (aber auch sunnitische) Kleriker predigten und erließen fatwas gegen Plünderungen.

Die zahlreichen Komitees kümmern sich aber nicht nur um Nachbarschaftshilfe, technische Probleme und den Schutz vor Plünderungen in den Vierteln, sondern auch um die Einhaltung islamischer Kleidervorschriften und Benimmregeln. Besonders deutlich wird dies v.a. durch die Kontrolle der Frauenkleidung, die von mehreren Ayatollahs in sehr streng und unmissverständlich formulierten fatwas geregelt wurde. In Basra tauchten aus dem Nichts selbst ernannte Tugendwächter auf, die durch brutale Gewalt den ehemals berühmten Alkoholverkauf in der Golfstadt zum Erliegen brachten.(FN 35) Am aggressivsten dürfte aber Sadr City islamisiert worden sein, wo Ayatollah Fartusi, ein Abgesandter Muqtada Sadrs, einen Teil der Komitees kontrolliert. Hier waren die Komitees in der Lage, unter Führung der schiitischen Geistlichen die Fedayin-Saddam zu bekämpfen und professionelle Befragungen gefangener Fedayin durchzuführen. Die Ermordung ehemaliger Baath-Mitglieder wurde durch Großayatollah Sistani persönlich untersagt.(FN 36) Schließlich wurden auch die lange verbotenen Parteien reorganisiert.(FN 37) Hizb Dawa

Die Dawa-Partei (Hizb ad-Da‘wa al-Islamiyya/Partei des islamischen Rufes) ist die älteste schiitische Partei des Irak. Teile von ihr wurden Anfang der 80er-Jahre im iranischen Exil auf Betreiben Khomeinis zur SCIRI (s.u.) vereint. Der Großteil der Dawa-Aktivisten blieb aber zum Iran auf Distanz, da man einer anderen theologischen Richtung als Khomeini und seine Leute folgte. Dawa-Zellen existierten während der Herrschaft Saddams im Irak, weitere Gruppen gibt es in Westeuropa, hier v.a. in London, und im Iran.(FN 38) Theologisch folgen die Mitglieder der Partei verschiedenen Ayatollahs, die Unterstützung Ayatollahs Kazim Husseini Ha’eris, eines ehemaligen Mitgliedes, gilt jedoch als besonders wichtig. Andere gehen davon aus, dass die Dawa in erster Linie vom im Libanon lebenden Ayatollah Mohammed Hussein Fadhlallah (dem ehemaligen geistlichen Führer der Hisbollah) beeinflusst wird.(FN 39) Der kuwaitische Flügel der Dawa war in den 80er-Jahren in Anschläge auf den Emir von Kuwait und die französische und amerikanische Botschaft in Kuwait verwickelt und unterhielt jahrelang enge Beziehungen zur libanesischen Hisbollah.

Hisbollah

Die aggressiv antiiranisch auftretende irakische Hisbollah (Hizbollah al-‘Iraqi und Hizbollah-Amara) steht in keiner Verbindung zur gleichnamigen libanesischen Organisation. Obwohl sie bereits 1986 gegründet worden ist, wurde sie erst in letzter Zeit bekannt. Das Programm der Partei ist überwiegend gemäßigt, und sie wird von Abdalkarim "Abu Hatim" al-Muhammadawi geleitet.(FN 40) Seine Gruppe hat Anfang April Einheiten der Fedayin-Saddam und der Armee im Raum Amarah besiegt.(FN 41) Muhammadawi, der "Prinz der Sümpfe", kämpfte 17 Jahre im unwegsamen Sumpfgelände des Südirak gegen Saddams Truppen.(FN 42) Seine Miliz soll in enger Beziehung zur Badr-Brigade stehen bzw. einen Teil derselben bilden. Daher wird er von vielen Beobachtern der SCIRI zugerechnet.(FN 43) Abdalkarim Muhammadawi ist das einzige Mitglied des Regierungsrates, das im Land selbst gegen das Regime Saddam Husseins gekämpft hat. Seine Beziehungen zu den Briten, die seine Bedeutung als erste richtig einschätzten, gelten als außerordentlich gut.(FN 44) Die Sadriyun und Muqtada Sadr

Der 30-jährige Muqtada Sadr ist der Sohn Mohammed Sadiq Sadrs und ein Verwandter des 1979 von Saddam Hussein ermordeten und bis heute in der schiitischen Welt ungemein populären Mohammed Baqir Sadr.(FN 45) Sein Vater Mohammed Sadiq Sadr war sowohl hinsichtlich des Alters als auch mit Blick auf seine theologische Kompetenz der einzige Konkurrent zu Ayatollah Sistani. Mohammed Sadiq Sadr baute in den 90er-Jahren ein Netzwerk von Anhängern und Verehrern auf, die er mit dringend benötigten sozialen Hilfeleistungen während der Sanktionszeit unterstützte. Er wurde 1999 auf Befehl Udai Husseins ermordet, Muqtada ging daraufhin in den Untergrund und organisierte seine Bewegung, "Gemeinschaft des Zweiten Sadr"/Jama’at al-Sadr al-Thani, die v.a. in den Elendsvierteln von Bagdad, Nadschaf und Kufa rasch an Bedeutung gewann. Seine Sadriyun genannten Anhänger gelten als besonders radikal und militant. Da er selbst nur einen bescheidenen theologischen Titel hält, besteht er darauf, dass nur die Lehren seines Vaters für die Gläubigen verbindlich seien, was ein klarer Bruch mit der im Irak und Iran gängigen Interpretation des Marja’-Prinzips ist (s.u.).(FN 46) Darauf spielt eine fatwa Sistanis an, in der dieser sich direkt gegen Muqtada wendet: In ihr wird den Gläubigen eingeschärft, nur fatwas Sistanis und der drei größten Ayatollahs des Landes zu befolgen. Beide, Mohammed Baqir Hakim und Sistani mokierten sich über den ihrer Ansicht nach nur ungenügend gebildeten Muqtada, dessen geistiger Mentor der im Iran lebende Iraker Ayatollah Kazim Husseini Ha’eri ist.(FN 47) Dieser hat Muqtada zu seinem Stellvertreter ernannt, d.h. ihm die Kompetenzen in fatwa-Angelegenheiten übertragen, wodurch Muqtada, zumindest in der Theorie, einem Ayatollah gleichgestellt wäre.

Muqtada wirft Khoei und Hakim vor, zu lange im Exil gewesen zu sein, während er sein ganzes Leben im Irak verbracht habe. Der rasche Aufstieg und die große Anhängerschaft dieser Bewegung hat die meisten Beobachter überrascht. Ihr Rückhalt in der Bevölkerung dürfte zur Zeit recht hoch sein, Iyad Allawi geht davon aus, dass bis zur Hälfte der irakischen Schiiten Sadrs sozialen und politischen Ansichten folgen würden.

Dennoch ist vollkommen unklar, ob seine Organisation sich halten kann oder zusammenbricht. Seine aggressive Rhetorik und die Radikalität seiner verarmten Anhänger, die überwiegend aus Sadr City stammen, hat das religiöse Establishment und die fromme Mittelschicht gegen ihn aufgebracht und zu offenen Drohungen der Hawza und der Bevölkerung von Nadschaf geführt. Muqtada Sadr unterhält Kontakte zu iranischen Stellen und tritt am aggressivsten gegen die USA und gegen andere Kleriker auf. Er hat sich bisher einer besonders aggressiven und antiamerikanischen Polemik bedient, aber weder zum bewaffneten Widerstand noch zum Dschihad gegen die USA oder den Westen aufgerufen, was wahrscheinlich zu seiner sofortigen Verhaftung geführt hätte.

Sein letzter Zug war die Ankündigung des Aufbaues einer neuen Miliz, des "Heeres des Mahdi", d.h. des schiitischen Messias, über dessen Aufgaben zunächst keine Angaben gemacht wurden. Beobachter betonen jedoch, dass dieses "Heer" unbewaffnet ist und sich hauptsächlich auf die Rolle einer Sittenpolizei beschränkt.(FN 48) Islamische Amal

Die von Ayatollah Sayyid Mohammed Taqi Modarresi geleitete Islamische Amal-Partei (Munazzamat al-Amal al-Islami/Organisation der islamischen Aktion) war in den 80er-Jahren in verschiedene Anschläge gegen das Regime Saddam Husseins verwickelt. Eine Zeit lang bildete die Amal einen Teil des SCIRI, löste sich aber von ihm und ist seither selbstständig. Mohammed Taqi kehrte im April in den Irak zurück und warnt seither vor einer gewalttätigen Konfrontation mit den USA, die seiner Ansicht nach unweigerlich in einen irakischen Bürgerkrieg münden würde. Modarresis Amal hat am meisten Anhänger in Kerbala, ist aber bei weitem schwächer als SCIRI oder Dawa.

Sistani und die Hawza

Obwohl die meisten Kleriker tadelnde Worte für die andauernde Besatzung des Landes finden, kommt es auf fast allen Ebenen zur diskreten Kooperation mit den amerikanischen Behörden. Die Macht der Hawza und Sistanis erkennt man schon daran, dass sie den Gläubigen einfach vorschreiben, keinen Parteien ohne ausdrückliche Erlaubnis beizutreten. Die Hawza soll auch auf Anweisung des Großayatollah Sistani am 13.4. ein Rundschreiben an alle Moscheen geschickt haben, in dem die Gründung der Nachbarschaftskomitees und die Bildung von Milizen angeregt wurde, um die Plünderungen einzudämmen.(FN 49) Die islamischen Stiftungen verfügen über genügend Geld, um die Gehälter der öffentlich Bediensteten, z.B. in Nadschaf, zu bezahlen, sodass Müllabfuhr, Gesundheitsversorgung und Verkehrsregelung hier funktionieren. Die Gesetzgebung liegt in den Händen der Ayatollahs, welche die Stadt nach religiösen Grundsätzen und allem Anschein nach leidlich effizient regieren. Ohne - oder gar gegen - sie kann niemand herrschen, und sie sind offensichtlich nicht gewillt, die Macht abzugeben.

Das mussten auch die USA erkennen, als sie einen völlig unbekannten sunnitischen Ex-Oberst aus Bagdad in dieser sensiblen Stadt als Bürgermeister einsetzten, der von den Einheimischen schlicht ignoriert wurde.(FN 50) Außerdem führte der Versuch, eine Frau als Richterin einzusetzen, zu wütenden Protesten der Bevölkerung, die die zuständigen amerikanischen Militärs vollkommen überraschten.(FN 51) Ähnliches gilt auch für Kerbala, wo sich ein Rat aus Honoratioren der Stadt gebildet hatte. Doch hier konnten die amerikanischen Verantwortlichen gute Arbeitsbeziehungen zur Polizei aufbauen. Das Wort und die Anordnungen Sistanis, die von seinem Stellvertreter in Kerbala, Ayatollah Salami, ausgeführt werden, gelten selbstverständlich auch hier, und das öffentliche Leben scheint energisch islamisiert worden zu sein.(FN 52) Sistani und die Hawza scheinen im inner-schiitischen Machtkampf eher den SCIRI zu unterstützen, zumindest versucht er, den jungen Muqtada Sadr in Schach zu halten.(FN 53) SCIRI und Mohammed Baqir al-Hakim

Mohammed Baqir Hakim floh zu Beginn des Iran-Irak-Krieges in den Iran, wo er von Khomeini persönlich wohlwollend aufgenommen wurde. Auf iranische Anregung hin wurden Teile der Dawa-Partei und der irakischen Mudschahedin SCIRI (Majlis a’laa li-th-thaurat islamiya fi l-Iraq) vereint, der den Großteil seiner Mitglieder aus irakischen Flüchtlingen im Iran rekrutierte.(FN 54) Mohammed Baqir, den Khomeini als Revolutionsführer für den Irak vorgesehen hatte, stand dem SCIRI bis zu seiner Ermordung im August 2003 vor. Die Organisation hat kein klar formuliertes Parteiprogramm und eine relativ schwache Organisationsstruktur, die hauptsächlich durch das persönliche Charisma Mohammed Baqirs zusammengehalten wurde.(FN 55) Ayatollah Mohammed Baqir Hakim zelebrierte seine Rückkehr am 12.5. in Nadschaf und wurde von Tausenden Anhängern begeistert begrüßt. In seiner Rede verlangte er das ehestmögliche Ende der Präsenz ausländischer Truppen und die Übergabe der Macht an Iraker, eine Forderung, die seither öfter wiederholt wurde.(FN 56) Ayatollah Hakim, der dem Personenkult nicht ganz abgeneigt gewesen schien, und der SCIRI verfügen über ausreichende finanzielle Mittel und beeindruckten mit einer erdrückenden Medienpräsenz, die von allen anderen Gruppierungen kritisch gesehen wird.

SCIRI zwischen den USA und Iran

Nicht nur die Dawa und die Sadriyun werfen dem SCIRI Abhängigkeit von den Iranern vor, sondern auch die amerikanischen Stellen. Dem Führungsgremium des SCIRI gehören tatsächlich zwei hochrangige aus dem Irak stammende iranische Kleriker wie der Ayatollah Hashimi-Shahrudi und Hojatulislam Taskhiri an.

Demnach waren die USA waren jedenfalls bereit, mit dem SCIRI zu kooperieren. Daher wurde 1998 im Rahmen des Iraq Liberation Act/ILA SCIRI in den Kreis jener irakischen Organisation aufgenommen, die durch den Iraqi National Congress/INC von den USA gefördert werden sollten. SCIRI verweigerte jedoch die Annahme finanzieller Mittel von den USA.(FN 57) Obwohl SCIRI seine Mitgliedschaft im INC immer wieder einfror, dürfte er zwischen den iranischen Stellen und dem INC vermittelt haben, sodass letzterer 2001 einige Büros im Iran einrichten konnte. Dieser Schritt wurde damals von den Revolutionsgarden und vom Nachrichten- und Sicherheitsdienstministerium gutgeheißen. Im September 2000 trafen sich Ayatollah Mohammed Baqir Hakim und Madeleine Albright, um sich über die Bekämpfung Saddam Husseins zu beraten. Den einschlägigen amerikanischen Stellen muss außerdem auch bekannt gewesen sein, dass der Kommandant der Badr-Brigade, Abdulaziz Hakim, als damaliges Mitglied der Dawa-Partei in den 80er-Jahren in verschiedene Terroranschläge gegen befreundete Regierungen in der Golfregion verwickelt gewesen war.(FN 58) Je deutlicher die Kriegsabsicht der USA wurde, desto geschickter agierte SCIRI. Hakim trat nie dezidiert pro-amerikanisch auf, unterstützte aber die amerikanische Argumentationslinie, wenn er zum Beispiel im Dezember 2002 vor irakischen Massenvernichtungswaffen warnte und behauptete, im Besitz von Dokumenten zu sein, die dies belegen könnten. Oder wenn er behaupten ließ, ein Teil der Waffeninspektoren sei von Saddam Hussein bestochen worden.(FN 59) Dann wiederum kritisierte Hamid al-Bayati, SCIRI-Sprecher in London, mit harten Worten die Involvierung der USA in die Treffen der irakischen Opposition (Jänner 2003).(FN 60) Im Großen und Ganzen kann man jedoch davon ausgehen, dass SCIRI die wichtigsten Schritte mit den Amerikanern koordiniert hat, woraus freilich nicht geschlossen werden darf, dass dies in Zukunft ebenfalls der Fall sein wird.

Obwohl der iranische Einfluss nicht unterschätzt werden soll, kann Mohammed Baqir Hakim nicht als Marionette der Iraner bezeichnet werden, wie die umfangreichen Kontakte zu amerikanischen Stellen belegen. Abgesehen davon, dass er einfach zu selbstbewusst war, sich von Teheran gängeln zu lassen, gehörte er der irakischen theologisch-politischen Denkrichtung an.

Die Badr-Brigade

SCIRI unterhält auch eine von den Iranern ausgebildete militärische Einheit, die Badr-Brigade, deren Stärke auf ca. 10.000 Mann geschätzt und vom Bruder Mohammed Baqirs, Abdulaziz Hakim kommandiert wird. Die Badr-Brigade war Mitte März bereits bis in die Gegend von Derbend-i Khan bei Suleymaniya vorgerückt. Sie kämpfte dann mehrere kleinere Gefechte gegen militärische Einheiten der Iraker im Südosten des Landes und vermied dabei jeden Kontakt mit den Amerikanern. Am 6.4. war sie stark genug, in Amarah jeden irakischen Soldaten, der nach dem Zusammenbruch seiner Einheit in Uniform angetroffen wurde, zu töten. Als die Amerikaner am 8.4. in der Region den Befehl erließen, alle Waffen abzugeben, "verschwand" die Badr.(FN 61) Ayatollah Hakim begrüßte den Schritt der Amerikaner, die Gesellschaft zu entwaffnen, wies aber darauf hin, dass es keine Ausnahmen geben dürfe, wie sie von Gen.Lt. McKiernan für die kurdischen Milizen vorgesehen waren. In einem Radiointerview behauptete er, die Badr-Brigade besäße gar keine Waffen. Ende Mai stürmten die Amerikaner die Büros des SCIRI in Tall Afar bei Mosul und in Baquba und befragten die verhafteten Mitglieder der Badr nach den sie begleitenden Iranern, und am 7.6. wurde das von Abdalaziz Hakim geleitete Bagdad-Büro des SCIRI von den Amerikanern durchsucht. Schließlich erklärte Hamid al-Bayati, dass die Badr nach dem Ende des Saddam-Regimes als militärische Einheit überflüssig geworden sei und nun zum "Badr-Institut für Wiederaufbau" umgestaltet würde, was in etwa dem iranischen Jehad-e Sazendegi entsprechen würde, also dem Dschihad des Wiederaufbaus.(FN 62) Die ehemaligen Badr-Milizionäre verteilten nun sehr zum Missfallen der amerikanischen Stellen die aus dem Iran gelieferten Lebensmittel, unterstützten den Wiederaufbau, v.a. von Spitälern, und sorgten nebenbei für die Einhaltung islamischer Normen.(FN 63) Diese Transformation von einer Miliz zu einer Art "Technischem Hilfswerk" passt in die schiitische Dschihad-Ideologie, wo der bewaffnete Kampf eine legitime Möglichkeit, niemals jedoch bloßer Selbstzweck sein kann.

Der SCIRI hat eine geschickte Gratwanderung zwischen Teheran und Washington hinter sich. Bis jetzt gelang es ihm, mit den USA in keine ernsthafte Konfrontation zu geraten und mit den Iranern immer noch gute und freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten. SCIRI setzt wie Sistani auf den langen Atem der Schiiten. Sie spielen auf Zeit und wollen die USA möglichst wenig provozieren. Auf die Durchsuchungen ihrer Büros und die Verhaftungen ihrer Mitglieder reagieren sie mit passiven Widerstand und mit der Fortsetzung ihrer Partizipation an der weiteren irakischen Entwicklung.(FN 64) Nimmt man SCIRIs Politik wie die Teilnahme am Regierungsrat und ihre offenkundige Kooperationsbereitschaft, dann scheint der Verlust des militärischen Flügels mit den landesfremden iranischen Revolutionsgardisten nicht besonders zu schmerzen.

Morde und Mordversuche in Nadschaf

Abdulmajid Khoei

Die Islamisierung der Gesellschaft ist aber der einzige Punkt, in dem sich die Geistlichen einig sind. Der Klerus ist sich über das Verhältnis von Staat und Religion im Allgemeinen uneins, und die Vertreter der einzelnen Gruppen bedrohen sich z.T. untereinander. Am dramatischsten musste das Abdulmajid al-Khoei spüren, der am 10.4.2003 von einem aufgebrachten Mob in der Moschee von Nadschaf ermordet wurde. Diese Tat, für die die Anhänger von Muqtada Sadr verantwortlich gemacht werden, an einem dermaßen heiligen Ort wie der Ali-Moschee in Nadschaf, kommt einem Sakrileg gleich und zeigt die schreckliche Hinterlassenschaft des Saddam-Regimes: Gewalt und politisierte Religion. Al-Khoei galt vielen als zu Amerika-freundlich, und die USA bestätigten, intensive Kontakte zu ihm gehalten zu haben.

Mohammed Said Tabatabai Hakim

Während die Verantwortung für diesen ersten Mord an einem schiitischen Kleriker in Nadschaf eindeutig auf Seiten der Sadriyun zu liegen scheint, ist die Urheberschaft in den folgenden Anschlägen nicht so leicht zuzuordnen. Am 24.8.2003 wurde auf Großayatollah Mohammed Said Tabatabai Hakim, einen der vier hochrangigsten Ayatollahs der Hawza Ilmiya, ein Anschlag verübt, dem drei seiner Leibwächter zum Opfer fielen und zehn weitere Personen verwundet wurden.(FN 65) Mohammed Said Tabatabai Hakim, der Onkel Mohammed Baqir und Abdulaziz Hakims überlebte leicht verwundet. Er vertritt wie Sistani eine politisch quietistische Richtung und weigerte sich für die Vertreibung der Amerikaner einzutreten. Als Mitte August ein Tonband auftauchte, in dem Saddam Hussein den schiitischen Klerus drängte, einen Dschihad gegen die Amerikaner zu erklären, weigerten sich die Ayatollahs und verurteilten die Jahre der Tyrannei unter Saddam. Daher fällt natürlich der Hauptverdacht auf die Baathisten und sonstige Anhänger Saddams, die die größte Erfahrung im Umgang mit Sprengmitteln haben. Muqtadas Anhänger kommen aus mehreren Gründen nicht in Betracht: erstens weil Autobomben eben nicht der Modus Operandi der Sadriyun sind, zweitens, weil der Ansehensverlust viel zu groß wäre, und drittens, weil ihn die Amerikaner sofort verhaften würden.(FN 66) Mohammed Baqir al-Hakim

In offener Konkurrenz zu Großayatollah Sistani stand Ayatollah Mohammed Baqir Hakim, der erst kurz vor seiner Rückkehr im Iran zum Großayatollah ernannt worden sein soll und als Nachfolger Sistanis gehandelt wurde. Seine Stellung als religiöser Führer war durchaus umstritten.

Mohammed Baqir galt als geschickter Verhandler und vertrauenswürdiger Gesprächspartner, der bereit war, mit allen irakischen Gruppen zu kooperieren. In seiner letzten Predigt, wenige Minuten bevor er einem Bombenanschlag zum Opfer fiel, predigte er die Einheit der irakischen Nation.(FN 67) Wer stand hinter diesem Anschlag? Mit Beschuldigungen war man bald zur Hand, Muqtada Sadr, der damit einen Konkurrenten hätte loswerden wollen, Ex-Baathis, Wahhabiten (deren Hass auf alles Schiitische bekannt ist), Baathis und Wahhabiten gemeinsam und schließlich - die Iraner.

Muqtada Sadr hat eine Involvierung sofort abgestritten und war der erste, der den Anschlag verurteilte. Das ist durchaus glaubwürdig. Die Anhänger Muqtadas bedrohen, beleidigen, verprügeln oder erstechen ihre Gegner. Autobomben zu legen und im richtigen Moment hochgehen zu lassen bedarf einer guten Ausbildung, wie sie für die Mitarbeiter des irakischen Geheimdienstes, der Mukhabarat, typisch ist. Muqtada Sadr und seine Anhänger scheiden also aus.

Bleiben also Saddam-Anhänger und die Wahhabiten (sunnitische Extremisten). Letztere dürften noch zu schwach im Land sein, und trotz ihres Hasses auf die Schia bilden amerikanische und andere ausländische Truppen ein bei weitem besseres Ziel. Gelingt es, die schiitischen Frustrationen gegen die USA zu richten und die gemäßigten Ayatollahs zu radikalisieren, wird es schwierig bis unmöglich sein, das Land zu befrieden oder besetzt zu halten. Hamid al-Bayati, der Sprecher des SCIRI in London, geht von einer Kooperation von Saddam-Anhängern mit Al Qaida oder anderen wahhabitischen Extremisten aus,(FN 68) was durchaus Sinn machen würde und, nach dem bisherigen Wissensstand zu urteilen, die glaubwürdigste Variante ist. Schließlich wurde Anfang September ein weiterer Anschlag auf einen hochrangigen Kleriker verübt: Großayatollah Hussein Bashir al-Najafi (oder al-Afghani), einem weiteren Mitglied des Führungsgremiums der Hawza. Der Täter konnte gefasst werden und gab zu, ein Mitglied der Fedayin-Saddam zu sein.(FN 69) Damit ist der Verdacht gegen Saddam Hussein, der während seiner Herrschaft ja systematisch schiitische Kleriker ermorden ließ, bestätigt.

Die internationale Schia und der iranische Faktor

Die Schia verfügt über einen weltweit aktiven, ausgezeichnet organisierten Klerus, der zum Teil über erhebliche finanzielle Mittel verfügen kann. Die meisten Ayatollahs haben zumindest für einige Zeit im Irak studiert und sind den theologischen Seminaren, allen voran der Hawza Ilmiya in Nadschaf nach wie vor verbunden. Ganz besonders trifft dies natürlich für das Land zu, in dem die Schia die Staatsreligion ist: auf den Iran. Keine iranische Regierung konnte es sich je leisten, die Gelehrten von Nadschaf und Kerbala zu ignorieren. Nur durch die Herrschaft Saddam Husseins konnte sich das iranische Qom als schiitisches Zentrum von Weltruf etablieren. Bei vielen frommen Familien ist es oft schwierig, genau zu unterscheiden, ob es sich nun um Araber oder Perser handelt. Saddam Hussein hat seinerzeit darauf mit Massenausweisungen reagiert und Hunderttausende seit Generationen im Irak ansässige Iraner (bzw. wen seine Funktionäre dafür hielten) ausgewiesen.(FN 70) Gelehrte aus dem jeweiligen Nachbarland haben traditionellerweise eine bedeutende Rolle in beiden Ländern gespielt. So ist unter den wichtigsten Ayatollahs der Hawza Ilmiya - Großayatollah Sayyid Mirza Ali Sistani, Ayatollah Mohammad Ishaq Fayyadh, Hussein Bashir al-Afghani oder Najafi und Mohammed Said Hakim - letztgenannter der einzige Iraker.(FN 71) Sistani stammt aus dem Iran, Ayatollah Fayyadh ist Afghane und Najafi Pakistaner. Dafür stammt der iranische Justizminister Mahmud Hashimi-Shahrudi aus Nadschaf.(FN 72) "Herrschaft der Rechtsgelehrten" und "Vorbild der Nachahmung"

Die Lehre von der "Herrschaft der Rechtsgelehrten/velayat-e faqih/vilayat al-faqih" ist in gewisser Weise ein Versuch, das Dilemma der schiitischen Kleriker zwischen quietistischer Absenz von der Politik und aktiver Teilnahme zu überbrücken. Diese Lehre besagt, dass jener Marja’, der die qualifizierteste Ausbildung genossen, die beste Erfahrung in politischen Angelegenheiten hat und durch das Volk legitimiert ist, die Angelegenheiten des Staates beaufsichtigen oder leiten soll. Das Amt bricht also mit der Marja’-Tradition, indem ihm andere als theologische Kriterien zu Grunde gelegt werden.(FN 73) Unter dem Charismatiker Khomeini wurden bald nach der islamischen Revolution im Iran (1979) alle sicherheitsrelevanten Institutionen bei ihm als Revolutionsführer (rahbar-e enqelab-e eslami) vereint, der über oder neben dem Parlament steht und massiv in die Politik Einfluss nimmt. Khomeini war nicht nur Inhaber des velayat-e faqih, der Herrschaft des Rechtsgelehrten, sondern auch Revolutionsführer, sodass im modernen iranischen Sprachgebrauch die beiden Begriffe synonym verwendet werden.(FN 74) Khomeini versuchte seinerzeit zu einer Art "Papst" der Schia zu werden und alle schiitischen Gruppen unter seiner Führung zu vereinen. Am erfolgreichsten war er bei der libanesischen Hisbollah (aber nicht bei der libanesischen Amal).

Diese Situation ist heute noch so ähnlich, doch der Amtsinhaber Khamenei wird von wenigen auch in der Hisbollah als würdig betrachtet, da ihm gewisse Stufen der theologischen Ausbildung fehlen. Sogar unter jenen, die prinzipiell am Konzept der vilayat al-faqih/velayat-e faqih festhalten, wie z.B. in der irakischen Dawa-Partei, sieht man nicht ein, warum derselbe Faqih, der für Iran zuständig ist (Khamenei) auch für den Irak und Libanon zuständig sein sollte,(FN 75) womit sie dem ganzen System den Sinn nehmen. Nur Ayatollah Nasrallah von der Hisbollah scheint Khamenei als Oberhaupt anerkennen zu wollen.(FN 76) Ein formelles Oberhaupt aller Ayatollahs oder besser: ein "primus inter pares" der Großayatollahs, der bei Meinungsunterschieden verschiedener Marjas angerufen werden konnte, hat es bis 1961 gegeben: Großayatollah Borujerdi (ehemaliger Lehrer Khomeinis), der den Ehrentitel eines Marja’ al-taqlid al-motlaq, eines absoluten Vorbildes zur Nachahmung, führte. Seither konnten sich die schiitischen Marja’ auf keinen würdigen Nachfolger einigen; am ehesten noch auf den 1970 verstorbenen Muhsin Hakim; dem Vater Mohammed Baqirs und Abdulaziz Hakims und Bruder des gegenwärtigen Mitgliedes im Viererrat der Hawza, Mohammed Said Hakim. Muhsin Hakim war der Lehrer Mohammed Baqir Sadrs (Onkel Muqtada Sadrs), eines wichtigen politisch aktiven Theologen, der von Saddams Geheimdienst ermordet wurde. Viele Ayatollahs studierten gleichzeitig bei al-Khoei und bei Hakim. Wichtig sind seine Schüler, die später im Libanon aktiv waren: Fadhlallah und Musa Sadr.(FN 77) Nach dem Tod Muhsins leitete der Vater des im April ermordeten Abdulmajid, Großayatollah Muhammand Abu l-Qasim al-Khoei bis zu seinem Tod 1992 die Hawza, von ihm übernahm Sayyid Mohammed Ali Sistani das Amt, die irakische Regierung ernannte jedoch Mohammed Sadiq Sadr, den Vater Muqtadas, zum Vorsitzenden, was zum einen den Wunsch nach einem arabischen Marja im Land zum Ausdruck brachte, zum anderen auch als Indiz dafür gewertet wurde, dass das Regime den Fehler, den es mit der Ermordung Mohammed Baqir Sadrs begangen hatte, erkannte.(FN 78) Der iranische Standpunkt in diesem Zusammenhang lautet, dass der Amtsinhaber der velayat-e faqih ohnehin der oberste Marja’ sei. Arabische Schiiten sehen das anders; nicht nur die theologischen Mängel Khameneis spielen eine Rolle, sondern auch der arabische Nationalismus und die Erkenntnis, dass das Marja’-System, das den Amtsinhabern großen Handlungs- und Interpretationsspielraum einräumt, dem velayat-e faqih vollkommen untergeordnet und dadurch entwertet würde. Außerhalb Irans wurde das System, das weder im Irak noch im Libanon nennenswerten Einfluss erringen konnte, sogar scharf kritisiert. In London wurde ein "Komitee zur Verteidigung der Rechte der schiitischen marja" (Lajna al-difa’ an huquq al-marja’iya al-shi’iya) als Interessenvertretung der traditionellen quietistischen Kleriker gegründet, deren Aktivitäten direkt gegen die politisch-theologischen Interessen des iranischen Revolutionsapparates gerichtet sind.

Mit dem Ende des Saddam-Regimes ist nicht nur die Rolle Sistanis gestärkt worden, sondern auch die der Hawza von Nadschaf, der unter dem Baath-Regime ein Dornröschenschlaf aufgezwungen worden war. Schon allein aus diesem Grund ergibt sich Handlungsbedarf für Khamenei, denn angesichts der Tatsache, dass er sich bereits mit Gegnern des velayat-e faqih im eigenen Lande gegenübersieht, entsteht nun ein weiteres schiitisches Zentrum, das nicht nur vollständig seiner Kontrolle entzogen ist, sondern noch dazu das prestigeträchtigste schiitische Lehrinstitut weltweit ist.(FN 79) Gelänge es nun den Schiiten außerhalb des Iran, sich auf einen Marja’ al-taqlid al-motlaq zu einigen (z.B. Sistani oder Fadhlallah), wäre das ein schwerer Prestigeverlust für Khamenei als Person und für das iranische Prinzip des velayat-e faqih. Bei Großayatollah Sistani kommt noch dazu, dass er über eine beachtliche Anhängerschaft im Iran selbst verfügt, wo er in Qom und Mashhad Büros unterhält. Khamenei muss also, will er seine Funktion noch ernst nehmen, auf die Ereignisse in Nadschaf und Kerbala Einfluss nehmen. Da er gleichzeitig Oberbefehlshaber aller iranischen Streitkräfte und Nachrichtendienste ist, ist diese hierarchisch-theologische Auseinandersetzung von besonderer sicherheitspolitischer Brisanz.

Der iranische Handlungsspielraum

Da der SCIRI offensichtlich eigene Wege geht (bzw. immer gegangen ist), sich in vielen Punkten mit den USA geeint zu haben scheint und weder die iranischen Rückzugsbasen noch die Badr-Brigade als militärische Einheit mehr braucht, ist den Iranern das wichtigste Instrument, mit dem sie politischen Einfluss im Irak nehmen könnten, abhanden gekommen. Ähnliches gilt für die meisten anderen irakischen Gruppen, v.a. für die Dawa. Daher ist es nur natürlich, wenn Khamenei (wahrscheinlich Taskhiri in seinem Auftrag) sich nach neuen irakischen Verbündeten umschaut. Möglicherweise haben sie einen in Muqtada Sadr gefunden. Muqtada besuchte im Juni Teheran, um an den Gedenkfeiern zum Todestag Khomeinis teilzunehmen. Dort äußerte er Hussein, dem Enkel Khomeinis, gegenüber seinen Wunsch nach einem islamischen Regime im Irak. Später wurde er von Ali-Akbar Hashimi-Rafsanjani empfangen, der die USA vor Schwierigkeiten warnte, sollten sie eine Marionettenregierung, die den Wünschen der Bevölkerung nicht entgegenkomme, einsetzen wollen.(FN 80) Viele Beobachter bringen die letzten aggressiven Äußerungen Muqtadas gegen die Amerikaner mit diesem Besuch in Verbindung, was von seinen Anhängern abgestritten wird. Muqtada steht, wie oben bereits ausgeführt wurde, in enger Beziehung zu Ayatollah Husseini-Ha’eri, einem in Qom lebenden Iraker, der als überzeugter Anhänger des iranischen Systems gilt. Das alleine würde aber nicht ausreichen, um die Zusammenarbeit zwischen dem jugendlichen Hitzkopf und dem erfahrenen Ayatollah zu erklären. Vielmehr scheint eher ein profaner Kuhhandel zwischen den beiden stattgefunden zu haben: Muqtada wird zum Bevollmächtigten Ha’eris im Irak und bekommt so theologische Kompetenzen, die seinem Rang nicht zustehen würden, dafür unterstützt er Husseini-Ha’eri in dessen Bestrebung, anstelle Sistanis Vorsitzender der Hawza in Nadschaf zu werden.(FN 81) Sollte sich diese Schlussfolgerung tatsächlich als stichhaltig erweisen, ist der Einfluss der Iraner noch geringer als erwartet, da Husseini-Ha’eri, wenn er einmal Vorsitzender der prestigeträchtigen Hawza Ilmiya werden sollte, wohl kaum ein Interesse daran haben wird, sich von Khamenei gängeln zu lassen.

Der iranische Einfluss auf die irakischen Kleriker muss daher als weit geringer beurteilt werden, als man bisher annehmen konnte. Zwar ist Muqtada Sadr der Anführer einer großen, populistischen Unzufriedenenbewegung und Vieles, was heutzutage im Irak geschieht, erinnert in der Tat an die chaotischen Tage der Revolution im Iran, doch fehlt ihm das politische und theologische Format eines Khomeini.

Möglichkeiten zur demokratischen Entwicklung

Der Übergang zur Demokratie und zu voller nationaler Souveränität kann erst gelingen, wenn die wichtigsten materiellen Voraussetzungen (Elektrizität, Wasser, Schulbetrieb, Müllabfuhr etc.) erfüllt sind und in weiterer Folge zwei Problemgebiete angesprochen und einer Lösung näher gebracht werden, die seit der Gründung des Landes ungelöst sind: die Frage der kurdischen Autonomie im Norden und die Beteiligung der Schiiten im Süden an der Macht. Gibt es angesichts der Uneinigkeit der schiitischen Kleriker und der zum Teil offenen Konzeptlosigkeit Hoffnung auf eine demokratische Entwicklung im Irak? Die Antwort ist ein vorsichtiges Ja.

Erstens ist der gegenwärtige Schwebezustand zwischen CPA, der Hawza und SCIRI sowohl für die USA als auch für die Schiiten von Vorteil. Das wichtigste vordergründige gemeinsame Ziel wurde bereits erreicht: relative Ruhe, Sicherheit und Stabilität, die sowohl der schiitischen Bevölkerung im Süden als auch den amerikanischen und britischen Truppen zum Vorteil gereicht, denn die meisten Anschläge finden wie eingangs erwähnt im so genannten sunnitischen "Dreieck" statt.

Zweitens ist die schiitische Lehre nicht von vornherein gegen die Demokratie gerichtet. Da ohnehin jede irdische Autorität illegitim ist, da sie dem Messias zusteht, ist die Frage, ob eine Demokratie, Republik oder Monarchie eingeführt werden soll, nebensächlich und kann durchaus von Laien gelöst werden, die im Idealfall gute Muslime und gerechte Herrscher sein sollen. Eine Teilnahme an demokratischen Prozessen, zumindest an freien Parlamentswahlen, ist damit nicht ausgeschlossen. Nicht einmal dann nicht, wenn die Scharia landesweit nicht eingeführt werden kann. So ermöglichte Ayatollah Mohammed Hussein Fadhlallah der Hisbollah die Teilnahme an den libanesischen Parlamentswahlen, indem er erklärte, dass das Land sich einfach nicht für einen islamischen Staat eignen würde. Hakim, der wie Fadhlallah ein Khoei-Schüler ist, argumentierte ähnlich wie dieser, als er sagte, dass das iranische System für den Irak einfach nicht anwendbar sei. Das steht im Widerspruch zur Lehre von der Herrschaft der Rechtsgelehrten in der Interpretation, wie sie Khomeini vertrat. Doch diese wird im Iran selbst kritisiert und neu interpretiert, ein Prozess der noch lange nicht abgeschlossen ist und dessen Kernpunkt die Machtverteilung zwischen dem Revolutionsführer und dem Parlament ist.(FN 82) Das iranische Beispiel - v.a. die Exzesse Anfang der 80er-Jahre - haben einen theologischen Diskussionsprozess zu Gunsten demokratischer Lösungsansätze losgetreten.

Auffallend ist außerdem, dass alle schiitischen Vertreter die Volkssouveränität in den Vordergrund stellen, womit die Grundlage für eine weitere demokratische Entwicklung gelegt ist. Das steht im Gegensatz zu den islamischen Fundamentalisten, die sich auf Sayyid Qutb berufen und deren unduldsame und intolerante Interpretation des Islam u.a. in den Terrorismus geführt hat.

Drittens: Auch eine Trennung zwischen (nicht vorhandener) "Kirche" und Staat ist möglich! Die direkte Involvierung in die Politik widerspricht der traditionellen schiitischen Lehre, die einer Teilnahme der Kleriker in politische Angelegenheiten kritisch gegenübersteht. Doch das soll nicht heißen, dass die Ayatollahs unpolitisch wären, gegenteilige Beispiele wurden oben ja zur Genüge angeführt. Es geht ihnen in erster Linie darum, dass die Regeln des Islam in der Gesellschaft zur Geltung gebracht werden. So wurde im Juni eine fatwa Sistanis über die Vermischung von Politik und Religion publiziert. Seine Ausführungen gewähren Rückschlüsse darauf, wie er sich die Rolle der Kleriker im zukünftigen Irak vorstellt: Nach einer Verurteilung der Partizipation von Klerikern in Politik und Verwaltung präzisiert er deren Aufgabe als "Leitung und Überwachung" der Komitees, die zur Zeit mit der Administration der Städte betraut sind.(FN 83) Wie er sich nun diese Leitung und Überwachung genau vorstellt, ist anhand der veröffentlichten Berichte nicht nachvollziehbar, dass er sich als letzte Instanz und Oberbehörde sieht, kann angenommen werden. Damit wird er in Widerspruch zur CPA geraten oder, anders formuliert, die CPA hat das Problem der genauen Grenzziehung des Einflusses zwischen dem irakischen Zentralstaat und der Einflusssphäre der Marjas,(FN 84) das Saddam Hussein mit unglaublicher Brutalität auszumerzen versucht hat, geerbt. Die aktuelle Situation ist eine Ironie der Geschichte: Die USA öffneten dem schiitischen Klerus, also jener Gesellschaftsschicht, von der sie durch die Revolution im Iran am schwersten gedemütigt wurden, einen politischen Handlungsspielraum, den dieser im Irak noch nie hatte. Der jetzige national-irakische Meinungs- und Staatsbildungsprozess, der durch die zahlreichen Treffen der Oppositionsgruppen begonnen hat und durch den Regierungsrat weiter fortgesetzt wird, wurde durch die USA mit-initiiert und gefördert. Obwohl die Lage äußerst kritisch ist, sind die Voraussetzungen für eine demokratische Entwicklung daher prinzipiell gegeben. Freilich darf man nicht den Fehler begehen und europäische oder amerikanische Verhältnisse auf den Nahen Osten übertragen wollen.

ANMERKUNGEN:

(Fußnote 1 /FN 1) Den Verlauf der Ereignisse siehe bei Hiro, Dilip: Neighbours, not Friends. Iran and Iraq after the Gulf Wars, London 2001, S.102-119; Baer, Robert: See No Evil. The True Story of a Ground Soldier in the CIA’s War on Terrorism, New York 2002, S.171ff.

(FN 2) Die Bedeutung des ILA siehe bei Katzman, Kenneth: Iraq: US-Regime Change Efforts and Post-War Governance, (CRS-RL 31339) 29.8.2003, S.10f. Die geförderten Gruppen waren: Iraqi National Congress (INC), Iraqi National Accord (INA), Supreme Council for the Islamic Revolution in Iraq (SCIRI), Islamic Movement of Iraqi Kurdistan (IMIK), Movement for the Constitutional Monarchy (MCM), Patriotic Union of Kurdistan (PUK), Kurdistan Democratic Party (KDP).

(FN 3) Karakurt, Sebati: Ihanet Emrini Ben götürdüm (Den Befehl zum Verrat habe ich überbracht). Hürriyet, 22.4.2003 (www.hurriyet.com); Prusher, Ilene R.: Jobless Soldiers issue Threats. In: Christian Science Monitor 5.6.2003.

(FN 4) CPA/REG/16 May 2003/01 Sect. 1-1; http://www.cpa-iraq.org/regulations/REG1.pdf.; Katzman, Post-War Governance, S.25.

(FN 5) McCarthy, Robert: Iraqi Self-rule may be full year away. The Guardian, 2.6.2003; Prusher, Ilene R.: US makes U-turn on Iraq council. Christian Science Monitor, 3.6.2003; NZZ 116, 21.5.2003; Katzman, Post-War Governance, S.21.

(FN 6) NZZ 155, 8.7.2003; Associated Press: Duties of Iraq’s Governing Council. Washington Post, 13.7.2003.

(FN 7) NZZ 160, 14.7.2003; Peterson, Scott: Iraq takes key step to self-rule. Christian Science Monitor, 14.7.2003; Members of the Iraqi Governing Council. In: The Middle East, Nr.337 August-September 2003, S.11.

(FN 8) Ridolfo, Kathleen: Iraqi Governing Council is inaugurated: a Look at the First Week. In: RFE/RL, Iraq Report, 6.31, 17.7.2003.6.33 1.8.2003; Price, Niko (AP): Iraq’s new President comes from London. Tallahassee Democrat, 4.8.2003 www.tallahassee.com; Hurst, Steven: Iraq’s Governing Council names first president. Toronto Star, 30.7.2003. Internet-Dokument: www.thestar.com.

(FN 9) Siehe die Ministerliste bei RFE/RL http://www.rferl.org/specials/iraqcrisis/iraq_cabinet.asp.

(FN 10) Vesely, Milan: "The Awdah Threat”. In: The Middle East, Nr.337, August-September 2003, S.20ff.

(FN 11) Für eine mögliche Verbindung nach Afghanistan siehe Hurst, Steven: Iraq’s Governing Council names first president. Toronto Star, 30.7.2003; Internet-Dokument: www.thestar.com.

(FN 12) Scott-Tyson: US enters tricky new phase. Salam Pax: Dear Raed.

(FN 13) RFE/RL, Iraq Report 6.22, 16.5.2003.

(FN 14) Vermutlich: Mudschahidin/Glaubenskämpfer. Wahrscheinlich handelt es sich um die von Katzman, Post-War Governance, S.24 beschriebene "Salafist Jihad Group". Ob es sich um dieselbe Gruppe handelt, die nach Scheich Ahmed Rajab vom Stamm der Alawani in Ramadi Anschläge verübte und von den Amerikanern vertrieben wurde, konnte nicht festgestellt werden. Hierzu siehe Steele-Howard: Quiet War.

(FN 15) RFE/RL, Iraq Report, 6.33 1.8.2003.

(FN 16) Unter "Dschihadi" verstehe ich jene international agierenden, meist arabischstämmigen Terroristen, die in Afghanistan gegen die Sowjets gekämpft haben, sowie jene jüngere Generation, die von diesen ausgebildet oder inspiriert wurde. Dschihadis können, müssen aber nicht einer bestimmten Gruppe angehören. Sie sind ausnahmslos Anhänger radikaler sunnitischer Strömungen wie der Salafiya und der Wahhabiya. Autochthone, lokal gebundene Milizionäre werden meist als "Mudschahid(in)" bezeichnet.

(FN 17) Bei ihm handelt es sich vermutlich um den in Dubai ansässigen islamischen Gelehrten. Er darf nicht mit dem gleichnamigen Ex-Baathisten, der in den letzten Monaten Europa (u.a. Wien) bereiste, verwechselt werden. Für diesen siehe Internet-Dokument: http://middleeastreference.org.uk/iraqiopposition.html.

(FN 18) Ähnliches behauptet auch der Imam der Moschee von Ramadi Dschihad Abid Hussein al-Alawani, der den Widerstand damit begründet, dass die Amerikaner ihre Versprechen nicht erfüllt hätten. Siehe Steele-Howard: Quiet War.

(FN 19) Internet-Dokument: http:://www.hawlati.com; sowie Vesely: The Awdah Threat, S.21.

(FN 20) Posch, Walter: Irak unter Saddam Hussein. Das Ende einer Ära? (Schriftenreihe der LVAK 13), Wien 2002, SS.104ff.

(FN 21) Zitiert nach Cole, Juan: Shiite Religious Parties Fill Vacuum in Southern Iraq. Middle East Report Online - MERIP 22.4.2003. (Internet-Dokument: http://www.merip.org/mero/mero042203.html).

(FN 22) "In Cheney’s Words: The Administration’s Case for Removing Saddam Hussein”, New York Times, 27.8.2002. U.a. haben Prof. Fuad Ajami und Rend Rahim Francke argumentiert, dass die amerikanischen Truppen als Befreier begrüßt würden. Internet-Dokument: http://www.globalsecurity.org/military/ops/alhakim.htm.

(FN 23) Aufnahme des TV-Senders CNN; Jane’s Intelligence Digest: Iraq’s Shia’s on the March. 25.4.2003.

(FN 24) Für die Lage einer Mehrheit, die als Minderheit behandelt wird, wurde der Ausdruck "funktionelle Minderheit" geprägt. Siehe Cole, Juan: Sacred Space and Holy War. The Politics and History of Shi’ite Islam, London - New York 2002, S.175.

(FN 25) RFE/RL, Newsline, 7.90 III 14.5.2003.

(FN 26) Nakash, Yitzhak: The Shi’is of Iraq. 2. erweiterte Auflage, Princeton 2003, S.25ff; die im Norden verbliebenen Stammesgruppen blieben jedoch der Sunna treu, sodass es heute gemischt konfessionelle Stämme gibt wie die Jubur oder die Shammar.

(FN 27) Die archaische Lebensweise und Kultur der Ma’dan wurde mit der Trockenlegung der Sümpfe durch Saddam Hussein vernichtet. Für die ökologischen und humanitären Folgen (bzw. Katastrophen) siehe Nicholson, Emma und Clark, Peter (Hrsg.): The Iraqi Marshlands. A Human and Environmental Study. London 2002.

(FN 28) Posch, Irak, S.52.

(FN 29) Bei ihnen muss es sich um eine Minderheit handeln, da die Turkmenen überwiegend Sunniten sind. Internet-Dokument: www.juancole.com/2003_08_01_juancole_ archive.html.

(FN 30) Nasrawi, Salah: Moment of Truth. Al-Ahram Weekly, 17.-23.7.2003; http://weekly.ahram.org.eg/2003/647/op12htm.

(FN 31) Leading Shiite Factions. A Guide to People and Organizations Shaping the New Government. In: Washington Post, 18.4.2003.

(FN 32) Cole: Shiite Religious Parties; Badra, Chanaqin und Mandali sind die Siedlungsgebiete der schiitischen Faili-Kurden. Bei der genannten Miliz könnte es sich um die 1981 gegründete Islamische Bewegung der Faili-Kurden handeln. Vgl. Babakhan: Deportation, S.203.

(FN 33) RFE/RL, Iraq Report 6.24, 30.5.2003.

(FN 34) NZZ Nr.163, 17.7.2003; für einen Anschlag auf ein Geschäft siehe RFE/RL: Iraq Report, 6.33, 1.8.2003.

(FN 35) RFE/RL, Iraq Report 6.24, 30.5.2003.

(FN 36) Kessler, Glenn und Priest, Dana: U.S. Planners Surprised by Strength of Iraqi Shiites. Washington Post, 23.4.2003.

(FN 37) Samii, Bill: Iraqi Shi’a and Post-Saddam Iraq. In: RFE/RL: Iraq Report, No.6.17, 10.4.2003; die Entwicklung der Da’wa siehe bei Posch, a.a.O., S.166-171.

(FN 38) Shadid, Anthony: Shiite Clerics Face a Time Of Opportunity and Risks. Washington Post, 20.4.2003.

(FN 39) Salam Pax, a.a.O.

(FN 40) Samii, a.a.O.

(FN 41) Associated Press: Members of Iraq’s Governing Council. Washington Post, 13.7.2003.

(FN 42) Katzman, a.a.O., S.6.

(FN 43) NZZ 175, 31.7.2003, S.3.

(FN 44) Mohammed Baqir Sadr war einer der wichtigsten islamistischen Theoretiker und wird in einer Reihe mit Sayyid Qutb, al-Mawdudi u.a. genannt. Er hat aktiv am Aufbau der Da’wa-Partei mitgearbeitet und widmete sich besonders dem Verhältnis von Islam und Politik. 1979 wurde er mit seiner Schwester auf Befehl Saddam Husseins umgebracht. Vgl.: Aziz, Talib: The Political Theory of Muhammad Baqir Sadr. In: Abdul-Jabar, Faleh: Ayatollahs Sufis and Ideologues. State Religion and Social Movements in Iraq. London 2002, S.231-244; die amerikanische Beurteilung M. Baqir Sadrs siehe bei Katzman, Regime Change Efforts and the Iraqi Opposition, S.4; das Verwandtschaftsverhältnis zu Muqtada bei Ford: Holy Men.

(FN 45) Cole, a.a.O.

(FN 46) Shadid, Anthony: A Struggle for Iraqi Clergy’s Soul. Some Shiite Reject Tradition, Embrace Politics. Washington Post 30.6.2003.

(FN 47) Shadid, Anthony: Cleric Risks a Backlash With Anti-U.S. Rhetoric. Washington Post, 28.7.2003.

(FN 48) RFE/RL: Iraq Report, 6.18, 19.4.2003.

(FN 49) Booth, William: In Najaf, New Mayor Is Outsider Viewed With Suspicion. Washington Post, 14.5.2003; Krane, Jim: Explosion at Mosque Kills Five Iraqis. Washington Post 1.7.2003.

(FN 50) MacFarquhar, Neil: In Najaf, Justice Can be Blind but Not Female. New York Times, 31.7.2003.

(FN 51) Shadid, Anthony: "In Holy City, Things are Going Right." Washington Post, 11.6.2003; derselbe: Shiite Clerics Face a Time Of Opportunity and Risks. Washington Post, 20.4.2003.

(FN 52) Katzman, a.a.O., S.8.

(FN 53) Posch, a.a.O., S.172f.

(FN 54) Nasrawi, a.a.O.

(FN 55) RFE/RL, Iraq Report 6.23, 23.5.2003.

(FN 56) Harman, Danna: A wary US watches an exile’s return. Christian Science Monitor, 12.5.2003.

(FN 57) Katzman, Regime Change Efforts and the Iraqi Opposition. S.3f.; für diese Episode in der Geschichte der Da’wa-Partei siehe Posch, Irak, S.169f.; über Abdulaziz ist nicht viel mehr zu erfahren, als dass er der Bruder Mohammed Baqirs ist (mit dem ihn globalsecurity.org auch prompt verwechselt: http://www.global-security.org/military/ops/alhakim.htm) und gute Beziehungen zu allen von den Amerikanern unterstützten anti-Saddam Gruppen unterhielt. Hierzu Associated Press: Members of Iraq’s Governing Council. Washington Post, 13.7.2003.

(FN 58) RFE/RL, Iraq Report, 5.40, 9.12.2002.

(FN 59) RFE/RL, Iraq Report, 6.2, 20.1.2003.

(FN 60) Peterson, Scott und Ford, Peter: From Iraqi officers, three tales of shock and defeat. Christian Science Monitor 18.4.2003; die Badr hat also nicht, wie anders lautende Berichte verkündeten, die Kampfhandlungen gegen Saddam Hussein eingestellt. Hierzu siehe Hughes, Robin: Badr Corps suspends military action against Iraqi regime. Jane’s Defence Weekly, 19.3.2003.

(FN 61) Vgl. Buchta, Wilfried: Who Rules Iran? The Structure of Power in the Islamic Republic. Washington 2000, S.65.

(FN 62) Prusher, Ilene R.: Iran sways Iraqis with food, aid. In: Christian Science Monitor, 9.6.2003.

(FN 63) RFE/RL, Iraq Report 6.28, 27.6.2003.

(FN 64) Smyth Gareth und Alden, Edward: Senior Cleric survives Iraq bomb attack. Financial Times, 25.8.2003.

(FN 65) Ich folge auch hier der von Prof. Cole vorgetragenen ausgezeichneten Interpretation der Ereignisse. Hierzu siehe Cole, Juan: Informed Comment. Internet-Dokument: www.juancole.com/2003_08_01_juancole_archive.html.

(FN 66) Smyth, Gareth und Spiegel, Peter: Shia leader among 75 killed by car bomb explosion in Iraqi Holy city. Financial Times, 30./31.8.2003; Grab im Herzen Najafs. Der Standard, 3.9.2003.

(FN 67) Dawn, 31.8.2003. Internet-Dokument: www.dawn.com/2003/08/31/top10.htm.

(FN 68) Cole, a.a.O.

(FN 69) Babakhan, Ali: The Deoportation of Shi’is During the Iran-Iraq War: Causes and Consequences. In: Abdul-Jabar: Ayatollahs Sufis and Ideologues, S.183-210; Die iranischen Behörden haben im Mai mit der Repatriierung der 200.000 irakischen Flüchtlinge auf freiwilliger Basis begonnen. Hierzu siehe RFE/RL, Iraq Report 6.24, 30.5.2003.

(FN 70) Nasrawi, a.a.O.; Cole, a.a.O.

(FN 71) Für den Lebenslauf Sistanis siehe: Internet-Dokument: www.najaf.org/English/About/About.htm und www.sistani.org/html/eng/; für Hashimi-Shahrudi siehe Buchta, Iran, a.a.O., S.192f. und seine Homepage http://www.shahroudi.org/.

(FN 72) Faleh, a.a.O., S.85.

(FN 73) An dieser Stelle kann auf die Funktion des Revolutionsführers nicht weiter eingegangen werden. Siehe Buchta, a.a.O., S.46-52.

(FN 74) RFE/RL, Iraq Report, 6.31, 17.7.2003.

(FN 75) http://www.nasrollah.org/ (FN 76) Luizard, Pierre-Jean: The Nature of the Confrontation Between State and Marja’ism: Grand Ayatollah Muhsin Hakim and the Baath. In: Faleh, Abdul-Jabar: Ayatollahs Sufis and Ideologues. State Religion and Social Movements in Iraq. London 2002, S.90-100; einen offiziellen Lebenslauf Sayyid Mohammed Baqir Hakims siehe auf der Homepage der SCIRI: www.sciri.org.

(FN 77) Faleh, a.a.O., S.79 Anm.

(FN 78) Shadid, Shiite Clerics; Posch, Irak, S.57ff.

(FN 79) RFE/RL, Iraq Report 6.26, 12.7.2003.

(FN 80) Iraq’s major political groupings. In: http://middleeastreference.org.uk/iraqiopposition.html.

(FN 81) Einen brauchbaren, wenn auch sehr einfachen Überblick über die Lage im Iran siehe bei Follath, Erich: Der Sanfte und der Schlächter. In: Allahs blutiges Land, der Islam und der Nahe Osten. Spiegel Special 2/2003, S.92-97, insbesondere das Interview mit Großayatollah Montazeri.

(FN 82) RFE/RL, Iraq Report, 6.27, 22.6.2003.

(FN 83) Hierzu siehe Faleh, Abdul-Jabar: Genesis and Development of Marjaism versus the State. S.61-85.

(FN 84) Blanford, Nicholas: How Iraqi democracy might look. Christian Science Monitor, 4.4.2003.

Mag. Dr. Walter Posch

Geb. 1966; 1985-1986 EF-Ausbildung; anschließend Reserveoffizierslaufbahn, Dienstgrad: Oberleutnant; 1986-1993 Studium der Turkologie und Islamkunde an der Universität Wien; 1993-1994 Studienaufenthalt in Istanbul; 1995-1999 Dissertation im Fach Iranistik in Bamberg/BRD; 1999 Privatwirtschaft; 2000 Dienst an der Landesverteidigungsakademie des Bundesheeres; 2001 Staatspreis der I.R. Iran für die Dissertation; 2002 Versetzung an das Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement an der LVAk.



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