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Burgenlandeinsatz 1921

Vor 90 Jahren kam das Gebiet des heutigen Burgenlandes zu Österreich. Doch erst nach heftigen Kämpfen gegen ungarische Freischärler erfolgte die Übergabe des Gebietes durch das Königreich Ungarn.

Anders als die anderen acht Bundesländer war das Gebiet des östlichsten österreichischen Bundeslandes bis 1921 Teil des Königreiches Ungarn ("Deutsch-Westungarn"). Durch den Friedensvertrag von St. Germain-en-Laye 1919 bestimmten die Siegermächte des Ersten Weltkrieges, dass dieser Teil Ungarns zur Republik Österreich kommen sollte. Die Übergabe war aber trotz des im darauf folgenden Jahr mit Ungarn abgeschlossenen Staatsvertrages von Trianon, einem der Pariser Vororteverträge, die den Ersten Weltkrieg formal beendeten, noch nicht durchgeführt worden. Nach der Unterzeichnung der "Venediger Protokolle" (BGBl. 138/1922) am 13. Oktober 1921 verpflichtete sich die ungarische Regierung endlich zum Abzug der bewaffneten ungarischen Freischärler und versprach, das Gebiet den österreichischen Behörden ordnungsgemäß zu übergeben. Im November 1921 besetzten Truppen des Bundesheeres das Gebiet, da ungarische Freischärler - finanziert von der ungarischen Regierung - mit Gewalt versuchten, eine Angliederung an Österreich zu verhindern und Verwaltungsorgane sowie die österreichische Gendarmerie attackierten. Am 5. Dezember 1921 übergab das Königreich Ungarn das Gebiet endgültig an die Republik Österreich. Über die Stadt Ödenburg (Sopron), die eigentlich als Landeshauptstadt vorgesehen war, musste eine Volksabstimmung durchgeführt werden. Diese entschied am 14. Dezember 1921, dass die Stadt beim Königreich Ungarn verbleibt. Bis 1924 hatte die Grenzregulierungskommission den endgültigen Verlauf der burgenländischen Grenze zu Ungarn festgelegt.

Zum Burgenland hat das Österreichische Bundesheer eine enge Beziehung, die heuer im Gedenkjahr 2011 besonders deutlich wird. 2011 wird das letzte Jahr sein, in dem das Bundesheer den Assistenzeinsatz leistet, genau 90 Jahre nachdem die frisch aus der Taufe gehobenen neuen Streitkräfte Österreichs halfen, das Burgenland an die Republik Österreich anzugliedern.

Ein Staat zerbricht

Noch vor der Unterzeichnung des Waffenstillstandes in der Villa Giusti bei Padua am 3. November 1918, erklärte Ungarn am 31. Oktober 1918 sein Ausscheiden aus dem Verband der Doppelmonarchie. Auf dem Boden des untergegangenen Staates waren neue Nationalstaaten entstanden oder es hatten sich ehemalige Kronländer anderen Staaten angeschlossen. Einige wurden jedoch entgegen dem von Präsident Wilson geforderten "Selbstbestimmungsrecht der Völker" als Kriegsbeute einer Siegermacht einverleibt (z. B. Südtirol an Italien, Teile der Steiermark an den SHS-Staat - das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen). Am Beispiel des "Kärntner Abwehrkampfes" von 1920 sieht man jedoch ein weitgehendes Scheitern eines solchen Versuches.

Der Name "Burgenland"

In den Komitaten (das sind ungarische Verwaltungseinheiten) Westungarns befanden sich große Gebiete mit deutschsprachiger Bevölkerung ("Deutsch-Westungarn"). Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte es Bestrebungen gegeben, die den Anschluss dieser Gebiete an den österreichischen Reichsteil gefordert hatten. Eigene deutschnationale Vereine unterstützten diese Bestrebungen (u. a. der "Verein zur Erhaltung des Deutschtums in Ungarn").

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erhob die neue Republik Deutschösterreich Anspruch auf die Gebiete des Königreiches Ungarn ("Staatserklärung über Umfang, Grenzen und Beziehungen des Staatsgebietes von Deutschösterreich" am 12. November 1918), die die Komitate Wieselburg (Moson), Ödenburg (Sopron) und Eisenburg (Vas) sowie einen Teil des Komitats Pressburg (Bratislava, Pozsony) umfassten. Der Name, der für das neue Gebiet vorgeschlagen wurde - "Vierburgenland" - überrascht daher nicht. Woher der Name "Burgenland" kam, ist umstritten. Wahrscheinlich stammt er von dem Apotheker Mag. Adalbert Wolf aus Neusiedl/See, der über gute Kontakte zu deutschnationalen Kreisen in Wien verfügte. Er hatte das Wort "Burgenland/Vierbürgen" analog zu "Siebenbürgen" gebildet. In den Verhandlungen zum Staatsvertrag von St. Germain 1919 wurde jedoch bald klar, dass Pressburg samt dem Komitat zum neuen Staat Tschechoslowakei kommen würde. Der Name "Dreiburgenland" wurde verworfen, wie auch die Bezeichnung "Heinzenland" ("Hienzen", "Heanzen" - Bezeichnung für die Bewohner des Mittel- und Südburgenlandes). Der Name stammt aus dem 11. Jh. und wurde für aus Bayern und anderen deutschen Gebieten eingewanderte Bauern verwendet.

Der Name "Burgenland" fiel bei einem Empfang von Anschlussbefürwortern durch Staatskanzler Dr. Karl Renner in Paris als Zwischenruf, wo Renner geantwortet haben soll: "Na gut, dann nennen wir das Land eben Burgenland". Später erklärte der aus Frauenkirchen stammende Dr. Gregor Meidlinger vom "Verein zur Erhaltung des Deutschtums in Ungarn", er habe den Zwischenruf getätigt. Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 25. Jänner 1921 wurde der Name "Burgenland" offiziell.

Schon im Jahr 1918 hatte es einen Versuch gegeben, eine eigene Republik auszurufen. Am 22. November 1918 rief in Mattersburg der Sozialdemokrat Karl Suchard die "Republik Heinzenland" aus, doch bereits einen Tag später beendete ungarisches Militär diesen Versuch. Suchard wurde verhaftet, zum Tode verurteilt aber nicht hingerichtet.

St. Germain und Trianon

Die Siegermächte des Ersten Weltkrieges sahen in der Republik Österreich und dem Königreich Ungarn die Nachfolgestaaten der Österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Friedensverträge - für Österreich der von St. Germain-en-Laye, für Ungarn der von Trianon - fielen entsprechend hart aus (Gebietsverluste, militärische und wirtschaftliche Einschränkungen). Jedoch sprachen die Siegermächte Österreich Deutsch-Westungarn zu.

In Ungarn selbst hatten sich die Verhältnisse radikal verändert. Statt der Monarchie hatte sich im März 1919 eine Räterepublik unter der Führung des Kommunisten Belá Kun gebildet, die versuchte, eingefallene Truppen aus den Nachbarländern aus Ungarn zu vertreiben. Noch im Sommer 1919 wurde diese Regierung, als rumänische und tschechische Truppen erneut in die Offensive gingen, gestürzt und unter rumänischem Schutz durch eine konservativ-reaktionäre unter Vizeadmiral Horthy ersetzt. Dieser verhinderte 1921 zwei Restaurationsversuche Kaiser Karls I. (in Ungarn: König Károlyi IV.). Der zweite endete am 23. Oktober 1921 in einem Gefecht nahe dem Budapester Vorort Budaörs.

In Deutschösterreich (Name Österreichs bis zum Ende der Friedensverhandlungen 1919) bildete man den "Grenzschutz Ost", um ein Überschwappen der Auseinandersetzungen in Ungarn sowie etwaige Restaurationsversuche im eigenen Land zu verhindern. Dieser Grenzschutz bestand in Niederösterreich aus rund 1 000 Gendarmen und in der Steiermark aus ehemaligen Offizieren, die im Mai 1919 durch Volkswehreinheiten verstärkt wurden.

In Ungarn selbst versuchte man den Gebietsverlust gegenüber Österreich zu verhindern, doch die Siegermächte ließen keine Diskussionen zu. Die Abtretung blieb ein Teil des Friedensvertrages, der am 26. Juni 1921 in Kraft trat. Massive Kampagnen gegen die "Rote Regierung" in Österreich und die "kommunistische Volkswehr" liefen an wie auch der Einsatz roher Gewalt, wobei der Erfolg dieser Kampagnen gering war. Verschiedene Freischärlerverbände besetzten Orte im Burgenland und terrorisierten die Bevölkerung. Ihre Anführer wie der ehemalige ungarische Ministerpräsident István Friedrich und Graf Tamas Erdõdy sowie Paul von Prónay und Iván Héjjas galten als äußerst brutal und rücksichtslos. Neben diesen paramilitärischen Einheiten existierten auch zwei ungarische Reservegendarmeriebataillone, die Ödenburg (Sopron) und Oberwart besetzten. Doch die schwachen Verbände verließen noch am 27. August 1921 das Burgenland.

Der Einmarsch der Gendarmerie

In Österreich hatte das Innenministerium eine große Anzahl von Gendarmen und Zollwachebeamten und eine Fernmeldekompanie zusammengezogen. Am 28. August 1921 rückten diese Kräfte in elf Marschkolonnen in das Burgenland ein. Die Siegermächte hatten angeordnet, dass sonst keine Verbände des Bundesheeres einrücken durften, garantierten aber am 30. August "eine unblutige Besetzung des Burgenlandes".

Schon am ersten Tag, bevor die Beamten die festgesetzten Linien erreichten, begannen die Zwischenfälle. In Siegendorf, St. Margarethen, Agendorf (heute: Ágfalva) oder auch in Stegersbach und Illmitz kam es zu Schießereien. Einige Orte wie St. Margarethen mussten die Gendarmen wieder verlassen. Auch in Eisenstadt fanden Scharmützel zwischen der Gendarmerie und Freischärlern statt, deren Angriffe über die ehemalige Grenze hinausgingen.

Am 5. September 1921 kam es nach Überfällen der Ungarn in Sinnersdorf, Allhau, Deutsch-Gerisdorf (heute: Ortsteil von Pilgersdorf) rund um den niederösterreichischen Ort Kirchschlag in der Buckligen Welt (Bezirk Wiener Neustadt-Land) zu einem Gefecht. Hier trafen die Freischärler auf reguläre Einheiten des Bundesheeres vom Infanterieregiment Nr. 5, die den Rückzug der Gendarmen deckten. Unter dem Feuer ihrer MG-Einheiten blieben alle Angriffe auf Kirchschlag liegen, und am Nachmittag zogen sich die Angreifer zurück. Zehn Bundesheerangehörige waren gefallen, daneben 21 ungarische Freischärler. Partisanenführer Héjjas ließ zwei Soldaten des Bundesheeres ermorden - sie seien "Kommunisten" gewesen. Auch in Agendorf attackierten Freischärler Gendarmen, die sich daraufhin zurückziehen mussten. Am 9. September 1921 rückten schließlich alle Verbände der Gendarmerie aus dem Burgenland ab.

An der Grenze zum Burgenland zogen nun Einheiten des Bundesheeres auf, um ungarischen Einfällen entgegentreten zu können. Das Infanterieregiment 1 (IR 1) eroberte am 11. September 1921 Bruckneudorf zurück. Die Siegermächte erlaubten dem Bundesheer einen Tag später auf die Linie Loretto, Hornstein, Steinbrunn, Zillingtal und Sauerbrunn vorzurücken, damit die Kohlebergwerke in Neufeld und Zillingtal besetzt werden konnten. Ein Angriff der Héjjas-Partisanen bei Bruckneudorf zwang Teile des IR 1 sich über den Leithakanal zurückzuziehen, doch ein Gegenangriff des Bundesheeres warf die Freischärler weit zurück, bevor sich beide Seiten eingruben.

Der "Westungarische Staat" ("Lajtabánság")

Ein scharfer Protest der Siegermächte vom 23. September 1921 forderte unmissverständlich die Räumung des Burgenlandes bis zum 3. Oktober, doch betraf dies nur die regulären Einheiten der ungarischen Armee. Die Freischärler blieben und versetzten die Gemeinden im Burgenland, aber auch in den angrenzenden Bundesländern durch ihre Raubzüge in Angst und Schrecken. Am 4. Oktober 1921 rief Paul von Prónay den "Westungarischen Staat" ("Lajtabánság") aus, wobei er sich auch gleichzeitig zum Banus erhob. Der Titel entspricht etwa dem eines Statthalters der ungarischen Regierung. Aus Offizieren der Freischärler bildete er eine "Landesversammlung". Die Attacken gegen Ortschaften (u. a. Bruck/Leitha) nahmen weiter zu.

Auf italienische und tschechische Vermittlung hin erklärte sich Ungarn zur Abtretung des Burgenlandes bereit, forderte jedoch eine Volksabstimmung über die Stadt Ödenburg (Sopron) und acht Umlandgemeinden. In diesen "Venediger Protokollen" vom 13. Oktober 1921 wurde es Österreich auch gestattet, mit dem Bundesheer das Burgenland zu besetzen. Mitten hinein kam der fehlgeschlagene Restaurationsversuch Kaiser Karls am 20. Oktober 1921. Die ungarischen Verbände teilten sich in königstreue Verbände und in solche, die dem Reichsverweser Horthy die Treue hielten. Große Aufregung gab es auch um angebliche Pläne zur Restauration der Habsburger in Österreich, die jedoch nach dem Ende der Restaurationsbestrebungen in Ungarn bedeutungslos wurden.

Durch die innerungarischen Ereignisse konnten Teile der Gendarmerie wieder ins Burgenland einrücken, wurden aber bald wieder in Gefechte mit den Freischärlern verwickelt. Die ungarische Regierung ging gegen diese jetzt energisch vor, und reguläres Militär zwang die Partisanen zum Abzug nach Ungarn.

Der Einmarsch des Bundesheeres

Am 1. November 1921 begann der Aufmarsch des Bundesheeres an der Grenze mit rund 3 200 Mann, die ab dem 11. November in das Burgenland einrückten. Wegen der geringen Anzahl von Soldaten erfolgte der Einmarsch in zwei Abschnitten. Vereinzelt gab es noch Gefechte mit den Freischärlern, doch die Truppen rückten ohne größere Schwierigkeiten bis zur Landesgrenze vor. Von der Bevölkerung wurden die Soldaten mit Erleichterung empfangen. Insgesamt hatte das Bundesheer bei diesem Einsatz 28 Tote zu beklagen.

In weiterer Folge konnte die Zivilverwaltung ihre Arbeit aufnehmen, und das Burgenland wurde in das Staatsgefüge Österreichs eingegliedert.

In der nachfolgenden Volksabstimmung entschieden sich die Bewohner von Ödenburg - vermutlich unter massiver Wahlfälschung seitens Ungarns - für den Verbleib beim Königreich. Das Bundesheer hatte seinen ersten Einsatz mit Bravour bestanden.


Autor: Mag. Martin Prieschl, Jahrgang 1976. 2004 Wehrdienst im Panzergrenadierbataillon 13, Angehöriger des Milizbataillons Oberösterreich. Studium der Rechtswissenschaft und Geschichte an der Universität Salzburg. Abschluss in Geschichte 2003 mit Auszeichnung; Auszeichnung des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für die besten Studierenden 2003/2004; Ausbildung zum Archivar am Institut für Österreichische Geschichtsforschung und der Fachhochschule Potsdam (Archiv, Bibliothekswesen, Dokumentation); Dissertation an der Universität Wien. Nach dem Studium neben zahlreichen Publikationen u. a. Tätigkeiten im Verlagswesen; Hospitant im Kriegsarchiv; im Haus-, Hof- und Staatsarchiv und im Parlamentsarchiv sowie als Koordinator und Mitgestalter der Ausstellung "Liberale Politik in Österreich" (Parlament, 2006). Seit März 2007 Archivbeauftragter der Evangelischen Kirche A und HB sowie Archivar der Diözesen Niederösterreich und Salzburg-Tirol. Seit 2009 Geschäftsführer der Firma Archivtechnik&Systeme.

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